Elisabeth Campe
geb. Hoffmann
Biographin, Verlegertochter und -ehefrau

12.6.1786
Hamburg
-
27.2.1873
Hamburg
Hamburg
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27.2.1873
Hamburg
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Hamburgischer Gedächtnisfriedhof:
Ohlsdorfer Friedhof, Althamburgischer Gedächtnisfriedhof, Grabplatte "Verleger und Drucker"
"Wenn ich des Gegenstandes wegen auch nicht für nöthig halte, daß ich genannt werde, und keinen Werth darauf lege, so bin ich mit 72 Jahren doch alt genug, um kein zimperliches Incognito bewahren zu wollen." 1) Die hier einwilligt, öffentlich als Verfasserin einer Schrift genannt zu werden, ist Elisabeth Campe geb. Hoffmann. Hoffmann und Campe, diese beiden Namen trägt der renommierte Hamburger Verlag bis zum heutigen Tag, und der Anlass für die Fusion war Elisabeth - Tochter von Benjamin Gottlob Hoffmann und Ehefrau von Franz August Gottlob Campe, beide Verleger und Buchhändler.
Elisabeth Campes eigenständige Bedeutung für die Verlagsgeschichte aber liegt auf einem anderen Gebiet, auf dem der Autorschaft. Mit ihren Briefen aus der Zeit der zweiten Besetzung Hamburgs durch die Franzosen wollte nach deren Abzug der Verlag ihres Mannes, der damals noch nicht mit dem ihres Vaters zusammengelegt war, seine Arbeit wieder aufnehmen. Die Briefe waren eigentlich für Johann Nicolas Böhl von Faber bestimmt gewesen, der sich wieder findet in der Figur des Johannes in Joachim Heinrich Campes berühmtem Roman "Robinson der Jüngere". Der erfolgreiche Kaufmann, Liebhaber und Kenner spanischer Poesie und mittelhochdeutscher Literatur, Herausgeber einer Liedersammlung aus des "Knaben Wunderhorn" hatte Hamburg kurz nach dem Einzug der russischen Befreier verlassen müssen, um beim Rückmarsch der Franzosen aus Pommern auf seinem Gut Görslow in Mecklenburg anwesend zu sein. Elisabeth Campe hatte dem Freund beim Abschied versprochen, ihn über die Veränderungen nach der Befreiung von den Franzosen auf dem Laufenden zu halten. Doch noch ehe sie den ersten Brief abgeschickt hatte, waren die Franzosen wieder in der Stadt. Sie berichtete von allen großen und kleinen Vorfällen, wusste die Briefe aber nicht zuzusenden, weil der Freund sein Gut verlassen hatte und nach Spanien zurückgegangen war. Eben diese Briefe wurden auf inständiges Bitten und Drängen von Vater und Ehemann im Juli 1814 unter dem Titel "Darstellung von Hamburgs außerordentlichen Begebenheiten in den Jahren 1813 und 1814" anonym veröffentlicht. Elisabeth Campe hatte erst nach langem Zögern und nur unter der Einschränkung zugestimmt, dass ihr Name nicht genannt werde. Inwieweit bei dieser Bedingung auch anerzogene Zurückhaltung mitspielte, da es für Frauen als unschicklich galt, an die Öffentlichkeit zu treten, und Schriften von Frauen allein aufgrund der Tatsache, dass sie von Frauen geschrieben waren, zumeist herablassend und unsachlich rezensiert wurden, mag dahingestellt sein. Fest steht, dass die geistreiche und lebendige Elisabeth Campe von großer persönlicher Bescheidenheit war.
