Steine der Erinnerung
Die Spirale symbolisiert das immer wiederkehrende Leben. So erinnern die in solcher Form aufgestellten Steine an Frauen, die keinen Grabstein mehr haben.
Frauen dem Vergessen entreißen, sich ihrer wieder erinnern ist der Sinn, diese Steine im Garten der Frauen aufzustellen.
Dr. Margarete Adam
Hochschullehrerin, leistete Widerstand gegen das NS-Regime, ohne einer Widerstandsgruppe anzugehören
13.07. 1885 - starb in den letzten Januartagen 1946 in Berlin
Dr. Margarete Adam, Dozentin an der Hamburger Universität und an der Volkshochschule in Hamburg, entstammte einer deutsch-nationalen Familie und war überzeugte Katholikin. In den ersten Jahren der Herrschaft des Nationalsozialismus wandte sie sich in Briefen und Flugblättern an Reichswehroffiziere und bekannte Personen des öffentlichen Lebens in der Hoffnung, dass diese Menschen bereit und imstande seien, Hitler zu stürzen. 1937 wurde Dr. Margarete Adam verhaftet und zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie kam in die Frauengefängnisse Lübeck-Lauerhof und Cottbus und dort in Einzelhaft. 1944 wurde sie wegen Haftunfähigkeit in das Krankenhaus Rosstal bei Dresden und später in die Berliner Charité gebracht, wo sie in den letzten Tagen des Januars 1946 starb.
Mara Arndt
Photo: privat
"Der Engel der Gefangenen"
15.12.1900 Palmnicken/Samland - 2.6.1964 Hamburg
Vor dem Zweiten Weltkrieg betrieb Mara Arndt eine kleine Buchhandlung mit Antiquariat in der Französischen Straße in Königsberg. Während des Krieges floh sie nach Dänemark und begann dort mit der Flüchtlingsbetreuung, was zu ihrer weiteren Lebensaufgabe wurde. Von Dänemark kam sie über Bremen nach Hamburg und baute hier eine private Vermisstenkartei auf. Ihr Organisationstalent und ihre unermüdlich tätige Nächstenliebe waren dabei ihre einzigen Hilfsmittel. Sie schickte Briefe und Pakete in die Gefangenenlager und wurde für Tausende von Häftlingen westlicher und östlicher Kriegsgefangenenlager die einzige Hoffnung. Mara Arndt gelang die Freilassung von über 4500 Kriegsgefangenen. Wegen ihres Engagements wurde sie jahrelang diffamiert und sogar der Spionage für den "Osten" verdächtigt. 1960 bekam sie das Bundesverdienstkreuz verliehen. Sie lebte von einer sehr geringen Rente in der Pestalozzistraße 29 b.

Quelle: Albertinen-Diakoniewerk e.V.
Albertine Assor
Gründerin u. Leiterin, erste Oberin, der später nach ihr benannten, evangelischen Diakonie- und Krankenanstalten
22.3.1863 Zinten/Ostpreußen - 22.2.1953 Hamburg
Albertine Assor, deren Vater nach jahrzehntelanger Arbeit als Maurerpolier Prediger in Baptistengemeinden wurde, wandte sich der Gemeindediakonie zu, wurde 1891 Gemeindeschwester in Berlin-Moabit und kümmerte sich um arbeitslose junge Frauen und Straßenkinder. 1894 arbeitete sie in einem Bochumer Wohnheim für junge Frauen, ab 1895 als Gemeindeschwester im Berliner Norden, ab November 1902 dann als Oberin des Diakonissenhauses Tabea in Altona. Ihre selbstbewussten Ansichten kollidierten mit der Weltfremdheit des Hausvorstandes des Diakonissenhauses und dem dortigen männlichen Regiment. 1907 kam es zum Bruch:
Albertine Assor wurde entlassen. Daraufhin gründete sie am 1.5.1907 zusammen mit sieben weiteren abtrünnigen Schwestern in einer kleinen Mietwohnung in der Fettstraße 20 das baptistische Diakonissen-Mutterhaus Siloah. Albertine Assor führte für die Schwestern u. a. das Mitbestimmungsrecht ein und sorgte dafür, dass sie sozialversichert wurden.
Die Hilfe von Frau zu Frau war für Albertine Assor ein wichtiges Element, um Frauen ein neues Selbstwertgefühl zu geben. So übernahm sie im Januar 1909 ein Mädchenheim für alleinstehende erwerbstätige Mädchen in Hamburg-Eilbek, gründete 1910 den Schwesternverband, kaufte 1918 ein Haus in der Tornquiststraße 50, das zum Mutterhaus umgebaut wurde.
Eifersucht, Ehrgeiz und Unverstand führten im Oktober 1919 zur Suspendierung Albertine Assors von ihrem Amt als Oberin bei Siloah. Sie zog zu Verwandten nach Ostpreußen und organisierte bereits ein Jahr später die Wanderfürsorge. 1921 wurde sie die 1. Vorsitzende des Schwesternverbandes, im Januar 1922 Leiterin eines christlichen Erholungsheimes in Schorborn. Als Siloah in eine Krise geriet, bat man um Albertine Assors Rückkehr nach Siloah. Im März 1925 wurde sie wie-der als Oberin eingesetzt. 1927 pachtete sie für Siloah das Krankenhaus Am Wei-her, das ab 1928 eine eigene Kranken-pflegeschule erhielt. Weitere Einrichtungen der Schwesternschaft u. a.: 1928 Kauf des Hauses Tornquiststraße 48 als Altenheim; 1930 Umzug des Mädchenheims in die Heimhuderstraße 78, dort Einrichtung eines Leichtkrankenhauses für Frauen. 1935 Kauf des Hauses Mittelweg 111 als Leichtkrankenhaus für Männer. 1938 Kauf der Klinik Johnsallee.
1941 legte Albertine Assor ihr Amt nieder. Kurz darauf wurde auf staatliches Drän-gen der jüdische Name Siloah "getilgt" und das Werk in Albertinen-Haus umbenannt. Heute trägt das Werk zu Ehren seiner Gründerin den Namen Albertinen-Diakoniewerk e.V. Es gehört zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Das Albertinen-Krankenhaus und die Altenwohnanlage befinden sich in Hamburg Schnelsen.
Rosa Bartl, geb. Leichtmann
Photo: privat

Grab & Grabstein existieren nicht mehr
Photo: privat




Erinnerungsstein in Form eines Zauberzylinders. Im Zylinder steckt ein hölzernes Kaninchen
Illusionistin, Zauberhändlerin, eine der vier "Magischen Schwestern" der "Leichtmann-Zauber-Dynastie", ab 1950 Mit-Inhaberin "Zauberzentrum János Bartl" Hamburg; NS-Verfolgte Hamburg
17.7.1884 Wien - 23. 9.1968 Hamburg
Warburgstraße 47 (1910 erwarben Rosa und János Bartl ein Erbbaurecht in der seinerzeitigen Klopstockstraße-Fontenay; 1947 wurde diese Straße umbenannt in "Warburgstraße". Unter der Adresse "Warburgstraße 47" lebten Bartls bis zum Tode von Rosa 1968. 1962 - 1968 war die Warburgstraße gleichzeitig Geschäftsadresse.)

"Zauber Bartl" / Geschäfts-Anschriften: Colonnaden 5 (erste gewerbliche Anschrift ab 1910 lautete "Akademie für moderne magische Kunst", Quelle z. B Hamburger Adressbücher) ; Neuer Jungfernstieg 1 (1. Zauber Bartl-Geschäft 1910 - 1930); Jungfernstieg 24 (2. Zauber Bartl-Geschäft 1930 -1952); Neuer Jungfernstieg 22 (3. Zauber-Bartl-Geschäft 1952 - 1962); Warburgstraße 47 (4. Zauber-Bartl-Geschäft 1962 -1968 im Privatdomizil)

"Wenn in den 1930er Jahren Zauberfreunde miteinander fachsimpelten und dabei die Rede auf Hamburgs "Zauberhändler vom Jungfernstieg" kam, dachten sie an den Firmeninhaber János Bartl, der den vielseitigen Service-Betrieb leitete, ebenso aber an seine in der Fachwelt unvergessene Ehefrau Rosa. Ihr war das Detail-Geschäft anvertraut. Während János Bartl üblicherweise im Hintergrund wirkte, führte seine Frau verantwortlich vor den Kulissen die Regie. Rosa Bartl war nicht nur eine exzellente Illusionistin sondern auch eine ausgezeichnete Verkäuferin." So schilderte der einstige Zauberhistoriker Werner Johannsen 1997 seine persönlichen Erinnerungen an die Blütezeit des renommierten Hamburger Zauberhauses Bartl. In seinem Artikel "Die Zauberhändler vom Hamburger Jungfernstieg" schrieb Johannsen weiter: "Besuchern im Zauberladen wurde keine Zeit gelassen, einzelne Kunststücke näher zu betrachten. "Wieselflink" huschte eine kleine schwarz gekleidete Dame aus einer Deckung hervor, um den Ankömmling in Empfang zu nehmen. Dies geschah immer in gleicher Weise, in einer höflichen Anrede in der dritten Person: "Womit kann ich meinem
Kunden dienen? Was wünscht der Herr (die Dame) auszugeben?", fragte sie in einem Tonfall, der auf eine österreichische Herkunft schließen ließ. Das war Madame Bartl, die hier das Sagen hatte. Wer das nicht wusste, dem wurde dies bald durch einen Verkäufer signalisiert. Im Gespräch mit einem Kunden wechselte Frau Bartl (wie sie sich selbst nannte) schon mal zum "Sie" der Anrede über. Ein vertrauliches "Du" kam ihr nie über die Lippen. Ältere Schulkinder wurden grundsätzlich von ihr gesiezt, was deren Kauflust in der Regel steigerte. - Ein Besucher, der nichts Besonderes suchte, wurde an eine Verkäuferin weitergereicht. Wer sich aber aus den hervorragend bebilderten Bartl-Katalogen einen anspruchsvollen Trick herausgesucht hatte, dessen Vorführung Geschicklichkeit erfordert, der wurde von der Chefin persönlich bedient.
Im Nu hatte sie die Zaubertricks parat, die ihre Kunden interessierten, und begann mit der Demonstration. Rosa Bartl zauberte meisterlich, mit einem charmanten Begleitvortrag. Nie sah man bei ihr etwas "blitzen", was eine Desillusionierung bewirkt hätte. Welcher Zauberadept wollte da nicht das "Know-how" für das von Frau Bartl zelebrierte Wunder erfahren? In neun von zehn Fällen waren ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt. Erst wenn der Kunde sich zum Kauf entschlossen hatte, legte die Zauberfee die geheimen Hilfsmittel auf den Tisch. Dann begann sie damit, Instruktionen zu erteilen, wie und an welcher Stelle die "zauberischen Hilfsgeister" einzusetzen waren. Jeder Käufer sollte nach eigenem Üben in der Lage sein, mit Bartl-Requisiten erfolgreich zu zaubern. War der Unterricht beendet, ertönte aus ihrem Munde ein schneidend-lautes "Der Kunde zahlt". Die eingetütete Ware wanderte zur Kasse. Die weiteren Formalitäten übernahm die Kassiererin. Rosa Bartls Art entsprach es nicht, Geldbeträge entgegen zu nehmen und Zahlungsbelege auszustellen."
"Die Mutter der Hamburger Zauberkünstler" - so ihr Ehrentitel in Fachkreisen - kam 1884 als gebürtige Rosa Leichtmann in Wien zur Welt. Ihr Vater Josef Leichtmann (03.01.1855 Kisvárda/Ungarn - 25.3.1929 München) war Kaufmann, Zauberhändler und Artist. 1880 zog Leichtmann von Ungarn nach Wien in die Metropole der damaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie. Hier heiratete er seine aus Warschau stammende Frau Leonia, eine geborene Gantower (13.03.1854 Warschau/Polen - 29.11.1933 München).
Während der Wiener Zeit des jüdischen Ehepaares (1881 bis 1892) wurden in der Donaumetropole vier ihrer fünf Kinder geboren: Stammhalter Maximilian (1881) und die Töchter Charlotte (1882), Rosa (1884), Melanie (1887). Nesthäkchen Leonie kam 1895 in Berlin zur Welt. - Die Leichtmann-Töchter gingen als "Magische vier Schwestern" in die Zaubergeschichte ein. Während der 1880er Jahre legte Ehepaar Leichtmann in Wien zunächst mit Läden für "Galanterie- und Nürnberger Waren" den Grundstein zum wirtschaftlichen Erfolg. - Josef Leichtmanns Liebe aber gehörte der Zauberkunst. Er war der Gründervater der "Leichtmann-Zauberdynastie" mit seinen Zauberkönig-Geschäften in Berlin, Köln, München und Zauber Bartl Hamburg. - 1884 begab er sich von Wien aus auf eine längere Geschäftsreise nach Deutschland, um dort "Boden" zu machen. In jenem Jahr gründete er seine beiden ältesten "Zauberkönig-Geschäfte" - zuerst in München, dann in Berlin.
1909 entstand in Köln ein dritter Leichtmann-Zauberladen, zunächst namentlich "Steinböck und Leichtmann zum Zauberkönig". Hintergrund: Josef Leichtmann (die Familie lebte damals bereits in München) hatte seine schwangere Tochter Melanie geradezu "verpflichtet", München zu verlassen, um mit ihrem 30 Jahre älteren Geliebten Eduard Steinböck - ein honoriger Kapellmeister am Münchner Gärtnerplatztheater - in Köln ein Scherzartikelgeschäft zu eröffnen. Das Paar beugte sich dem Diktat. - Hier kam nun Melanies patente Schwester Rosa Leichtmann (später verheiratete Bartl) ins Spiel: Rosa begleitete Schwester Melanie von München nach Köln und half, das Geschäft in der Hohestraße aufzubauen. Aber sie half im Laden nicht nur aus. Die exzellent zaubernde Rosa wurde Gesellschafterin. - Wenige Monate nur währte das schwesterliche "Teilhaberinnen-Glück". "Amore" stellte andere Weichen. Im Dezember 1909 betrat der junge János Bartl alias "ARADI" das Zauberreich der Schwestern. Rosa fing Feuer. Sie verliebte sich in den smarten ungarischen Zauberkünstler, ein gelernter Buchbinder und Vergolder (János Bartl, 13.4.1878 Nagybecskerek/Ungarn, heute Zrenjanin/Republik Serbien - 27.9.1958 Hamburg). Nach einer Wirbelwindromanze brannte das Paar nach London durch. Im Frühjahr 1910 waren die jüdische Rosa Leichtmann und der katholische János Bartl in London-Shoreditch standesamtlich verheiratet. Die emanzipierte Rosa war die erste dreier Leichtmann-Töchter, die sich getraut hatte, einen nicht-jüdischen Ehemann zu heiraten.
Nach ihrer Eheschließung gründete das zauberbegeisterte Paar zunächst in Aachen ein Scherzartikelgeschäft. Schon Monate später ließen sie sich in der Hansestadt nieder. Bartls Entscheidung pro Hamburg kam nicht von ungefähr. Die Metropole Berlin, aber auch Köln und München waren familiär bereits mit "Leichtmann Zauberkönig-Geschäften" "besetzt". - Der Berliner Zauberladen auf der Friedrichstraße lag seit 1906 in Händen von Arthur und Charlotte Kroner (die älteste Leichtmann-Tochter). - In Köln auf der Hohestraße führte Melanie Leichtmann (seit 1911 nun verheiratete Steinböck) Regie als "Zauberkönigin". Die Bayernhauptstadt München galt als Familien-Stammsitz der Leichtmanns. Der "Zauberkönig" im dortigen historischen "Stachus-Kiosk" sollte einmal der jüngsten Leichtmann-Tochter Leonie, verheiratete Mösch, überantwortet werden.
Das maritime Hamburg an der Schwelle des 20. Jahrhunderts galt als "das Tor zur Welt". Überseehandel, prosperierende Wirtschaft und rasante Industrialisierung ließen die Hansestadt zu einer der modernsten und reichsten Städte Deutschlands werden. Rosa und János Bartl strebten nach Unabhängigkeit und wirtschaftlichem Erfolg. Ihr Entschluss, in Hamburg ein Zauberimperium mit Exportmöglichkeiten nach allen Teilen der Welt aufzubauen, stand unter einem guten Stern. Dort war fruchtbarer Boden auch für die Illusionskunst; 1912 wurde im heutigen Hamburg-Altona der älteste deutsche Magische Zirkel gegründet - einer der frühesten Magier-Klubs weltweit.
Bartls erste gewerbliche Hamburger Geschäftsadresse 1910 lautete: Colonnaden 5. Hier tauchte auch zum ersten Mal der Name "Bartls Akademie für moderne magische Kunst" auf Nur wenige Schritte von den Colonnaden entfernt eröffnete "Zauber Bartl" kurz darauf in einem attraktiven Eckhaus am Neuen Jungfernstieg 1 sein erstes Zauber- und Scherzartikelgeschäft. - Noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs brachte die Firma ihren großen 316-seitigen Zauberkatalog heraus.
1910 kam Sohn Hans (15.12.1910 - 3.41986 Hamburg) zur Welt. 1913 wurde Tochter Elly geboren (22.11.1913 Hamburg - 3.4.1996 Stockholm/Schweden). Die Bartls liebten ihre Kinder. Leidenschaft und Passion ihres Lebens aber gehörten der Zauberkunst. Weder Hans noch Elly gelang es, je einen ersten Platz im Leben ihrer Eltern einzunehmen.
Der erste Weltkrieg (1914 - 1918) machte es dem Zauber-Unternehmen schwer. János Bartl war bei Kriegsausbruch auf Geschäftsreise in Großbritannien. Die Zeit bis zum Waffenstillstand verbrachte er als Zivilinternierter auf der britischen Insel "Isle of Man". Rosa oblag es, das Geschäft am Neuen Jungfernstieg allein weiterzuführen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs fusionierten die Zauberhändler Bartl und die Hamburger Requisiten-Fabrikanten "Carl und John Willmann" über einen Zeitraum von fünf Jahren. Von Juli 1919 bis August 1924 schlossen sich der Händler und der Fabrikant zur offenen Handelsgesellschaft OHG "Vereinigte Zauberapparate-Fabrik Bartl & Willmann" zusammen. Eine sinnvolle "Firmen-Zweckgemeinschaft", die sich aber wegen Partnerdifferenzen 1924 wieder auflöste.
Nach dem Ende der Fusion "Bartl & Willmann" und der Einführung der stabilen Reichsmark im Jahre 1924 beantragte János (Johann) Bartl im Frühjahr 1925 für sich und seine Familie den Erwerb der "Hamburger Staatsangehörigkeit". Er berief sich darauf, aus einer deutschen katholischen Handwerker-Familie zu stammen, die einst nach Ungarn ausgewandert war. Nach einem langwierigen Einbürgerungsverfahren - bei dem auch der Werdegang seiner Frau Rosa penibel auf Lauterkeit nachverfolgt wurde - erhielt János Bartl am 3. September 1925 für sich, seine Frau Rosa und seine beiden Kinder die "Einbürgerungsurkunde der Freien und Hansestadt Hamburg".
Ende der 1920er Jahre hatten Rosa und János Bartl den Sprung "vom Zauberhändler zum Fabrikanten" geschafft. Es gab aber auch geschäftlich einschneidende Veränderungen.1930 wurde das gründerzeitliche Eckhaus "Neuer Jungfernstieg 1" mit Bartls Zauberladen zugunsten des heutigen "Prien-Hauses" (auch: "Alstereck"/"Nivea Haus") abgerissen. Zauber Bartl musste umziehen. Rosa und János fanden attraktive Geschäftsräume in einem schmalen Bürohaus am Jungfernstieg 24, ehemals direkt neben einer großen Filiale der Dresdner Bank. Außenwerbung konnte hier kaum angebracht werden. János Bartl engagierte daher einen "werbenden Talermann" - eine Art "Sandwich-Man" mit Zylinder und wallendem Mantel voll aufgenähter, hörbar klimpernder Münzen. Tag für Tag stapfte er vor Bartls Laden auf und ab und verteilte Werbezettel an staunende Passanten."
Zauberhistoriker Werner Johannsen beschrieb in seiner Abhandlung "Die Zauberhändler vom Hamburger Jungfernstieg" die Besonderheiten des neuen Geschäfts am Jungfernstieg 24: "Den "Zauber Bartl"-Laden fand man, wenn man einen tunnelartigen Gang durchschritten hatte. Hinter der Ladentür gelangte der Besucher in einen Raum, der in seiner Ausstattung einzigartig war. Der schlauchartig sich in die Tiefe erstreckende Raum wurde am Ende durch eine märchenhafte Versuchsbühne abgeriegelt." Viele Illusionisten und Zauberkünstler wie Horace Goldin, Arnold de Bière, Lewis Davenport, Bellachini u.v.a.m. haben hier erworbene Kunststücke eingeübt. Zu den Räumlichkeiten des Geschäfts gehörte auch eine moderne feinmechanische Werkstatt. - Zwei Meister aus früheren "Bartl & Willmann"-Zeiten standen János Bartl mit ihrem Fachwissen zur Seite.
Die 1930er Jahre galten als Epoche des "Bartl-Booms" vor dem Zweiten Weltkrieg. Zu den genialen Bartl-Erfindungen zählten das Verschwinde-Kästchen "Silkwonder Superb", der Verkaufsschlager "Cobra" ("Indische Schlangenbaumwurzel"), das Flüssigkeitswunder "Evaporation", aber auch viele weitere Illusionen und Neuerungen. - Achtzig abgelaufene János Bartl-"D.R.G.M.-Patente" (Deutsches Reichs-Gebrauchsmuster) im Berliner Patentamt aus den 1920er bis 1930er Jahren zeugen von jener erfinderisch vielseitigen Bartl-Ära.
Auch so wird eine Anekdote verständlich: "Der Herr Direktor ist nicht im Hause", unter diesem, bei Zauberern wohlbekannten Vorwand ließ die Bartl-Chefin bisweilen selbst beste Zauberfreunde schnarrend abblitzen, wenn sie mit János fachsimpeln wollten oder künstlerische Höhenflüge ihres hinter einem Paravent tüftelnden Mannes hätten stören können.
"ETUISO" - eine besondere Rosa Bartl-Erfindung, bereicherte das umfangreiche Trickrepertoire ihres Mannes. Mit "Etuiso - das neueste Zigarettenetui" machte Rosa Bartl als eigenständige Erfinderin Furore! Werner Johannsen schrieb dazu: "Eine brennende Zigarette wird in eine vernickelte Röhre geschoben, in der sie spurlos verschwindet. Statt der Zigarette findet der Zuschauer in der Hülse einige Streichhölzer. - Wer Etuiso in seiner Tricksammlung hat, weiß, dass die Zubehörteile äußerst präzise gefertigt wurden. Auch ein sehr aufmerksamer Zuschauer findet keine Anhaltspunkte dafür, wie das ´Verschwinde-Wunder" zustande kommt", erklärte der Zauber-Historiker Johannsen. Und er fügte hinzu: "Der Firmengründer übertreibt wohl nicht, wenn er Anfang der 1930er Jahre sein Unternehmen als "größtes Spezialhaus der Branche" bezeichnet."
Geschäfte in der Zeit bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges machten Bartls glänzende. Um 1934 wurden sie von der Hamburger Handelskammer als Geschäft ausgezeichnet, das in der Hansestadt in einer Woche den höchsten Betrag an Bar-Devisen eingenommen hatte. Rund 60.000 US-Dollar häuften sich damals in Rosa Bartls Kasse. Der zauberbegeisterte US-Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945) hatte seinen Finanzstaatssekretär William W. Durbin gebeten, bei Bartl am Jungfernstieg Illusionen in beträchtlichen Dimensionen zu erwerben. Dieser zauberhafte "Rosa-Bartl-Coup" nötigte selbst der hanseatischen Kaufmannschaft Respekt ab.
Mit der Machtübernehme der Nationalsozialisten 1933 begann für die Leichtmann-Familie mit ihren Zauberkönig-Geschäften in Berlin (Charlotte und Arthur Kroner), Hamburg ("Zauber Bartl" mit Rosa und János), Köln (Melanie und Eduard Steinböck) wie München (Leonie und Otto Mösch) ein verzweifeltes Ringen um die Existenz. Rosa und ihre "Magischen Schwestern" waren - wie auch Arthur Kroner in Berlin - Juden. In jener konflikt- und spannungsgeladenen Zeit dramatischer Verfolgungen und Hetzjagd auf alles Jüdische zerbrachen Familien und familiäre Bande. Die Dramen der Leichtmann-Familie spielten sich in Berlin und Köln ab. Aber auch hier gab es "Wunder":
Ehepaar Kroner in Berlin und ihre älteste Tochter Meta wurden Opfer des Holocaust. Einem Teil der jungen Familie Kroner - zwei Töchtern mit ihren Ehepartnern und Kindern - aber gelang 1939 gerade noch die Flucht aus Deutschland.
Die Kölner Zauberkönigin Melanie Steinböck - bereits seit 1926 Eduard Steinböcks Witwe - wurde 1943 von den Nazis aus dem zerbombten Köln in das KZ Theresienstadt verschleppt (Terezin, errichtet 1940-1945 auf dem im "Dritten Reich" besetzten Gebiet des damaligen Böhmen und Mährens, heute Tschechische Republik). Sie überlebte, kehrte 1945 nach Deutschland zurück und baute inmitten von Schutt und Asche der Kölner Hohe Straße dort ihren Zauberkönig wieder auf.
In der Hansestadt Hamburg überlebten wie durch ein Wunder Rosa und János Bartl mit ihren Kindern Hans und Elly. Eine entscheidende Rolle dürfte gespielt haben, dass Rosa (wie Schwester Leonie Mösch, die in München die NS-Zeit ebenfalls unbeschadet überlebte,) in sogenannter privilegierter Mischehe mit einem christlichen Ehemann verheiratet war. - Psychisch erleichternd könnte gewesen sein, dass Rosa Bartl - wie auch Schwester Leonie - keinen gelben Judenstern tragen musste. In Bartl-Familienkreisen mutmaßt man, Rosa und János hätten Schutz im Hamburger Senat gehabt. Ebenfalls denkbar: Als hoch geschätzte "Zauberhändler vom Hamburger Jungfernstieg" könnten die Bartls hinter den Kulissen brauner Machtstrukturen Fürsprecher beim Magischen Zirkel gehabt haben, dem sie sich - auch als Nichtmitglieder - ein Leben lang eng verbunden fühlten.
Rosa Bartl erlebte während der Nazi-Zeit Schikanen, Demütigungen und diverse Gestapo-Vorladungen. Sie durfte ihr geliebtes Zaubergeschäft nicht mehr betreten. Eines Tages - so weiß Bartl-Enkel Bernd zu berichten - soll ein typischer "Möbelwagen der Gestapo" vor der Bartl-Villa geparkt haben. Es heißt, Rosa hätte nach Theresienstadt deportiert werden sollen. Sie rettete sich "dank" einem Schnitt in die Pulsader. 1945 war Rosa Bartl als eine von nur 647 jüdischen Überlebenden des Holocaust im Raum Hamburg gemeldet.
Ein treuer Bartl-Kunde erinnerte sich an seinen ersten Besuch in "Bartls Reich" am Jungfernstieg nach dem Krieg: Dort saß "inmitten eines gänzlich leeren Geschäfts mit gähnend leeren Vitrinen Rosa Bartl. Ansonsten schien alles wie vor dem Krieg zu sein. Auch Rosas vertrauter Willkommensspruch: "Womit kann ich meinem geschätzten Kunden dienen? - Was wünscht der geehrte Kunde auszugeben?"" Der Zauberkunde verlangte aus dem Bartl-Katalog Tricks "für sehr viel Geld". Aber Rosa gestand, dass es die Requisiten "umständehalber" nicht gab." Bis zur Währungsreform 1948.
Zwischen 1948 und 1950 traten entscheidende Wandelungen in der Bartl-Firmenstruktur ein. Im Februar 1948 benannten Rosa und János Bartl ihr Geschäft in "Zauberzentrum János Bartl" um. Die neue Firmenbezeichnung soll auf Anregung von Rosa Bartl entstanden sein. Kurz zuvor, im Mai 1949, besiegelte der Artikel 3, Abs.2, des neuen Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland die Gleichberechtigung für Mann und Frau. Sogleich übernahm das Zauberzentrum János Bartl die neue Gleichstellung: 1950 wurde Rosa Bartl Gesellschafterin ihrer Firma. Das "Zauberzentrum János Bartl" firmierte ab sofort als offene Handelsgesellschaft (OHG).
1952 mussten Rosa und János Bartl noch einmal an der Binnenalster umziehen. Die Dresdner Bank, auf deren Gelände sich die von Bartl gemieteten Geschäftsräume befanden, meldete nach zwanzig Jahren Eigenbedarf an. So kam es zur Kündigung für den Traditionszauberladen am Jungfernstieg 24 Ein ehemaliger Röhrenbunker des Zweiten Weltkriegs, nahe Lombardsbrücke und Esplanade, wurde Bartls neues Domizil.
Im Bunker mussten einschneidende Veränderungen in Kauf genommen werden. In der schmalen, schlauchartigen Schutzanlage gab es weder Platz für eine Versuchsbühne noch für eine feinmechanische Werkstatt. Im räumlich begrenzten hinteren Ladenteil konnten lediglich Tricks, Schabernack- und Silvesterscherzartikel gefertigt werden.
"Lachen ist gesund" lautete die Devise nach zwei Weltkriegen. Bartls mussten die neuen Gegebenheiten hinnehmen. So verwandelten sie Ihr Bunkerkellerreich mehr und mehr in ein Scherzartikelgeschäft.
Ein besonderes Flair hatte der zum Zauberladen umfunktionierte "3-Röhren-Schutzbunker". Man musste zunächst in eine Art kühle Kellergruft hinabsteigen, um bei Bartls Staunen und Wundern zu erlernen. Unten im Illusionsreich schaltete und waltete wie eh und je Madame Rosa und zog Dukaten aus Nasen, Ohren und Geldbörsen ihrer verblüfften Klientel. Mitunter zauberte sie die Münzen auch in die Taschen ihrer glückstrahlenden Enkel, erinnert sich Birgit Bartl-Engelhardt, Enkelin und Autorin des am 21. August 2019 in Hamburg erschienenden Werks "Die Bartl-Chronik Hamburg".
Am 27. September 1958 starb János Bartl. Vier Jahre später sah sich Rosa gezwungen - nach zähem Ringen mit der Stadtverwaltung um Kündigungsaufschub - ihren Zauberbunker an der Alster endgültig aufzugeben. Unter dem Motto "Unsere Stadt soll grüner werden", im Zusammenhang mit der Internationalen Gartenbauausstellung IGA 1963, wurde der Röhrenbunker 1962 abgerissen. Rosa Bartl musste mit ihrem Zauberinventar noch einmal umziehen. Dieses Mal in ihre Privatvilla in der Warburgstraße 47. Dort vertrieb die betagte Illusionistin noch sechs Jahre lang "Bartls begehrte Zauberrequisiten".
1968 sollte die ruhig gelegene Stadtvilla der früheren Fontenay-Gesellschaft abgerissen werden. Printmedien und Fernsehen waren informiert. Alle wollten Rosa Bartl - "die Grande Dame" der Hamburger Zauberkunst - noch einmal live erleben. So auch Filmemacher Ernst Günter Paris. Er durfte seinerzeit im Auftrag des WDR-Fernsehens in "Bartls Hexenhäuschen" drehen. Zwischen Glimmer, Glitzer, Geisteruhren war die Mutter der Hamburger Zauberkünstler in ihrem Element. Madame Bartl, bekannt als strenge Bewahrerin großer Tricks und kleiner Bluffs, zeigte ein letztes Mal auf ihrer Lebensbühne eine zauberisch tadellose Darbietung. Im WDR-Sechs-Minuten-Film "Mini Magie" demonstrierte sie noch einmal bekannte Bartl-Tricks wie "Cobra" oder "Fidelicus". (Der gesamte Film von 1968 aus dem WDR-TV-Magazin "Bitte umblättern" ist zu sehen auf Youtube unter dem LINK: https://www.youtube.com/watch?v=sMFg57Di50U).
Am 23. September 1968 starb Rosa Bartl mit 84 Jahren einsam, verbittert und ihrer nicht würdig. - In ihren letzten Lebenstagen wurde sie "zwangsentmündigt" in die Hamburger "Nervenheilanstalt" Langenhorn/Ochsenzoll eingewiesen (heutige Bezeichnung: Klinik Nord Ochsenzoll). Jànos und Rosa Bartl fanden ihre letzte Ruhe auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Das Nutzungsrecht für die Grabstätte "Bartl Q 15/92, Grabbriefnummer 183320" (Brief Elly Schlossmann, geb. Bartl, Mörbydalen/Schweden, v. 22.11.1993, an "Verwaltung Hauptfriedhof Ohlsdorf, Herrn Lehmann") lief 1998 aus (Foto des ehemaligen Grabmals von Werner Johannsen).
Das "Zauberzentrum János Bartl" wurde 1968 an den Zauberkünstler und -händler Carl-Gerd Heubes veräußert, der das Geschäft bis zu seinem frühen Tode 1998 innehatte (ausführlich dargestellt unter dem LINK: http://www.zauber-pedia.de/index.php?title=Carl-Gerd_Heubes).
Text: Dr. Cornelia Göksu unter Mitwirkung der Enkelin Birgit Bartl-Engelhardt
Hauptsächlich benutzte Quellen
- Johannsen, Werner: János Bartl. "Der Zauberhändler vom Hamburger Jungfernstieg". / In: MAGIE 1/97, S. 24-32.
- Johannsen, Werner: János Bartl. "Die Zauberhändler vom Hamburger Jungfernstieg: János Bartl (1878-1958) und seine Ehefrau Rosa (1884-1968)". Erinnerungen von Werner Johannsen. In: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter, Band 14, Heft 12, Oktober 2003, Seite 273-282.
- Witt, Wittus: Janos Bartl: Eine Chronologie: 1. In: Magische Welt 57/2008, S. 102-109
- Rawert, Peter: Zauberkunst. Als Hamburg das Zaubern lernte. Vor 100 Jahren gründeten hanseatische Hobby-Zauberer den Magischen Zirkel, Deutschlands ersten Magier-Klub: über die Lust an der Illusion. In: Tageszeitung Hamburger Abendblatt, 12.4.2012, online unter LINK: https://www.abendblatt.de/hamburg/article107789340/Als-Hamburg-das-Zaubern-lernte.html (aufgerufen am 24.7.2019, 16.30 Uhr)
- Bartl-Engelhardt, Birgit (Enkelin von Rosa und János Bartl): Ein Leben für die Zauberkunst. In: Die Kunst des Verzauberns. Festschrift 100 Jahre Magischer Zirkel Hamburg, Hamburg 2012, S. 179-190
- Hirsch, Vanessa/Rawert, Peter: Verzaubert! Von geheimen Wissenschaften und magischen Spektakeln = Begleitheft zur gleichnamigen Ausstellung im Altonaer Museum, Hamburg 2012. Hrsg. v. der Stiftung Historische Museen, Hamburg, Altonaer Museum für Kunst und Kulturgeschichte (AM) und dem Verlag Magische Welt, Hamburg. Gestaltung Wittus Witt.

