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Rede anlässlich der Einweihung von Hamburgs ersten Erinnerungsstein für die in Hamburg als Hexen beschuldigten und verbrannten Frauen
Wir wollen heute Hamburgs ersten Erinnerungsstein für diejenigen Frauen einweihen, die in Hamburg Opfer der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung wurden. In den letzten Jahren ist in vielen deutschen Städten eine Rehabilitation der als Hexen hingerichteten Frauen und Männer durch die Stadtverordnetenversammlung und durch Kirchen erfolgt.

In Hamburg ist solch eine Rehabilitation bisher noch nicht geschehen. Deshalb freuen wir uns, dass Sie Frau Bürgermeisterin als Vertreterin der Stadt gekommen sind, um diesen Stein einzuweihen.
Seit Bestehen dieser ehrenamtlich tätigen Privatinitiative Garten der Frauen ist es diesem Verein ein Anliegen für die Öffentlichkeit und damit auch für die Stadt Hamburg Erinnerungsarbeit im Sinne der Menschen- und Gleichstellungsrechte zu leisten. So stehen denn auch hier im Garten der Frauen historische Grabsteine von bedeutenden Frauen Hamburgs, die so vor dem Zerschreddern gerettet wurden. Und es stehen hier in der Erinnerungsspirale neben Erinnerungssteinen, die an Frauen erinnern, deren Grabsteine bereits entsorgt wurden, auch Gedächtnissteine für Frauen, die symbolisch stehen für die Opfer der NS-Euthansie, für die Opfer häuslicher patriarchaler Gewalt sowie gegen Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten und gleichgeschlechtlich liebender Menschen. Und symbolisch steht auch der heute einzuweihende Erinnerungsstein, mit dem wir an das Unrecht erinnern wollen, das den als Hexen beschuldigten Frauen in Hamburg angetan wurde.

Solche Symbolsetzungen im öffentlichen Raum müssen nicht immer unbedingt eine öffentlich staatliche Aufgabe sein. Bürgerinnen- und Bürgerengagement, also Engagement aus der Mitte der Gesellschaft heraus - erscheint oftmals weniger verordnet und entspringt einem Herzensbedürfnis vieler.

Während des 16. und 17. Jhds. wurden in Mitteleuropa zwischen 50. bis 60.000 Menschen, in Deutschland zwischen 20.000 bis 30.000 Personen wegen Hexerei oder Zauberei verurteilt und hingerichtet. Die Mehrzahl der Opfer waren Frauen. Diese wurden als Hexen bezeichnet und verfolgt, weil sie anders waren als die Norm es verlangte.
Nach zwei solcher Frauen erinnert seit 1995 in Kirchwerder die Mette-Harden-Straße und seit diesem Monat in Ochsenwerder der Albeke-Bleken-Ring. Der Name Albeke Bleken steht symbolisch für all die anderen als Hexen beschuldigten Frauen auf diesem Erinnerungsstein. Zu den Schicksalen dieser Frauen wird Ihnen Dr. Roswitha Rogge später noch etwas erzählen.

Frauen wurden als Hexen beschuldigt, weil sie als Sündenziegen für Alltagsängste und gesellschaftliche Missverhältnisse in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft herhalten mussten. In solch einer Gesellschaft ist es nicht verwunderlich, dass allen Frauen von Natur aus der Hang zum Bösen nachgesagt wurde, so wie es die beiden deutschen Dominikanermönche in ihrem 1486 verfassten Hexenhammer verbreiteten. Schließlich seien die Frauen Töchter Evas, die sich im Paradies von der Schlange verführen ließ; und daher seien die Frauen auch für den Einfluss des Teufels und damit der Hexerei besonders empfänglich.