Geboren wurde sie am 12.Juni 1786. Ihre Mutter war eine geborene Ruperti. Die Eltern ließen ihrer ältesten Tochter, die ihnen als einziges von drei Kindern erhalten blieb, eine gründliche Erziehung angedeihen. Elisabeth Campe besuchte die französische Schule bei Madame Mollinier, bewegte sich bald mit großer Selbstverständlichkeit in den ersten Hamburger Kreisen, die in ihrem Elternhaus verkehrten, und begleitete die Eltern auf ihren Reisen. Besonders liebte sie die Fahrten zur Leipziger Messe, wo sie Gelegenheit hatte, Menschen kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen. Am 6. Dezember 1806 heiratete sie den Verleger und Buchhändler Franz August Gottlob Campe, der im Jahre 1800 aus Braunschweig nach Hamburg gekommen war und hier eine Buchhandelung eröffnet hatte. Der Anfang war ihm dadurch erleichtert worden, dass er von den Hamburger Freunden seines Onkels Joachim Heinrich Campe, in dessen Schulbuchhandlung er in Braunschweig gelernt hatte, - Klopstock, Reimarus, Sieveking und Hoffmann -, freundlich aufgenommen wurde. Von der Heirat schreibt Elisabeth Campe in ihrem Nekrolog auf ihren Mann: "Seine Ansprüche waren immer nur auf ein bescheidenes Lebensglück gerichtet und hierin fand er die vollste Übereinstimmung der Gesinnungen, als er im J. 1806 die einzige Tochter seines älteren Collegen B. G. Hoffmann zur Lebensgefährtin wählte." 2) Was sie unter einem "bescheidenen Lebensglück" verstand, zeigt eine Art Vermächtnis, das sie im März 1840 für Elise Friederike Reclam schrieb. Das Ehepaar Campe, das selbst kinderlos blieb, hatte die siebenjährige Nichte Elisabeth im Herbst 1818 als Pflegekind bei sich aufgenommen: "Erhalte Dein Herz weich", heißt es da, "freundlich und liebevoll gegen alle Menschen, dann stehst Du nie allein; der Beruf Andere zu beglücken ist an keinen Stand, an kein Verhältnis gebunden, Gottes Reich ist überall, und die Liebe macht alles gleich! Sieh nicht auf das Aeußere. Du findest Menschen in den beschränktesten Lebensverhältnissen, deren innerer Reichtum bei weitem den Glanz dieser Welt überragt. Ist aber Dein geistiges Leben dem Himmel, wie der Erde zugewandt, so wird es Dir immer leichter werden in Anderen das Gleiche zu erkennen; da nur schließe Dich an, ohne jedoch zu vergessen, dass es auch Pflicht und Beruf ist, Gottes Reich zu fördern, und die Segnungen, die es uns gebracht, in froher Verkündigung denen mitzutheilen, welchen Morgenröthe noch nicht erschienen ist! … Du kennst die Nachtheile des Alleinlebens; davor sei ernstlich gewarnt. Unabhängigkeit und Freiheit sind Hirngespinste; Niemand ist unabhängig und frei zu nennen, als wer alles Ernstes Herr seiner Fehler und Leidenschaft geworden; nach dieser Freiheit des Geistes dürfen wir allein ringen. Kannst Du Dich hier, in Deiner zweiten Vaterstadt, guten Menschen anschließen, Dir mit den Mitteln, die Gott Dir gegeben, eine zweckmäßige Thätigkeit schaffen, ohne der Eitelkeit nach Außen Raum zu geben, so bleibe in Gottes Namen hier und erhalte das Andenken beider würdigen Männer, Deines und meines Vaters, deren Thätigkeit Du diese Mittel dankst, bei den Zeitgenossen im Segen! - Gutes wirken kannst Du allenthalben; fühlst Du Dich in Braunschweig oder Leipzig glücklicher, heimischer, zufriedener, so folgt Dir unser Segen allenthalben, wohin Du dich wendest! - " 1) .
Ein Leben in und für die Gemeinschaft Gleichgesinnter also, wie sie selbst es führte als Mittelpunkt eines großen literarisch interessierten Freundeskreises. Zu ihm gehörten neben Böhl von Faber, dem Adressaten ihrer Briefe aus der Franzosenzeit, der Biograph des Schauspieldirektors Friedrich Ludwig Schröder, Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer aus Bramstedt, und der Dichter Johann Diederich Gries, der vor allem als Übersetzer von Tasso und Calderon bekannt geworden ist. Ihnen allen sollte Elisabeth Campe ein schriftliches Denkmal setzen, und der Beweggrund war immer derselbe: die Freunde in ihrer wahren Persönlichkeit darzustellen und sie vor dem Vergessenwerden zu bewahren.