Weiterführende Literatur
- Am 21. August 2019 erscheint das Werk "Die Bartl-Chronik Hamburg 1910 - 1998". Die Buchpräsentation findet in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky statt. Diese Dokumentation basiert auf langjährigen Recherchen der Autorin Birgit Bartl-Engelhardt, die Enkelin von Rosa Bartl ist. (Satz, Layout, Gesamtgestaltung: Wittus Witt. Druck und Produktion: Verlag Magische Welt Hamburg 2019. ISBN 978-3-947289-23-3).
Marie Bautz geb. Bachmann
SPD-Bürgerschaftsabgeordnete
1.2.1879 Eppishofen bei Augsburg - 30.12.1929 Hamburg
Marie Bautz arbeitete zuerst als Dienstmädchen und später bis zu ihrer Verheiratung im Jahre 1900 als Fabrikarbeiterin. 1907 kam sie nach Hamburg und wurde 1913 Geschäftsführerin im Verband der Hausangestellten.
Nachdem 1918 die Frauen das aktive und passive Wahlrecht erkämpft hatten, wurden 1919 bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft zum ersten Mal Frauen in die Bürgerschaft gewählt. 168 Männer und siebzehn Frauen zogen 1919 in die Bürgerschaft ein. Unter ihnen war auch Marie Bautz. Sie und weitere acht Frauen gehörten der SPD-Fraktion an., vier Frauen der DDP (Deutsche Demokratische Partei), zwei der USPD (Unabhängige sozialdemokratische Partei), eine der DVP (Deutsche Volkspartei) und eine weitere der DNVP (Deutschnationale Volkspartei). Schwerpunkte der Politik der weiblichen Bürgerschaftsabgeordneten waren die Bereiche Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege, Bevölkerungspolitik und Gesundheitsfürsorge, Jugendpflege und Schulpolitik sowie Ehe- und Familienrecht.
Obwohl Frauen nun das aktive und passive Wahlrecht besaßen, blieben sie im Parlament in der Minderheit und erhielten kaum aussichtsreiche Listenplätze. Frauen waren als Politikerinnen nicht gefragt.
Marie Bautz war von 1919 bis 1924 Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft und Deputierte der Behörde für Öffentliche Jugendfürsorge.
Lonny Beese, geb. Lisser
Photo: privat
18. Mai 1905 Breslau - 10. September 1944 durch Freitod in Hamburg
Die Kindheit von Lonny Beese begann in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie in Bremen. Nachdem die Ehe ihrer Eltern im Jahr 1925 geschieden worden war, ging ihre Mutter Alma Lisser nach Hamburg und arbeitete als Wirtschafterin bei Adolf Beese in der Grindelallee 73. Hier lernte ihre Tochter Lonny den Sohn des Hauses, Walter Beese, kennen. 1927 wurde geheiratet, nachdem Lonny zum Christentum konvertiert war. Am 21. Februar 1928 kam Tochter Ursula auf die Welt. Im April 1940 reichte Walter Beese die Scheidung ein. Er verstieß seine Tochter als "Bastard" und brach jeglichen Kontakt ab. Lonny konnte zu ihrer Mutter Alma Lisser und ihrem Schwiegervater Adolf Beese in die Grindelallee
73 ziehen. Sie musste nun alleine für ihre Tochter sorgen, die als "Mischling ersten Grades" galt. Das rettete Lonny vorläufig vor der Deportation. Die antijüdischen Gesetze zwangen ihre Mutter Alma Lisser im Januar 1941, die gemeinsame Wohnung in der Grindelallee 73 zu verlassen. Sie musste - völlig mittellos - zunächst im Mittelweg 16 und dann im "Judenhaus", Rutschbahn 25a, wohnen. Von dort aus wurde sie am 11. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Lonny Beese konnte bis 1943 im Büro eines jüdischen Rechtsanwalts arbeiten. Nach dessen Verhaftung wurde sie zum "Judeneinsatz" gezwungen: Sie musste bei der Firma Heldmann-Chemie Ratten- und Mäusegift verpacken und für die Firma Dralle Trümmer und Schutt beseitigen. Die Zwangsarbeit und die Deportation ihrer Mutter belasteten Lonny seelisch so sehr, dass sie sich krankschreiben lassen musste. Sie machte eine Eingabe bei Karl Kaufmann, dem Reichsstatthalter von Hamburg, um wieder im Büro arbeiten zu dürfen. Sie wurde als Stenotypistin der Firma Greve und Behrens zugewiesen. Im April 1943 starb Adolf Beese. Lonny konnte den Mietvertrag für die Grindelallee 73 übernehmen und dort mit ihrer Tochter wohnen bleiben. Allerdings war sie jetzt vollkommen schutzlos dem Leiter des Arbeitsamtes "für den Judeneinsatz", Willibald Schaller, ausgesetzt, der sie zu Hause aufsuchte und bedrängte. Willibald Schaller hatte, wie ein Gericht nach dem Krieg feststellte, mehrere jüdische Frauen sexuell bedrängt und sie sich - bei Androhung einer Anzeige bei der Gestapo - gefügig gemacht. Ausgerechnet die "arischen" Untermieter, die Lonny nach der Ausbombung 1943 bei sich in der Wohnung aufgenommen hatte, denunzierten und beschuldigten sie der "Rassenschande" und des Abhörens feindlicher Sender. Diese ausweglose Lage trieb Lonny Beese in den Freitod. Sie nahm am 8. September 1944 eine Überdosis Veronal und starb zwei Tage später an den Folgen der Vergiftung im Universitätskrankenhaus Eppendorf. In ihrem Abschiedsbrief erklärte sie, der Verrat der Untermieter hätten ihr den Rest gegeben, und dass sie als Jüdin niemals Recht bekommen hätte. Lonnys Tochter Ursula Beese überlebte. Sie ist am 24. Juli 2018 gestorben und wurde in Ohlsdorf, im Ehrenhain der Geschwister-Scholl-Stiftung für die Verfolgten des Naziregimes, bestattet. In der Grindelallee 73 erinnern Stolpersteine an Alma Lisser und Lonny Beese. Alma Lisser, geb. Königsfeld, ist als Opfer auch in der Gedenkstätte am Deportationsort Hannoverscher Bahnhof namentlich aufgeführt.
Quellen: Die Biographietexte zu den Stolpersteinen und Erinnerungen aus den Gesprächen zwischen Ursula Beese und ihren Söhnen.

Photo: privat
Uschi Beese, geb. Roggenbau
Landesvorsitzende der Hamburger Guttempler
8. 7. 1930 Hamburg - 26 1. 2008 Hamburg
Die Anwaltsgehilfin Uschi Beese war seit 1958 mit dem Buchhändler Heinz Jacob Beese (gest. 1999) verheiratet, der einen Buchladen in Hamburg-Bergedorf betrieb, wo das Ehepaar seine erste gemeinsame Wohnung bezog, bevor es vier Jahre später 1961 nach Wandsbek in die Walddörferstraße 42 (später in Nr. 214) zog.
Ihr gemeinsamer Kinderwunsch erfüllte sich leider nicht. Nach drei Fehlgeburten gab das Paar ihn auf Anraten der Ärzte auf. Vielleicht war dies ein Auslöser für die spätere Alkoholerkrankung.
Wegen seines immer größer werdenden Alkoholproblems musste Heinz Beese schließlich die Buchhandlung aufgeben, was Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Auch Uschi Beese hatte mit dem Alhohol Probleme und bezeichnete sich als alkoholgefährdet.
Nach der "Trockenschleuderung" von Heinz Beese im AK Alsterdorf lernte das Ehepaar Beese Walter Zwang kennen, Suchtberater im Guttemplerhaus am Moorkamp, woraufhin Uschi Beese im April 1976 Mitglied der Guttempler-Gemeinschaft in Hamburg St. Georg wurde. Ihr Ehemann folgte ihr im August desselben Jahres.
Die ehrenamtliche Arbeit in der Guttempler-Organisation wurde für das Ehepaar Beese zur Lebensaufgabe. Es stieg in die Selbsthilfegruppenarbeit ein und gründete seine eigene Gesprächsgruppe im Guttemplerhaus St. Georg.
Im Oktober 1980 wurde die Guttempler-Gemeinschaft "Wandsbek" gegründet, deren Leiter Heinz Beese und deren Schriftführerin Uschi Beese wurde. Das Ehepaar Beese organisierte dort ebenfalls eine Gesprächsgruppe, zeitweise leitete es sogar zwei Gruppen. Außerdem unternahm es viele Jahre lang gemeinsam Hausbesuche bei Menschen in Not.
Einige Jahre später zog sich Heinz Beese aus der Gesprächsgruppenarbeit zurück. Uschi Beese managte nun diese Gruppen allein. Auch gab Heinz Beese wegen seiner beruflichen Arbeitsbelastung die Leitung der Guttempler-Gemeinschaft "Wandsbek" an seine Frau ab.
Uschi Beese, die den Sinn ihres Lebens darin sah, Menschen zu helfen, von der Alkoholsucht frei zu kommen, stellte die Guttempler im Allgemeinen Krankenhaus Eilbek vor. Dafür war sie jeden Sonntag um 10.00 Uhr dort anwesend und ansprechbar. Nur sehr selten war sie verhindert. Als die Guttempler-Gemeinschaft "Wandsbek" 1988 insgesamt 93 Mitglieder besaß, gründete Uschi Beese noch im selben Jahr die Gemeinschaft "Eilbek". Darüber hinaus führte Uschi Beeses Gemeinschaft die Guttempler im Allgemeinen Krankenhaus Alsterdorf ein, woraus sich auf dem Gelände des Krankenhauses die zweite Gesprächsgruppe der Guttempler-Gemeinschaft "Wandsbek" etablierte. 1997 folgte die Gemeinschaft "Alstersterne".
Uschi Beeses Lebensaufgabe war und blieb die offene Gesprächsgruppenarbeit. Zu jeder Tages- und Nachtzeit war sie für ratsuchende GuttemplerInnen erreichbar. Später wurde Uschi Beese Distrikttemplerin (Landesvorsitzende) in Hamburg und leitete den Distrikt einige Jahre. 1999 verlieh ihr der Hamburger Senat die Medaille für herausragende ehrenamtliche Tätigkeiten.
Durch Uschi Beeses Engagement wurden im Laufe der Jahre mehrere hundert Menschen für ihr weiteres Leben "trocken". Aus dem Kreis der Gesprächsgruppenteilnehmenden und deren Angehörigen wurden viele Menschen dauerhaft Mitglieder im Deutschen Guttempler Orden Hamburg.
Bis zwei Wochen vor ihrem Tod am 26. Januar 2008 war Uschi Beese in "ihrer" Gesprächsgruppe präsent. Wenn auch, bedingt durch ihre schwere Krebserkrankung, nicht immer persönlich, dennoch hielt sie jederzeit telefonisch Kontakt zu ihren Mitmenschen und war für sie da.
Clara Benthien
Photo: privat
Tante Clara - Clara, Gertrud, Antoinette Benthien, geb. Vetter
Gemeinsam mit ihrem Mann Hans Benthien war sie Inhaberin des Künstlerkellers "Weinprobierstube Benthien - Tante Clara"
27.9.1887 Düsseldorf - 16.11.1962 Hamburg
Clara Benthien wurde als Tochter des Düsseldorfer Architekten Carl Vetter und seiner Frau Christine Antoinette Josephine Henriette (Nachname unbekannt) geboren. Die Mutter verstarb früh und sie wuchs zusammen mit einer etwas jüngeren Stiefschwester auf und erlernte - wegen ihrer künstlerischen Begabung - den Beruf der Hutmacherin. Bei einem Ferienaufenthalt an der Ostsee lernte sie den Hamburger Fabrikantensohn und Maler Hans Carl Louis Benthien kennen, den sie 1912 in
Hamburg heiratete. 1913 wurde ihre Tochter Henni Karla Louise, genannt Henriette, geboren.
Vom Kriegsdienst an der russischen Front nach dem Ersten Weltkrieg heimgekehrt begann ihr Mann mit dem Weinhandel. Inspiriert dazu hatte ihn die Erinnerung an eine alte Familientradition - Vorfahren seiner Mutter waren Besitzer des Heusshof, einer berühmten Gastwirtschaft in Eimsbüttel gewesen nach welcher der Heußweg benannt ist. Bald gründete er "Benthiens Weinprobierstube" am Brandsende 13/Ecke Raboisen. Von 1925 bis zu dessen Ausbombung 1944 führte er zusammen mit Clara den allmählich weltbekannt gewordenen Künstlerkeller "Tante Clara", der sich daraus entwickelt hatte und dessen Zentrum sehr schnell seine originelle und einfallsreiche Frau wurde.
Sieben Stufen stieg man hinab, um in einen Raum mit Weinfässern als Tische zu gelangen, mit selbst entworfenen Hockern und Lampen und mit großem von dem Hamburger Maler und Architekten Robert Schneller (1901-1980) mit Decken- und Wandgemälden ausgestatteten Haupt- und kleinen verwinkelten Nebenräumen (genannt "Neue Loge" und "Alte Loge", da sich hier nach 1935 auch unerkannt Hamburger Freimaurer treffen konnten).
Clara Benthien war die Seele des Ganzen. Für ihre Gäste sang sie mit rauchig-herber Stimme ab 1930 von Künstlern ihres Kellers extra nur für sie und für diesen Ort gestaltete Moritaten, angeregt von Kurt Pabst Film "Dreigroschenoper und bestärkt von ihrer Freundin der Berliner Chansonsängerin Claire Waldoff und begleitet von einem Akkorde on. Auch den Klängen einer Laute konnte man dort lauschen.
Es sind mehr als 136 Bekanntheiten des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens als ihre Gäste identifiziert worden: Publizisten wie Erich Lüth, Julius Jacobi und Hugo Sieker, Schriftsteller wie Johannes R. Becher, und Carl Brinitzer, die Verleger Hilde und Eugen Claassen, Schauspieler wie Siegfried Arno, Anita Berber, Heinrich George, Brigitte Helm, Marianne Hoppe, Leopold Jessner, Victor de Kowa und Conrad Veidt und neben Robert Schneller Maler und Zeichner wie Hannes Runge, Jan Laß, Elzie Crisler Segar (der Erfinder von "Popeye"), Tetjus Tügel und Otto Wild. Endlich wurde Clara Benthien - im wesentlichen um Künstler zu unterstützen - auch zur Kunsthändlerin.
Während der NS-Zeit fanden hier Unangepasste und in Opposition zum NS-Staat Stehende einen verschwiegenen Ort, an dem sie sich mit Gleichgesinnten treffen konnten. Hier fanden und entwickelten sie sogar einen Humor, der draußen vor "Draußen vor der Tür" verloren gegangen war. Hier konnte man offen miteinander sprechen und erfuhr Unterstützung, die von einer warmen Mahlzeit für Verarmte und Ausgebombte bis hin zu Wegen ins Exil nach London oder in die USA reichten.
In einem Hinterzimmer wurden jüdische Mitbürger beraten und selbst im Feld fühlte man sich in der Erinnerung an diesen Sehnsuchtsort geborgen:
Nach der Ausbombung 1944 und dem Tod ihres geliebten Mannes 1947 lebte Clara Benthien nur noch für die Familie ihrer Tochter. Zusammen mit ihr und mit den aus den Trümmern geretteten Kunstwerken, Foto- und Gästebüchern sorgte sie dafür, dass ihre 1948 geborene Enkelin Nele Lipp (geb. Cornelia Gabriele Müller) noch einen Einblick in diese Welt bekam, um endlich 2013 aus ihrer ererbten Privatsammlung die Ausstellung "Treffpunkt Tante Clara Hamburgs Sphinx" in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek realisieren zu können.
Ein Film über Clara Benthien, auf Initiative von Stephan Mathies, einem Enkel des Malers Otto Wild, der dort ein häufiger Gast war, ist in Vorbereitung.
Mehr zu "Tante Clara", auch mit Hörbeispielen von 1937: http://blog.sub.uni-hamburg.de/?p=10717
Text: Nele Lipp
Frauen: Opfer der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung
Etwa 50.000 bis 60.000 vermeintliche "Hexen" und "Zauberer" fanden während des 16. Und 17. Jahrhunderts in Deutschland den Tod. Das Deutsche Reich bildete das Zentrum der Verfolgung, hier wurden zwischen 20.000 und 30.000 Menschen hingerichtet. Die weitaus meisten Opfer waren Frauen.
Heute erinnern diverse Ortschaften in Deutschland an die unschuldig hingerichteten Opfer der frühneuzeitlichen Hexenprozesse. Dort ist eine Rehabilitation der als sogenannte Hexen hingerichteten Frauen durch die Stadtverordnetenversammlung und durch Kirchen erfolgt. Der Verein Garten der Frauen möchte mit diesem Erinnerungsstein an das Unrecht erinnern, das den als Hexen beschuldigten Frauen in Hamburg angetan wurde.
Die frühneuzeitlichen Hexenprozesse sind ein Beispiel dafür, wie durch Veränderungen von Rechtsnormen geschlechtsspezifische Kriminalität erzeugt werden kann. Ende des 15. Jahrhunderts trat die von der Kirche entwickelte Vorstellung der Frau als Teufelsanhängerin neben die mittelalterliche Rechtstradition, die die schadenstiftende Zauberei unter Strafe stellte, und es entstand ein neuer Typus von Straftäterin: die Hexe.
Mit dem neuen Straftatbestand der Hexerei wurde das Bild der Missetäterin konstruiert, die einen Pakt mit dem Teufel schließe und diesen durch den Geschlechtsakt besiegele. Um sich mit ihren Gefährtinnen zu Tanz und Teufelsanbetung zu treffen, fliege sie auf Besen oder dem in ein Tier verwandelten Teufel zu den nächtlichen Gelagen.
Sie systematische Hexenverfolgung begann mit der Verbreitung des Hexenhammers (1487). In diesem Werk begründete der Dominikanermönch und Inquisitor Heinrich Cramer (Institoris) ausführlich, warum die Töchter Evas besonders anfällig für den Einfluss des Teufels seien, und gab praktische Anweisungen, wie die weltlichen Gerichte die Prozesse durchführen sollten.
Die weltlichen Gerichte übernahmen die neue Hexenlehre; in den frühneuzeitlichen Strafrechtsnormen findet sich daher die Verbindung des von jeher unter Strafe stehenden Schadenzaubers mit dem Delikt des Teufelspaktes.
Das hamburgische Niedergericht verurteilte mindestens 40 Frauen und einige Männer wegen Schadenzauber bzw. Hexerei. Auffällig sind hier die im regionalen Vergleich frühe Verurteilung einer Zauberin bereits im Jahre 1444 und das verhältnismäßig frühe Ende der Prozesse 1642.
Mit der Frühaufklärung endeten die Hexenprozesse. Während die Frau als Hexe - wenn auch mur mittels der Macht des Teufels - eine reale Bedrohung für die Gesellschaft dargestellt hatte, galten "Tränke-Köchinnen" und "Wahrsagerinnen" nun als Betrügerinnen.
Das Konfliktpotenzial des Alltags blieb von diesen herrschaftlichen Deutungsmustern unberührt. Der Begriff der Zauberin blieb - ebenso wie die Bezeichnung als Hure - eine Beschimpfungsformel, um Frauen zu diffamieren. Noch im 20. Jahrhundert konnten Frauen auch in unseren Breiten als "Hexen" gelten, wenn in ihrem Umfeld unerklärliche oder unerwünschte Ereignisse vermeintlich auf ihren Einfluss zurückzugehen schienen.
Abelke Bleken
Einwohnerin Ochsenwerders (Hamburger
Landgebiet) als Hexe beschuldigt
Am 18. März 1583 auf dem Scheiterhaufen verbrannt
Abelke Bleken bewohnte ein Grundstück am Ochsenwerder Norderdeich. Im Jahre 1577 wurde ihr Hof zusammen mit anderen benachbarten Anwesen dem Hamburger Ratsherrn Johann Huge zugeschrieben. Die Allerheiligflut vom November 1570 hatte schwere Schäden verursacht, so dass Abelke und ihre Nachbarn vermutlich nicht mehr in der Lage waren, ihre Grundstücke selbst zu unterhalten und den Deich zu pflegen. Später pfändete der in Ochsenwerder tätige Landvogt Dirck Gladiator bei einer Deichschau Abelkes Kessel. Ein Kessel war in der Frühen Neuzeit nicht nur ein zentraler Haushaltsgegenstand, sondern unter Umständen ein repräsentatives Erbstück. Der Verlust wog schwer. Abelke sprach bei der Ehefrau des Vogts vor und bat sie um Rückgabe des Kessels. Diese Bitte wurde ihr abgeschlagen.
Von dem Grundstücksverkauf, der Kesselpfändung und dem Gespräch mit der Vögtin erfahren wir aus Abelkes Urgicht, dem Geständnisprotokoll, in dem der Gerichtsschreiber die Aussagen notierte, die Abelke unter der Folter abgerungen wurden.
Hier heißt es, dass sie und ihre Nachbarin Gesche Schwormstedt Rache am Ratsherrn Huge nehmen wollten, und dass sie mit einem Stab in aller Teufel Namen Löcher in den Bode gestochen habe - so viele Löcher wie Ochsen, deren Tod Johann Huge später zu beklagen hatte. Ferner habe Abelke Huges Kälber getötet, indem sie ihnen Rattengift in den Trog gelegt habe. Auch habe sie sich die Kesselpfändung nicht gefallen lassen wollen und zu dem Vogt Gladiator gesagt, "dass er dies auf dem Bett büßen solle". Daraufhin habe sie ihren Wollgürtel genommen, in aller Teufel Namen Knoten in die beiden Ende geschlagen und Haare des Vogts und Fingernägel der Vögtin hineingebunden. Der Gürtel sei von ihr in den Pferdestall gelegt worden, "damit der Vogt in Krankheit bleiben sollte" - bis der Gürtel gefunden und die Knoten gelöst seien.
Der Vögtin habe sie eine Suppe aus Kohl und Warmbier gegeben, versehen mit dem Hirn einer Katze, die sie in des Vogtes Haus in aller Teufel Namen totgeschlagen habe. Die Vögtin sei am dritten Tag krank geworden und bald danach gestorben.
Die soziale Situation, in der Abelke lebte, war geprägt von der Bedrohung ihrer Lebensgrundlage durch die Natur und von den Konflikten mit den Mächtigen im Ort. Die Zaubermittel, die Abelke in ihrer Urgicht nennt, galten in der frühneuzeitlichen Gesellschaft als wirksame Praktiken zur Behebung von Alltagsproblemen.
Ob Abelke tatsächlich versucht hatte, sich mithilfe dieser Künste zu rächen …?
Zur Hexe wurde sie erst unter der Folter: Sie bekannte, dass sie sich in dem Jahr, als die Ochsen starben, dem Satan ergeben und mit diesem Geschlechtsverkehr gehabt habe. Dabei sei ihr Buhle stets kalt gewesen. Auch sei sie mit anderen zum Hexentanz gegangen. Der Satan sei in der Nacht als Pferd zu ihr gekommen, und sie habe sich auf ihn gesetzt …
"Worauf sie also leben und sterben will."

Rede anlässlich der Einweihung von Hamburgs ersten Erinnerungsstein für die in Hamburg als Hexen beschuldigten und verbrannten Frauen
Am 07.06.2015
Francoise (France) Bloch-Sérazin

Die schmale Form des Steins soll die Gratwanderung zwischen Leben und Tod versinnbildlichen, auf die sich Oppositionelle begaben, wenn sie in der NS-Zeit in den Widerstand gingen.
französische Widerstandskämpferin,
21.2.1913 Paris - 12.2.1943 Hamburg
Francoise (France) Bloch-Sérazin stammte aus einer jüdischen intellektuellen Familie. Ihre Mutter war Marguerite, geb. Herzog, ihr Vater Jean-Richard Bloch, Schriftsteller und Journalist. France Bloch wurde mit ihren drei Geschwistern durch ihre linkspolitisch eingestellten Eltern geprägt. Nach dem Studium der Chemie und Mathematik arbeitete sie ab 1934 als Chemikerin am Chemischen Institut in Paris. 1938 trat sie der Kommunistischen Partei Frankreichs (P.C.F.), die ein Jahr später verboten wurde, was eine Massenverhaftung von KommunistInnen und GewerkschafterInnen auslöste.1939 heiratete France Bloch den Metallarbeiter, Kommunisten und Gewerkschafter Frédo Sérazin. 1940, zwei Wochen nach der Geburt ihres Sohnes, wurde Frédo Sérazin verhaftet.
Nachdem die deutsche Wehrmacht auch Frankreich überfallen hatte, floh France Bloch-Sérazin mit ihrem drei Monate alten Kind
nach Bordeaux zu einer Freundin und tauchte bei ihr unter. Das seit 1940 in Frankreich herrschende Pétain-Regime glich sich in seinen Handlungen dem Regime Hitlers an und verhängte z. B. am 3. Oktober 1940 das Berufsverbot für Jüdinnen und Juden. Auch France Bloch-Sérazin, die inzwischen nach Paris zurückgekehrt war, wurde mit Berufsverbot belegt. Sie intensivierte ihre Untergrundarbeit und schloss sich der O.S. (Organisation Spéziale) an, einer von der Kommunistischen Partei gegründeten Kampfgruppe, die Waffen liefert und Sabotageakte gegen die deutsche Besatzungsmacht organisierte. France Bloch-Sérazin setzte ihre Chemiefachkenntnisse ein, um Bomben, Sprengstoff und Zündschnüre zu produzieren. Im Mai 1942 wurde sie von der französischen Polizei verhaftet und im September 1942 von dem deutschen Militärgericht zum Tode verurteilt und in das Gefängnis Fresnes verlegt. Da laut französischer Verfassung Frauen nicht hingerichtet werden durften, wurde France Bloch-Sérazin Anfang Dezember nach Deutschland deportiert und am 10. Dezember 1942 in das Frauengefängnis Lübeck-Lauerhof gebracht. Am 10. Februar 1943 kam sie in das Untersuchungsgefängnis Hamburg und wurde dort zwei Tage später enthauptet. Sieben Tage später, am 19. Februar 1943 wurde die Leiche eingeäschert und am selben Tag in der Grablage BL 71, Reihe 60 Nr. 2 des Ohlsdorfer Friedhofes beigesetzt. Sieben Jahre später, im Februar 1950, wurde die Asche nach Frankreich überführt. In den Hamburger Wallanlagen erinnert an der Mauer, die das Untersuchungsgefängnis abgrenzt, eine Gedenktafel an France Bloch-Sérazin, als eines von vielen Opfern, die als Mitglied der Résistance im Hamburger Untersuchungsgefängnis mit dem Fallbeil enthauptet wurden. Eine weitere Gedenktafel erinnert an die während der NS-Zeit im Untersuchungsgefängnis inhaftierten politisch Verfolgten: "Während der nationalsozialistischen Herrschaft 1933-1945 wurden im Hof des UG Holstenglacis 3 fast 500 Menschen enthauptet. Frauen und Männer, die sich am europäischen Widerstand gegen die deutsche Okkupation und Kriegsführung beteiligt hatten, fanden hier den Tod durch das Fallbeil."