Vor diesem Hintergrund galt die Frau an sich als die Wurzel vieler Übel. Damit hatten die Männer in ihrer Angst, die Macht über die Frauen zu verlieren, eine wunderbare Argumentation in der Hand, um Frauen der Hexerei zu beschuldigen. So wurden zum Beispiel Frauen, sobald die wachsende Rivalität zwischen männlichen und weiblichen Tätigkeiten als bedrohlich erlebt wurde, schnell als zerstörerische Wesen gebrandmarkt. Davon betroffen waren tüchtige Geschäftsfrauen, die Männern Konkurrenz machten, oder heilkundige, mit speziellem Wissen ausgestattete Frauen.
Zahlreiche der Hexerei beschuldigte Frauen in Europa waren unverheiratet, waren Witwen, lebten allein, isoliert von der patriarchalen Gesellschaft und waren deshalb auch extrem gefährdet, wenn sie aus der Norm fielen. Aber auch Frauen nach der Menopause, Heilerinnen, sehr arme, sehr reiche oder sehr schöne Frauen, Rothaarige, Frauen, die zu viel wussten und auch zugezogene Frauen, deren fremde Sitten und Gebräuche oft als befremdlich empfunden wurden, - kurzum eigentlich jedes weibliche Wesen, das die vorgeschriebenen Verhaltensnormen im Allgemeinen und die Regeln sexueller Kontrollierbarkeit im Besonderen überschritt, war gefährdet, als Hexe beschuldigt zu werden.

Die Strategie, die Frauen der gesellschaftsbedrohenden Hexerei zu beschuldigen, wurde im frühen Europa oft schematisch auf von der Norm "abweichende" Frauen angewandt - ein Mechanismus, der in anderen Gesellschaften bis heute lebendig ist. Ein bengalisches Sprichwort heißt z. B.: "Kümmert sich eine Frau mehr um ein Kind als dessen eigene Mutter, dann ist sie gewiss eine Hexe:" Weltweit werden Frauen in Sprichwörtern nur allzu bereitwillig der Hexerei und der Teufelei bezichtigt.

Hexenprozesse sind aber nicht nur ein Phänomen früherer Jahrhunderte. Auch im 20. Jahrhundert, besonders in den 1950er und 1960er Jahren wurden z. B. in Schleswig-Holstein vor den Toren Hamburgs viele Frauen als Hexen beschuldigt.

Im Zeitraum zwischen 1948 und 1965 häuften sich in allen Teilen Deutschlands die Hexen-Fälle, die als krimineller Aberglaube vor den Gerichten landeten. Allein in Lüneburg gab es z. B. im Jahre 1950 insgesamt 15 Hexenprozesse. Dabei wurden nicht - wie einige Jahrhunderte zuvor - Frauen als Hexen beschuldigt und angeklagt. Nun ging es vor Gericht um die Tatbestände Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede und Betrug. Es standen Menschen vor Gericht, die behaupteten, bestimmte Frauen seien Hexen, die z. B. ihr Vieh behext hätten, oder es wurden Menschen angeklagt, die sich als Hexenbanner ausgaben und mit ihrem Wirken und dem Schüren von Ängsten vor angeblichen Hexen, viel Geld machten.
Die Ursachen, warum vor und nach den Weltkriegen der Hexenwahn einen gewaltigen Aufschub erhielt, muss mit den seelischen und materiellen Erschütterungen und dem Zusammenbrechen festgefügter Lebensformen in Verbindung gebracht werden. Da waren einmal die Not nach den Weltkriegen und die ersten Nachkriegsjahre. Auf dem Lande gab es bedingt durch die Flüchtlinge eine plötzliche Überbevölkerung. Hier verbreitete sich die Angst vor den fremden Leuten mit ihren fremden Sitten und Gebräuchen und ihrem fremden Dialekt. Deshalb wurden Flüchtlingsfrauen häufig als Hexen beschuldigt. Hinzu kam die landwirtschaftliche Umstrukturierung. Die zunehmende Rationalisierung, Mechanisierung und Anpassung an die industrielle Welt der Landwirtschaft überforderte so manchen und weckte das Bedürfnis, an Wunder zu glauben oder auch angstmachende Techniken mit Hexenwerk zu erklären. Schwer zu verarbeitender Druck auf Gemeinschaft oder Individuum verstärkt nun einmal irrationale Haltungen und Handlungsweisen. Dass dabei in erster Linie Frauen die Opfer sind, liegt an dem patriarchal geprägten Gesellschaftsbild. Damit hier ein Wandel im Denken und Handeln eintritt, dazu soll auch dieser Erinnerungsstein beitragen.