Nach dem Tod von Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer verfasste Elisabeth Campe für seine Erben, die von ihrem Gönner kaum etwas wussten, einen "Abriß seines Lebens". Später ergänzte sie ihn durch eine Auswahl von Briefen - von Bürger, Forster, Göckingh, Gotter, Herder, Heyne, Schröder u.a. - und versah sie mit einleitenden Bemerkungen. So entstand ein zweibändiges Werk. Professor Wurm charakterisierte die Lebensskizze im Vorwort als "… einer leichten Federzeichnung zu vergleichen, die in unscheinbaren Umrissen die ganze Persönlichkeit zusammensetzt, und keinen andern Anspruch macht, als dem Leser das Interesse abzugewinnen, von dem Manne, den sie bezeichnet, mehr zu erfahren." 3)
Das "Leben von Johann Diedrich Gries" wurde nur als Handschrift gedruckt. Es entstand vor dem Hintergrund, dass der Dichter Gries durch seine lange Abwesenheit aus Hamburg der jüngeren Generation kaum bekannt war, und, als er schließlich als schwerkranker Mann 1837 nach Hamburg zurückkehrte, sich auch nicht mehr ins rechte Licht setzen konnte. Das tat Elisabeth Campe so weh, dass sie seine Lebensgeschichte aufschrieb und eine Reihe von Briefen berühmter Männer an Gries hinzufügte.
Auch das dritte Portrait wurde nur als Handschrift gedruckt. Als im Jahr 1850 der Verein für Hamburgische Geschichte beschloss, ein Lexikon Hamburgischer Schriftsteller herauszugeben, machte Elisabeth Campe auf Böhl von Faber aufmerksam, der 1813 zuletzt in Hamburg gewesen und fast vergessen war. Ihr Artikel für das Lexikon wurde aber so lang, dass er zwar benutzt wurde, in vollem Umfang aber in den "kritischen und litterarischen Blättern" der Börsenhalle erschien. Varnhagen von Enses Interesse an Böhl von Faber ermunterte sie, die Skizze weiter auszuführen, und so entstand1858 ihre letzte Abhandlung, bei der sie nicht mehr auf Wahrung des Incognito bestand.
Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, die eng mit der Realität verknüpft war, Begebenheiten und Menschen ihrer Umgebung zum Gegenstand hatte, griff Elisabeth Campe auch unmittelbar ins Tagesgeschehen ein. Als 1813 die Bürgergarde gegründet worden war, weil man eine Rückkehr der eben abgezogenen Franzosen fürchtete, und ihr Mann sich sofort als Freiwilliger meldete, tat Elisabeth Campe sich mit Freundinnen zusammen, und gemeinsam stickten sie eine Fahne, die nach Übergabe an die Bürgergarde unter Anwesenheit der Frauen in der Michaeliskirche geweiht wurde. Zudem gründeten die Frauen einen Verein, der sich zur Aufgabe machte, die kämpfenden Männer zu unterstützen. Als dazu keine Notwendigkeit mehr bestand, löste sich der Verein nicht auf, sondern die Frauen errichteten eine Schule für die Ausbildung armer Mädchen zu Dienstboten, in der Elisabeth Campe als Pflegerin tätig war und unterrichtete.
Auch im Alter blieb Elisabeth Campe voller Schaffenskraft. Als sie 74jährig vollständig erblindete - die Sehkraft des einen Auges hatte sie schon früher verloren -, suchte sie sich durch Stickereien für Hilfsbedürftige und die innere Mission zu beschäftigen. "Welch' ein Segen für mein Geschlecht ist doch die Handarbeit", 1) pflegte sie zu sagen. Sie, die sich so gerne schriftlich mitteilte, ersann auch bald eine eigene Vorrichtung, um ihre Gedanken aufschreiben zu können. Aber auch an persönlichem Kontakt fehlte es ihr nicht, obwohl sie keine nahen Angehörigen mehr hatte; ihr Mann, August Campe, war bereits 1836 verstorben, die Nichte Elise Reclam 1861.