Bild: Staatsarchiv Hamburg
Helene Bonfort und Anna Meinertz
Lebensgefährtinnen, Gründerinnen der Hamburger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins
10.3.1854 Hamburg - 5.6.1940 München;
29.12.1840 Düsseldorf - 10.9.1922 Hamburg
Helene Bonfort, aus einem liberalen jüdischen Elternhaus stammend - die Mutter war Mitbegründerin der Hamburger Hochschule für das weibliche Geschlecht - wurde Lehrerin. Sie lebte mit ihrer Lebensgefährtin und Berufskollegin Anna Meinertz zusammen. Die beiden hatten sich in Düsseldorf kennen gelernt, wo Anna Meinertz, Tochter eines höheren Beamten, bereits im Alter von 16 Jahren als Lehrerin begann, um ihre früh verwitwete Mutter zu unterstützen.
Das Frauenpaar übernahm in Hamburg die Leitung einer höheren Töchterschule, gründete die erste Volkslesehalle und 1896 die HH Ortsgruppe des Allgem. Deutschen Frauenvereins, deren Vorsitzende Helene Bonfort von 1896-1900 und von 1904-1916 war. Der Verein bot Frauen z. B. Rechtsschutz und gab Berufsberatung. Er kümmerte sich um Frauenbildung und -studium, um Heimarbeiterinneninteressen und um soziale Belange. Anna Meinertz gründete den Ausschuss für die Vorbereitung der Dienstmädchenlehranstalt "Annaheim" in Altona und diverse Kinderhorte.
Margarete Braun
Photo: Rainer Hering
Theologin
15.12.1893 Hamburg - 22.4.1966 Hamburg
In der St. Nikolai Kirche am Hopfenmarkt geschah am 19. Februar 1928 etwas für damalige Verhältnisse Außergewöhnliches: Die Theologin Margarete Braun wurde in die Funktion einer Pfarramtshelferin eingesegnet. Damit war sie die zweite Pfarramtshelferin in der Evangelisch-lutherischen Kirche im hamburgischen Staate. Die Tochter eines Oberpostinspektors hatte nach dem Abitur zuerst die Lehrerinnenlaufbahn eingeschlagen. Doch dann studierte sie Theologie. Nachdem sie die erste theologische Prüfung absolviert hatte, arbeitete sie zwischen 1921 und 1925 als Pfarrgehilfin in der Ringgemeinde in Wiesbaden. 1926 kam sie nach Hamburg an die Hauptkirche St. Nikolai, wo sie ihr zweites theologisches Examen bestand.
Ihre Stelle als Pfarrgehilfin wurde nun in die einer Pfarramtshelferin umgewandelt. Obwohl sie mit beiden abgelegten theologischen Prüfungen die Voraussetzung erfüllte, um sich Pastorin zu nennen, wurde ihr dies verwehrt. Zu stark war der Widerstand gegen Frauen auf der Kanzel. Der Hauptpastor von St. Michaelis und spätere Bischof Simon Schöffel vertrat vehement die Auffassung, Frauen hätten als Pfarrerinnen in der Kirche nichts zu suchen. An der Spitze der Gemeinde müsse der Mann stehen. Frauen war zwar das Studium der Theologie, das Vikariat und das Ablegen der theologischen Prüfungen erlaubt, doch sie erhielten nur eine Anstellung als Pfarramtshelferin. Laut damaligem Kirchengesetz wurde sie: "(...) Anstalten oder Pfarrämtern ‚mit Berücksichtigung der besonderen Aufgaben an Frauen und Mädchen angegliedert' (§7). (...) Ihr Aufgabenbereich lag (...) in der Wortverkündigung in Andachts- und Bibelstunden vor Frauen und Jugendlichen, im Abhalten von Kindergottesdiensten oder Religionsunterricht, in der Vorbereitung und Mitarbeit (!) am Konfirmationsunterricht sowie in der seelsorgerlichen und sozialen Gemeindearbeit an Frauen und Mädchen (§ 8). (...) Im Falle der Eheschließung schied sie ohne Anspruch auf Ruhegehalt aus dem Dienst der Kirche aus (§18). Die Tätigkeit der Pfarramtshelferin wurde nicht als geistliches Amt verstanden, sie wurde zum Dienst eingesegnet (§12), nicht ordiniert!" schreibt der Historiker Rainer Hering. Margarete Braun wurde das Seitenschiff der St. Nikolai Kirche zugewiesen, wo sie Jugendliche und Frauen kirchlich betreute, mit ihnen Bibelstunden abhielt und vor ihnen predigte. Außerdem wanderte sie mit ihnen und organisierte die Jugendfreizeit. 1934 wurde sie gegen ihren Willen von Landesbischof Simon Schöffel als Pfarramtshelferin für die Betreuung der Frauenabteilung am Krankenhaus Hamburg-Eppendorf und an der Mädchenanstalt in der Feuerbergstraße beordert. Von 1947 bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 1959 arbeitete Margarete Braun als Vikarin in Frauen-, Mädchen- und Jugendheimen. Bis 1968 waren Theologinnen in Hamburg von der Mitarbeit in allen führenden und leitenden Gremien der Landeskirche wie Synoden und Kirchenrat ausgeschlossen. Erst 1968 entschied sich die Hamburger Landeskirche, Frauen zum Pfarramt zuzulassen. Es musste allerdings noch weitere zehn Jahre dauern, bis 1978 die rechtliche Gleichstellung der Pastorin für alle Gliedkirchen geltendes Recht wurde.
Zitat: Rainer Hering: Frauen auf der Kanzel? Internet: www.fachpublikationen.de/dokumente/01/07/01008.html
Laura Bromberg
Aktiv in der bürgerlichen Frauenbewegung
15.12.1852 - 20.12.1927 Hamburg
Laura Bromberg war die zweite Vorsitzende der 1896 von der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins gegründeten Rechtsberatungsstelle für Frauen am Brandsende 5. Hier wurde "von Frau zu Frau" beraten. Um kompetent Auskunft zu geben, mussten sich die beratenden Frauen in wichtige juristische Fragen selbst einarbeiten. Dies konnten sich nur wirtschaftlich unabhängige bzw. nicht auf Erwerbsarbeit angewiesene Frauen leisten, da nur sie die entsprechende Zeit für das Selbststudium erübrigen konnten.
Laura Bromberg muss ihrer ehrenamtliche Tätigkeit hoch engagiert nachgegangen sein. Der Hamburgische Correspondent schrieb in einem Nachruf über sie: "Hier tätig zu sein, hier mit jener scharf logischen und in aller Wirrnis der meist mit bedeutend mehr Breitschweifigkeit als Klarheit von den Klientinnen (aller Gesellschaftsschichten) vorgetragenen Klagen, den Kernpunkt erkennenden Art der Sache auf den Grund zu gehen und ihren Schützlingen mit weitsichtigem, lebenserfahrenem Rat und Tat beizustehen, war Laura Brombergs selbstverständliche, liebgewordene Pflicht."
Laura Bromberg war in noch weiteren Frauenvereinen tätig. Sie war Mitbegründerin des Frauenvereins zur Unterstützung der Armenpflege. Außerdem war sie im Vorstand der Stellenvermittlung für weibliches Hauspersonal, die ihren Sitz in der ABC-Straße 57 hatte und 1900 von der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen gegründet worden war, um den damals bestehenden Mangel an Dienstmädchen zu beheben und eine "Hebung des Dienstbotenstandes" zu erreichen. Um Letzteres voranzutreiben, wies die Stellenvermittlung Arbeitgeberinnen auf ihre Vorbildfunktion hin.
Clémence Budow
Photo: privat
Frauenpolitikerin
8.12.1908 Riga - 10.5.1995 Hamburg
"Ich bin für die Politik als Akteurin nicht geschaffen. Ich habe ein zu ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, als dass ich für einen politischen Kampf geeignet bin. Es würde mir stets sehr schwerfallen, für etwas einzutreten, wovon ich nicht überzeugt bin, das die Partei aber verlangt", erklärte Clémence Budow in einem Interview, welches sie Rita Bake und Birgit Kiupel in ihrer Wohnung im Hermann-Behn-Weg gab.
Dennoch saß Clémence Budow von 1953 bis 1957 für den Hamburg Block als Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft. Ihr politischer Werdegang war eng verknüpft mit ihren Erfahrungen im Berufs- und Privatleben. "Mein politisches Leben begann Anfang der 30-er Jahre mit meiner Laufbahn als Privatsekretärin beim ersten HamburgerRundfunkintendanten Hans
Bodenstedt." Als er bei den Nazis in Ungnade fiel und seine Position verlor, stellte sein Schwager Clémence Budow bei sich ein. Er besaß die Verlagsrechte der "Hausfrauenzeitung", die von den Hausfrauenverbänden Hamburg, Bremen, Mecklenburg und Lübeck herausgegeben wurde. Doch schon bald wurden die Hausfrauenverbände aufgelöst, und Clémence Budow musste sich einen neuen Wirkungskreis suchen. Sie begann Bunte Nachmittage zu organisieren. Ihre Klientel waren hauptsächlich die ehemaligen Mitglieder der Hausfrauenverbände. Die Bunten Nachmittage fanden im Deutschlandhaus in der Dammtorstraße statt, finanziert wurde alles durch Werbevorträge für Markenartikelfirmen. Einen ihrer Vertreter - den Chef der Hamburg Vertretung für Rosenthalporzellan - heiratete Clémence Budow. "Da war ich gar nicht mehr so jung - so ungefähr um die 30 Jahre alt." Sie gab ihre Arbeit auf und wollte nur noch Hausfrau sein. Doch das Arbeitsamt zwang sie, eine der ihr angebotenen fünf Stellen zu nehmen - "alles Parteidienststellen" (der NSDAP). "Mein Mann diktierte, dass ich zur NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) zu gehen hätte, da sei ich bei ‚Mutter und Kind' am besten aufgehoben." So wurde Clémence Budow als Fürsorgerin auf dem Hamburger Hauptbahnhof eingestellt. Die NSV war mit "17 Mio. Mitgliedern (1943) nach der Dt. Arbeitsfront die größte (…) NS-Massenorganisation.(…) Ihren Anspruch auf Monopolisierung der gesamten freien und öffentlichen Wohlfahrt konnte die N. zwar nicht realisieren, doch gelang es ihr, die in der freien Wohlfahrtspflege tätigen Verbände zurückzudrängen bzw. gleichzuschalten (…). Angesichts der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (Mitgliedsbeiträge, Spenden, staatliche Zuwendungen) war es ihr n möglich, in alle Bereiche der Wohlfahrt zu expandieren (…). Aufgrund ihrer scheinbaren Ideologieferne war die Arbeit der N. populär und die Mitgliedschaft erschien auch für diejenigen, die dem Regime eher zögernd oder kritisch gegenüberstanden, aber aus Opportunitätsgründen in eine Parteiorganisation eintreten wollten, akzeptabel. Tatsächlich war die Arbeit der N. von rasse- und erbbiologischen Selektionskriterien bestimmt (…)." [1] 1937 trat Clémence Budow der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 4229815). Dies konnte aus den Akten, die sich im Bundesarchiv befinden, ermittelt werden. (BArch (Bundesarchiv) R 9361-IX Kartei 4961189)
Ihr Mann zog an die Front und wurde als Soldat getötet.
Nach Kriegsende erhielt sie, so erzählte sie weiter, wegen ihrer Arbeit für die NSV keine Anstellung bei der Sozialbehörde. An dem Tag, als sie, die abschlägige Antwort in der Hand, das Bieberhaus am Hamburger Hauptbahnhof verließ, in dem die Sozialbehörde untergebracht war, sprachen sie auf dem Bahnhofsvorplatz einige Männer an. Diese ehemaligen Soldaten erinnerten sich an Clémence Budow, wie sie ihnen auf dem Hauptbahnhof als Letzte nachgewunken hatte, als sie an die Front fahren mussten. "Frau Budow, Sie wissen doch, dass wir Soldaten nicht alle Verbrecher waren. Kommen Sie zu uns zur Deutschen Partei (DP). Helfen Sie uns, dass wir alle wieder rehabilitiert werden." (Interview mit Clemence Budow) Und das tat Clémence Budow. Sie übernahm bei der DP das Frauenreferat, zog 1953 in den Wahlkampf, wurde Abgeordnete der DP im Hamburg Block und bekam 1954 eine Anstellung in der Freien Wohlfahrtspflege. Sie wurde Leiterin der Fürsorgeabteilung und des Jugenderholungswerkes der Deutschen Hilfsgemeinschaft Hamburg. "Ich hatte das Glück, dass sich meine beruflichen Aufgaben mit meinen politischen und sozialen Ambitionen ergänzten." So "habe ich weitgehend das Jugenderholungswerk auf die Beine gestellt und auch die Mittel dafür in der Bürgerschaft eingeworben." Nach ihrer Abgeordnetenzeit war sie von 1961 bis 1973 Referentin für die Öffentlichkeitsarbeit im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Hamburg. Hier beschäftigte sie sich eingehend mit den Frauengräbern auf Soldatenfriedhöfen. In dem Interview sagte sie dazu: "Die Menschen wissen gar nicht, wie viel Frauengräber es auf den deutschen Kriegsfriedhöfen im Ausland gibt. Ich ließ früher in der Kriegsgräberfürsorge Listen anfertigen von den deutschen Friedhöfen, wo Frauengräber sind. (...) Auf den vielen Soldatengräbern lagen Blumen von Angehörigen. Aber bei den Frauengräbern waren keine Angehörigen gewesen. Solange ich bei der Kriegsgräberfürsorge war (...), nie erlebte ich in der Dienststelle, dass nach einem Frauengrab geforscht wurde. Die Frauen waren vergessen. Meistens sind es ledige Frauen, die im Ausland begraben sind. Aber auch die Geschwister und Eltern kümmerten sich nicht um die Gräber. Die Familienangehörigen trauern wohl. Aber die Familie empfindet den Verlust einer Frau nicht so stark - immer im allgemeinen gesprochen - und deswegen bin ich so sehr gegen ‚Frauen in der Bundeswehr'." Clémence Budow engagierte sich für Fraueninteressen und war Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (ahf). Sie erhielt viele Auszeichnungen, so die Goldene Nadel und andere Ehrungen des Verbandes der Heimkehrer, die Goldene Nadel vom Reichsbund der Kriegsopfer, die Ehrennadel vom Verband der weiblichen Arbeitnehmer, das Bundesverdienstkreuz am Bande, das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und die Ehrennadel der Hamburger Frauenorganisationen.
Text: Rita Bake

Photo: privat, aus dem Nachlass von Elise Mahler
Elisabeth Büttner
(Portrait) Malerin
4.12.1853 Hamburg - 5.4.1934 Hamburg
Elisabeth Büttners Vater, Johann Christoph Büttner, war Kaufmann und besaß das Geschäft "Büttner & Co. Commissionsgeschäft" bei der Petrikirche 3 in Hamburg. Zum Zeitpunkt der Hochzeit ihrer Eltern im Jahre 1856 waren die Töchter Elisabeth und Johanna (geb. 1855) bereits geboren. Zwei Jahre nach der Hochzeit starb der Vater und hinterließ seine schwangere Frau Catharina Margaretha Elisabeth, geb. Kröger (geb. um 1823, gest. 1899) mit den zwei Töchtern. In dieser Situation nahm die Witwe eine weibliche Verwandte in ihrem Haushalt auf und führte das Geschäft ihres verstorbenen Mannes weiter. Mit dieser Verwandten und ihrer Tochter Johanna lebte sie bis zu ihrem Tod in einem gemeinsam geführten Haushalt im Kreuzweg 11.
Die Büttner Schwestern blieben ledig. Johanna Büttner (gest. 1900) wurde Krankenpflegerin. Anna Büttner (gest. 1925) wurde Lehrerin.
Diese lebte mit ihrer Schwester Elisabeth in der Brückwiesenstraße 31, wohin Elisabeth Büttner, nachdem sie zuvor in der Lübecker Straße 4 und am Schwanenwiek 29 gewohnt hatte, hingezogen war.
Elisabeth Büttner studierte an der Akademie in München und auch in Paris Malerei. Nach privaten Aufzeichnungen zufolge soll sie einen Sponsor in Pesc (Ungarn) gehabt haben. Dort in Ungarn und auch in Amerika sowie nach mündlicher Überlieferung ebenso in Russland soll sie als Lehrerin gearbeitet haben. Weitere Aufenthaltsorte waren Berlin und Rothenburg o. T. Dort in Rothenburg hatte sie Kontakt zur Malschule von Elise Mahler und Maria Ressel. Zu diesen beiden Malerinnen entwickelte sich eine über 30 Jahre währende Freundschaft.
Um die Jahrhundertwende sollten die beiden Schwestern Elisabeth und Anna Büttner in den Volksschuldienst berufen werden. Anna Büttner folgte dem Aufruf, Elisabeth fand dies erniedrigend und wurde freischaffende Künstlerin.
1904 reiste Elisabeth Büttner zum ersten Mal auf die Insel Hiddensee. Ab 1910 unternahm sie Sommeraufenthalte in Vitte auf Hiddensee. Dort erwarb sie 1914 ein "Hexenhaus", eine kleine, 1755 erbaute schilfgedeckte Fischerkate, die heute unter Denkmalschutz steht. Unter dem Dach hatte Elisabeth Büttner ihr Atelier. Elisabeth Büttner war Malgast des 1919 auf der Insel Hiddensee gegründeten "Hiddensoer Künstlerinnenbund". Auch war sie Mitglied im Künstlerinnenverein München.
1908 ließ Elisabeth Büttner an der Brückwiesenstraße 31 eine kleine Jugendstilvilla mit abgerundeten Ecken bauen, in der sie sich ein Atelier und eine Malschule einrichtete.
Im Alter von fast 66 Jahren adoptierte sie 1919 das Kind Ernst Richard, dessen ledige Mutter sie kannte, wahrscheinlich eine Malschülerin von ihr. Auch der Vater des Kindes, ein verheirateter Mann, soll Elisabeth Büttner bekannt gewesen sein, da auch er ein Künstler gewesen war. Die Kindseltern hatte Elisabeth Büttner bei ihren Inselaufenthalten auf Hiddenssee kennen gelernt.
1930 verkaufte Elisabeth Büttner, damals verarmt und krank, das Haus in Vitte auf Hiddensee für 2000,- Mark an Annemarie Pallat aus Berlin. In ihren letzten Lebensjahren lebte Elisabeth Büttner im Vorsorgungsheim Baumkamp 79.
Bertha Dehn
Photo: Universität Hamburg, Forschungsstelle für Exilliteratur
Geigerin
23.11.1881 Hamburg - 17.4.1953 Hamburg
1915 wurde Bertha Dehn ans Hamburger Stadttheater verpflichtet. Als einzige Frau saß sie im Orchestergraben und spielte die Erste Geige. Sie war das sechste von acht Kindern eines Arztehepaares und arbeitete ab 1909 als Musiklehrerin.
Dass für ihre Degradierung vom Ersten ans Zweite Pult bei der Umwandlung des Orchesters im Jahre 1932 und für ihre Kündigung im September 1933 ihre jüdische Herkunft ausschlaggebend war, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Dass es Bertha Dehn gelang, durch Gutachten ihre Kündigung in eine frühzeitige Pensionierung aus Krankheitsgründen umzuwandeln, spricht nicht dagegen, denn eine solche Lösung erwirkte der damalige Operndirektor Albert Ruch auch für andere jüdische Mitglieder des Hauses. Bertha Dehn war aber offenbar wirklich schwer krank. Die Anfeindungen der Nazis mögen die Lebensenergie dieser sensiblen Künstlerin in ganz besonderer Weise getroffen haben. Nach ihrer Pensionierung wirkte sie im Jüdischen Kammerorchester mit. Kurz vor ihrer vorgesehenen Deportation in das KZ Lodz emigrierte Bertha Dehn 1941 nach Ecuador zu ihrem Bruder. Sie gab Geigen- und Sprachunterricht, spielte in einem Streichquartett, lebte zwei Jahre in Brasilien und kehrte 1948 nach Hamburg zurück, wo sie in einer Wohnung im Jüdischen Altersheim lebte.
Dr. Dorothea Eckardt, geb. von Schwerin
Journalistin, Frauenrechtlerin
25.8.1903 Stockholm - 5.10.1974 Hamburg
Dorothea Eckardt war die Tochter von Albert von Schwerin (1870-1956) und Enole Marie geb. von Mendelssohn-Bartholdy (1878-1947). Dorothea hatte sechs Geschwister und heiratete 1927 Wilhelm Eckardt. Ihre Dissertation schrieb sie über den ostdeutschen Getreidemarkt und seine Umgestaltung nach dem Weltkrieg.
Dr. Dorothea Eckardt war Gründungsmitglied und von 1964-1968 Erste Vorsitzende des Akademikerinnenbundes Hamburg, Präsidentin der Welt-Organisation der Mütter aller Nationen (W.O.M.A.N.) Deutschlandzentrale Landesverband Hamburg und Trägerin des Großen Bundesverdienstkreuzes.
Dorothea Eckardt war auch eine Zeitlang Erste Vorsitzende des "Hamburger Frauenrings". Dieser geht von der Auffassung aus, dass alle Frauen zusammengehören, einerlei welcher Konfession, welchem Verein, welcher Partei, welchem Berufsverband sie sonst angehören. Seine Ziele waren damals: "Überwindung militaristischer und faschistischer Tendenzen durch Stärkung eines vorbehaltlosen Friedenswillen und durch Erziehung der Jugend auf diesem Gebiete. Wiedergewinnung einer den Frauen und Müttern zukommenden Stellung im Leben des Volkes und der Familie. Mitarbeit an der Beseitigung der materiellen und seelischen Nöte unsres Volkes."
Außerdem war Dr. Dorothea Eckardt beim Zustandekommen der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (ahf, heute: Landesfrauenrat Hamburg)beteiligt. Desweiteren war sie Vorsitzende der Stiftung Hamburger Studentinnenheime, die in den 1950er Jahren gegründet wurde. Die Stiftung errichtete drei Häuser: Das Amalie-Dietrich-Haus in der Bieberstraße 6, in dem früh schon Übungs"zellen" für Musikstudentinnen vorgesehen wurden, die Studierendenwohnungen am Doormannsweg, das erste Heim für Studierendenehepaare und das Studierendenwohnheim Ölmühlenweg für Studentinnen und Studierendenehepaare mit Kindern.
Das Amalie Dietrich Haus war das erste Studentinnenwohnheim Hamburgs.
1945 hatte Anna Derzewsky der Universität Hamburg ein Haus in der Bornstraße vermacht, mit der Auflage, es als Studentinnenwohnheim herzurichten. Die Universität hatte das Vermächtnis zwar angenommen, ohne es aber der testamentarischen Bestimmung entsprechend als Studentinnenheim zu nutzen. Auf Initiative des Akademikerinnenbundes konnte 1958 dem Vermächtnis Rechnung getragen werden, so dass 1960 das Amalie-Dietrich-Haus in der Bieberstraße eröffnet werden konnte.
Dr. Dorothea Eckardt war nach dem Zweiten Weltkrieg auch Mitbegründerin der FDP. Als Wirtschaftsjournalistin bei der Deutschen Presseagentur - dpa - half sie noch während der Besatzungszeit ein verantwortungsbewusstes, dabei an der Pressefreiheit orientiertes Presse- und Verlagswesen neu zu begründen.
Ingeborg Eggert-Sander
Photo: privat
Journalistin, aktiv in Frauenverbänden
22.6.1922 Kiel - 12.4.2005 Seevetal
Ingeborg Eggert, älteste Tochter des Oberleutnants zur See und Vizeadmirals Friedrich Ruge und seiner Frau Ruth geb. Greeff, wuchs mit vier Geschwistern auf. Ihre erste Auslandsreise führte sie 1937 mit ihrem Vater sechs Wochen nach England. 1940 machte sie Abitur, heiratete im Zweiten Weltkrieg, bekam zwei Kinder, ließ sich bald scheiden und arbeitete als Fremdsprachensekretärin. Von 1949 bis 1952 war sie Mitarbeiterin des "Naval Historical Team" in Bremerhaven, in dem ehemalige hochrangige deutsche Marineoffiziere Kriegserfahrungen aufarbeiteten. In diesen Jahren schrieb sie erste Fachartikel im Bereich Seefahrt und arbeitete an den Büchern ihres Vaters mit, der auch international Anerkennung als Militärhistoriker gefunden hatte.
1953 dann die zweite Ehe. Ingeborg Eggert bekam zwei weitere Kinder und war nun überwiegend die Ernährerin der Familie. 1954 trat sie dem Deutsch-.Amerikanischen Frauenclub in Bremerhaven bei, dessen Vorstandsmitglied sie ab 1956 wurde. Im selben Jahr gründete sie für die Amerikaner im Land Bremen die Zeitschrift "Your German Companion", deren alleinverantwortliche Redakteurin sie wurde. Sie schrieb zahlreiche Artikel über Schifffahrt und Wirtschaft. 1957 erfolgte eine erneute Scheidung. Nun war sie alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Ab 1965 lebte Ingeborg Eggert in Hamburg und wurde dort als Journalistin, Redakteurin und Lektorin tätig. Zwölf Jahre war sie bei der Zeitschrift "Yacht" für die Schlussredaktion zuständig - anfangs als einzige Redakteurin in einem spezialisierten Männerteam. Auch in Hamburg übte sie überwiegend Vorstandsfunktion im Deutsch-Amerikanischen Frauenclub aus. 1974 unternahm sie mit ihrem Vater, den ersten Inspekteur der Bundesmarine und späteren Professor an der Universität Tübingen, eine mehrwöchige Amerikareise. Von 1975 bis 1979 war sie Vorstandsmitglied im Dachverband der Deutsch-Amerikanischen Clubs und zuständig für Norddeutschland und Berlin, ab 1983 Delegierte im Landesfrauenrat Hamburg und seit 1985 Vorsitzende des Kuratoriums der Hamburger Bibliothek für Frauenfragen und Vorstandsmitglied des Hamburger Verbandes für Fraueninteressen. Ingeborg Eggert machte sich durch ihren unermüdlichen und kenntnisreichen Einsatz für den Auf- und Ausbau der "Hamburger Bibliothek für Frauenfragen" des Landesfrauenrates verdient und erhielt 1989 den Zitronenjette Preis des Landesfrauenrates. 1984 ging sie ihre vierte Ehe ein. Mit Helmut Sander war sie bis zu seinem Tod glücklich verheiratet. Am Ende ihres Lebens war Ingeborg Eggert, die auch Gründungsmitglied des Vereins Garten der Frauen war, Jörg Hillmann beim Verfassen einer Biographie über ihren Vater behilflich. Sie selbst schrieb darin ein persönliches Kapitel über ihren Vater.