Pastor C. Mönckeberg rühmt die alte Elisabeth Campe: "Es war auch ein Genuß, mit der edlen Frau sich zu unterhalten. Die Anmuth ihrer Erscheinung, die gewinnende Freundlichkeit, mit der sie Jedem entgegentrat, ihre feine, gebildete, ohne Ziererei doch immer das rechte Wort findende Sprache, die von Wahrheit durchdrungene Ausdrucksweise, ihre leichte und doch so gehaltvolle Art der Unterhaltung, die Fähigkeit zu erzählen, die sie auf liebliche Art besaß, mit lebendiger Erinnerung vergangener Stunden und frischer Darstellung des vor langer Zeit Erlebten, dabei die Leichtigkeit und Klarheit in Auffassung neuer Erscheinungen, das bestimmte, gesunde und doch so milde Urtheil, - Alles vereinte sich, die Stunden bei ihr schnell vergehen zu lassen, wenn sie sich nur erträglich wohl fand. Rührend war es aber auch, wenn sie ihres Schmerzes nicht Herr werden konnte und die aufsteigenden unzufriedenen Gedanken nicht ganz zu unterdrücken vermochte; da kämpfte sie mit Anstrengung, ohne eine Spur von Bitterkeit kund zu geben. Ihr festes Gottvertrauen läuterte ihre Seele immer mehr und mehr; und immer mehr zog sie sich in ihren Gott zurück." 1)
Es entspricht ganz ihrem Wesen, wenn Elisabeth Campe bestimmte, dass sie so einfach wie möglich begraben werde und das dadurch ersparte Geld dem Turmbau der Nicolaikirche zukomme. Ihren Freunden und Bekannten hinterließ sie folgende Lebensbilanz: "Unser Leben währet 70 Jahre und, wenn es hoch kommt, so sind es 80, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es doch Mühe und Arbeit! Die Wahrheit dieses Wortes habe ich an mir selber erfahren. Denn wohl kann ich mein langes Leben als köstlich bezeichnen, und zwar durch die Gnade des Herrn, der mich in Verbindung mit so vielen vorzüglichen und edlen Menschen gebracht, deren Einfluß auf mich ich mir noch jetzt bewußt bin. Doch gab es auch viel Mühe und Arbeit, sowohl in den Irrgärten des Lebens, als auch im Kampfe mit bösen Neigungen, Selbstliebe und Eitelkeit, die dem reinsten Streben nur zu oft störend und hinderlich entgegentraten. Viele meiner liebsten Freunde und Zeitgenossen sind bereits heimgegangen, und da mir Gott auch alle meine nächsten Angehörigen nahm, darf ich wohl fragen: Hüter, ist die Nacht bald hin? Aber nah und fern sind mir noch so viele liebe Freunde, Verwandte und Bekannte geblieben, die sich mir in meinen letzten dunkeln Lebenstagen so freundlich, hülf- und trostreich erwiesen haben, daß ich allen, allen - wenn ich an meine Scheidestunde denke, - ein dankbares Lebewohl zurufen muß! Möge Gott sie dafür segnen, im Alter in ihren Kindern, und das jüngere Geschlecht behüten und bewahren! - Und nun noch eine letzte Bitte, - ist sie vielleicht auch kleinlich und bezeichnend im Festhalten am Irdischen, -:so erfüllt sie! Verschmähet nicht ein Andenken von mir; wählet aus meinem bescheidenen Nachlaß irgend eine Kleinigkeit, die dann zuweilen mein Gedächtnis in euch zurückrufen könnte! Mag dann der Gedanke laut werden: Sie war nicht frei von Fehlern, doch falsch und treulos war sie nicht! - Nun mein letztes Lebewohl bis zum Wiedersehen dort Oben, wo der Erlöser alle, die ihn lieben, um sich vereiniget!" 1)
Text: Brita Reimers
Quellen:
1) C. Mönckeberg: Frau Elisabeth Campe, geb. Hoffmann. Hamburg 1874.
2) Elise Campe: Franz August Gottlob Campe, in: Neuer Nekrolog der Deutschen. Teil 2. Jg. 14. 1836. Weimar 1838.