Bild: Staatsarchiv Hamburg
Emma Ender (geb. Behle)
Frauenrechtlerin, Bürgerschaftsabgeordnete (Deutsche Volks Partei)
2.8.1875 Frankfurt a. M. - 25.2.1954 Hamburg
Der Vater, ein wohlhabender Kaufmann, verbot seiner Tochter, einen Beruf zu erlernen. Mit 25 Jahren heiratete Emma Ender und schloss sich dem Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF) an. Dort widmete sich die kinderlos Gebliebene der Kinder- und Jugendarbeit. Sie war u.a. von 1910-1919 Vorsitzende des Verbandes Hamburger Mädchenhorte, von 1907-1916 stellvertretende Vorsitzende des ADF Ortsgruppe Hamburg. Im Ersten Weltkrieg gehörte sie zu den Gründerinnen des Frauenausschusses der Hamburger Kriegshilfe. Emma Ender setzte sich für das Frauenwahlrecht ein und gründete den Wahlwerbeausschuss des Stadtbundes Hamburger Frauenvereine, dessen Vorsitzende sie war. Von 1919-1924 war sie Bürgerschaftsabgeordnete der DVP, ab 1924 Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauen. Als Gegnerin des Nationalsozialismus zog sich Emma Ender 1933 aus dem öffentlichen Leben zurück.
Marie Firgau
Bild: Staatsarchiv Hamburg

Schulleiterin
29.3.1845 Hamburg - 14.12.1935 Hamburg
Marie Firgau, Tochter des Kaufmannes Peter Friedrich Firgau und der Amalie Elisabeth Auguste geborene Tiede, wohnte mit ihren Eltern im Hamburger Stadtteil St. Georg. Nach dem Besuch der Vorschule von Fräulein von Königslöw vom 6. bis zum 10. Lebensjahr ging Marie Firgau bis zum 16. Lebensjahr auf die Höhere Mädchenschule von Johanna (Hannchen) Averdieck, einer Schwester von Elise Averdieck. Nach ihrem Schulabschluss begann Marie Firgau dort als Lehrerin die Elementar- und Mittelklasse zu unterrichten. 1865 ging sie als Erzieherin auf das Gut Bundhorst bei Plön und erzog dort fünf der neun Kinder der hier lebenden Familie Droege. Nach dreieinhalb Jahren auf Gut Bundhorst zog Marie Firgau nach England, um dort von August 1869 bis Oktober 1970 an einer englischen Schule zu unterrichten. Zurück in Hamburg war sie von April 1871 bis Oktober 1876 an der Höheren Mädchenschule von Ferdinand August Louvier Beim Strohhause 14 tätig. Danach ging sie nach Paris, wo sie bis Januar 1881 als Lehrerin arbeitete. Wieder zurück in Hamburg machte Marie Firgau ihre Schulvorsteherinnen-Prüfung und eröffnete im selben Jahr zum 1. Oktober 1881 am Theresienstieg auf der Uhlenhorst eine Kursusschule mit zehn Schülerinnen zwischen 15 und 16 Jahren.
Bereits kurze Zeit später reichten die Räumlichkeiten nicht mehr aus, so dass Marie Firgau ihre Schule in größere Räume in die Abendrothstraße 2 (heute: Osterbekstraße) verlegte. Marie Firgaus Schule entwickelte sich zu einer 10-stufigen Höheren Mädchenschule.
Die Schule zog wegen Platzmangels noch zweimal um, so 1895 in die Adolpfstraße 22 (heute: Herbert-Weichmann-Straße) und 1910 schließlich in die Sierichstraße 53. Hier bezog Marie Firgau im Obergeschoss auch ihre privaten Räume. Nun hatte die Schule 300 Schülerinnen.
Die Autorität der Schulleiterin soll "allgemein anerkannt und gewürdigt" worden sein: "der Umgangston war freundlich, aber ‚nicht familiär'". 1)
In den Vorstand der Schule wurden nur Töchter gebildeter Familien aufgenommen. "Unterrichtsgegenstände waren Religion, Kirchengeschichte, Deutsch, Grammatik und Literatur, Geschichte, Übung in der Betrachtung von Kunstwerken in Museen und Privatgalerien, Naturgeschichte, Physik, Küchenchemie, verbunden mit praktischen Übungen, Französisch, Englisch, Rechnen, Mathematik, Schreiben, Zeichnen, Gesang, Handarbeit und Turnen resp. Tanzen." 1)
Die wöchentliche Schulzeit betrug 29 Stunden.
Als 1911 Marie Firgau 66 Jahre alt wurde, zog sie sich aus dem Schulbetrieb zurück, wohnte aber weiterhin im Schulgebäude und war deshalb immer noch gefragt. Ihre Nachfolgerinnen waren Rebecca Beit und Bertha Helene Mosengel. Zum 50. Schuljubiläum am 1. Oktober 1931 erhielt Marie Firgau eine von der Hamburger Künstlerin Frieda Mathaei-Mitscherlich entworfene Bronzeplakette überreicht.
Zwei Jahre nach Marie Firgaus Tod musste Helene Mosengel 1938 die Schule schließen. "Der Abbau der Grundschule und die Neuordnung des Schulwesens" 1) waren der Grund hierfür.
Lit:
Renate Hauschild-Thiessen: Marie Firgau (1845-1935) und ihre Schule. In: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter, Bd. 15, Heft 12, Oktober 2009, S. 294ff.

Bild: Staatsarchiv Hamburg
Klara Fricke (geb. Magers)
ehrenamtlich tätig im Sozialbereich
4.2.1871 Hamburg - 16.10.1951 Hamburg
Durch ihre wohlhabenden sozial engagierten Eltern und ihren ehrenamtlich in der Armenfürsorge tätigen Ehemann, beeinflusst, sah die kinderlose Klara Fricke ihr Betätigungsfeld in der Jugendpflege. Anfang des 20. Jhds. wurde sie zur Armen- und Waisenpflegerin ernannt. Sie war Leiterin eines Mädchenhortes auf St. Pauli, 1912 Mitbegründerin und ab 1915 Vorsitzende des Verbandes für Waisenpflege, Armenpflege und Vormundschaft, von 1916-1934 Vorsitzende der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und von 1924-1933 Vorsitzende des Ausschusses zur Förderung der Jugendwohlfahrt. 1919 wurde sie als erste ehrenamtlich tätige Frau in die Vormundschaftsbehörde aufgenommen. In der NS-Zeit zog sie sich aus der ehrenamtlichen Arbeit zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie Mitbegründerin des Hamburger Frauenrings.
Lilly Giordano, geb. Seligmann -Lehmkuhl
Klavierlehrerin, Mutter des Schriftstellers Ralph Giordano
16.1.1897 Hamburg - 1.1.1980 Hamburg
Geboren als uneheliches Kind von Selma Seligmann wuchs Lilly überwiegend bei ihren Großeltern auf. Ihr Vater war ein wohlhabender Jude aus Straßburg, "der verschwand, als seine Tochter sechs Jahre alt war. Bald nach 1900 heiratete die Mutter den Bauschlosser und entschiedenen Sozialdemokraten Rudolph Lehmkuhl, der von da an als Stiefvater Lillys fungierte. (…)Als Lilly schon als Kind musikalische Begabung zeigte, förderten ihre Großeltern sie, indem sie ihr ein Klavier kauften und sie in einem der Hamburger Musikinstitute zum Klavierstudium anmeldeten. Am 4. Mai 1917 schloss sie mit dem ‚Reifezeugnis der Lehrbefähigung für Elementar- und Mittelstufe' mit sehr gutem Erfolg ab (…).
Seitdem gab sie privat Klavierstunden und war zudem in der Saison 1919/1920 als Dozentin am Klaerschen Konservatorium in Blankenese, das damals zu Altona gehörte, tätig. 1921 lernte sie den Pianisten Alfons Giordano kennen und heiratete ihn im Jahr darauf. Das Paar bekam insgesamt vier Kinder, eins davon ist der spätere Schriftsteller Ralph Giordano, der 1923 geboren wurde.
Mit den Klavierstunden, die sie in ihrer Mietwohnung in der Hufnerstraße in Hamburg-Barmbek gab, trug sie in den nächsten Jahren zum Lebensunterhalt der Familie bei." 1)
1935 wurde Lilly Giordano wegen ihrer jüdischen Herkunft aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen und erhielt Berufsverbot.
"Im Herbst 1942 wurden Lilly und Alfons Giardano in die Gestapoleitstelle in Hamburg befohlen, wo dem ‚arischen' Ehemann nahegelegt wurde, sich von seiner ‚jüdischen' Frau scheiden zu lassen. Giordano, dessen Impulsivität sich schon früher oft und unerwartet Bahn gebrochen hatte, bekam einen Tobsuchtsanfall und drohte damit, in seiner ersten Heimat Italien von den Zumutungen der deutschen Polizei zu berichten. Die Gestapo ließ die beiden wieder gehen, doch ab jetzt war es klar, dass das Leben von Frau und Kindern einzig davon abhing, dass Alfons Giardano zu ihnen hielt, damit der Status einer ‚privilegierten Mischehe' - so die Nomenklatur der Nazis - aufrecht erhalten blieb. 1943 wurde das Berufsverbot, das für Lilly Giordano schon seit 1935 galt, auch auf ihren Mann ausgedehnt." 2)
1943 wurde die Familie ausgebombt. Sie fand Zuflucht in Bösdorf, doch 1944 wurden Lilly und Alfons denunziert und sie musste zurück nach Hamburg, wo die beiden Zwangsarbeit leisten mussten. Lilly Giordano musste in Hamburg Bahrenfeld in den Firmen Heldmann und Bommelmann, die Rattengift produzierten, unter schlimmsten hygienischen Bedingungen Sortier- und Einfüllarbeiten verrichten, was zu starken gesundheitlichen Schäden führte.
"Im Februar 1945 wurde Lilly Giordano von der Gestapo erneut aufgefordert, sich zur "Verschickung" bereit zu halten, was wohl ihren Tod bedeutet hätte. Dies nahm Sohn Ralph zum Anlass, die Familie in ein bereits vorher ausgekundschaftetes Versteck in der Alsterdorfer Straße in Hamburg-Alsterdorf zu bringen, wo die fünf Personen vom 14. Februar an bis zur Befreiung am 4. Mai unter unerträglichen Bedingungen, unterstützt von ihrer früheren Nachbarin Grete Schulz, dahinvegetierten und am Ende auch überlebten.
Nach dem Krieg konnte Lilly Giordano mit Mann und Kindern eine Wohnung in der Elbchaussee beziehen. Doch selbst hier noch waren sie antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt; gegen verleumderische Handzettel mit der Aufschrift ‚Judenschweine raus!' strengten sie eine Strafanzeige gegen Unbekannt an, die zu Ermittlungen bis ins Jahr 1954 führte, ohne dass Täter gefasst wurden (…). Lilly Giordano traute sich zu, wieder als Klavierlehrerin zu arbeiten, hatte aber kein Instrument mehr und bat deshalb - wegen Ausbombung - um Soforthilfe beim Amt für Wiedergutmachung. Diese wurde nicht gewährt. Zehn Jahre lang kämpfte sie um Anerkennung als an Beruf und Gesundheit schwer Geschädigte. Am Ende wurde ihr eine monatliche Rente in Höhe von 250,- DM zugestanden, die sich freilich Jahr für Jahr erhöhte. Den Beruf als Klavierlehrerin konnte sie jedoch nicht wieder aufnehmen. Sie lebte einige Jahre in Altona, wo sie ihrem Mann bei dem Versuch half, ein Geschäft aufzubauen: erst eine Leihbibliothek, dann einen Waschsalon; am Schluss blieben aber nur Schulden übrig. 1963 zog sie mit Mann und Tochter nach Hamburg-Langenhorn um. Hier starb Alfons Giordano im Oktober 1972. Ihre behinderte Tochter [geboren 1946] kam 1978 in die Alsterdorfer Anstalten. Lilly Giordano - inzwischen 82jährig - ging 1979 in das nicht weit davon entfernte Pflegeheim Alsterberg. Hier starb sie am 1. Jan. 1980." 3)
Quelle:
Ausführlicher Lebenslauf unter: www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00005725
1-3: Peter Petersen: Lilly Giordano, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen (Hg.), Hamburg: Universität Hamburg, 2014 ( www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00005725).
Martha Golembiewski
Verfolgte des Nazi-Regimes
16.2.1900 Kreis Mühlheim - 25.9.1943 Hamburg
Martha Golembiewski starb im KZ-Fuhlsbüttel und wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof in einem, heute nicht mehr vorhandenen, Reihengrab beigesetzt. Ihre Akten weisen sie als "Wiedereindeutschungsfähige" aus. Obwohl bei Mühlheim geboren, scheint Martha Golembiewski in Polen gewohnt zu haben. Die 1939 im annektierten Polen lebenden Menschen wurden nach "Deutschstämmige", "Eindeutschungsfähige" oder "Fremdvölkische" eingeteilt. Wer ökonomischen Nutzen brachte, wurde "eingedeutscht" und ins Deutsche Reich verschleppt. Martha Golembiewski kam nach Hamburg, wo sie in der Isestraße 41 als Hausangestellte arbeitete. Ihre Inhaftierung ins KZ-Fuhlsbüttel veranlasste das "Ausländerreferat" II E.2. der Gestapo. Es gab als Inhaftierungsgrund oft "Arbeitsvertragsbruch" an, obwohl meist politische Gründe zur Inhaftierung führten.
Gerda Gühlk
Photo: privat
Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft
11.05. 1920 - 16.12. 2003, Seebestattung
Gerda Gühlk war von 1966 bis 1971 SPD-Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. Dann schied sie aus familiären Gründen aus, denn neben ihrer politischen Tätigkeit hatte sie vier Kinder zu versorgen. Ihre politischen Schwerpunkte lagen in den Bereichen Haushalts-, Rechts- und Baupolitik. Sie arbeitete im "Parlamentarischen Unterausschuss Neubau Allgemeines Krankenhaus Othmarschen", in der Arbeitsgruppe "Strafrechtsreform" der SPD - Fraktion und bei der Neufassung der Hamburger Bauordnung mit. Als politischen Erfolg bezeichnete sie die Initiative zur Einbringung der Großen Anfrage "Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord" (Die Strafbarkeit bleibt erhalten) als Gesetzesvorlage im Bundestag. Politische Aktivitäten, Privatleben und Kindererziehung konnte sie nur mit Zustimmung und Hilfe ihrer Familie befriedigend in Einklang bringen. Als Prämisse galt stets: notfalls haben die Belange der Kinder Priorität. Nach ihrem Ausscheiden aus der Bürgerschaft übernahm sie keine Funktion mehr. Gerda Gühlk hatte nach eigenen Aussagen das Glück gehabt, Emanzipation durch ihre gleichberechtigte Erziehung mit drei Brüdern geübt zu haben. Die alleinige Verantwortung für ihre Kinder in den Kriegs- und Nachkriegsjahren taten ein weiteres.
Beate Hasenau
Schauspielerin, Kabarettistin, Synchronsprecherin
15.04.1936 Frankfurt a. M. - 01.10.2003 Hamburg
Beate Hasenau absolvierte eine Schauspiel- und Gesangsausbildung und durchlief parallel dazu noch eine kaufmännische Lehre. Da sie nach dem Abschluss der künstlerischen Ausbildung Theaterengagements erhielt, so z. B. in
Frankfurt a. M., brauchte sie nicht, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, einen kaufmännischen Beruf ergreifen.
Bekannt wurde Beate Hasenau u.a. durch ihre Auftritte ab 1965 im deutschlandweit bekannten Kabarett "Die Stachelschweine" und durch Fernsehrollen in Serien wie "Ein Heim für Tiere", "Der Alte", "Großstadtrevier" und "Die Männer von K3".
Weil Beate Hasenau über eine rauchige Stimme verfügte, entsprach sie damit dem Frauenklischee einer "Dame der Halbwelt", die sie deshalb in Filmen auch vielfach verkörperte.
Sie spielte z. B. 1962 in dem Kinofilm "Nachts ging das Telephon"; 1967 in dem Gansterfilm "heißes Pflaster Köln" oder 1969 in der Filmkomödie "Dr. med. Fabian - Lachen ist die beste Medizin". Auch trat sie 1975 in der Fernsehserie "Tatort" (Titel: "Als gestohlen gemeldet"), 1976 in der Verfilmung des Romans von Hans Fallada "Jeder stirbt für sich allein" oder 1977 in dem Sexfilmlustspiel "Drei Schwedinnen in Oberbayern" auf. In den 1980er Jahren bekam Beate Hasenau Rollen z. B. in den Filmen "Piratensender Powerplay" (1981), in dem auch Thomas Gottschalk, Mike Krüger und Evelyn Hamann auftraten oder 1983 in dem Film "Kiez - Aufstieg und Fall eines Luden". In den 1990er Jahren gab Beate Hasenau z. B. in dem Zeichentrickfilm "Bodo und die Hasenbande" (1995) der Elster ihre Stimme.
Beate Hasenau war vielfach auch als Synchronsprecherin tätig. So lieh sie 1961 ihre Stimme der Schauspielerin Claudia Cardinale in dem Kinofilm "Spiel mir das Lied vom Tod" und der Schauspielerin Gina Lollobrigida in dem Film "Die Puppen", ebenso Raquel Welch in dem Film "Auf leisen Sohlen kommt der Tod" und Beatrice Arthur für deren Figur "Dorothy" in der Fernsehserie "Golden Girls". Auch wirkte Beate Hasenau in den Walt Disney Zeichentrickfilmen "Arielle, die Meerjungfrau" mit und gab die deutsche Stimme für die Meerhexe Ursula. In dem Zeichentrickfilm "Cap und Capper" lieh sie der Big Mama ihre Stimme, in dem Film "101 Dalmatiner" der Cruella De Vil und in "Bernhard und Bianca" der Figur Madame Medusa. 2002 wurde ihre Stimme auch für ein PC-Spiel benötigt, so verkörperte sie dort die Mama Dorita in dem PC-Spiel "Runaway: A Road Adventure".
Und auch für Hörspiele gab sie ihre markante rauchige Stimme, so für Rollen in "TKKG", "die 3 ???" oder "Die kleine Hexe".
Beate Hasenau, die 1984 nach Hamburg gezogen war und dort auch im St. Pauli Theater und am Theater Am Holstenwall auftrat, verstarb 2003 an einem Krebsleiden im Hospiz Hamburg Leuchtfeuer
Quellen:
Wikipedia: Beate Hasenau, abgerufen: 15.12.2019
Dörte Helm, verh. Heise
Quelle: https://doerte-helm.de/
Bauhaus-Künstlerin, Malerin, Grafikerin
3.12.1898 Berlin - 24.2.1941 Hamburg
Dörte Helm war eine vielseitig begabte Künstlerin. Sie schuf Holzfiguren, hölzerne Sitzwürfel, Schmuck, Textilien, Grafiken, Gemälde, Plakatentwürfe, Drucke, Glas-fenster. Auch war sie schriftstellerisch tätig und schuf Illustrationen für Märchen. Dörte Helms Eltern waren Alice Caroline Helm, geb. Bauer und Rudolf Helm, Prof. für klassische Philologie an der Universität Rostock. Dieser entpuppte sich als strenger Patriarch. Wie es in einer patriarchal geprägten Gesellschaft für Frauen üblich ist, sollte Dörte die Haltung einnehmen, es allen recht zu machen. Diesem Ansinnen widersetzte sie sich.
Dennoch schufen Vater und Tochter auch etwas Gemeinsames. So erschien 1921 Dörte Helms Kinderbuch "Im Märchenreich" mit Versen des Vaters. "Dörte, die Tochter, illustrierte seine Elaborate als Jugendliche brav und mit heute noch zu bewundernder und zugleich erschreckender Perfektion."
Nach dem Schulabschluss am Rostocker Lyzeum besuchte Dörte Helm von 1913 bis 1915 die Rostocker Kunstgewerbeschule, dann bis 1918 die Kunstakademie in Kassel. 1918/1919 studierte sie in der Grafikklasse der Großherzoglichen Kunsthochschule Weimar. Danach ging sie als Lehrling in die Wandmalerei- und Textilwerkstatt des Staatlichen Bauhauses Weimar. 1921 durfte sie an Walter Gropius' Projekt "Haus Sommerfeld" mitwirken: sie stellte einen Applikationsvorhang her. Zwischen 1922 und 1923 war sie in der Weberei-Werkstatt tätig. Auf der Bauhaus-Ausstellung 1923 war sie mit einem Wandbehang und einem Wandschirm vertreten. 1922 legte sie die Gesellenprüfung als Dekorationsmalerin ab und arbeitete bis 1924 als Gesellin am Bauhaus - in bezahlter Position.
Dörte Helm hatte sich immer als gleichberechtigte Künstlerin gesehen. So ließ sie sich nicht in die Weberei abschieben, wo nach Meinung der meisten Künstler der Platz der Künstlerinnen sei, sondern erkämpfte sich "einen Platz in der Werkstatt für Wandmalerei (…). Obwohl Frauen dort nicht erwünscht waren, wirkte sie eigenständig an Architekturprojekten mit."
1924 zog sie zurück nach Rostock, wurde u. a. Mitglied der Vereinigung Rostocker Künstler und nahm mit eigenen Werken an deren Ausstellungen teil. Sie arbeitete als Malerin und Gestalterin. Auf ihrem Briefkopf stand "Raumkunst Dörte Helm". 1927 erhielt sie z. B. den Auftrag, die Innengestaltung des Warnemünder Kurhauses zu übernehmen.
Dörte Helm ging auch Liebesbeziehungen mit Frauen ein. Von ihr geschaffene Bilder zeigen die Liebe zwischen zwei Frauen "oder die Auseinandersetzung mit dem Verbot oder dem Scheitern dieser Liebe (…)." Ihre ab 1930 geschaffenen Bilder zeigen keine Frauengestalten mehr, sondern "(…) heimatlich-anziehende, aber zugleich leere, einsam wirkende norddeutsche Landschaft".
1930 heiratete sie den Journalisten Heinrich Heise und zog zu ihm nach Hamburg. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde sie, weil ihre Mutter jüdischer Herkunft war, von den Nazis als "Halbjüdin" bezeichnet und erhielt 1933 Berufsverbot, durfte nicht mehr aus-stellen. Sie wich aufs Schreiben aus, gab ihre Texte unter Pseudonym heraus. 1938 wurde ihre Tochter Cornelia Heise geboren. Drei Jahre später starb Dörte Helm an einer Lungenentzündung. Der größte Teil ihrer Arbeiten ist heute noch vorhanden.

Quellen:
Alle Zitate, siehe: Ulrike Müller: Bauhaus Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design. 2. Aufl. München 2019, S. 101ff.

Auszüge aus dem Nachruf auf Dörte Helm, von Hugo Sieker
Ich war in diesen Tagen in den Räumen, die Dörte Helm-Heise für sich und die ihren hergerichtet hat. Alles zeugte noch von ihr und von dem Maß der Liebe, das sie auf Dinge und Pflanzen, auf Tiere und Menschen verwendete. Die Pflanzen im kleinen Erker, die so willig unter ihrer behutsamen pflegenden Hand gegrünt hatten, sie grünten noch (…) Der Kater Müffchen, den sie in einer Erzählung verewigt hat, strich noch hoheitsvoll und mit der Neugier eines aufgeweckten Menschen über die Teppiche. Die Buchregale waren wohlgefüllt mit der Nahrung, die sie ihrem so regen und aufgeschlossenen Geist zuführte (…). Die Möbel, deren Form und Farbe sie selber bestimmte, schauten den Besucher wie mit lieben, klaren Gesichts-zügen an. An den Wänden hingen die Bilder, die sie einst in frohen Schaffensjahren gemalt hat. Die Landschaften grüßten aus ihnen, die sie geliebt hat, die Kieler Förde, die heitere grüne Marschlandschaft der Warnow bei Rostock. (…) Ein (…) Schrank hütete die schriftstellerischen Entwürfe, die manchmal kleinen Märchen und Erzählungen, ein fertiges Kinderbilderbuch, das Märchenspiel vom König Drosselbart, das bei seiner Aufführung im Rostocker Stadttheater so viele kleine und große Menschen erfreute.
Alle diese Dinge und Kunstwerke und Pflanzen schienen mir von der leisen Unruhe des Wartens erfüllt, als ich unter ihnen weilte. Der Kater Müffchen trug die Frage in seinen fast menschlichen Augen herum: "Weißt du nicht, wo sie ist?" Ach, euer Warten wird vergebens sein, nie wird Dörte zu euch zurückkehren (…).
Da aber trippelte die kleine Cornelia ins Zimmer herein - zierlich noch die Glieder und unbeholfen noch die Beinchen, aber die Augen des Kindes blickten aus derselben Tiefe und sie hatten dasselbe bunte Leuchten wie die Augen der Mutter. Sie trippelte herein und erfüllte die Räume mit ihrer zirpenden Stimme, und die Unruhe des Wartens schien von den Dingen zu weichen, so lange sie unter ihnen weilte. Wie gut, dass für Cornelia alles noch lange so bleiben wird. Für sie werden die Pflanzen weiter grünen, für sie die Möbel ihren treuen Dienst verrichten, für sie der Vater und die Großmutter ihre sorgende Liebe zu jeder Stunde walten lassen. Ihr gewohntes Leben wird weitergehen, sie wird spielen und die Seele des von der Mutter gerichteten Heims bleiben, und jeden Abend wird sie in ihrem Bettchen das Gebet der Unschuld sprechen, so wie sie es heute tat: "ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als die liebe Mama allein." Ach du ahnungsloses Menschlein, wie wahr ist doch dein Gebet, wie gewiss ist doch, dass in dir die Mutter fortlebt - das Beste der Mutter. Verbunden mit der besten Kraft des Vaters. Nein, niemand löst sich ganz aus diesem Leben, auch wenn es dem Nächsten im ersten Schmerz so scheinen will. Wie in einem kleinen Gewebe schlingt sich ein Faden um den andern, und die Klugheit der Mütter gar, die im Leben so manches sinnvoll richtet, kann auch durch den Tod nicht oh-ne weiteres abgeschnitten werden, sie wirkt fort und fort und tritt im Gewebe des Daseins immer wieder hervor und gibt ihm seinen Halt.
Du wirst heranwachsen in einem behüteten Kreise, kleine Cornelia, so wie es sicherlich der letzte, sehnlichste Wunsch deiner Mutter war. (…)

veröffentlicht: Sonderdruck aus dem "Hamburger Anzeiger" vom 1./2. März 1941

Photo: privat



Erna Hoffmann
Opfer der Euthanasie
11.8.1892 Hamburg - 27.10.1942 Pfafferode
Ende April 1938 wurde Erna Hoffmann als eine von mehreren Hundert Patientinnen der "Irrenanstalt" Hamburg Langenhorn in das Krankenhaus für Behinderte und psychisch Kranke nach Rickling/Schleswig-Holstein verlegt, wo die Versorgung der PatientInnen u. a. kostengünstiger war. Die Hamburger "Irrenanstalten" Langenhorn und Friedrichsberg wurden zur Aufnahme "wertvollerer" Kranker benutzt, denn im Nationalsozialismus galten Behinderte und psychisch Kranke als "wertlos". Deshalb wurde die Vernichtung "unwerten Lebens", bewusst verursacht z. B. durch mangelhafte Versorgung und schlechte Behandlung als "normal" angesehen. 1941 sollte auch Rickling nicht mehr als Heim für Behinderte und psychisch Kranke dienen. So wurden am 25. und 28. Nov. 1941 170 Hamburger Patientinnen, die in Rickling untergebracht waren, darunter auch Erna Hoffmann, in die Heil- und Pflegeanstalt Pfafferode/Thüringen abtransportiert. Dort wurden Menschen direkt mit Gift getötet, oder man ließ sie durch Nahrungsentzug verhungern. Nur zehn der Frauen aus Rickling überlebten das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft.
Erna Hoffmanns Schicksal steht für die Frauen, die zwischen November 1941 und dem Kriegsende 1945 in der Heil- und Pflegeanstalt durch Nahrungsentzug verhungert sind.