3) Zur Erinnerung an F. L. W. Meyer, den Biographen Schröder's, 2 Theile. Braunschweig 1847.
Ohlsdorfer Friedhof, Althamburgischer Gedächtnisfriedhof, Grabplatte "Verleger und Drucker"
"Wenn ich des Gegenstandes wegen auch nicht für nöthig halte, daß ich genannt werde, und keinen Werth darauf lege, so bin ich mit 72 Jahren doch alt genug, um kein zimperliches Incognito bewahren zu wollen." 1) Die hier einwilligt, öffentlich als Verfasserin einer Schrift genannt zu werden, ist Elisabeth Campe geb. Hoffmann. Hoffmann und Campe, diese beiden Namen trägt der renommierte Hamburger Verlag bis zum heutigen Tag, und der Anlass für die Fusion war Elisabeth - Tochter von Benjamin Gottlob Hoffmann und Ehefrau von Franz August Gottlob Campe, beide Verleger und Buchhändler.
Elisabeth Campes eigenständige Bedeutung für die Verlagsgeschichte aber liegt auf einem anderen Gebiet, auf dem der Autorschaft. Mit ihren Briefen aus der Zeit der zweiten Besetzung Hamburgs durch die Franzosen wollte nach deren Abzug der Verlag ihres Mannes, der damals noch nicht mit dem ihres Vaters zusammengelegt war, seine Arbeit wieder aufnehmen. Die Briefe waren eigentlich für Johann Nicolas Böhl von Faber bestimmt gewesen, der sich wieder findet in der Figur des Johannes in Joachim Heinrich Campes berühmtem Roman "Robinson der Jüngere". Der erfolgreiche Kaufmann, Liebhaber und Kenner spanischer Poesie und mittelhochdeutscher Literatur, Herausgeber einer Liedersammlung aus des "Knaben Wunderhorn" hatte Hamburg kurz nach dem Einzug der russischen Befreier verlassen müssen, um beim Rückmarsch der Franzosen aus Pommern auf seinem Gut Görslow in Mecklenburg anwesend zu sein. Elisabeth Campe hatte dem Freund beim Abschied versprochen, ihn über die Veränderungen nach der Befreiung von den Franzosen auf dem Laufenden zu halten. Doch noch ehe sie den ersten Brief abgeschickt hatte, waren die Franzosen wieder in der Stadt. Sie berichtete von allen großen und kleinen Vorfällen, wusste die Briefe aber nicht zuzusenden, weil der Freund sein Gut verlassen hatte und nach Spanien zurückgegangen war. Eben diese Briefe wurden auf inständiges Bitten und Drängen von Vater und Ehemann im Juli 1814 unter dem Titel "Darstellung von Hamburgs außerordentlichen Begebenheiten in den Jahren 1813 und 1814" anonym veröffentlicht. Elisabeth Campe hatte erst nach langem Zögern und nur unter der Einschränkung zugestimmt, dass ihr Name nicht genannt werde. Inwieweit bei dieser Bedingung auch anerzogene Zurückhaltung mitspielte, da es für Frauen als unschicklich galt, an die Öffentlichkeit zu treten, und Schriften von Frauen allein aufgrund der Tatsache, dass sie von Frauen geschrieben waren, zumeist herablassend und unsachlich rezensiert wurden, mag dahingestellt sein. Fest steht, dass die geistreiche und lebendige Elisabeth Campe von großer persönlicher Bescheidenheit war.
Geboren wurde sie am 12.Juni 1786. Ihre Mutter war eine geborene Ruperti. Die Eltern ließen ihrer ältesten Tochter, die ihnen als einziges von drei Kindern erhalten blieb, eine gründliche Erziehung angedeihen. Elisabeth Campe besuchte die französische Schule bei Madame Mollinier, bewegte sich bald mit großer Selbstverständlichkeit in den ersten Hamburger Kreisen, die in ihrem Elternhaus verkehrten, und begleitete die Eltern auf ihren Reisen. Besonders liebte sie die Fahrten zur Leipziger Messe, wo sie Gelegenheit hatte, Menschen kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen. Am 6. Dezember 1806 heiratete sie den Verleger und Buchhändler Franz August Gottlob Campe, der im Jahre 1800 aus Braunschweig nach Hamburg gekommen war und hier eine Buchhandelung eröffnet hatte. Der Anfang war ihm dadurch erleichtert worden, dass er von den Hamburger Freunden seines Onkels Joachim Heinrich Campe, in dessen Schulbuchhandlung er in Braunschweig gelernt hatte, - Klopstock, Reimarus, Sieveking und Hoffmann -, freundlich aufgenommen wurde. Von der Heirat schreibt Elisabeth Campe in ihrem Nekrolog auf ihren Mann: "Seine Ansprüche waren immer nur auf ein bescheidenes Lebensglück gerichtet und hierin fand er die vollste Übereinstimmung der Gesinnungen, als er im J. 1806 die einzige Tochter seines älteren Collegen B. G. Hoffmann zur Lebensgefährtin wählte." 2) Was sie unter einem "bescheidenen Lebensglück" verstand, zeigt eine Art Vermächtnis, das sie im März 1840 für Elise Friederike Reclam schrieb. Das Ehepaar Campe, das selbst kinderlos blieb, hatte die siebenjährige Nichte Elisabeth im Herbst 1818 als Pflegekind bei sich aufgenommen: "Erhalte Dein Herz weich", heißt es da, "freundlich und liebevoll gegen alle Menschen, dann stehst Du nie allein; der Beruf Andere zu beglücken ist an keinen Stand, an kein Verhältnis gebunden, Gottes Reich ist überall, und die Liebe macht alles gleich! Sieh nicht auf das Aeußere. Du findest Menschen in den beschränktesten Lebensverhältnissen, deren innerer Reichtum bei weitem den Glanz dieser Welt überragt. Ist aber Dein geistiges Leben dem Himmel, wie der Erde zugewandt, so wird es Dir immer leichter werden in Anderen das Gleiche zu erkennen; da nur schließe Dich an, ohne jedoch zu vergessen, dass es auch Pflicht und Beruf ist, Gottes Reich zu fördern, und die Segnungen, die es uns gebracht, in froher Verkündigung denen mitzutheilen, welchen Morgenröthe noch nicht erschienen ist! … Du kennst die Nachtheile des Alleinlebens; davor sei ernstlich gewarnt. Unabhängigkeit und Freiheit sind Hirngespinste; Niemand ist unabhängig und frei zu nennen, als wer alles Ernstes Herr seiner Fehler und Leidenschaft geworden; nach dieser Freiheit des Geistes dürfen wir allein ringen. Kannst Du Dich hier, in Deiner zweiten Vaterstadt, guten Menschen anschließen, Dir mit den Mitteln, die Gott Dir gegeben, eine zweckmäßige Thätigkeit schaffen, ohne der Eitelkeit nach Außen Raum zu geben, so bleibe in Gottes Namen hier und erhalte das Andenken beider würdigen Männer, Deines und meines Vaters, deren Thätigkeit Du diese Mittel dankst, bei den Zeitgenossen im Segen! - Gutes wirken kannst Du allenthalben; fühlst Du Dich in Braunschweig oder Leipzig glücklicher, heimischer, zufriedener, so folgt Dir unser Segen allenthalben, wohin Du dich wendest! - " 1) .
Ein Leben in und für die Gemeinschaft Gleichgesinnter also, wie sie selbst es führte als Mittelpunkt eines großen literarisch interessierten Freundeskreises. Zu ihm gehörten neben Böhl von Faber, dem Adressaten ihrer Briefe aus der Franzosenzeit, der Biograph des Schauspieldirektors Friedrich Ludwig Schröder, Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer aus Bramstedt, und der Dichter Johann Diederich Gries, der vor allem als Übersetzer von Tasso und Calderon bekannt geworden ist. Ihnen allen sollte Elisabeth Campe ein schriftliches Denkmal setzen, und der Beweggrund war immer derselbe: die Freunde in ihrer wahren Persönlichkeit darzustellen und sie vor dem Vergessenwerden zu bewahren.