Erna Hoffmann steht für eine große Anzahl Hamburger Frauen, die als Opfer der Euthanasie systematisch durch Nahrungsentzug getötet wurden. Deshalb wurde der kompakte Stein ausgehöhlt und mit Glassplittern gefüllt, die an die durchscheinenden verhungerten Körper erinnern sollen. Die Glasstäbe werden begrenzt und eingeschlossen durch Eisenstäbe, was das zwangsweise Eingesperrtsein dieser Frauen versinnbildlicht.
Else Jacobs
Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft (SPD) in der Ernannten Bürgerschaft: Februar 1946 - Oktober 1946
15.5.1885 Hamburg - 18.6.1966
Die Hausfrau Else Jacobs war von 1924 bis 1933 und ab 1945 Mitglied der SPD, fungierte dort u. a. als Distriktsfrauenleiterin. Außerdem war sie Mitglied des Elternrats der Siedlungsschule und Delegierte zum Schulbeirat.
Als die britische Militärregierung im Februar 1946, eine Volksvertretung bilden, deren Mitglieder sie selbst ernennen wollte, war es den Briten daran gelegen, dass zu den 81 Mitgliedern auch Frauen gehörten. Nach dem Willen der britischen Militärregierung sollte die Bürgerschaft die ganze Hamburger Bevölkerung repräsentieren und einen Querschnitt durch alle Kreise darstellen.
Sieben der 81 Ernannten waren Frauen, darunter auch Else Jacobs die von Emmy Beckmann als Vertreterin der Hausfrauen benannt worden war. Else Jacobs, die während ihrer Bürgerschaftszeit u. a. Mitglied des ständigen Eingabenausschusses der Bürgerschaft war, hatte das Bürgerschaftsmandat nur deshalb angenommen, weil ihr versprochen worden war, dass auch die Nöte und Sorgen der Hausfrauen Gehör finden würden. Als sie dann Abgeordnete war musste sie feststellen: "Aber es sind so viele Nöte, die die Hausfrauen heute treffen, daß es ein wahres Martyrium ist. (…) Es ist nicht nur die Ernährung, sie haben für andere Dinge mitzusorgen. Die Haufrauen sind heute der Blitzableiter für alle Dinge."
Else Jacobs und ihre sechs Mitstreiterinnen in der Hamburgischen Bürgerschaft stellten die Existenznotwendigkeit der Hausfrauenarbeit heraus. Sie machten deutlich, dass die Erhaltung der Lebens- und Arbeitskraft der Menschen die Basis jeder Volkswirtschaft sei und dass sich Hamburg nicht aus dem Trümmerelend erholen könne, solange die Bevölkerung darbte. Dies erkannten auch die männlichen Abgeordneten, schon weil sie die Not am eigenen Leibe spürten. Sie würdigten deshalb die auf elementare menschliche Bedürfnisse ausgerichteten Beiträge ihrer Kolleginnen, griffen deren Anregungen auf und nahmen an den Diskussionen über Gesundheit und soziale Zustände engagiert teil, so dass in der ersten Nachkriegszeit diese sonst eher randständigen traditionellen "Frauenthemen" ins Zentrum parlamentarischen Interesses rückten.
Mit dem Ende der Ernannten Bürgerschaft im Oktober 1946 schied Else Jacobs aus der Bürgerschaft aus.
Christel Klein, geb. Pazdera
Opfer häuslicher Gewalt
geb. 27.11.1938 Gelsenkirchen, ermordet am 6.5.1981 in Hamburg
Acht Monate Flucht vor ihrem gewalttätigen, alkoholabhängigen Ehemann endeten für Christel Klein aus Herten am 6.5.1981 tödlich. Bereits ein Jahr zuvor hatte sie ihn mit ihren drei Töchtern verlassen; nun wollte sie sich scheiden lassen. Nachdem sie in Hamburg zuerst in einem Frauenhaus untergekommen war, startete sie ein neues Leben in einer kleinen Wohnung in Hamburg-Jenfeld.
Obwohl es eine Auskunftssperre gab, spürte ihr Mann sie auf. Da sie nicht weiterhin vor ihm flüchten, sondern ein normales, menschenwürdiges Leben führen wollte, ging sie mit ihren Töchtern nach einem erneuten, kurzem Aufenthalt im Frauenhaus zurück in ihre Wohnung. Eines Nachts drang ihr Ehemann durch ein Fenster in die Wohnung ein und erschoss Christel K. in ihrem Bett aus nächster Nähe mit drei Schüssen aus einem Kleinkaliberrevolver. Jeder Schuss war tödlich. Die Anwesenheit ihres neuen Lebensgefährten und die der drei Töchter, die im Nebenzimmer schliefen, hinderten ihn nicht an seiner Tat.
Der Täter wurde am nächsten Morgen gefasst und kurz vor Weihnachten 1981 zu acht Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung zu 15 Jahren Haft wegen Mordes gefordert.
Fünf Jahre später, im September 1986, wurde der Täter wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen. Er zog nach Gelsenkirchen, lernte dort eine Frau kennen, die sich nach wiederholtem Streit von ihm trennte. Daraufhin lauerte er ihr auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle auf. Als sie vor ihm flüchtete, schoss er von hinten mehrmals auf sie und gab dann aus unmittelbarer Nähe einen gezielten tödlichen Schuss auf den Kopf der am Boden liegenden Frau ab. Anschließend erschoss er sich auf einem nahe gelegenen Spielplatz.
Frauen: Opfer häuslicher patriarchaler Gewalt
Christel K. ist kein Einzelfall. Weltweit und somit auch in Deutschland ist häusliche patriarchale Gewalt die häufigste Ursache für körperliche Verletzungen bei Frauen, häufiger als Verkehrsunfälle und Krebs zusammen. Für Frauen ist das Risiko, durch einen Intimpartner Gewalt zu erfahren, weitaus höher als das, von einem Fremden tätlich angegriffen zu werden. In Deutschland ist jede vierte Frau betroffen. Dabei spielen Bildung, Einkommen, Alter, soziale Schicht, kultureller oder religiöser Hintergrund kaum eine Rolle. Sie sind keine entscheidenden Ursachen für häusliche Gewalt. Häusliche patriarchale Gewalt gegen Frauen findet in allen Gesellschaftsschichten und Ländern statt und ist unabhängig davon, ob die weiblichen Opfer einen Migrationshintergrund besitzen oder nicht. Das gewalttätige Verhalten von Männern wird, bewusst oder unbewusst, als Mittel zur Ausübung von Macht und Kontrolle in einer patriarchal geprägten Gesellschaft eingesetzt.
Jährlich fliehen in Deutschland rund 40.000 Frauen mit ihren Kindern in Frauenhäuser. Die Folgekosten für die Solidargemeinschaft, die Kosten für Justiz, Polizei, ärztliche Behandlung und Erwerbsarbeitsausfälle gehen in die Milliarden Euro.
Für viel zu viele Frauen endet jedoch die Flucht vor ihren gewalttätigen Ehemännern, Lebensgefährten aber auch Vätern, Brüdern und anderen männlichen Verwandten wie bei Christel K. tödlich. Wir können davon ausgehen, dass auch auf dem Friedhof Ohlsdorf Frauen, die Opfer häuslicher patriarchaler Gewalt geworden sind - sei es, dass sie getötet wurden, an den Folgen der Verletzungen starben, sich selbst in Folge der ihnen zugefügten Gewalt das Leben nahmen, an Krankheiten starben, deren Ursache in der erfahrenen Gewalt zu suchen ist - ihre letzte Ruhe gefunden haben. Ihnen allen ist dieser Erinnerungsstein gesetzt worden. Christel K. steht symbolisch für diese Frauen.
Eingeweiht wurde der Erinnerungsstein am 25. November 2010. Dieser Tag ist der von den Vereinten Nationen deklarierte Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Er wird seit 1981 weltweit durch Aktionen und Veranstaltungen von Frauenprojekten und Initiativen, aber auch von staatlicher Seite zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Kinder begangen. Hintergrund für die Entstehung dieses Aktionstages war die Verschleppung, Vergewaltigung und Ermordung von drei Frauen im Jahre 1960 in der Dominikanischen Republik durch Soldaten des ehemaligen Diktators Trujillo.
Lotte Klein-Fischer
Schauspielerin mit Auftrittsverbot in der NS-Zeit
13.6.1883 Hamburg - 24.7.1962 Garmisch-Partenkirchen
Lotte Klein-Fischer, Tochter eines Wiener Bankiers, die gegen den Willen ihrer Eltern eine Schauspielerinnenlaufbahn durchsetzte, war ein Idol. Backfische schnitten sich damals vor dem Ersten Weltkrieg, in Dresden ihren Namen aus dem Programm und verschlangen ihn auf Butterbrot.
Als Lotte Klein-Fischer am Dresdner Hoftheater engagiert war, lernte sie ihren späteren Ehemann, den Schauspieler und Regisseur Hanns Fischer kennen. 1923 kam das Paar ans Altonaer Stadttheater. Ab 1929 gehörte es zum Ensemble des Theaters, bis die Nationalsozialisten 1933 Lotte Klein-Fischer wegen ihrer jüdischen Herkunft mit Auftrittsverbot belegten und Hanns Fischer aus dem Amt trieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtete Willy Maertens sie ans Thalia-Theater, wo sie von 1946 bis 1962 engagiert war. Ihr Mann trat nur noch hin und wieder auf. Als er starb, stand Lotte Klein-Fischer bereits eine Stunde nach seinem Tod zur Generalprobe auf der Bühne und ließ es sich auch nicht nehmen, bei der Premiere am selben Abend aufzutreten.

Photo: privat


Selbstportrait, Quelle: privat
Elfriede Kneiphoff
Malerin
11.12.1900 Elbing - 26.12.1973 Hamburg
Elfriede Kneiphoff entstammte einer kinderreichen Kaufmannsfamilie. Mit ihren vier Schwestern besuchte sie in Elbing das höhere Mädchenlyzeum, das sie nach der 10. Klasse verließ, um sich in dem der Schule angegliedertem Lehrerinnenseminar zur Lehrerin ausbilden zu lassen.
Bereits in ihrer Schulzeit schloss sie sich der Jugendbewegung an und war Mitglied einer Mädchengruppe des Elbinger Wandervogel.
Ihre berufliche Laufbahn startete sie 1917 mit einer Anstellung als Privatlehrerin auf einem Gut in Reichenbach. Dort war sie bis 1919 tätig.
In dieser Zeit begann sie in Königsberg ein Kunststudium bei dem Kunstmaler Kunstmaler Paul Emil Gabel (1875-1938), der ebenfalls aus Elbing stammte. Mit Gabel ging Elfriede Kneiphoff eine Liebesbeziehung ein. Gabel war zu dieser Zeit bereits verheiratet, ist aber nur zu selten Besuchen zu seiner Familie zurückgekehrt.
Ab 1920 arbeitete Elfriede Kneiphoff als freischaffende Malerin - u. a. in Worpswede, wo sie sich über mehrere Monate niederließ und viele Kontrakte zur dort ansässigen Künstlerkolonie hatte. Mit Gabel bereiste sie viele Orte, an denen er als bekannter Portraitmaler Aufträge übernommen hatte, so z. B. nach Scheveningen, Stralsund, Rügen und Danzig.
Das Paar bekam 1922 eine Tochter, Ruth, und zog 1928 nach Hamburg - das "vagabundierende Leben" beendend - als das Kind eingeschult werden musste. Nach dem Tod von Gabel im Jahre 1938 lebte sie allein
mit ihrer Tochter bis diese 1946 den späteren Maler und Kunsterzieher Bernd Hering heiratete.
Elfriede Kneiphoff nahm nach der Heirat ihrer Tochter viele Einladungen zu Studienreisen und Ausstellungen an. So war sie z. B. häufig in Worpswede und auf Schloss Elmau.
Seit 1930 war Elfriede Kneiphoff Mitglied der GEDOK (Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen), seit den 1950er Jahren gehörte sie dem BBK (Berufsverband Bildender Künstler in Hamburg) an.
Sie wohnte i n Hamburg-Eppendorf in der Haynstraße 7 in einer ‚maöerischen' Wohnung unter dem Dach - später in der Eppendorfer Landstraße 1.
Die Motive ihrer Aquarelle sind vorwiegend Blumen und Früchte, es finden sich in ihren Werken aber auch zahlreiche Portraits und Stadtansichten.
Sie hatte Einzelausstellungen in Hamburg, Bremerhaven, Höxter und auf Schloss Elmau und Gemeinschaftsausstellungen im Hamburger Kunstverein (1937) und im Kunsthaus Hamburg (1969/70).
1953 stellte der Lyzeums-Club Hamburg, der der bürgerlichen Frauenbewegung ent-stammt, in einer Ausstellung im Völkerkundemuseum Werke seiner Mitglieder aus, zu denen Elfriede Kneiphoff als Mitglied der GEDOK engen Kontakt pflegte.
Ihre Werke befinden sich u. a. im Stadtmuseum Elbing, im Museum Bremerhaven und in der Hamburger Kulturbehörde.
Quellen:
Der neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs. Überarbeitete Neuauflage des Lexikons von Ernst Rump (1912). Hrsg. von der Familie Rump, ergänzt, überarbeitet und auf den heutigen Wissensstand gebracht von Maike Bruhns. 2. Aufl. Neumünster/Hamburg 2013, S. 237.
Christa Mühleisen: Paul Emil Gabel. Ein Maler aus Elbing (1875-1938), unter: http://www.aefl.de/ordld/Gabel/gabel3/gabel3.htm
Wikipedia, Eintrag: Elfriede Kneiphoff, unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Elfriede_Kneiphoff, abgerufen: 14.12.2019.
Prof. Dr. Agathe Lasch
Photo: Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte
Erste Lehrstuhlinhaberin an der Universität Hamburg, als Jüdin von den Nazis deportiert und in den Tod getrieben
4.7.1879 Berlin - am 15.8.1942 deportiert nach Riga, am 18.8.1942 ermordet
Agathe Lasch erhielt ihre Ausbildung auf dem damals für Mädchen allein üblichen Weg der höheren Mädchenschule und des Lehrerinnenseminars. Frauen waren damals noch vom Abitur und akademischer Bildung ausgeschlossen. Während sie als Lehrerin arbeitete, machte sie 1906 ihr Abitur. Als 1908 in Preußen Frauen zum Studium zugelassen wurden, lehnte der Berliner Germanist Roethe die Zulassung von Agathe Lasch ab. Sie konnte erst ab ihrem 30. Lebensjahr Germanistik studieren.
Nach all den Jahren der Entbehrungen und Demütigungen bekam sie endlich ein einjähriges Stipendium an der Heidelberger Universität. 1909 schrieb sie ihre Doktorarbeit über die "Berliner Schriftsprache".
Aussichten auf eine wissenschaftliche Karriere bestanden im deutschen Kaiserreich für Agathe Lasch als Frau und Jüdin jedoch nicht. Sie ging deshalb 1910 an das führende amerikanische Frauencollege Bryn Mawn und unterrichtete dort deutsche Philologie. Deutschfeindliche Stimmungen nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs bewogen sie 1916 zur Rückkehr nach Deutschland. Ab 1917 war Agathe Lasch wissenschaftliche Hilfsarbeiterin am Deutschen Seminar des Kolonialinstituts und des Allgemeinen Vorlesungswesens in Hamburg. Als sie diese Stelle antrat, hatte sie bereits einen überragenden Ruf in der Germanistik, den sie sich 1914 mit ihrem Buch über die Mittelniederdeutsche Grammatik erworben hatte. Sie erhielt Arbeit am Hamburgischen (niederdeutschen) Wörterbuch und überarbeitete das Mittelniederdeutsche Wörterbuch. Nach Eröffnung der Universität Hamburg im Jahre 1919 war Agathe Lasch die erste Frau, die an der Universität habilitierte und 1923 zur Professorin ernannt wurde. Mit ihrer Berufung auf das Extraordinariat für Niederdeutsche Philologie im Dezember 1926 war sie die erste weibliche Inhaberin eines Lehrstuhls der Hamburger Universität. Als die Nationalsozialisten im Sommer 1933 Agathe Lasch entlassen wollten, reichten 30 Studierende und 14 schwedische Hochschullehrer eine Petition für die Verlängerung der Lehrbefugnis ein. So blieb Agathe Lasch zunächst an der Universität, doch im Juni 1934 wurde sie dann endgültig zwangsweise in den "Ruhestand" versetzt. Sie bekam Publikationsverbot. 1937 zog sie zu ihren Schwestern nach Berlin. Agathe Lasch wurde die Pension entzogen, sie durfte keine Bibliothek mehr betreten und ihre persönliche Bibliothek wurde beschlagnahmt. Am 13. August 1942 wurde Agathe Lasch mit ihren Schwestern von der Polizei abgeholt und am 15. August nach Riga deportiert. Nach ihrer Ankunft in Riga-Škirotava am 18. August 1942 wurden sie in den dortigen Wäldern ermordet

Photo: Staatsarchiv Hamburg
Gertrud Lockmann (geb. Buschow)
aktiv im Widerstand gegen das NS-Regime, Bürgerschaftsabgeordnete (SPD)
29.4.1895 Hamburg - 10.9.1962 Hamburg
Gertrud Lockmann, gelernte Buchhalterin und seit ihrem 17. Lebensjahr Mitglied der SPD, leitete gemeinsam mit ihrem Mann , mit dem sie ein Kind hatte und von dem sie sich später scheiden ließ, das Genesungsheim der Betriebskrankenkasse für staatliche Angestellte in Goslar. Da sie den offiziellen Kurs der SPD im Kampf gegen den Nationalsozialismus ablehnte, schloss sie sich 1931 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands an. 1933 verlor sie aus politischen Gründen ihren Arbeitsplatz, musste vor der Gestapo fliehen, tauchte ein Jahr lang unter und knüpfte Kontakt zur Widerstandsgruppe "Bästlein-Jacob-Abshagen". Als Bürgerschaftsabgeordnete von 1946-1950 und von 1957-1961 setzte sie sich für die Interessen der Hausfrauen ein. 1951 erhielt sie als zweite Hamburger Sozialdemokratin ein Bundestagsmandat.
Elfriede Lohse-Wächtler
Photo: Nachlass Elfriede Lohse-Wächtler
Malerin; NS-Euthanasieopfer
4.12.1899 Dresden - 31.7.1940 Pirma
Aufgewachsen in einem bürgerlichen Elternhaus, versuchten die Eltern die künstlerische Laufbahn ihrer Tochter zu verhindern. 1915 begann sie ein Studium an der Königlichen Kunstgewerbeschule Dresden. Der Vater wollte, dass sie "Mode und weibliche Handarbeiten" studiere, was in seinen Augen einem "züchtigen Weibe" entsprach. Doch Elfriede Wächtler hatte ihren eigenen Kopf und wechselte 1916 das Fach, studierte "Angewandte Graphik", um freischaffende Künstlerin zu werden und verließ das Elternhaus. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich mit Batikarbeiten. Elfriede Wächtler verkehrte in der Dresdner Boheme und war eine Anhängerin des Dadaismus. Sie schnitt sich die Zöpfe ab, trug Herrenhüte und Männerhosen, rauchte Pfeife und Zigarren und gab sich den männlichen Namen "Nikolaus", um dem Makel der damaligen verpönten "Frauenkunst" entgegenzuwirken.
Sie fand Anschluss bei der Dresdner "Sezession Gruppe 1919". 1921 heiratete sie den Maler und Opernsänger Kurt Lohse - ein unglückliche Verbindung, er soll verschwenderisch und rücksichtslos gewesen sein. 1925 zog das Paar nach Hamburg. Ein Jahr später trennte es sich. Kurt Lohse zog zu seiner Freundin, die 1927 das erste von fünf Kindern mit ihm bekam. Für Elfriede Lohse-Wächtler, die aus wirtschaftlichen Gründen mehrmals abgetrieben hatte, ein tiefer Schock.
Elfriede Lohse-Wächtler lebte in finanziell engen Verhältnissen. Dennoch hatte sie in Hamburg eine ihrer kreativsten Schaffenszeiten. Zwischen 1927 und 1931 entstanden einige ihrer Hauptwerke in Öl, Pastell und Aquarell. Sie malte Portraits, Paarbeziehungen, Bilder aus dem Prostituierten- und Arbeitermilieu. 1929 erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und kam in die psychiatrische Klinik Hamburg-Friedrichsberg. Dort malte sie die "Friedrichsberger Köpfe", ca. 60 Zeichnungen und Pastelle als Kopf- und Körperstudien von psychisch Kranken. Die Bilder erhielten gute Kritiken. Elfriede Lohse- Wächtler wurde bekannt, was sich finanziell nicht auswirkte. Bis 1931 nahm sie an zahlreichen Ausstellungen teil u. a. in der Hamburger Kunsthalle. 1931 wurde sie obdachlos, übernachtete in Bahnhofswartehallen und kehrte schließlich in ihr Elternhaus zurück, wo die Spannungen mit ihren Eltern wieder auftraten. 1932 ließ ihr Vater sie in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf einweisen. Die Diagnose: Schizophrenie. Anfangs konnte sie noch schöpferisch tätig sein. Doch nachdem sich Kurt Lohse 1935 von ihr wegen ihrer "unheilbaren Geisteskrankheit" scheiden ließ, sie entmündigt und zwangssterilisiert wurde, zerbrach ihre Schaffenskraft. 1937 diffamierten die Nazis Elfriede Lohse-Wächtlers Kunst als "entartet". 1940 kam sie in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein und wurde dort im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion T4 getötet.

Photo aus: Nicolaus Detlefsen: Johanna Mestorfs Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof, in: Die Heimat Nr. 9/10. Jg. 82. 1975.
Prof. Dr. h.c. Johanna Mestorf
erhielt als erste Frau in Preußen, den Titel "Professor". Direktorin am Museum für vaterländische Altertümer in Kiel
17.4.1828 Bramstedt - 20.7.1909 Kiel
Johanna Mestorf war das vierte von neun Kindern des Arztes Jacob Heinrich Mestorf und seiner Ehefrau Anna Maria Sophia geb. Rosen. Der Vater widmete sich mit Leidenschaft der Altertumsforschung, was seine Tochter Johanna sicherlich beeinflusste. Er starb, als Johanna neun Jahre alt war. Die Mutter zog mit ihren Kindern - fünf lebten noch - nach Itzehoe. In Alter von 20 Jahren zog sie als Gesellschafterin und Erzieherin nach Schweden. Hier machte sie sich vertraut mit der Archäologie Germaniens und lernte nordische Sprachen. Wegen ihrer zarten Gesundheit musste sie Schweden nach einigen Jahren verlassen. Sie lebte zunächst als Begleiterin einer Gräfin in Italien und zog 1859 mit ihrer Mutter zu ihrem Bruder nach Hamburg. Hier beschäftigte sie sich
vornehmlich mit Mythologie und Archäologie und übersetzte die archäologische Literatur Skandinaviens. Johanna Mestorf war Mitglied der Anthrophologischen Gesellschaft und später Gründerin seines schleswig-holsteinischen Zweigvereins. 1871 schickte sie der Hamburger Senat als seine Vertreterin zum Anthropologenkongress nach Bologna. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie in dieser Zeit als Sekretärin für ausländische Korrespondenz bei der Hamburger Lithographischen Anstalt C. Adler. Johanna Mesdorf war reine Autodidaktin. Sie hätte auch keine Universität besuchen können, denn Frauen durften erst ab der Jahrhundertwende an deutschen Universitäten studieren. Johanna Mestorfs wissenschaftliches Ansehen war bereits zu Beginn der 1870er Jahre so bedeutend, dass sie 1873 Kustodin am Museum für vaterländische Altertümer in Kiel wurde. Nach dem Tod ihres Vorgesetzten 1891 wurde sie zur Direktorin des Museums ernannt. Im Alter von 71 Jahren erhielt sie als erste Frau in Preußen, den Titel "Professor". Johanna Mestorf übersetzte Arbeiten nordischer Archäologen und Anthropologen und lieferte zahlreiche eigene Arbeiten, von denen besonders diejenigen über Moorleichen, weit bekannt wurden. Und sie schrieb z. B. Werke über "Urnenfriedhöfe in Schleswig-Holstein". 1903, drei Monate vor ihrem Tod, trat sie von ihrem Amt als Direktorin des Museums zurück.

Margarethe Meyer Schurz
Photo aus: Gerd Stolz: Das Leben der Margarethe Meyer Schurz. Wegbereiterin des Kindergartens in den USA. Husum 2007.
Wegbereiterin des Kindergartens in den USA
27.8.1833 Hamburg - 15.3.1876 New York
Margarethe Meyer Schurz war die jüngste Tochter des vermögenden Hamburger Kaufmanns Heinrich Christian Meyer. Durch ihre älteren Schwestern Amalie (verh. Westendarp) und Bertha (gesch. Traun, verh. Ronge) kam sie früh mit den Fragen der Zeit um Demokratie, Freiheit, Bürgerrechte, Frauenbildung und Kindererziehung nach Fröbels Leitsätzen in Berührung. 1849/50 war sie eine Schülerin Friedrich Fröbels und besuchte die Hamburger Hochschule für das weibliche Geschlecht. Sie heiratete den im Londoner Exil lebenden Anhänger der bürgerlichen Revolution von 1848 Carl Schurz, den späteren US-Innenminister. Das Paar wanderte in die USA aus, wo Margarethe Meyer Schurz in ihrem Wohnhaus in Watertown 1856 einen Kindergarten gründete. Später fand sie ein kleines Haus im Stadtzentrum - es wurde der erste Kindergarten in den USA. Mit ihm gab Margarethe Meyer Schurz den Impuls zu einem neuen und neuartigen Erziehungssystem in den USA und öffnete den Kindergarten-Gedanken einem ganzen Kontinent. Margarethe Meyer Schurz starb in New York nach der Geburt ihres fünften Kindes an Kindbettfieber. Ihr Leichnam wurde nach Hamburg überführt und in der Meyerschen Familiengruft beigesetzt, der Sarg 1914 auf dem Ohlsdorfer Friedhof umgebettet. Das einstige Kindergarten-Gebäude in Watertown wurde 1957 zu einem Museum.


Photo: Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte
Dr. Martha Muchow
Psychologin
25.9.1892 Hamburg - 29.9.1933 Hamburg
Ursprünglich Lehrerin, schloss Martha Muchow ein Studium der Psychologie ab und arbeitete am psychologischen Institut der Universität Hamburg, wo ihr Schwerpunkt in der Einführung eines sozialpädagogischen Praktikums in der LehrerInnenausbildung lag. Als sie nach Lehrtätigkeiten in den USA nach Hamburg zurückkehrte, hatten die Nazis die Macht ergriffen. Es folgten scharfe Auseinandersetzungen mit der Landesunterrichtsbehörde, weil Martha Muchow die Erziehungsmethoden der Nazis aus humanitären Gründen nicht mittrug. Deshalb sollte sie in den Schuldienst zurückkehren. In dieser Zeit starb auch noch ihre Mutter. Die Verzweifelte hatte keine Zeit zur Trauer und zum Rückzug. Täglich baten Verfolgte und Geächtete um ihren Beistand. Zwei Tage nach ihrer Suspendierung vom Institut unternahm sie einen Suizidversuch, an dessen Folgen sie verstarb.
Margarethe Münch (geb. Wille)
Photo: privat

Gründerin und erste Leiterin der Hamburger Kinderpflegerinnenschule
12.4.1894 Hamburg - 13.1.1930 Hamburg
Margarethe Münch war das vierte von fünf Kindern einer 1898 im 30. Lebensjahr verstorbenen Hausfrau und eines Kaufmanns. Sie besuchte ab 1900 die höhere Töchterschule von Gude Kuk und bis 1911 das Kindergärtnerinnen-Seminar des Fröbel-Hauses. Nach verschiedenen Anstellungen übernahm sie 1914 die Leitung der Warteschule im Waisenhaus der Stadt Hamburg. Von 1915 bis 1916 folgte die Fachausbildung im Kindergärtnerinnen-Seminar des Fröbel-Hauses mit der staatlichen Prüfung zur Kindergärtnerin. Nach erneut verschiedenen Anstellungen arbeitete sie von April bis Dezember 1918 als Technische Lehrerin an der Kinderpflegerinnenschule des Fröbelvereins. 1919 erreichte sie nach einjährigem Besuch des Lyzeums der Klosterschule den Lyceal- Abschluss. Danach konnte sie die Fachausbildung zur Jugendleiterin im staatlichen Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin absolvieren und arbeitete anschließend als aufsichtführende Jugendleiterin für die Vereinigten Fröbelkindergärten.
Auf Anregung und mit der Unterstützung mehrerer Hamburger Bürgerinnen (u.a. Anna Warburg) erarbeitete sie ab
Februar 1922 den Lehrplan für eine private Kinderpflegerinnenschule mit angeschlossenem Internat, durch deren Besuch Mädchen aus "einfachen" Verhältnissen eine Berufsausbildung ermöglicht werden sollte. Im Mai 1922 wurde die Hamburger Kinderpflegerinnenschule mit Margarethe Münch als Leiterin eröffnet.
Am 28.12.1923 heiratete Margarethe Münch den Bibliothekar Walter Münch. Trotz der Geburt ihrer Tochter Maria am 11.08.1924 arbeitete sie weiter als Lehrerin und Leiterin der Schule. Am 1.5.1927 übernahm die Berufsschulbehörde die Kinderpflegerinnenschule. Die Schulleitung verblieb bei Margarethe Münch bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 1930.

Margarethe Münchs Tochter Maria Sturmhoebel (1924-2014) wurde im Garten der Frauen bestattet.