Nach dem Tod von Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer verfasste Elisabeth Campe für seine Erben, die von ihrem Gönner kaum etwas wussten, einen "Abriß seines Lebens". Später ergänzte sie ihn durch eine Auswahl von Briefen - von Bürger, Forster, Göckingh, Gotter, Herder, Heyne, Schröder u.a. - und versah sie mit einleitenden Bemerkungen. So entstand ein zweibändiges Werk. Professor Wurm charakterisierte die Lebensskizze im Vorwort als "… einer leichten Federzeichnung zu vergleichen, die in unscheinbaren Umrissen die ganze Persönlichkeit zusammensetzt, und keinen andern Anspruch macht, als dem Leser das Interesse abzugewinnen, von dem Manne, den sie bezeichnet, mehr zu erfahren." 3)
Das "Leben von Johann Diedrich Gries" wurde nur als Handschrift gedruckt. Es entstand vor dem Hintergrund, dass der Dichter Gries durch seine lange Abwesenheit aus Hamburg der jüngeren Generation kaum bekannt war, und, als er schließlich als schwerkranker Mann 1837 nach Hamburg zurückkehrte, sich auch nicht mehr ins rechte Licht setzen konnte. Das tat Elisabeth Campe so weh, dass sie seine Lebensgeschichte aufschrieb und eine Reihe von Briefen berühmter Männer an Gries hinzufügte.
Auch das dritte Portrait wurde nur als Handschrift gedruckt. Als im Jahr 1850 der Verein für Hamburgische Geschichte beschloss, ein Lexikon Hamburgischer Schriftsteller herauszugeben, machte Elisabeth Campe auf Böhl von Faber aufmerksam, der 1813 zuletzt in Hamburg gewesen und fast vergessen war. Ihr Artikel für das Lexikon wurde aber so lang, dass er zwar benutzt wurde, in vollem Umfang aber in den "kritischen und litterarischen Blättern" der Börsenhalle erschien. Varnhagen von Enses Interesse an Böhl von Faber ermunterte sie, die Skizze weiter auszuführen, und so entstand1858 ihre letzte Abhandlung, bei der sie nicht mehr auf Wahrung des Incognito bestand.
Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit, die eng mit der Realität verknüpft war, Begebenheiten und Menschen ihrer Umgebung zum Gegenstand hatte, griff Elisabeth Campe auch unmittelbar ins Tagesgeschehen ein. Als 1813 die Bürgergarde gegründet worden war, weil man eine Rückkehr der eben abgezogenen Franzosen fürchtete, und ihr Mann sich sofort als Freiwilliger meldete, tat Elisabeth Campe sich mit Freundinnen zusammen, und gemeinsam stickten sie eine Fahne, die nach Übergabe an die Bürgergarde unter Anwesenheit der Frauen in der Michaeliskirche geweiht wurde. Zudem gründeten die Frauen einen Verein, der sich zur Aufgabe machte, die kämpfenden Männer zu unterstützen. Als dazu keine Notwendigkeit mehr bestand, löste sich der Verein nicht auf, sondern die Frauen errichteten eine Schule für die Ausbildung armer Mädchen zu Dienstboten, in der Elisabeth Campe als Pflegerin tätig war und unterrichtete.
Auch im Alter blieb Elisabeth Campe voller Schaffenskraft. Als sie 74jährig vollständig erblindete - die Sehkraft des einen Auges hatte sie schon früher verloren -, suchte sie sich durch Stickereien für Hilfsbedürftige und die innere Mission zu beschäftigen. "Welch' ein Segen für mein Geschlecht ist doch die Handarbeit", 1) pflegte sie zu sagen. Sie, die sich so gerne schriftlich mitteilte, ersann auch bald eine eigene Vorrichtung, um ihre Gedanken aufschreiben zu können. Aber auch an persönlichem Kontakt fehlte es ihr nicht, obwohl sie keine nahen Angehörigen mehr hatte; ihr Mann, August Campe, war bereits 1836 verstorben, die Nichte Elise Reclam 1861.
Pastor C. Mönckeberg rühmt die alte Elisabeth Campe: "Es war auch ein Genuß, mit der edlen Frau sich zu unterhalten. Die Anmuth ihrer Erscheinung, die gewinnende Freundlichkeit, mit der sie Jedem entgegentrat, ihre feine, gebildete, ohne Ziererei doch immer das rechte Wort findende Sprache, die von Wahrheit durchdrungene Ausdrucksweise, ihre leichte und doch so gehaltvolle Art der Unterhaltung, die Fähigkeit zu erzählen, die sie auf liebliche Art besaß, mit lebendiger Erinnerung vergangener Stunden und frischer Darstellung des vor langer Zeit Erlebten, dabei die Leichtigkeit und Klarheit in Auffassung neuer Erscheinungen, das bestimmte, gesunde und doch so milde Urtheil, - Alles vereinte sich, die Stunden bei ihr schnell vergehen zu lassen, wenn sie sich nur erträglich wohl fand. Rührend war es aber auch, wenn sie ihres Schmerzes nicht Herr werden konnte und die aufsteigenden unzufriedenen Gedanken nicht ganz zu unterdrücken vermochte; da kämpfte sie mit Anstrengung, ohne eine Spur von Bitterkeit kund zu geben. Ihr festes Gottvertrauen läuterte ihre Seele immer mehr und mehr; und immer mehr zog sie sich in ihren Gott zurück." 1)
Es entspricht ganz ihrem Wesen, wenn Elisabeth Campe bestimmte, dass sie so einfach wie möglich begraben werde und das dadurch ersparte Geld dem Turmbau der Nicolaikirche zukomme. Ihren Freunden und Bekannten hinterließ sie folgende Lebensbilanz: "Unser Leben währet 70 Jahre und, wenn es hoch kommt, so sind es 80, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es doch Mühe und Arbeit! Die Wahrheit dieses Wortes habe ich an mir selber erfahren. Denn wohl kann ich mein langes Leben als köstlich bezeichnen, und zwar durch die Gnade des Herrn, der mich in Verbindung mit so vielen vorzüglichen und edlen Menschen gebracht, deren Einfluß auf mich ich mir noch jetzt bewußt bin. Doch gab es auch viel Mühe und Arbeit, sowohl in den Irrgärten des Lebens, als auch im Kampfe mit bösen Neigungen, Selbstliebe und Eitelkeit, die dem reinsten Streben nur zu oft störend und hinderlich entgegentraten. Viele meiner liebsten Freunde und Zeitgenossen sind bereits heimgegangen, und da mir Gott auch alle meine nächsten Angehörigen nahm, darf ich wohl fragen: Hüter, ist die Nacht bald hin? Aber nah und fern sind mir noch so viele liebe Freunde, Verwandte und Bekannte geblieben, die sich mir in meinen letzten dunkeln Lebenstagen so freundlich, hülf- und trostreich erwiesen haben, daß ich allen, allen - wenn ich an meine Scheidestunde denke, - ein dankbares Lebewohl zurufen muß! Möge Gott sie dafür segnen, im Alter in ihren Kindern, und das jüngere Geschlecht behüten und bewahren! - Und nun noch eine letzte Bitte, - ist sie vielleicht auch kleinlich und bezeichnend im Festhalten am Irdischen, -:so erfüllt sie! Verschmähet nicht ein Andenken von mir; wählet aus meinem bescheidenen Nachlaß irgend eine Kleinigkeit, die dann zuweilen mein Gedächtnis in euch zurückrufen könnte! Mag dann der Gedanke laut werden: Sie war nicht frei von Fehlern, doch falsch und treulos war sie nicht! - Nun mein letztes Lebewohl bis zum Wiedersehen dort Oben, wo der Erlöser alle, die ihn lieben, um sich vereiniget!" 1)
Text: Brita Reimers
Quellen:
1) C. Mönckeberg: Frau Elisabeth Campe, geb. Hoffmann. Hamburg 1874.
2) Elise Campe: Franz August Gottlob Campe, in: Neuer Nekrolog der Deutschen. Teil 2. Jg. 14. 1836. Weimar 1838.
3) Zur Erinnerung an F. L. W. Meyer, den Biographen Schröder's, 2 Theile. Braunschweig 1847.