Photo: Staatsarchiv Hamburg
Elisabeth Pape
Gründerin des Verbandes für Altersschutz
5.9.1870 Hamburg - 15.2.1964 Hamburg
Elisabeth Pape setzte sich als Lehrerin (tätig von 1889-1929, dann Wechsel in die Verwaltung der Oberschulbehörde) für die Gleichberechtigung der Lehrerinnen ein. Sie unternahm als erste weibl. Lehrkraft auf eigene Kosten mit ihren Schülerinnen eine Klassenreise und konnte in den 20-er Jahren das vom Allgm. Deutschen Lehrerinnenverein schon lange geforderte Klassenlehreramt für Frauen in den höheren Klassen des Mädchenschulwesens durchsetzen. 1920 gründete sie den Verband für Altersschutz und ließ das Rentnerheim Fiefstücken errichten. Sie war Vorstandsmitglied des Hamburger Seehospitals Nordheim Stiftung in Sahlenburg, Ehrenmitglied des Verb. Dt. Landschulheime und erhielt 1952 für ihre Arbeit im Dienste der Wohltätigkeit das Bundesverdienstkreuz. Von 1921-1932 war sie Bürgerschaftsabgeordnete der Deutschen Volks Partei.
Toni Pergelt, geb. Hahlbohm
Verfolgte des NS-Regimes
19.11.1893 - 29.8.1979
Toni Pergelts Grabstelle wurde 2005 auf dem Ohlsdorfer Friedhof geräumt und damit auch der Grabstein. An Toni Pergelt würde heute nichts mehr erinnern, wäre da nicht der Journalist Thomas Hirschbiegel. Er fand bei enem Flohmarktbesuch den Nachlass von Toni Pergelt und veröffentlichte dazu einen Artikel in der Hamburger Morgenpost. Dies las Wolfgang Haack, ein Angestellter des Ohlsdorfer Friedhofes, der dem Verein Garten der Frauen immer wieder behilflich ist bei der Suche nach den Grabstellen von Frauen. Er fand heraus, dass Toni Pergelt einst auf Ohlsdorf bestattet wurde und informierte umgehend den Verein Garten der Frauen. Und so bekam Toni Pergelt einen Erinnerungsstein im Garten der Frauen.
Hier ausszugsweise der Bericht von Thomas Hirschbiegel über Toni Pergelt:
Der abgewetzte hellblaue tschechische Pass lag auf einem Stand des Flohmarkts am U-Bahnhof Feldstraße. Auf dem Umschlag befand sich ein Aufkleber: "Deutsches Reich. Protektorat Böhmen und Mähren". Er war ausgestellt auf eine Frau, die in "Hamburk" geboren wurde. Ich wurde neugierig. Das Dokument war Teil eines umfangreichen Nachlasses, den ich dann für ein paar Euro kaufte. (…) Diese Hamburgerin versorgte unter ständiger Lebensgefahr ihren Mann im Ghetto Kielce, überlebte den Nazi-Terror und schlug sich dann nach dem Krieg mit hiesigen Behörden herum, um eine gerechte Entschädigung zu erhalten. (…) Geboren wurde Toni P. am 19.11.1893 in Hamburg. Das intelligente Mädchen wuchs am Winterhuder Weg auf und besuchte nach der Volksschule ab 1908 zwei Jahre lang die "Gewerbeschule für Mädchen" an der Brennerstraße in St. Georg. Dort machte sie als eine der fünf besten Schülerinnen ihren Abschluss. Toni fand schnell Anstellungen bei Hamburger Im und Exportfirmen, wurde leitende Angestellte. 1919 arbeitete Toni P. bei der Hamburger "Korsettfabrik Hinrichsen". Im selben Jahr heiratete sie den sechs Jahre älteren Erich P., einen Juden aus Prag. Das Paar zog in die tschechische Hauptstadt. 20 Jahre lang war Toni P. dort in Lederwarenfirmen beschäftigt. Ihr Mann fand ebenfalls eine Anstellung als kaufmännischer Angestellter. Dann rückten 1938 die Nazis in Prag ein. Das Ehepaar P. wollte nach Angola auswandern. In dem Nachlass befand sich ein Schreiben der "Hamburg-Amerika-Linie", welches zwei Plätze in der Touristenklasse an Bord der "Watussi" bestätigte. Am 27. April 1939 sollte es von Hamburg nach Luanda gehen. Das Ehepaar besaß ein Visum der tschechischen Behörden, hatte seinen Haushalt verpackt und nach Hamburg verschickt. Laut einer Liste befanden sich darin auch Schmuckstücke und eine goldene Omega-Armbanduhr. Zeichen eines bescheidenen Wohlstands, welchen sich die P.s erarbeitet hatten. Arbeitskontrakte bei einer Exportfirma in Luanda lagen auch vor. Der Jude Erich P. war inzwischen, es war wenige Monate vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, vor den Nazis von Prag nach Polen geflüchtet. Doch um zum Hamburger Hafen zu kommen, benötigte er einen "Durchlassschein" der Gestapo. Seine mutige Frau ging in Prag mehrfach persönlich zur Gestapo und bat um diesen Schein. Toni P. erinnert sich in ihrem Lebenslauf: "Ich bin bedroht und beschimpft worden und dort so lange hin gegangen, bis mir gesagt wurde, dass ich bei weiterem Erscheinen verhaftet würde." Toni P. reiste resigniert nach Polen zu ihrem Mann. Dann überfielen die Deutschen Polen, das Paar geriet in die Kampfhandlungen und erlebte in der 60 000-Einwohner-Stadt Kielce im Südosten Polens den Einmarsch der deutschen Truppen. Das verzweifelte Ehepaar wollte nun zu Fuß die russische Grenze erreichen. Toni P. erinnert sich in ihrem Lebenslauf: "Zehn Tage sind wir umhergeirrt, die Panzer rollten an uns vorüber. Die Dörfer brannten. Uns blieb schließlich nichts anderes übrig, als nach Kielce zurückzukehren, wo wir zu Tode erschöpft und an der Ruhr erkrankt ankamen." Bis 1941 schlug sich das Paar in Kielce durch. Dann kam der 21. März 1941, und die Nazis zwangen die polnischen Einwohner ein Viertel zu räumen. Das Ghetto Kielce entstand. Fast 30 000 Menschen drängten sich hier auf engstem Raum. Am 5. April kam auch Erich P. dorthin. Seine Frau blieb bei einer polnischen Familie in einer Dachkammer. Täglich schlich sie sich ins Ghetto und später ins Arbeitslager des Unternehmens "Ludwigshütte" und brachte ihrem Mann Lebensmittel. Auch andere Ghetto-Bewohner versorgte Toni P. mit Medikamenten, kochte für Kranke und kümmerte sich aufopferungsvoll. Außerdem versorgte sie die eingepferchten Menschen mit Nachrichten von draußen. Das war lebensgefährlich. Denn Hans Gaier, der deutsche Polizeichef in Kielce, hatte sich schnell den Namen "Schlächter von Kielce" verdient. Der Mann war in Deutschland im Zivilleben gescheitert, brachte es aber nach 1933 als SA-Obersturmbannführer zum Bürgermeister der hessischen Gemeinde Hofheim. Wegen "Unregelmäßigkeiten" flog Gaier aus dem Amt. Und nur mit Mühe kam er dann 1936 bei der Polizei unter. Als Hauptmann der Schutzpolizei mordete dieser Mann bei jeder sich bietenden Gelegenheit. In Kielce war er der Herr über Leben und Tod. So erschoss er bei einem Sonntagsspaziergang mit seiner Freundin Eva V. ein etwa 16-jähriges hungerndes Mädchen, nur weil dieses Beeren von einem Strauch pflückte. Ab 1942 leitete der 40-jährige Offizier mehrere Massen-Erschießungen in Kielce, führte Selektionen durch und ordnete Deportationen in Vernichtungslager an. Unter seinem Befehl kam es wiederholt zu Massenmorden auch an Kindern. So wurden am 19. August 1942 die 40 Kinder des jüdischen Waisenhauses von Ukrainischen Hilfstruppen unter Schlägen gezwungen, sich an einer Grube nackt auszuziehen. Dort wurden die Kinder von Wachtmeister Rumpel aus Gaiers Truppe erschossen. Rumpel wurde im Ghetto nur "Der Schießer" genannt. Und dieser Hauptmann Gaier sorgte dafür, dass Toni P. am 14. Oktober 1943 wegen "Sabotage und Staatsfeindlichkeit" verhaftet wurde. Gaier sagte ihr ins Gesicht, dass er sie am liebsten sofort erschießen würde. Vermutlich rettete Toni P. nur die Tatsache, dass sie Deutsche war, das Leben. Auch ihr Mann kam ins Gefängnis. Am 23. Dezember 1943 wurde er zusammen mit Polen und weiteren Juden auf einem Friedhof erschossen. Toni P. erinnert sich: "Wir haben uns am Morgen dieses schrecklichen Tages von 4 bis 6 Uhr im Gefängnis verabschiedet." Vermutlich auf Intervention ihrer Hamburger Geschwister kam Toni P. im Februar 1944 frei und gelangte im Juli 1944 nach Hamburg. Im August 1944 kam es zur Räumung des Kielcer Ghettos. Kinder, Alte und Kranke wurden gnadenlos erschossen. Die Überlebenden kamen nach Auschwitz oder andere Vernichtungslager. Einer von ihnen war Dr. Leon Reitter. Er hatte Kielce überlebt, aber sein einziges Kind war auf Gaiers Befehl erschossen worden. 1946 war der Arzt Vorstand der jüdischen Gemeinde Göttingen. Damals bestätigte er Toni P. in einem Schreiben: "Ich, sowie alle Juden in Kielce, haben Frau P. als zu uns gehörig betrachtet und sehr verehrt, weil sie jeden Tag ihr Leben eingesetzt hat, um ihren jüdischen Mann zu retten. Sie war die einzige deutsche Frau, die diesen Mut bewiesen hat." Und Toni P.s "Lohn" für diesen Mut? Ärger mit dem Hamburger Oberversicherungsamt", bei dem sie offenbar vergeblich um eine Entschädigung gebeten hatte. Im Nachlass liegen Schreiben, die bezeugen, wie in Deutschland nach 1945 oft mit Nazi-Opfern umgegangen wurde. Toni P. war durch die Jahre in ständiger Lebensgefahr körperlich und psychisch schwer angeschlagen. Sie zog in eine Mietwohnung an der Ludolfstraße in Eppendorf, später wohnte sie in der Bilser Straße in Alsterdorf. Ihr weiterer Lebensweg ist unbekannt. Aber bis zu ihrem Tode stand sie in Kontakt mit Überlebenden aus dem Ghetto. Der letzte Brief im Nachlass stammt von 1972. Da war Toni P. fast 80 Jahre alt. (…)

Erinnerungsstein für Cläre Popp
Cläre Popp
Puppenspielerin
21.3.1896 -26.7.1978 Hamburg
Während des Ersten Weltkriegs hatte Cläre Popp als Flugzeugmechanikerin gearbeitet. Sie wurde später Muse und Freundin des Schriftstellers Hans Leip und des Juweliers und Kunstmäzens Carl M. H. Wilkens. In seinem an der Ecke Neuer Wall/Jungfernstieg gelegenen Haus befand sich sein Juweliergeschäft. In dem Haus lebte er in einer bohememäßig
ausgestalteten Wohnung. Das zur Wohnung ausgebaute Dachgeschoss stellte er gern Dichtern zur Verfügung. So lebte hier von 1921 bis 1931 Hans Leip, der diese Wohnung als seine "Himmelsecke" gezeichnete. Cläre Popp und Hans Leip hatten sich im Oktober 1919 kennen gelernt. Äußerlich soll sie, so Hans Leip, "eine Puppe von Pariser Schnitt, innerlich ironische, tüchtige Hamburgerin" gewesen sein.
Hans Leip trennte sich von seiner Frau Lina, mit der er erst seit einem Jahr verheiratet war und die im Februar 1920 die gemeinsame Tochter Grita gebar. Hans Leip gab sein Lehramt auf und wurde freiberuflicher Grafiker und Maler. Cläre Popp wurde seine Muse. Das Paar lebte 1920 einen Sommer lang in Övelgönne 56 bei der Lotsenfamilie Meyer. Im selben Jahr schrieb er für Cläre Popp, die er Muschemuj nannte, ein Liebesgedicht. Zusammen mit Hans Leip und anderen gründete Cläre Popp 1920 das "Hamburger Puppenspiel". Die Idee dazu hatte Hans Leips Chef Hans W. Fischer, der Leiter des Feuilletons bei der "Neuen Hamburger Zeitung" gehabt, für die Hans Leip als Kunstkritiker tätig war. Das Puppentheater sollte kein Kaspertheater, sondern zwischen Dada und Expressionismus angesiedelt wissen. Zusammen bastelten Hans Leip und Cläre Popp Köpfe, Hände, Dekorationen, Kostüme. Im Raum 143 der Hamburger Kunstgewerbeschule baute der befreundete Architekt Kurt F. Schmidt eine Puppenbühne. Claire Popp, die während des Ersten Weltkrieges Mitarbeiterin bei der Puppenbühne von Albert Schlopsnies in München gewesen war und bei dem sie auch das Bauen und Entwerfen von Marionetten erlernt hatte, machte tatkräftig bei den Vorbereitungen für die erste Aufführung eines Puppenspiels mit.
Der Kostenplan für die Puppenbühne war sehr hoch angesetzt. "Von der angestrebten Summe kam aber lediglich ein Bruchteil zusammen, der gerade mal zur Fertigstellung der Puppenbühne und für eine Aufführung auf dem Künstlerfest ‚Die Gelbe Posaune der Sieben' am, 7. Februar 1920 im Curiohaus reichte." 1) Die Aufführung des Puppenspiels "Der betrunkene Lebenskelch oder wider Willen ins Grab zurück" musste jedoch abgebrochen werden, weil es im Festsaal zu unruhig und die Akteure zu betrunken waren. Zu weiteren Aufführungen kam es nicht mehr.
Das Ende der Liebe zwischen Hans Leip und Cläre Popp kam 1921, nachdem sich beide auf einer Puppenbühne erzürnt hatten. Cläre Popp fuhr ohne Abschied mit Wilkens nach Insbruck.
Im Alter wurde Cläre Popp sehr krank und soll, so Hans Leip: "bei ihrer Schwester von langen Halluzinationen erlöst worden" sein. 1)
Lit:
Rüdiger Schütt (Hrsg.): Hans Leip, Tage- und Nächtebuch der Hamburger Puppenspiele, Kiel 2005.
Marie Priess (geb. Drews)
Photo aus: Gerda Zorn: Rote Großmütter gestern und heute Köln 1989, S. 71.
Kommunistische Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, Mitglied der Widerstandsgruppe Bästlein-Jacob-Abshagen
13.9.1885 Bühnsdorf/Segeberg, laut Sterbeurkunde - 9.1.1983 Reinbek
Marie Drews entstammte einer Arbeiterfamilie. Ihr Vater starb, als Marie zwei Jahre alt war, ihre Mutter arbeitete auf dem Gutshof in Bühnsdorf.
Zunächst war zunächst Mitglied der SPD. 1918 gehörte die damals Neunzehnjährige als einizige Frau dem Arbeiter- und Soldatenrat in Kiel an. In der Weimarer Zeit trat sie der KPD bei und gehörte schon damals zu den entschiedenen Gegnerinnen des aufkommenden Nationalsozialismus. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trat sie in den illegalen Widerstand gegen das NS-Regime. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges gehörte sie zur Widerstandsgruppe Bästlein-Jacob-Abshagen.
Marie Priess hatte 1908 einen Schauermann aus dem Hamburger Hafen geheiratet.
Während des Ersten Weltkrieges erlitt er als Soldat eine Kampfgasvergiftung, von der er sich nicht wieder erholte und an der er schließlich später um 1938 auch verstarb.
Das Paar hatte drei Söhne und eine Tochter. Die Tochter starb bereits im Alter von neun Jahren an einer Infektion.
Viktor (1908-1999), Bruno I(1911-1938) und Heinz (1920-1945) gingen in der Zeit des Nationalsozialismus in den illegalen Widerstand. Viktor und Bruno konnten nach ihrer KZ-Haft aus Deutschland fliehen und kämpften in Spanien in den Internationalen Brigaden. Bruno wurde dabei in der Schlacht am Ebro am 21.9.1938 getötet.
"Zusammen mit ihrem Sohn Heinz Priess [Flugzeugkonstrukteur bei Blohm &Voss]und dem Lehrer Ernst Mittelbach half sie den im Sommer 1942 über Ostpreußen mit einem Fallschirm abgesprungenen deutschen Kommunisten Erna Eifler und Wilhelm Fellendorf, die wegen der bereits begonnenen Verhaftungswelle gegen die Berliner Gruppen der Roten Kapelle dort vergeblich eine Kontaktaufnahme versucht hatten und mit ihren Reserve-Adressen nach Hamburg gekommen waren. Sie boten ihnen für einige Zeit ein Versteck." 1) Marie Priess Sohn Viktor, der damals bei dem militärischen Nachrichtendienst der Roten Kapelle tätig war, hatte die Adresse der Mutter als zuverlässiges Versteck genannt.
Doch bereits im Oktober 1942 wurden Marie Priess und ihr Sohn von der Gestapo verhaftet. Nachdem durch die Bombardierung Hamburgs im Juni 1944 die Gefängnisgebäude sehr stark beschädigt worden waren, erhielten die Häftlinge Hafturlaub unter der Bedingung, sich nach zwei Monaten zurückzumelden.
Marie Priess entschied sich mit ihrem Sohn in den Untergrund zu gehen und sich in Hamburg illegal aufzuhalten. Am 19. April 1944 wurden Mutter und Sohn erneut festgenommen und im Oktober 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Heinz Priess wurde am 12. März 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Marie Priess "konnte wegen zunehmender Desorganisation der Verkehrswege am Ende des Krieges nicht in eine Hinrichtungsstätte transportiert werden und überlebte daher."
1) Wikipedi, 23.3.2013.

Photo: Staatsarchiv Hamburg
Anna Frieda Susanna Radel, geb. Johannsen
Journalistin
10.05.1869 Altona - 26.11.1958 Hamburg
Bekannt wurde Frieda Radel in Hamburg als Journalistin durch regelmäßige Artikel zu sozialpolitischen Forderungen der radikalen Frauenbewegung. Als Redakteurin und Herausgeberin u. a. der Hamburger Hausfrauenzeitung nutzte sie diese Öffentlichkeit für die Themen der Frauenbewegung, in der sie sich nach der Trennung von ihrem Mann engagierte. Sie hatte drei Töchter.
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich die Frauenrechtlerin ein gegen die Diskriminierung unehelicher Kinder und alleinerziehender Mütter; sie war aktiv in der Hamburger Ortsgruppe des Bundes für Mutterschutz und eine fachkundige Beraterin in der Wohnungsfürsorge.
Ein weiteres wichtiges Thema für sie war die Abschaffung der staatlichen Reglementierung der Prostitution. Hierzu engagierte sie sich im Hamburger Zweigverein der Internationalen Abolitionistischen Föderation. Frieda Radel war zudem Vorstandsmitglied des Hamburg-Altonaer Vereins für Frauenstimmrecht und dem Verein Frauenwohl, der für die Gleichberechtigung von Frauen auf allen Gebieten arbeitete.
Zur Vernetzung und politischen Bildung von Frauen organisierte sie die "Kaffeestunde der Hamburger Hausfrau", ein regelmäßiges politisches und kulturelles Großereignis in Hamburg, zu dem mehrere Tausend Besucher*innen kamen.
Frieda Radel war sehr gut vernetzt in Hamburg. Ihr Bekanntheitsgrad war bedeutend bei der Bürgerschaftswahl 1919, bei der zum ersten Mal Frauen aktiv und passiv wahlberechtigt waren. Als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei wurde Frieda Radel 1919 und 1923 in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Dort arbeitete sie u. a. erfolgreich für die Abschaffung der staatlichen Reglementierung der Prostitution, was nach Jahren der gesellschaftlichen Diskussion und Auseinandersetzung 1923 ein großer politischer Erfolg für die radikale Frauenbewegung war.
1925 konzipierte Frieda Radel für die Nordische Rundfunk AG "Die Schule der Frau", die sie als freie Mitarbeiterin erfolgreich leitete. Zudem hielt sie Vorträge für den Frauenfunk der Deutschen Welle. Damit gehörte sie zu den Rundfunkpionierinnen.
Mit anderen gründete sie 1931 in Hamburg den ersten Zonta-Club in Deutschland. Zonta-Mitglieder weltweit verfolgen bis heute das Ziel der Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung der Frau - für Frieda Radel war dies immer ein Leitthema ihres politischen Handelns.
In den 1940er Jahren zog Frieda Radel von Hamburg nach Berlin und wurde nach dem Krieg 1947 Mitgründerin des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands. Bis 1950 war sie Mitglied der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. Sie starb in Potsdam und wurde wenig später auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.
Sabine Hoffkamp
Margaretha Rothe
Medizinstudentin, leiste Widerstand gegen das NS-Regime
13.6.1919 Hamburg-15.4.1945 Leipzig
Margaretha Rothe, seit 1936 Schülerin der Lichtwarkschule, nahm zeitweilig am privaten "Lesekreis" der Lehrerin Erna Stahl teil. 1937, nach Aufhebung der Koedukation an der Lichtwarkschule wechselte Margaretha Rothe zur Klosterschule, an der sie 1938 Abitur machte. Als Medizinstudentin suchte sie am Universitätskrankenhaus Eppendorf Kontakt zu oppositionellen Kommilitonen und wagte den Schritt in den Widerstand. Sie druckte und verteilte Streuzettel mit Frequenzen und Sendezeiten ausländischer Rundfunksender. 1941/42 erweiterte sich ihr Freundeskreis, zu ihm stießen u. a. der
Chemiestudent Hans Leipelt und Reinhold Meyer, Junior-Chef der Buchhandlung des Rauen Hauses am Jungfernstieg, wo sich im Keller nachts der Kreis traf. Durch Margaretha Rothes Kommilitonin Traute Lafrenz, die in München Kontakt zu Hans und Sophie Scholl hatte, gelangten einige Flugblätter der "Weißen Rose" nach Hamburg, wo der Freundeskreis sie verbreitete. Seine Treffen flogen durch Verrat auf. Seit Ende 1943 kamen Margaretha Rothe und über dreißig weitere Personen - später "Hamburger Zweig der Weißen Rose" genannt - ins Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel. Von dort wurde Margaretha Rothe im November 1944 über Berlin und Cottbus nach Leipzig transportiert, wo sie schwer erkrankt am 10.2.1945 ins Frauengefängnis Leipzig kam und von dort einen Monat später ins dortige Krankenhaus. Hier starb sie am 15.4. an den Folgen einer Lungentuberkulose.

Dieser Stein ist nach einer Idee einer Schülerin des Margaretha Rothe Gymnasiums aus Hamburg entworfen und hergestellt worden. Die Schülerinnen und Schüler hatten zum Leben und Wirken von Margaretha Rothe geforscht und dafür 2005 den Bertinipreis erhalten. Der Stein ist in der Mitte ausgehöhlt. Da Margaretha Rothe Widerstand gegen das NS-Regime leistete, indem sie in Hamburg die Flugblätter der Geschwister Scholl heimlich verteilte, wurde in die Steinaushöhlung eine aus Metall geformte Schwalbe hineingehängt. Diese Schwalbe versinnbildlicht ein zu einer Schwalbe gefaltetes Flugblatt der Geschwister Scholl, das aus der Öffnung, gemeint ist hier das Zellenfenster, hinter dem Margaretha Rothe saß, in die Freiheit fliegt.

Photo: Pflegedienstleitung UKE (Nachlass OS Anna Fuhlhage)
Hedwig von Schlichting
Erste Oberin im AK Eppendorf, Gründerin des Schwesterns-Verein der Allgemeinen Staatskrankenanstalten
29.10.1861 Berlin - 14.11.1924 Hamburg
Ausgebildet als Krankenpflegerin kam die Tochter eines Generals 1894 ans AK Eppendorf, wurde dort die erste Oberin und baute einen eigenständigen Schwesternverband auf. Wegen ihres Durchsetzungsvermögens hinsichtlich ihrer Vorstellungen im Bereich des Pflegepersonals kam es zu Konflikten mit dem Krankenhausdirektor Prof. Rumpf. Da das Kollegium jedoch Hedwig von Schlichting in ihrer Funktionsausübung bestärkte, trat der Direktor von seinem Amt zurück. Ein Jahr später verließ Hedwig von Schlichtig 1902 das Krankenhaus, weil der zuständige Bürgerschaftsausschuss die Ursache des Konfliktes in der Doppelfunktion der Oberin als Leiterin des Schwestern-Vereins und der Schwesternschule sowie als Oberin des Krankenhauses sah.
Lavinia Schulz
Photo privat

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Maskentänzerin, Mode- und Kostümbildnerin, Entwicklung von eigenen Bühnentänzen (1920-1924), selbst entworfene Ganzkörpermasken
23.6.1896 Lübben/Lausitz – 19.6.1924 Hamburg
Besenbinderhof 5 (Wohnadresse)
Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz 1 (künstlerischer Nachlass)
Lavinia Schulz kam nach dem Ende des ersten Weltkriegs als Mitglied von Lothar Schreyers expressionistischer ‚Kampfbühne‘ nach Hamburg. Mit ihren Lebens- und Bühnenpartner Walter Holdt entwickelte sie zwischen 1920 und 1924, dem Jahr ihres Freitods, eigene Bühnentänze mit selbst entworfenen Ganzkörpermasken. Der heute im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe befindliche künstlerische Nachlass zeugt von einer in ihrer Art einzigartigen Bühnenkunst.,
Lavinia Schulz, Tochter von Lillie und Georg Schulz, einem Bankmitarbeiter, wuchs bis zu ihrer Übersiedlung nach Berlin im Jahr 1912 als behütetes Einzelkind in Lübben auf. ihre schulischen Leistungen waren aufgrund einer längeren Krankheit nicht besonders gut, einzig in musischen Fächern zeigte sie große Begabung. Sie lernte Geige und Klavier, erhielt Zeichen- und Ballettunterricht. Mit 16 Jahren zog sie allein nach Berlin, um ein Kunststudium zu beginnen, was durch akademische Zeichnungen im Nachlass belegt ist.
1916 fand Lavinia Schulz Kontakt zu der von Herwarth Walden geleiteten avantgardistischen Galerie ‚Der Sturm‘. Sie wurde Schülerin der angeschlossenen Kunstschule Der Sturm‘ und Mitglied der expressionistischen ‚Sturmbühne‘ unter der Leitung von Rudolf Blümner und Lothar Schreyer. An der ‚Sturmbühne‘ wurde Lavinia Schulz zunächst einige Semester in der besonderen Rezitationsform des ‚Klangsprechens‘ geschult, bevor sie am 26. Oktober 1918 in der ersten und einzigen Aufführung der ‚Sturmbühne‘ in Berlin auf der Bühne stand. In dem Drama ‚Sancta Susanna‘ des 1915 gefallenen ‚Sturm‘-Dichters August Stramm spielte sie – teils nackt – die Titelrolle. Die Aufführung endete in Tumulten, was Lothar Schreyer bewog, im ruhigeren Hamburg die ‚Kampfbühne‘
zu gründen. Lavinia Schulz folgte ihm 1919. Als weitere Mitarbeiter wurden u. a. die Hamburger Hannah Grothendieck, Max Billert und Max Olderock gewonnen, Ende 1919 kam Walter Holdt hinzu, mit dem Lavinia Schulz bald auch privat liiert war.
Die ‚Kampfbühne‘ wurde zum Theater der Expressionisten in Hamburg Unter der Leitung von Schreyer entwickelte Lavinia Schulz Bühnenkostüme und Masken. Neben der Bühnenarbeit entwarf und nähte sie in der Werkstatt in ihrer Wohnung in der Lübecker Straße avantgardistische Mode und führte Aufträge für Bühnenkostüme aus.
Am 2. Oktober 1919 fand in der Hamburger Kunsthochschule die Uraufführung der Dramen ‚Die Haidebraut‘ und ‚Kräfte‘ von August Stramm statt, in denen Lavinia Schulz Hauptrollen spielte. Zu Weihnachten 1919 wurde ein mittelalterliches ‚Krippenspiel‘ in der St. Katharinenkirche aufgeführt, in dem Lavinia Schulz und ihr späterer Bühnen- und Lebenspartner Walter Holdt gemeinsam auftraten. Nach exzentrischen Ausfällen des Paares während der Probearbeit wurde es Anfang 1920 von der ‚Kampfbühne‘ ausgeschlossen. Es folgten der Umzug in eine Souterrainwohnung am Besenbinderhof 5 und die heimliche Heirat. Lavinia Schulz entwarf nun Kostüme und Ganzkörpermasken, zu denen das Paar eigene teils grotesk-lustige, teils dramatische Tänze entwickelte Ähnlich wie ihr Lehrer Lothar Schreyer, der die Spielanweisungen für die Bühnenstücke der ‚Kampfbühne‘ in partiturartigen ‚Spielgängen‘ notierte, entwickelte auch Lavinia Schulz ein eigenes Notationssystem für ihre Tänze. Akribisch zeichnete sie die Bewegungen und Rhythmen in so genannten Tanzschriften auf. Im Mai 1921 veröffentlichte sie Auszüge aus der Tanzschrift für den Tanz ‚Mann und Tote Frau‘ in Form einer Holzschnittmappe.
Zu Beginn des Jahres 1921 lernte das Paar bei einem Treffen des Künstlerstammtisches ‚Die Tafelrunde‘ den Komponisten und Pianisten Hans Heinz Stuckenschmidt kennen, der es fortan auf dem Klavier begleitete. Bis 1923, als Lavinia Schulz schwanger wurde, teilte das Paar mit Stuckenschmidt seine karge Wohnung, die tagsüber in einen Proben- und Arbeitsraum umgewandelt wurde. Im Dezember 1921 fand ein erster Solo-Abend im Museum für Kunst und Gewerbe statt. Zumeist bestritt Lavinia Schulz mit ihren Partnern Auftritte mit einzelnen Tanznummern im Rahmen von Veranstaltungen, etwa im Kabarettlokal ‚Die Jungfrau‘, auf den Künstlerfesten im Curio-Haus oder an den ‚Abenden der Tafelrunde‘. Gemeinsam mit Elsbeth Baack, für die Lavinia Schulz auch Bühnenkostüme entwarf, bestritten die Maskentänzer einen weiteren eigenen Tanz-Abend in den Hamburger Kammerspielen, die sich damals in direkter Nachbarschaft ihrer Wohnung am Besenbinderhof befanden.
Neben zeitkritischen Stücken, die sich gegen die Industrialisierung richteten, gehörten Adaptionen nordischer Heldensagen sowie ‚Sturm‘-Dichtungen zu ihrem Repertoire. Die avantgardistische Ästhetik der Masken wurde unterstrichen durch die moderne, atonale Musikbegleitung und ihre Bewegungen, die vollständig mit dem klassischen Bühnentanz brachen. Zur Herstellung der phantasievollen Masken verwendete Lavinia Schulz aus ideologischen Gründen ausschließlich Abfallprodukte wie Sackleinen und Kisten. Die so entstandene Schwere und Starrheit der Masken war erwünscht und sollte die in ihnen möglichen Bewegungen beeinflussen. Der Vorsatz, die Tänze nicht gegen Bezahlung aufzuführen, brachte Lavinia Schulz und ihre Familie an den Rand des Hungertodes.
Im Laufe des Jahres 1924 kam es zunehmend zu Spannungen zwischen der leidenschaftlichen Künstlerin und ihrem Partner Walter Holdt. Dieser zog sich aus dem Arbeitsprozess zurück. Lavinia Schulz sah ihr Lebenswerk gefährdet. Zeugen berichteten auch von Eifersuchtsdramen. Am 18. Juni 1924 erschoss Lavinia Schulz erst Walter Holdt im Schlaf und richtete dann die Waffe auf sich selbst. Sie starb am folgenden Tag im Krankenhaus St. Georg. Ihr damals einjähriger Sohn Hans Heinz blieb unversehrt und wuchs bei seinen Großeltern väterlicherseits in Hamburg und in Dänemark auf.
Der künstlerische Nachlass bestehend aus 29 – teils unvollendeten – Masken und Kostümen, zahlreichen Tanzschriften, Skizzen, Modeentwürfen und Briefen, war nach einer Gedächtnisausstellung im Jahr 1925 im Museum für Kunst und Gewerbe geblieben. Auf dem Dachboden des Museums eingelagert und vergessen, wurden die Werke erst nach über 60 Jahren zufällig wiederentdeckt. Auf diese Weise überstanden die Masken auch die Säuberungsaktion ‚entartete Kunst‘, der sich das Museum für Kunst und Gewerbe im ‚Dritten Reich‘ ausgesetzt sah.
Text: Athina Chadzis
Abgedruckt mit ihrer freundlichen Genehmigung, aus:
Athina Chadzis, in: Hamburgische Biografie. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Bd. 4, Hamburg 2008, S. 317-319.

Photo aus: 40 Jahre Akademikerinnenverbund Hamburg e. V. 1948-1988. Hamburg 1988.
Ingrid Schulze-Sievers geb. Sievers
Diplom-Volkswirtin
ausgezeichnet mit der Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes
4.8.1918 Königsberg - 15.12.1999 Hamburg
5 Monate nach der Gründung des Akademikerinnenbunds Hamburg e.V. (ABH) im Februar 1948 wurde Ingrid Schulze-Sievers dessen Mitglied und war während ihrer 51jährigen Mitgliedschaft über 30 Jahre, davon 12 Jahre als erste Vorsitzende, für ihn, sowie auf internationaler Ebene (Federation of University Women, IFUW) tätig. 9 Jahre arbeitete sie im Finance Committee der IFUW. Sie machte den ABH über die Landesgrenzen hinaus bekannt, arbeitete mit am Aufbau der Studentenberatung der Universität Hamburg, die bundesweit zum Modell wurde, setzte sich als zweite Kuratoriumsvorsitzende der "Stiftung Hamburger Studentinnenheime" für Frauenfördermaßnahmen ein und war dem Landesfrauenrat Hamburg eng verbunden. Durch ihre Wirtschaftskenntnisse, Sprachbegabung und Eloquenz erreichte sie viele Menschen und sorgte so für ein lebendiges Verbandsleben.
Elisabeth Eleonore Christiane Auguste Ida Mathilde Seifahrt
Photo: Staatsarchiv Hamburg
Volksschullehrerin, Bürgerschaftsabgeordnete der DDP und stellvertretende Bundesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins
2.9.1860 Homberghausen bei Homberg - 17.1.1933 Hamburg
Elisabeth Seifahrt wurde auf Gut Homberghausen bei Homberg geboren. Ihr Vater war Landwirt. Als sie fünf Jahre alt war, kam sie mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester Bertha (geb. 1863) nach Hamburg und besuchte eine Privatschule, dann von 1877 bis 1879 die Präparandinnen-Anstalt und 1879/80 das staatliche Lehrerinnenseminar in Hamburg. Im Alter von 20 Jahren begann sie am 1. April 1880 ihre Tätigkeit als Volksschullehrerin.
Fünf Jahre später wurde Elisabeth Seifahrt von der Oberschulbehörde als Volksschullehrerin fest angestellt und arbeitete in dieser Position bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 1924.
Elisabeth Seifahrt heiratete nicht, eine Heirat hätte auch die Entlassung aus dem Staatsdienst bedeutet. Sie lebte mit ihrer Schwester, auch eine Lehrerin, die sich ebenfalls 1924 hatte pensionieren lassen, in der Schröderstiftstraße 20 im Stadtteil Rotherbaum.
Neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin war Elisabeth Seifahrt ständepolitisch tätig. So war sie 1894 eine der Gründerinnen des Vereins Hamburger Volksschullehrerinnen, dessen Vorsitzende sie bis 1924 war. Gleichzeitig war sie von 1921 bis 1927 stellvertretende Bundesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins (ADLV) und von 1921 bis 1926 Erste Vorsitzende im Landesverband Hamburger Lehrerinnenvereine. Sie arbeitete in der staatlichen Kommission für Leibesübungen mit, war Mitglied fast aller Schulausschüsse, engagierte sich für die Gestaltung des modernen Hamburger Schulwesens und half bei der Verstaatlichung einer Reihe höherer Mädchenschulen (Bergedorf, Cuxhaven, Emilie-Wüstenfeld-Schule) mit.
Auf sozialem und frauenpolitischem Gebiet engagierte sie sich im Vorstand der Sozialen Hilfsgruppen, eines 1900 gegründeten Zweigvereins der Hamburger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF), dem sie von 1906 bis 1919 angehörte.
Darüber hinaus arbeitete sie auch parteipolitisch. Von 1919 bis 1927 war sie für die DDP-Fraktion Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und damit die erste Frau, die diese Partei in die Bürgerschaft geschickt hatte. Elisabeth Seifahrt kam auf den aussichtsreichen Listenplatz 18, denn 33 Mitglieder der DDP wurden in die Bürgerschaft gewählt. In der Bürgerschaft beschäftigte sich Elisabeth Seifahrt hauptsächlich mit Erziehungs- und Bildungsfragen. 1927 ließ sie sich nicht wieder für die Bürgerschaftswahl aufstellen.
Als Elisabeth Seifahrt sechs Jahre später starb, sprach auch die Oberschulrätin Dr. Emmy Beckmann auf der Trauerfeier.
2007 beschloss der Ortsausschuss Fuhlsbüttel, dass in dem neuen Wohngebiet in Klein Borstel , welches neben dem Ohlsdorfer Friedhof entsteht, Straßen nach Frauen benannt werden sollen, die auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet wurden. Als Quelle hierzu wurde das Buch von Rita Bake und Brita Reimers "Stadt der toten Frauen" genommen. So wurde auch nach Elisabeth Seifahrt eine Straße benannt: Elisabeth-Seifahrt-Weg.
Claudine Staack
30.1.1859 Süderheistedt - 12.4.1911 Hamburg
Dora Staack
9.11.1855 Krumstedt/Meldorf - 1.1.1911 Hamburg
Schriftstellerinnen
Die Schwestern Dora und Claudine wuchsen an verschiedenen Orten Dithmarschens und der norddeutschen Provinz auf: Der Vater baute Straßen und Eisenbahnen, die Familie zog mit. Statt einer Berufsausbildung bekamen die Töchter offenbar viel Kultur und Bildung vermittelt. Claudine - später auch als Malerin aktiv - verbrachte sogar eine Zeit in Paris. Geheiratet haben beide nicht.
Mit 40 Jahren, 1895, begann Dora zu schreiben und gewann im Folgejahr das literarische Preisausschreiben der Neuen Hamburger Zeitung.
Und bald erschloss sie sich mit Erzählungen und Novellen auch zu anderen zeitgenössischen Blättern Zugang, lieferte Essays und Buchkritiken. Das bescheidene Zeilengeld musste schließlich den Fortfall der bisherigen wirtschaftlichen Basis ausgleichen - nach dem Tod des Vaters waren Dora und Claudine auf sich allein gestellt.
Schreiben, um zu überleben: das vornehme und gebildete Hamburg las zwar die Geschichten, wusste aber nichts von den beiden Frauen, die in großer materieller Enge in einer kleinen Eppendorfer Miet-wohnung [Gosslerstraße 80, heute: Geschwister-Scholl-Straße] ihr Dasein fristeten.
In ihren Texten - Claudine fing erst 1905 zu schreiben an - entwarfen sie sorglose Menschen, projizierten ihre Träume auf Frauen, die in der Provinz auslebten, was ihnen verwehr war: sich verlieben, glücklich sein, Geborgenheit finden. Doras Novellen, urteilte ein zeitgenössischer Kritiker, waren lyrisch, Claudine erzählte dramatischer.
1906 vermittelte der Schriftsteller Timm Kröger ihnen einen Verlag: "Melodien der Liebe" nannte Dora ihre Sammlung, Claudines Buch hieß "Gewitter". Kröger schrieb für beide ein gleichlautendes Vorwort, passend zur symbiotischen Lebensweise der unzertrennlichen Schwestern.
Die Bücher blieben erfolglos, die Not wuchs. Das Schreiben, so kann man vermuten, wurde zum letzten Draht in die Welt, ermöglichte Kontakt mit Redaktionen, mit Literaten. Tiefe Bescheidenheit, Hingabe, Pflege der Kultur - ja, so sollten Frauen im späten Kaiserreich sein, wenn sie schon keine Kinder in die Welt setzten und einem Mann den Haushalt führten. Die Schwestern spielten diese Rolle richtig: nur, die seltenen, zufälligen Besucher erfuhren von ihrer Not.
Und so wäre es vermutlich noch lange weitergegangen; die Schwestern hätten sich mit immer größerer Bescheidenheit auf immer dürftigere Existenzbedingungen eingestellt, hätte nicht ein Unfall das Ende herbeigeführt. Am 22. Dezember 1910 werden beide von einem Auto erfasst, als sie auf dem Gänsemarkt zur Straßenbahn rennen. Dora - die lebenstüchtigere - stirbt am 1. Januar 1911; Claudine - ohne die ältere Schwester völlig mutlos - öffnet sich wenige Wochen später die Pulsadern, wird aber noch rechtzeitig gefunden. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen, erschießt sie sich am 12. April 1911.
Nach ihrem Tod widerfuhr den Staack-Schwestern, was mit vielen Autorinnen passiert, die nicht viel von sich reden gemacht haben - sie gerieten in Vergessenheit. Schon die wenigen Nachrufe auf Claudine und Dora Staack waren voller Irrtümer; wenn ein Nachschlagewerk sie berücksichtigte, stand viel Falsches darin. Aber zumeist ignoriert man sie völlig.
Text: Kay Dohnke, veröffentlicht in der taz vom 4.3.2000.
Erna Stahl
Photo: privat
Reformpädagogin und Schulleiterin
15.2.1900 Hamburg-13.6.1980 Hamburg
Erna Stahl, seit 1928 begeisterte Pädagogin an der Lichtwarkschule, an der damals der ungewöhnliche Weg der Koedukation beschritten wurde, setzte ihren Unterricht oftmals in ihrer Wohnung fort. Nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 brachte sie ihren Schützlingen an diesen "Leseabenden" die "verbotene Literatur" nahe. 1935 wurde Erna Stahl an die Oberrealschule für Mädchen im Alstertal strafversetzt, wo sie ihre Kollegin Hilde Ahlgrimm kennen lernte und sich zwischen ihnen eine Lebensfreundschaft entwickelte. Ihre gemeinsamen Briefe unterschrieben sie mit "Stahlgrimm". Bis 1938 lud Erna Stahl ihre ehemaligen SchülerInnen, darunter Margaretha Rothe, zu ihren "Leseabenden" ein. Am 4.12.1943 wurde Erna Stahl verhaftet, kam u.a. für elf Monate in Einzelhaft und in verschiedene Gefängnisse, zuletzt nach Bayreuth, wo sie am 14.4.1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde und in Hamburg Leiterin der Oberschule für Mädchen im Alstertal (heute Gymnasium Alstertal) wurde. 1948 führte sie die Koedukation wieder ein. Durch den von ihr und Hilde Ahlgrimm 1950 konzipierten zweizügigen, mit Erstklässlern beginnenden "Schulversuch" innerhalb der Oberschule Alstertal wurde die erste frühe Form einer gemeinschaftlichen kooperativen Gesamtschule verwirklicht. Dies führte in einem neu erbauten Schulgebäude 1958 zur Gründung der Albert-Schweitzer-Schule (heute: Albert-Schweitzer-Gymnasium), die sie bis zu ihrer Pensionierung 1965 leitete.

Photo aus: Die "Produktion in Hamburg" 1899-1920. Hamburg o.J.
Helma Steinbach
Gewerkschaftsfunktionärin
1.12.1847 Hamburg-7.7.1918 Glünsing/Lauenburg
Als Tochter einer verarmten Kaufmannsfamilie wuchs Helma Steinbach unter großen Entbehrungen auf. Eine vermutlich aus finanziellen Gründen geschlossene Ehe löste sie schon bald wieder auf. Helma Steinbach verdiente ihren Lebensunterhalt als Wirtschafterin, Näherin, Schneiderin, Plätterin und Vorleserin. Um sich politisch und allgemein zu bilden, ließ sich in vielen Betrieben die Arbeiterschaft von KollegInnen aus Büchern und Zeitungen vorlesen. Bei dieser Tätigkeit lernte Helma Steinbach den späteren Gewerkschaftsfunktionär und Reichstagsabgeordneten Adolf von Elm kennen. Mehr als dreißig Jahre sollte ihre Freundschaft dauern. Helma Steinbach agitierte die Arbeiterinnen, sich in Berufsfachvereinen zusammenzuschließen, wenn sie bessere Arbeitsbedingungen erreichen wollten und gründete 1890 den Zentralverein der Plätterinnen. Ende des 19. Jhds. forderte sie mit Erfolg die Gewerkschaften zur Aufnahme auch von weiblichen Mitgliedern auf. Helma Steinbach war 1899 die einzige Frau unter den Mitbegründern der Konsumgenossenschaft „Produktion“, derem Aufsichtsrat sie bis zu ihrem Tode angehörte. Nachdem 1908 duch die Abschaffung des Vereinsgesetzes den Frauen der Beitritt in Parteien nicht mehr verboten war, forderte Helma Steinbach die Frauen auf, nun Seite an Seite mit den Männern zu marschieren und weder Sonderrechte zu verlangen, noch eigene Arbeiterinnen- und Frauenbildungsvereine sowie Frauengewerkschaften zu gründen.
Hanna und Olga Stolten
Mitbegründerinnen der Arbeiterwohlfahrt (AWO)
17.12.1888-24.12.1942; 30.8.1885-20.12.1974 Hamburg
Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie führten die Schwestern Hanna und Olga nach dem Tod der Eltern einen gemeinsamen Haushalt. Olga, Mutter eines Kindes und Hausangestellte, war später als AWO- und Frauensekretärin im SPD- Bezirksvorstand HH tätig. Hanna, gelernte Verkäuferin, arbeitete als Fürsorgerin der Jugendbehörde.1933-1942 führten die beiden einen Zeitungskiosk. 1920 mitbegründeten sie die Ortsgruppe der AWO, deren Vorstand Hanna von 1930-1933 angehörte. Hanna war von 1926-1933 Erste Vorsitzende der Fachgruppe sozialistischer Fürsorgerinnen der Hamburger AWO, Olga von 1919-1925 Frauenleiterin des Distriks Barmbek. 1925 war Hanna und 1927 Olga Delegierte der SPD auf dem Reichsparteitag und der Reichsfrauenkonferenz. Hanna gehörte von 1928-1932 der Bürgerschaft an.

Photo: commons.wikimedia.org
Inge Stolten
Schauspielerin, Schriftstellerin, Politikerin
23.3.1921 Hamburg - 4.5.1993 Hamburg
Gemeinsam mit ihrem drei Jahre jüngeren Bruder wuchs Inge Stolten im Hinterhofmilieu der Straße Koppel 50 im Hamburger Stadtteil St. Georg auf. Ihr Vater, der ungelernte Arbeiter Louis Stolten, arbeitete als Packer; die Mutter Frieda Stolten, geb. Clasen, war als Zugehfrau tätig. 1931 nahm sich ihr schwerkranker Vater das Leben. Obwohl die Familie in finanziell armen Verhältnissen lebte, wurde es Inge Stolten ermöglicht, nach dem Abschluss der Volksschule ab 1934 die Aufbauschule in Eimsbüttel zu besuchen, wo sie 1939 das Abitur bestand.
Aufgewachsen in einer sozialdemokratisch geprägten Umgebung, widerstand Inge Stolten den Einflüssen des Nationalsozialismus. Da sie als "politisch unzuverlässig" aus dem Reichsarbeitsdienst entlassen wurde, durfte sie kein Studium aufnehmen und entschied sich 1940 für eine Ausbildung an der Schauspielschule des Hamburger Schauspielhauses.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus konnte Inge Stolten wegen ihrer guten Sprachenkenntnisse als Dolmetscherin arbeiten und kam als Sprecherin zum "British Forces Network". In den 1950er Jahren wurde sie beim Nordwestdeutschen Rund-funk (NWDR, später NDR) tätig, wo sie 1954 ihrem zukünftigen Lebensgefährten Axel Eggebrecht begegnete. Ihre Arbeit als Theaterschauspielerin musste sie 1956 aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung aufgeben.
Ab den 1960er Jahren profilierte sich Inge Stolten als Rundfunkjournalistin und freie Schriftstellerin. Sie arbeitete mit Eggebrecht als Drehbuchautorin und schrieb für den NDR zahlreiche Beiträge, u.a. zu Arbeit-nehmer- und Frauenrechten. 1979 veröffentlichte sie die Streitschrift "Kinderlos aus Verantwortung". Sie selbst blieb gewollt kinderlos und lehnte lange Zeit eine Ehe ab, weil sie um ihre Eigenständigkeit fürchtete. Erst 1982 heiratete sie Axel Eggebrecht. Im selben Jahr erschien ihre Autobiografie "Das alltägliche Exil", in der sie sich vor allem mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzte.
Nach 1989 fürchtete Stolten ein Wiedererstarken nationalistischer Kräfte und trat daher 1990 in die PDS ein, um den Prozess der Wiedervereinigung mitzugestalten. Von 1991 bis 1993 war sie stellvertretende Bundesvorsitzende und 1991 bei der Hamburger Bürgerschaftswahl Spitzenkandidatin der PDS/Linke Liste.
Text: Leicht modifizierte Fassung des Artikels von Jana Tereick: Stolten, Inge Louise. In: Hamburgische Biografie. Bd. 6, Göttingen 2012, S. 327-328.
Dr. med. Hildegard Stromberger, geb. Saturski
Foto: privat


Bronze-Relief "Begegnung" (1966) beim "Hamburg-Haus" am Doormannsweg in Hamburg Eimsbüttel. Foto: Hans-Jürgen Schirmer

Bildhauerin, Malerin, Ärztin
27.7.1904 Jennen/Ostpreußen - 7.7. 1985 Hamburg
Hildegard Stromberger war promovierte Ärztin. In den 1920er Jahren hatte sie an der Hamburger Universität Medizin studiert. An der Landeskunstschule Hamburg studierte sie Malerei bei Prof. Paul Bollmann und Prof. Willem Grimm sowie zwischen 1933 und 1936 Bildhauerei bei Prof. Henneberger und Karl Schümann.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war Hildegard Stromberger Gründungsmitglied der konstruktivistischen Künstlervereinigung "die gruppe" Dieser Zusammenschluss von Künstlerinnen und Künstlern fand seine Anregungen besonders in Paris und führte viele Jahre lang in Deutschland und im Aus-land Ausstellungen durch.
Hildegard Stromberger war auch Mitglied der "Hamburger Gruppe 45", die nach Ende des Zweiten Weltkriegs von Martin Irwahn und Richard Steffen gegründet worden war. Ihr "Ziel war eine Ausstellungs- und Künstlergemeischaft ohne weitere Eingrenzungen und Festlegungen. (…) 1948 kam es zu einer Spaltung der Gruppe."1) Mitglieder dieser Gruppe waren u. a. auch Ruth Godbersen, Tom Hops, Max-Hermann Mahlmann, Fritz Husmann, Ernst Flege, Walter Siebelist, Willi Breest.
In Hildegard Strombergers "Gesamtoevre bestimmt die Geometrie die Formen."2) Abstrakte, in den Worten der Zeit "gegenstandslose" Malerei, "deren konstruktivistische Formensprache" sich auch in den Wandbildern und Objekten für den öffentlichen Raum wiederfindet. Sie selbst äußerte über ihre künstlerische Arbeit, ihr künstlerisches
Selbstverständnis und ihre Motivation: "1) Selbstverständnis: Blicken, d. h. alle Dinge mit unserem Geist beschicken - alle Erscheinung ist tiefste Einung deiner weiblich offenen Gebärde: menschliches Auge - deiner männlich formenden Gestaltung: menschlicher Geist. 2) Motivation: innere absolute Notwendigkeit zur Gestaltung. 3) Absicht: Kunst als notwendigen stimmigen Partner zum Leben."3)
1965 schuf Hildegard Stromberger für die Schule Weddestraße in Hamburg Horn ein Würfelobjekt; 1966 ein Bronze-Relief "Begegnung" am Hamburg-Haus in Hamburg Eimsbüttel; 1968 eine Arbeit für die Schule Fischbeker Moor 6 in Hamburg Neugraben; 1969 ein Alu-Mosaik vor der UKE-Frauenklinik in Hamburg-Eppendorf.
Für die Weltausstellung in Brüssel schuf sie ein freistehendes Wandbild aus Stahl und Holz und in Helgoland ein Glasmosaik.
Ausstellungen hatte sie z. B. in Paris, Kopenhagen, New York, Wien, München, Basel, Berlin, Darmstadt, Aachen, Hamburg, Stuttgart und Essen.
Verheiratet war Hildegard Stromberger mit Karl Stromberger (geb. 1895), der ebenfalls Arzt war. Das Paar hatte einen Sohn und eine Tochter und wohnte in der Sierichstraße 51, wo Karl Stromberger auch seine Arztpraxis betrieb.
Quellen:
1) Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Hamburger Kunst im "Dritten Reich". Bd. 1. Hamburg 2001, S. 486.
2) Der Neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs. Überarbeitete Neuauflage des Lexikons von Ernst Rump (1912). Hrsg. von Familie Rump. Ergänzt, überarbeitet und auf den heutigen Wissensstand gebracht von Maike Bruhns. 2. Aufl. Neumünster 2013, S. 456.
3) Künstler in Hamburg. hrsg. von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. Hamburg 1982.
Renate Strübing-Wagner
Reformpädagogin, Widerstandskämpferin
30.8.1908 - 21.11.1973 Hamburg
Renate Strübings lebenslange Freundin und Kampfgefährtin, Anita Sellenschloh erinnerte sich: "Wir waren ganz stolz, dass dieses attraktive und strahlende Mädchen aus bürgerlichem Elternhaus nun zu uns gehörte. Wir schätzten sie ihrer Bescheidenheit, Begeisterungs- und Liebesfähigkeit wegen. Sie, die Gymnasiastin und Studentin, war unser Vorbild, die wir aus dem proletarischen Milieu stammten. Sie hielt für uns Kurse in politischer Ökonomie ab. Sie war ne Wucht." [1]
"Renate Strübing, geb. Wagner, kam im Jahre 1908 zur Welt und ist im Jahre 1973 im Alter von 65 Jahren gestorben. Sie entstammte einem gebildeten und kultivierten Elternhaus mit betont politischem, gewerkschaftlichem und schulischem Engagement. Die Eltern wie auch die beiden Töchter waren Lehrer bzw. Lehrerinnen.
Die Mutter wie auch die einzige ältere Schwester gehörten als sozialdemokratische Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft an. Die Mutter stritt mit besonderem Engagement für die Verbesserung des Frauenrechts und die Frauenemanzipation [2]. Mit anderen aus ihrer Verwandtschaft stammenden Pädagogen gehörten die Wagners gewissermaßen der hamburgischen ‚Lehreraristokratie' an" ( [1], Seite 296).
Renate Wagner verlebte eine glückliche Kindheit. "Die Eltern erzogen ihre Töchter mit pädagogischer Weitsicht; vertraut mit den Strömungen der Zeit, vermittelten sie den Kindern gesellige Freuden, Reisen, Opern- und Theaterbesuche sowie Freiheiten, die Vertrauen und Einsicht seitens der Eltern voraussetzten, ein Verhalten, das in seiner Liberalität über die geltenden Erziehungsnormen deutlich hinausging" [1].
Die junge Renate schloss sich zunächst der bürgerlichen Jugendbewegung an und trat in den "Wandervogel" ein (Wurzel der Jugend- und Lebensreform-Bewegung, Reformpädagogik). Die politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen während ihrer Kindheit und Jugend - erster Weltkrieg, Sturz der Monarchie, die Kämpfe um die Weimarer Republik und die Inflationsnöte -, "die den im Elternhaus gewonnenen Idealvorstellungen in keiner Weise entsprachen, mögen jenen moralischen und ideologischen Prozess ausgelöst haben, der sie über sozialdemokratisch orientierte Schüler- bzw. Jugendverbände in den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands führte, und in späteren Jahren, als Studentin der Pädagogik, in die Kommunistische Studentenfraktion und schließlich in die Kommunistische Partei Deutschlands" [1].
Renate Wagner besuchte in den Jahren 1915 bis 1921 die Seminarschule Hohe Weide und von 1921 bis 1929 die Staatliche Aufbauschule, an der sie das Abitur ablegte. "Inflation, ein kurzer ökonomischer Aufstieg und eine erneute Wirtschaftskrise bildeten den Hintergrund in diesem Lebensabschnitt. Darauf studierte sie neben Philosophie und Pädagogik Volkswirtschaft von 1929 bis 1932 an der Universität Hamburg. Vom Studium her eröffneten sich der jungen Studentin unerwartete Einsichten in die nationalen und internationalen ökonomischen Entwicklungen, die durch die täglichen, sich überstürzenden Ereignisse mehr als bestätigt wurden. ‚Hitler bedeutet Krieg', das wussten seine Gegner, das wusste auch Renate, und sie wussten auch, dass er auf das anachronistische Unternehmen eines Krieges gegen die Sowjetunion hinarbeitete (...). Ein tiefer Riss ging nicht nur durch das ganze deutsche Volk, sondern auch durch die mächtigsten Gegner des Nationalsozialismus, die Sozialdemokraten und die Kommunisten, die sich gegenseitig bekämpften, während die Rechte sich weitgehend einig war. Dieser Riss ging auch durch die Familie Wagner. Hier die Eltern und die Schwester, da Renate. Auch in dieser Familie war ‚die Grundtorheit unserer Epoche' (Thomas Mann), nämlich der Antikommunismus, tief verankert. Der Ausspruch ihres Vaters ‚Hoffentlich siegt Deutschland', womit er ja schließlich das Fortbestehen des Nationalsozialismus dessen Überwindung vorzog, zeigt die Schwere des politischen Konflikts innerhalb dieser Familie. Angesichts der 50 Millionen Toten des zweiten Weltkrieges und des übrigen unermesslichen Leids, das durch den Nationalsozialismus über die Menschheit gekommen war, ist dieser Ausspruch nur noch jenen verständlich, die die Tragödie dieses Zerwürfnisses zwischen SPD und KPD in jenen Zeilen miterlitten haben. Im Bündnis miteinander hätte die Arbeiterbewegung (SPD, KPD, Gewerkschaften) mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad eines der grausamsten und dunkelsten Dramen der Menschheitsgeschichte abwehren können". ( [1], Seite 296 f.)
Nach Beendigung ihres sechssemestrigen Studiums legte Renate Wagner im November 1932 ihre erste Lehrerinnenprüfung ab. "Ab 1933 hing die Anstellung der Lehrer von der politischen Einstellung ab. (...) Renate gelangte von der Universität nicht in die Schule, sondern ins KZ. Während der zwölf Jahre Hitlerdiktatur wurde (sie) insgesamt fünfmal in Haft genommen, in der Vorkriegszeit von Oktober 1933 bis Januar 1934 im Untersuchungsgefängnis Hamburg, von Februar 1935 bis Juni 1935, von März 1937 bis Juni 1937 und von Dezember 1938 bis Mai 1939 wurde sie von der Gestapo im Konzentrationslager Fuhlsbüttel festgehalten. Verhaftungen geschahen im ‚Dritten Reich' oft willkürlich, ohne Begründung, mit dem Ziel der Einschüchterung, Verunsicherung oder gar Zermürbung. So wurde Renale Strübing 1933 ins KZ Fuhlsbüttel verbracht, allein ihres politischen Bekenntnisses wegen. Sie erlebte dort grausame Folterungen ihrer Parteifreunde. 1937 reichte die Teilnahme an einer Geburtstagsfeier für weitere Monate im KZ. Silvester 1938 wurden sie, Anita Sellenschloh und dreißig andere Gesinnungsfreunde ins KoLaFu (Konzentrationslager Fuhlsbüttel) eingewiesen, die mitverhaftete Lucie Suhling hat in ihren Memoiren über diesen Kreis berichtet [3]. Jeglicher Verkehr mit ihren Freunden war ihr unter Androhung strafrechtlicher Verfolgung verboten und ihre Freundschaften waren so gut wie ausschließlich politischen Ursprungs.
Zwölf Jahre lang gab es für Renate keinen Tag der Sicherheit, der Sorglosigkeit. Nur unter ihren Freunden und während der Arbeit gab es Augenblicke des Geborgenseins und der Ruhe. Zwischen den Zeiten im KZ oder Zuchthaus arbeitete sie zunächst als Fabrikarbeiterin, später im Buchhandel und schließlich in einem Hafenbüro.
Es zeugt von Renate Strübing-Wagners hoher Moral, ihrer Aufopferungsbereitschaft und ihrem ungebrochenen Widerstandsgeist, dass sie sich im Jahre 1941 der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe [4] anschloss", jener starken illegalen kommunistischen Widerstandsorganisation, die in der ersten Phase des Krieges in Hamburger Großbetrieben Widerstandszellen aufbaute und mit sozialdemokratischen und parteilosen Antifaschisten kooperierte - zur Abkürzung der unermesslichen Kriegsleiden und zur Begrenzung der Zerstörungen. Diese Organisation, der mehr als 300 Männer und Frauen angehörten, hatte Kontakte zur Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe und einige ihrer Vertreter später auch zum Kreisauer Kreis, zu prominenten Widerstandskämpfern wie Dr. Julius Leber und Adolf Reichwein. Renate Strübing-Wagner wirkte in der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe in der Weise mit, dass sie Verbindungen zwischen wichtigen Funktionären herstellte. In einem Erinnerungsbericht von 1954 sagte Renate Strübing: ‚Ich war 1941/42 Verbindungsmann von Franz Jacob zu den Blohm-&-Voss-Gruppen über Hans Hornberger (der dort Schlosser und einer der Organisatoren der illegalen Arbeit war). Jeden Morgen ging ich mit dem Arbeiterstrom durch den Elbtunnel, - ich arbeitete im Freihafen bei Wehlen [5]. Blohm & Voss war das Glanzstück unserer Widerstandsarbeit. Die Werft hatte damals wohl 1500 Arbeiter und an die 50 waren in konspirativen Fünfergruppen organisiert. U. a. arbeiteten wir mit ausländischen "Fremdarbeitern" zusammen. Besonders enge Verbindung gab es zu polnischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern, mit denen die Nazis sich verrechnet hatten. Vor allem denke ich an Michal Pozywilek, der im Lager Jungiusstraße wohnte. Mischa war Jungkommunist und hatte eine Gruppe von 10-20 Weißrussen und Polen um sich, die im Lager und im Betrieb politisch arbeiteten. Mit uns organisierten sie eine regelmäßige Brot-Geld-Zigaretten-Sammlung für sowjetische Kriegsgefangene, denen es am schlechtesten ging. Bei Blohm & Voss hing eine große Russlandkarte, auf der Fähnchen die Frontlinie anzeigten; später wurde dafür gesorgt, dass dort immer sofort der Rückzug der faschistischen Armee abzulesen war'.
Die Gestapo deckte die Tätigkeit der Hamburger Widerstandsgruppe schließlich auf, und Renate Strübing-Wagner wurde im Januar 1943 erneut verhaftet. Angeklagt wegen ‚Hochverrats und Feindbegünstigung' und zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, verbrachte sie ihre längste Haftstrafe von Januar 1943 bis Mai 1945 nacheinander im Konzentrationslager Fuhlsbüttel und im Untersuchungsgefängnis Hamburg, im Zuchthaus Lübeck-Lauerhof und zuletzt im Zuchthaus Witten a. d. Ruhr. Am 6 Mai 1945 wurde sie dort befreit.
(...) Das also war die Situation, in der sich Renate Strübing, nunmehr 37 Jahre alt, nach ihrer Befreiung befand:
- hoffend auf Wiedergutmachung des ihr Zugefügten,
-- physisch und psychisch geschwächt, aber erfüllt von Idealvorstellungen über die Möglichkeiten, eine gerechtere und bessere Welt zu schaffen, gewachsen in den Jahren des Schweigenmüssens und der kulturellen Leere. Nun galt es, dort zu beginnen, wo sie vor zwölf Jahren gezwungen worden war, aufzuhören [1].
Am 1. Oktober 1945 trat sie in den Schuldienst ein und übernahm in der Volksschule Hirtenweg 12 (Othmarschen) eine zweite Klasse. Im Jahre 1954 legte sie die zweite Lehrerprüfung ab. Schon im März 1950 wurde sie von ihrem Kollegium einstimmig zur Stellvertretenden Schulleiterin gewählt. Nach 24jähriger Tätigkeit als Lehrerin schied sie -gesundheitlich total erschöpft - im Herbst 1969 wieder aus dem Schuldienst aus. Renate Strübing schied aus ohne behördliche Anerkennung als Beamtin" ( [1], Seite 299). Ein Widerspruchsverfahren, in dem nicht nur Kollegen, Vorgesetzte und Eltern ihrer Schüler_innen ihr außergewöhnlichen Einsatz im Beruf bescheinigten und eine Verbeamtung auf Lebenszeit - als einen Akt der Wiedergutmachung - lebhaft empfahlen, sondern auch ihr langjähriger Hausarzt attestierte, dass sie sich ihre schwere Herzerkrankung im Zuge der Haftbedingungen erworben habe, wurde negativ beschieden.
Der Biograf Rudolf Haun fuhr fort: "Die Nazigeschädigten wissen ein Lied zu singen von den armseligen Renten, die sie wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit beziehen, oder von den beleidigend niedrigen Haftentschädigungen, die man ihnen für die verlorenen qualvollen Jahre ihres Lebens gewährt. Da ist es den Kriegsgerichtsräten beim Volksgerichtshof und den Richtern bei den Oberlandesgerichten mit ihren Pensionen, die in die Tausende gehen, besser ergangen.
Dennoch, in der Schule erfüllte sich Renate Strübings Leben. Sie war Lehrerin aus Leidenschaft zu ihren humanistischen und politischen Idealen. Aufopferungsvoll, ausdauernd, hingebend, ihren Kindern in Liebe verbunden, besonders den schwachen, von den Eltern und Kollegen gleichermaßen geschätzt, durchbrach sie jede normale Schranke, arbeitete bis in die Nächte hinein, sich einem Verschleißprozess aussetzend, der ihren gesundheitlichen Verfall rapide beschleunigte und sie zwang, sich wegen Arbeitsunfähigkeit pensionieren zu lassen. Doch selbst danach förderte sie schwache Kinder ihrer Schule und noch ganz zuletzt Kinder ihrer Nachbarschaft.
(...) So gab es noch eine zweite Ebene. auf der sich ihr Leben voll erfüllte. Das war ihre Ehe mit Karl Strübing, welche erst nach 1945 geschlossen wurde. Auch war sie überschattet und durch die schwere Krankheit ihres Mannes, die er sich in elfeinhalb KZ- und Zuchthausjahren zugezogen hatte. (...) Der frühe Verlust dieses ihres Mannes war unersetzlich. Sie folgte ihm am 23. November 1973. Renate Strübing war ein tapferer, kämpfender, liebender, politischer Mensch, zähe und von einem starken Lebenswillen beseelt, mit einem erfrischenden Humor ausgestaltet, ohne Hang nach oben, gradlinig gegenüber der Obrigkeit, aufrichtig, unbestechlich, spröde vielleicht in ihrer tiefen Herzlichkeit und empfindlich gegen jedes falsche Pathos." ( [1], S. 300).
Text: Dr. Cornelia Göksu
Quellen:
1 Rudolf Haun: Renate Strübing. Gradlinig gegenüber der Obrigkeit In: Ursel Hochmuth
und Hans-Peter de Lorent (Hg.): Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz. Beiträge der hamburger Lehrerzeitung (Organ der GEW = Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) und der Landesgeschichtskommission der VVN = Verein der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten e.V. Mit einem Geleitwort von Professor Joist Grolle. Hamburg 1985, S. 296 - 300 (das Inhaltsverzeichnis dieser Buchpublikation steht online unter d-nb.info/860351017/04, abgerufen am 4.5.2017 CG).
2 Es gab eine Erna Wagner (2.10.1903 - 1982, Lehrerin, Mitglied der SPD Bürgerschaftsfraktion von Oktober 1949 bis 1970; vor 1933 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend, ab 1921 Mitglied der SPD, bis 1933 Mitarbeit in der Frauenorganisation und im Bildungswesen. Eintritt in die NSDAP am 1.5.1937. Nach 1945 Mitarbeit in der Gesellschaft der Freunde des Vaterländischen Schul- und Erziehungswesens (Vorgänger-Organisation der GEW), Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW, ab 1950 dort im Vorstand, ab 1946 Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Lehrer; ab 1926 Lehrerin, von 1948 bis 1953 Schulleiterin, zwischen 1953 und 1966 wieder als Lehrerin tätig, 1966 pensioniert. Möglicherweise war sie die ältere Schwester von Renate Strübing, geb. Wagner ?
3 Lucie Suhling: Der unbekannte Widerstand. Erinnerungen. Köln 1980
4 Die Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe war eine Widerstandsorganisation um die KPD-Mitglieder Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen, die von 1940 bis zum Kriegsende 1945 gegen das nationalsozialistische Regime kämpfte. Sie war mit etwa 300 Mitgliedern in über dreißig Hamburger Betrieben die größte regionale Widerstandsgruppe in Hamburg. Erklärte Ziele waren die Mobilisierung der Arbeiterschaft, die Unterstützung ausländischer Zwangsarbeiter und sowjetischer Kriegsgefangener und die Sabotage der Rüstungsproduktion.
Im Oktober 1942 wurden die Aktivitäten der Gruppe durch die Staatspolizeileitstelle Hamburg aufgedeckt, mehr als 100 ihrer zu dieser Zeit etwa 200 Mitglieder wurden festgenommen. In den sogenannten Hamburger Kommunistenprozessen ab Mai 1944 wurden zahlreiche Todesurteile verhängt. Insgesamt wurden 70 Mitglieder der Gruppe zwischen 1942 und 1945 hingerichtet. Dennoch gelang es der Gruppe, ihre Aktivitäten bis in die letzten Kriegstage aufrechtzuerhalten und für die kampflose Übergabe der Stadt Hamburg an die Alliierten einzutreten.
Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe
(5) Gemeint war vielleicht die Holzhandlung Ernst Wehlen in Steinwerder, Ellerholzdamm 4
Käthe Tennigkeit geb. Schlichting
Photo: privat
Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime
2.4.1903 Hamburg - 20.4.1944 Hamburg
Die Gymnastiklehrerin u.a. für die Frauengruppe der "Produktion" und Angestellte des Transportarbeiterverbandes und der Bäckergewerkschaft, für die sie die gewerkschaftliche Frauenarbeit leistete, war in der Zeit des Nationalsozialismus mit ihrem Mann Richard Mitglied der KPD-Widerstandsgruppe Bästlein-Jacob-Abshagen. Das Ehepaar lebte in einem Haus am Moschlauer Kamp 24 in Berne. Dort fanden während der NS-Zeit illegale politische Schulungs- und Diskussionsabende statt. 1943 betreute Käthe Tennigkeit die bei ihnen illegal wohnenden, von der Gestapo gesuchten, Hafturlauber und Widerstandskämpfer Gustav Bruhn und Max Heyckendorf. Am 24.2.1944 nahm die Gestapo das Ehepaar in Haft. Käthe Tennigkeit starb im Gestapogefängnis Fuhlsbüttel. Ihr Mann verstarb am 12.12.1944 im KZ Neuengamme. Sie hinterließen einen achtjährigen Sohn.

Photo vopn Anneke Himpe, aus: Klaus Timm: Ilse Tesdorpf-Edens: Seit spartanisch! Deine Ilse. Geschichte aus Klein Borstel. Bd. IV. Hamburg 2004.
Ilse Tesdorpf-Edens
Malerin, Impressionistin
29.3.1892 Hamburg - 30.7.1966 Hamburg
Ilse Tesdorpf lebte als Kind mit ihren beiden jüngeren Brüdern und ihren Eltern in einer Villa am Rondeel 17 im Hamburger Stadtteil Winterhude. Der Vater war ein gutsituierter Kaufmann, die Mutter fungierte als Dame des Hauses.
Ilse Tesdorpf besuchte das Kreussler-Lyceum. Nach dem Abschluss im Alter von 19 Jahren war sie von 1912 bis 1915 Malschülerin bei dem Maler, Grafiker und Kunstpädagogen Arthur Siebelist (1870-1945). Sie malte Landschaftsbilder, Hamburger Stadtansichten, Stillleben, Menschen und unternahm u. a. Malreisen nach Dänemark, Paris, Mallorca, in die Schweiz und nach Norwegen sowie in Deutschland an die Nord- und Ostseeküste, nach Bayern und an die Elbe. Ilse Tesdorpf-Edens malte auch Hamburgs erste Oberschulrätin und Frauenrechtlerin Emmy Beckmann.
1918 heiratete sie den Maler Henning Edens (1885-1943). Das Paar lebte bis 1931 am Elbwanderweg in der Straße Oevelgönne 33, später in Nr. 34, danach in Nr. 76. Nach der Heirat trat ihr künstlerisches Schaffen in den Hintergrund.
Erst nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1943 nahm sie ihre künstlerische Tätigkeit wieder voll auf. Kurz nach dem Tod ihres Mannes wurden sowohl ihr privates Heim als auch ihr Atelier am Rödingsmarkt 70 ausgebombt, so dass ihre bis dahin geschaffenen Werke alle verlustigt gingen. Nach der Ausbombung zog sie mit ihrer Mutter zu der mit ihnen befreundeten Familie Himpe in die Wellingsbüttler Landstraße 166, wo Ilse Tesdorpf-Edens neben Wohnraum auch eine Ateliernutzung erhielt. Die Familien Himpe und Tesdorpf kannten sich schon länger. Beide gehörten dem Großbürgertum an; Oscar Himpe hatte vor seinem Medizinstudium eine künstlerische Ausbildung erhalten.
19050/51 ließ Ilse Tesdorpf-Edens gemeinsam mit dem mit ihr befreundeten Ehepaar Walter und Olga Reimers, die auch ihre Mäzene waren, ein Doppelhaus mit zwei Wohneinheiten an der Wellingsbüttler Landstraße 68 errichten.
Ilse Tesdorpf-Edens war von 1948 bis 1955 Mitglied des 1949 von Adolf Wriggers gegründeten "Kleinen Hamburger Künstlerrings". Zu ihm gehörten u. a. die Maler Fritz Düsing, Albert Feser, Willi Voß, Felix Walner, Walther Reinke. Die politische Ausrichtung des Künstlerrings war links.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Ilse Tesdorpf-Edens auch Mitglied der GEDOK.
Ilse Tesdorpf-Edens hatte z. B. Ausstellungen in den Jahren 1938, 1939, 1941 in der Herbstausstellung Hamburger Künstler, 1950 im Völkerkundemuseum, 1951 im Hamburger Kunstverein, 1952-1955 in der Hamburger Kunsthalle, 1954 in Wittenberg (DDR), Halle/Saale, Bitterfeld, Potsdam Weißenfels, Naumburg; 1970 im Hamburger Kunsthaus. 1992 wurde in der Galerie Mewes eine Gedenkausstellung zum 100. Geburtstag von Ilse Tesdorpf-Edens gezeigt. Ihre Bilder befinden sich u. a. in der Hamburger Kunsthalle, im Altonaer Museum und in der Sammlung Hamburger Sparkasse.
Margaretha Treuge
Photo: Staatsarchiv Hamburg
Direktorin der Sozialen Frauenschule in Hamburg
4.8.1876 Elbing - 2.4.1962 Hamburg
Nach dem frühen Tod der Eltern aufgewachsen bei Verwandten, besuchte Margaretha Treuge das Lehrerinnenseminar, absolvierte eine dreijährige Berufsausbildung, um die Befähigung zum Studium zu erhalten, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie und wurde in Berlin Lehrerin. Sie schloss sich dem Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein an, schrieb eine „Einführung in die Bürgerkunde - ein Lehrbuch für Frauenschulen“, mit dem Schwerpunkt der Darstellung der kommunalen Selbstverwaltung, denn diese unterste politische Ebene hielt sie für Frauen, die ja erst seit kurzem das Wahlrecht besaßen, für besonders geeignet, da auf dieser politischen Ebene die Arbeit im sozialen Bereich oft im Vordergrund stand. 1920 übernahm Margaretha Treuge von Gertrud Bäumer die Leitung der Hamburger Doppellehranstalt Soziale Frauenschule und Sozialpädagogisches Institut. Die vom Senat 1926 verlangte Einrichtung von Nachschullehrgängen für männliche Angestellte der Wohlfahrtsbehörde fiel Margaretha Treuge sehr schwer. Für sie war die Sozialpädagogik ein typisch weibliches Berufsfeld. Im Herbst 1933 wurde Margaretha Treuge, die Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei war, von den Nationalsozialisten ihres Amtes enthoben. 1946 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Hamburger Frauenrings und initiierte 1949 mit anderen die Bildung der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen.
Gunda Werner: frauenliebende Frauen
Emily Ruete geb. Salme Prinzessin von Oman und Sansibar: Zuwanderin
2007 wurde das "Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle" begangen. Es erinnerte an die von der EU im Jahre 2000 verabschiedeten Gleichstellungsrichtlinien und das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Diese Gesetze verbieten Diskriminierung auf Grund der ethnischen Herkunft, der sexuellen Orientierung, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder des Alters. Wesentlich älter sind die Rechtsvorschriften für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Doch Gesetze allein reichen nicht aus, um Diskriminierungen zu verhindern. Die Menschen müssen sensibilisiert werden für das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, um diesen sozialen Gruppen die gleichen Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe zukommen zu lassen. Darum erinnert der Verein Garten der Frauen e.V. mit seinen historischen Grab- und den Erinnerungssteinen immer wieder an Frauen, die wegen ihrer Religion, Weltanschauung, Behinderung oder ihres Geschlechts diskriminiert wurden. Mit dem Erinnerungsstein für Gunda Werner und Emily Ruete will der Verein Garten der Frauen e.V. ein Zeichen für die Chancengleichheit homosexueller Frauen und Männer und von Zuwanderinnen und Zuwanderern setzen.
Der Stein ist als Säule gestaltet, auf der Symbole geformt wurden. Auf dem abgeschrägten oberen Teil der Säule befindet sich eine drehbare Steinkugel. Sie soll die Weltkugel darstellen und somit das Thema Migration/Zuwanderung verdeutlichen. Stellvertretend für alle Zuwanderinnen und Zuwanderer wird dabei an die Prinzessin von Oman und Sansibar erinnert.
Mit diesem Erinnerungsstein steht das erste und einzige Denkmal in Hamburg, das die Antidiskriminierung von Migrantinnen und Migranten zum Thema hat.
Auf der Steinkugel, die die Weltkugel symbolisiert, sind rundherum Schmetterlinge eingraviert. Der Schmetterling ist das Symbol der Lebenserneuerung, das Prinzip der ewigen Wandlung. Seine Flügel erinnern dabei an die Doppelaxt. Die auf der Weltkugel abgebildeten Schmetterlinge entsprechen den doppelaxtförmigen Schmetterlingsdarstellungen auf mykenischen Vasen. Die Doppelaxt ist seit der Neuen Frauenbewegung gleichzeitig auch ein Symbol für frauenliebende Frauen, in Erinnerung an den reinen Frauenstaat von Lesbos. Somit verdeutlicht das Symbol der Schmetterlinge das Thema "frauenliebende Frauen" und steht für die Antidiskriminierung von Homosexuellen. Mit diesem Erinnerungsstein steht das erste und einzige Denkmal in Hamburg, das die Antidiskriminierung von Homosexuellen zum Thema hat.

Photo aus: Annegret Nippa (Hrsg.): Emily Ruete geb. Prinzessin Salme von Oman und Sansibar. Leben im Sultanpalast. Memoiren aus dem 19. Jhd. Frankfurt a. M. 1989.
Emily Ruete geb. Salme Prinzessin von Oman und Sansibar
Schriftstellerin
30.8.1844 Sansibar - 29.2.1924 Jena
Als Frau multipler Identitäten war die Hamburgerin Emily Ruete, geborene Sayyida Salme bint Said ibn Sultan, Prinzessin von Oman und Sansibar, eine ambivalente Denkerin und eine mutige Frau. Ihre Mutter, Jilfidan, war eine kaukasische Frau, die durch Zwangsmigration zu einer der Ehefrauen des Sultans wurde.
Salmes Geburtshaus Bet il Mtoni ist der älteste Palast auf Sansibar und liegt direkt am Meer. Sie lebte dort bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr zusammen mit ihrer Mutter, ihren Halbgeschwistern und deren Müttern - circa 75 Frauen und Kinder - im Harem des Sultans.
In dem multikulturellen Reich im Indischen Ozean lebten Menschen fast aller Weltregionen (Afrika, Oman, Indien und Europa) zusammen. Europäer*innen, die wirtschaftliche Interessen durchzusetzen suchten, verglichen Sansibar mit Paris.
Im Jahr 1866 migrierte Salme heimlich an Bord eines englischen Kriegsschiffs nach Hamburg, dem Geburtsort ihres zukünftigen Ehemannes Rudolph Heinrich Ruete, wo sie in einer Villa an der Schönen Aussicht 29 lebte. Für diese Reise gab sie ihren Status als Prinzessin des Osmani-Sansibarischen Reiches auf. Während der dreimonatigen Schifffahrt verlor sie ihr erstes Kind, konvertierte von einer Muslima zu einer Christin und ließ sich in Emily umtaufen. Sie gewann dadurch an sozialer Mobilität, doch die Anerkennung als gleiche Bürgerin blieb ihr, sogar innerhalb der Familie ihres Mannes, verwehrt.
Das Paar hatte drei weitere Kinder: Antonie (1868), Rudolph (1869) und Rosalie (1870). Im Jahr 1870 verwitwete sie. Ihr wurde zuerst in Sansibar und später in Hamburg und London ihre Erbschaft aberkannt. Auch später durfte sie ihr Vermögen nicht selbst verwalten und wurde juristisch entmündigt. Sie zog 1872 weiter nach Dresden, Darmstadt, Köln, Rudolstadt und Berlin. Im Jahr 1888 emigrierte sie nach Jaffa und Jerusalem und lebte von 1892 bis 1914 in Beirut. Später kam sie zurück nach Deutschland und starb im Beisein ihrer deutschen Kinder in Jena.
Um eine neue Finanzierungsquelle für das Leben ihrer Kinder zu suchen, hatte Ruete zunächst Arabischunterricht erteilt. Im Jahr 1886 verfasste sie ihre Autobiografie Memoiren einer arabischen Prinzessin in zwei Bänden auf Deutsch. Zuvor hatte sie sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht in einer Zeit, in der Bildung für Frauen weltweit sozial geächtet und sogar untersagt war. Ihre Memoiren wurden zum Bestseller und mehrfach ins Englische übersetzt.
Mit diesem Werk gilt sie als Pionierin der arabischen und ostafrikanischen Literatur. Ihre Schriften werden mit einem Märchen von Eintausend und einer Nacht verglichen und beeinflussen auch heute eine Reihe von Romanen und Filmen deutscher Autor*innen.
Mit ihren Veröffentlichungen agierte Ruete als kulturelle Übersetzerin im deutschen Kolonialreich. Sie stellte der eurozentrischen Wahrnehmung des Osmani-Sansibarischen Reiches ihre eigene frauenzentrierte Erzählung gegenüber. Ihr war die Unvollständigkeit dieser ethisch-politischen Aufgabe bewusst. So schrieb sie:
"[E]s wird mir doch nicht gelingen, die schiefen und falschen Ansichten, welche in Europa und besonders in Deutschland über die Stellung einer arabischen Frau gegenüber ihrem Manne im Schwunge sind, gründlich auszurotten."
Die Kosmopolitin Ruete hatte in der deutsch-tansanischen Kolonialzeit eine zwiespältige Position inne, die sie wie folgt beschrieb: "Eine schlechte Christin und etwas mehr als eine halbe Deutsche!". Otto von Bismarck nutzte Ruetes Position aus, als er ihr 1885 die Reiseerlaubnis nach Sansibar erteilte, um wirtschaftliche Vorteile für deutsche Firmen und Gesellschaften vor Ort zu sichern. Nach fast zwanzig Jahren Abwesenheit besuchte Ruete mit ihren Kindern ihren Geburtsort. Einige Wochen später musste sie auf Befehl des Auswärtigen Amtes Sansibar verlassen.
Ihre Namensänderung und ihre religiöse und kulturelle Konversion reichten nicht aus, um das Gefühl der Heimatlosigkeit abzulegen. Sie berichtete von der Gastfreundschaft, die sie außerhalb Hamburgs erfuhr, nannte sich jedoch "nur ein[en] Fremdling in Deutschland". Trotz Sprachkenntnissen sowie der finanziellen, politischen und intellektuellen Beiträge, die sie leistete, erfuhr sie Diskriminierung in vielerlei Formen. Sie berichtete über Exotisierungserfahrungen und erlebte Erniedrigungen seitens von Behörden und Institutionen. Doch lehnte sie weder die deutsche Kultur ab, noch grenzte sie sich vom Kolonialismus und Rassismus ab.
Zur Zeit ihres Lebens wurde der anti-Schwarze Rassismus zum gemeinsamen Nenner einer globalen Kultur der Entmenschlichung: Während Europa die sogenannte Rassenlehre lehrte, wurden auf Sansibar Menschen regelmäßig auf den Markt verkauft. Als Prinzessin besaß sie Plantagenarbeitende und zahlreiche dienende Menschen, über welche sie sich in ihren Memoiren abscheulich äußert. Als Bürgerin der Hansestadt profitierte Ruete von der Versklavungsökonomie auf Sansibar, da ein Drittel der Exporte der sansibarischen Plantagen nach Hamburg gingen. Unterschiedliche Versklavungsverhältnisse wurden sowohl von ihrem Vater, dem Sultan Said, seinem Sohn, Madschid, Ruetes Bruder und späteren Sultan von Sansibar, als auch von den europäischen Kolonialmächten (Portugal, Deutschland, England) und ihren Kolonialunternehmen in allen Bereichen der Gesellschaft vorangetrieben.
Ruetes Schriften sind zugleich Zeugenschaft und Quelle des Rassismus, sowohl im globalen Süden als auch im globalen Norden. Sie beschreibt ihren privilegierten doch streng regulierten Status im patriarchalen Reich und erzählt von ihren Erfahrungen des Sexismus und der rassistisch motivierten Ausgrenzung. Gleichzeitig traf sie rassistische Aussagen und bediente sich erniedrigender Begriffe, um gegen die Befreiung versklavter Menschen zu argumentieren. Sie sagte aber auch, dass eine Beendigung der Versklavungsökonomie mehr als ein moralisches Urteil benötige: Nur eine allumfassende Veränderung der Gesellschaft könne die Arbeitsrechte und die Freiheit in der Gleichheit von Menschen sichern, um die illegale Fortsetzung von Versklavungsverhältnissen absolut zu verhindern.
Die Schriftstellerin Ruete war eine subalterne Frau, d. h. eine Frau aus einem kolonialisierten Gebiet, die Rassismus in Hamburg erfuhr. Gleichzeitig war sie eine aristokratische nicht-weiße Frau, die Rassismus gegen Schwarze Menschen reproduzierte. Eine kritische Erinnerungskultur an die feministische Bedeutung Salmes/Ruetes Biografie erkennen diese Widersprüche an.
Ihr Leichnam wurde nach Hamburg zurückgebracht und neben ihrem Mann auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.
Text: Dr. Tania Mancheno
Gunda Werner
Photo: privat
Streiterin für Frauenrechte und Frauenbildung
8.7.1951 Hamburg - 22.1.2000 Hamburg
Geboren in einer Nachkriegslaubenkolonie erlernte Gunda Werner den Beruf der Werbekauffrau und erstritt sich bei ihrem Lernherrn das Recht, im Büro Hosen zu tragen. Am Hansa-Kolleg holte sie auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach und studierte dann Philosophie und Theologie. In dieser Zeit entdeckte Gunda Werner die Frauen für sich. Gemeinsam mit ihrer Partnerin Helga Braun beteiligte sie sich maßgeblich am Aufbau des Frauenbildungszentrums DenkTräume, organisierte mehrere Frauenwochen mit, arbeitete als Referentin für Frauenprojekte im Senatsamt für die Gleichstellung, trat in der Kabarettgruppe "Frauen lachen gemeinsam
e.V." auf und baute die FrauenAnstiftung mit auf - eine politische, weltweit Frauenbildungsarbeit betreibende Stiftung. Bei deren Überführung in die Heinrich-Böll-Stiftung kämpfte Gunda Werner für den Erhalt des frauenpolitischen Stiftungsprofils. In den letzten Jahren vor ihrem Tod, der auch die elfjährige Liebesbeziehung mit ihrer Lebensgefährtin Annette Hecker beendete, wirkte sie als Referentin für Geschlechterdemokratie in dieser Stiftung und setzte u. a. durch, dass die Herstellung der Chancengleichheit für Frauen und Männer zu den vertraglich festgelegten Aufgaben aller Mitarbeitenden gehört. Als intellektuelle und leidenschaftliche Querdenkerin erfuhr Gunda Werner immer wieder schmerzlich, als "zu anders" wahrgenommen und sogar angefeindet zu werden - auch von Frauen. Deshalb stritt sie für Demokratie, Minderheitenschutz und Respekt im Umgang miteinander.

Künstlerinnenphoto mit Widmung an Wilhelm Kienzl. Universitätsbibliothek der Kunstuniversität Graz, Archiv und Sammlung Verlag und Konzertdirektion Hippolyt und Böhm

Martha Winternitz-Dorda
Sängerin, Gesangslehrerin
28.3.1880 Wien - 9.12.1958 Hamburg
Martha Winternitz-Dorda begann ihre Sängerinnenlaufbahn 1899 -1901 in kleinen Rollen am Deutschen Volkstheater in Wien. Anschließend war sie an verschiedenen Bühnen engagiert, so von 1901-1902 in Troppau (Opava), 1902 -1903 in Linz/Donau, 1901-1906 am Theater von Graz und von 1908-1910 am Raimund Theater in Wien. Von 1910 -1933 gehörte sie als erste dramatische Sopranistin dem Hamburger Stadttheater (Hamburgische Staatsoper) an. Ihre besondere Vorliebe galt der modernen Musik, besonders der von Arnold Schönberg. Martha Winternitz-Dorda war die erste Interpretin der George-Lieder von Schönberg - gemeint ist damit die Uraufführung der Fünfzehn Gedichte op 15 für hohe Stimmen und Klavier aus: "Das Buch der hängenden Gärten" von Stefan George am 14.1.1910 in Wien. Auch sang sie die Partie der Tove in der Uraufführung von Schönbergs "Gurreliedern" (Wien, 23.2.1913). Schönberg selbst äußerte sich über Martha Winternitz-Dorda 1949: "Sie war sehr gut, extrem musikalisch."
Martha Winternitz-Dorda gastierte an vielen Opernhäusern, so an den Hoftheatern von Karlsruhe und Mannheim und am Opernhaus in Leipzig (1912). Auch war sie an der Oper von Chicago engagiert (1913-1914). 1933 verabschiedete sie sich in Hamburg von der Bühne mit ihrem Auftritt als Marschallin im "Rosenkavalier".
Danach lebte sie bis zu ihrem Tod als Gesangspädagogin in Hamburg.
In erster Ehe war sie mit Arnold Winternitz (1874-1927) verheiratet, Komponist und Kapellmeister an der Hamburger Oper. Auch er hatte sich der modernen Musik verschrieben. 1918 sang Martha Winternitz-Dorda in Hamburg in der Uraufführung seiner Oper "Meister Grobian". Nach dem Tod ihres Mannes heiratete sie in zweiter Ehe den Pianisten Richard Goldschmied.
Zitronenjette und Vogeljette
Hamburger "Originale"
Menschen, die nicht der Norm entsprechen, scheinen häufig gleichsam Faszination wie auch Gefühle der Abwehr hervorzurufen. Mit der Etikettierung dieser Menschen als "Originale" weist die Bevölkerung ihnen einen Platz zu. Dennoch bleiben diese "anderen" Menschen durch den ihnen zugewiesenen Platz als "Original" außerhalb der Gesellschaft.
Originale werden zwar berühmt, viele von ihnen aber gleichzeitig auch verlacht. Dieses Los hatte auch die Zitronenjette zu tragen. Die Bevölkerung machte sich über ihre Kleinwüchsigkeit, ihren so genannten Schwachsinn und ihre Alkoholkrankheit lustig.
Auch Vogeljette wurde zum Hamburger Original. Auch sie galt als "anders" und nicht einzuordnen, wurde deshalb auffällig und als verrückt erklärt.
Vogeljette
(Lydia Adelheid Hellenbrecht)
13.12.1844 Hamburg - 30.1.1920 Hamburg
Gewandet in einem langen schwarzen Kleid, das Gesicht durch einen hauteng getragenen weißen Schleier fast verdeckt, auf dem Kopf ein Häubchen, traf man Vogeljette auf St. Georgs Plätzen an, wo sie die Vögel mit Brotwürfeln fütterte, die sie zuvor in einen mitgebrachten, mit Wasser gefüllten kleinen Eimer, gestippt hatte. Viele empfanden Vogeljettes Verhalten als ver-rückt und meinten, Vogeljette glaube, ihr verstorbener Mann sei als Spatz wiedergeboren worden. Im Alter von 30 Jahren hatte Vogeljette den 20 Jahre älteren Schreiber Johann Hellenbrecht geheiratet. Neun Jahre später starb er an der Cholera. Seitdem ging Vogeljette in Trauerkleidung und fütterte die Vögel aus Tierliebe. Damit glaubte sie, dem Andenken ihres verstorbenen Mannes gerecht zu werden, da auch er sehr tierlieb gewesen war. Sie kannte die Nachrede der Leute, ließ sich aber nicht beirren.
Zitronenjette
(Johanne Henriette Marie Müller)

Bild aus: Paul Möhring: Drei Hamburger Originale. Hamburg o. J
18.7.1841 Dessau - 8.7.1916 Hamburg
Mit einem Korb voller Zitronen zog Zitronenjette durch Hamburgs Straßen und Kneipen. Sie war arm und lebte vom Verdienst ihrer verkauften Zitronen.Viele ihrer Kundinnen und Kunden hauten beim Bezahlen der Ware Zitronenjette übers Ohr. Und auch nur wenige dachten daran, was man ihr seelisch antat, wenn sie zum Gespött der Straßenjugend wurde, die grölend hinter ihr herlief. Verkaufte Zitronenjette abends in den Kneipen ihre Zitronen, machten sich die Kneipenbesucher einen Spaß daraus, ihr ein großes Glas Schnaps zu spendieren. Die Folge war: Zitronenjette wurde alkoholkrank. 1894 wurde sie von der Polizei in die "Irrenanstalt Friedrichsberg" eingeliefert, wo sie bis zu ihrem Tode lebte.
Ihr Leiden gab Stoff für eine Lokalposse, die 1900, noch zu Zitronenjettes Lebzeiten, aufgeführt wurde. Erst in Paul Möhrings 1940 vefasstem feinfühligen Theaterstück wurde ihr angemessen gedacht.