Toni Petersen

    Kunstförderin, Wohltäterin

    Ornament Image
    23.3.1840
    Hamburg
    -
    20.9.1909
    Hamburg
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    Ohlsdorfer Friedhof, Grab Nr. AA 13, 1-12
    Der Petersenkai, HafenCity (1889) ist nach ihrem Vater Dr. Carl Friedrich Petersen (1809-1892), Erster Bürgermeister benannt
    Nach dem Tod seiner Frau Kathinka im Jahre 1863 führte seine Tochter Toni ihm den Haushalt. Als Antonie (Toni) Petersen zwischen 1876 und 1892 mit ihrem Vater, dem Bürgermeister Dr. Carl Friedrich Petersen in der Großen Theaterstraße 33 wohnte, konnte sie aus ihrem Fenster auf den Bühneneingang des Stadtheaters/Oper blicken. Ihr Wohnhaus steht nicht mehr. Toni Petersen war eine engagierte Kunstförderin und Wohltäterin. Sie leitete das Stadtteilbüro St. Pauli des 1899 gegründeten Hauspflegevereins und hielt für Hilfesuchende Sprechstunden ab. Der Verein half besonders armen Familien, wenn die Hausfrau durch Wochenbett oder Krankheit ihren hausfraulichen Pflichten nicht nachkommen konnte. In solchen Fällen schickte er eine Pflegerin - meist eine ältere Frau "von gutem Ruf" - ins Haus, die nach dem Rechten sah. Toni Petersen war auch Mitglied der Ortsgruppe Hamburg
    des 1900 gegründeten Deutsch-Evangelischen Frauenbundes (DEF), der Teil der bürgerlichen Frauenbewegung war und in dem eher die konservativen evangelischen Gesellschaftskreise Hamburgs vertreten waren. Der DEF kümmerte sich um die Armen und Schwachen. Ein Schwerpunkt war die Arbeiterinnenbetreuung. Hier verstand sich der DEF als Gegenpol zu der von der Sozialdemokratie getragenen Arbeiterinnenfürsorge. Die Helfenden legten großen Wert auf die Konfessionszugehörigkeit. Auch hatte ihre Klientel den sittlichen und moralischen Vorstellungen des DEF zu entsprechen.
    Ob Toni Petersen sich aus gesellschaftlicher Opportunität der Wohltätigkeit widmete oder ob es ihr ein Herzensbedürfnis war - zumal sie selbst an einem körperlichen Handicap litt, was ihr vielleicht ein größeres Verständnis für Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen, eröffnete - ist nicht mehr zu ermitteln. Die Presse jedenfalls würdigte anlässlich ihres Todes ihr karitatives Verhalten und lobte, dass Toni Petersen diese Tätigkeit still und bescheiden ausgeübt hatte - Attribute, die einer Frau in der damaligen Zeit auch in ihrer Ausübung auf den karitativen Gebiet gut zu Gesicht standen: "Fräulein Toni Petersen gehört zu der Gruppe der Elise Averdieck und der Caroline Wichern, obgleich ihr Wirken scheinbar noch stiller und unscheinbarer war, und obgleich sie ohne eigenen Beruf durch ein langes Mädchendasein schritt. Sie wetteiferte nicht mit den tüchtigsten Männern, aber sie stand ihnen treu zur Seite, und die Tüchtigen und Bedeutenden bekannten sich als ihre Schuldner. Eine solche Parteinahme setzt geistige Fähigkeiten voraus, und die Instinkte für heroisches über die Grenzen des Alltäglichen hinausgehendes Wollen. Es setzt Uneigennützigkeit und Opferwilligkeit voraus und Verständnis für die großern Ziele menschlicher Kulturbestrebungen. Von der Natur äußerlich stiefmütterlich behandelt, wurde sie dennoch keine Anklägerin ihres Geschicks, sondern eine unverbesserliche, stets hilfsbereite Optimistin. Ihr Name stand unter Aufrufen zu allen Sammlungen und Wohltätigkeitsfesten in den letzten Jahren mit an erster Stelle, und sie ließ es nicht bei der bloßen Namensunterschrift bewenden."
    Seit ihrer Kindheit litt Toni Petersen an einem schmerzhaften Hüftleiden. Dennoch - oder gerade wegen dieses Handicaps und der damit in der damaligen Gesellschaft verbundenen geringeren Aussicht auf eine Heirat - war sie es, die als junges Mädchen nach dem Tod der Mutter die Hausfrauenrolle im Vaterhaus an der Elbchaussee übernahm. Später dann, nachdem ihr Bruder verwitwet war, übernahm sie auch in dessen Haushalt die Hausfrauenpflichten. Da die Petersens kunst- und musikliebend waren, richtete Toni Petersen oft Gesellschaften aus, zu denen z. B. Richard Wagner, Johannes Brahms und Hans von Bülow eingeladen wurden. Zu Richard wagner entwickelte sie eine besondere freundschaftliche Beziehung. Sie übernahm den Vertrieb von Patronatsscheinen und hafl damit dem Bayreuther Festspielunternehmen aus seinen finanziellen Schwierigkeiten. Richard Wagner dankte ihr später durch die Übersendung seiner Photographie mit folgender Widmung: "Richard Wagner, immer in Not und Sorgen, nur bei Toni Petersen wohl geborgen." Mit Richard Wagners Frau Cosima stand Toni Petersen lange Jahre im Briefwechsel, wurde von ihr sogar "Nichte" genannt. Toni Petersen und Hans Bülow waren auch gern gesehene Gäste im Salon von Frau Lazarus, die gleich um die Ecke an der Esplanade 37 wohnte.
    Neben Musikern verkehrte im Hause Petersen auch Fürst Bismarck, den Toni Petersen mit ihrer Familie manchmal in Friedrichsruh besuchte und den sie sehr verehrte. Deshalb ist sein Konterfei auch neben dem von Tonis Vater, Johannes Brahms und Hans von Bülow als Portraumedaillon unter dem von Julie de Boor (ihr Grabstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof) gemalten Portrait von Toni Petersen abgebildet. Unter dem Bild steht geschrieben: Toni Petersen 1840-1909, Tochter des Bürgermeisters Dr. Carl Petersen 1809-1892. Repräsentantin seines gastfreien Hauses, in dem große Zeitgenossen gern verkehrten. Begeistert für alles Große, Gute und Schöne, unterstützte sie künstlerische und philantropische (!) Bestrebungen." Das Portrait befindet sich heute im Museum für Hamburgische Geschichte.
    Ihrer Herkunft entsprechend war es selbstverständlich, dass Toni Petersen zusammen mit einem Damen-Comitee, dessen erste Vorsitzende sie war, dem neuen Rathaus zu seiner Eröffnung im Jahre 1897 ein Geschenk überreichte: Das Comitee stiftete dem Senat für dessen Ratsstube, in dem bis heute die wöchentlichen Senatssitzungen abgehalten werden, einen mit dem großen Hamburger Wappen bestickten Wandbehang, der noch heute unter dem Baldachin hängt, unter dem der Erste und Zweite Bürgermeister ihre Plätze haben. Auch die Bürgerschaft wurde nicht vergessen. Sie erhielt für den Bürgerschaftssaal einen bestickten Panneau für die Wand hinter dem Sitz des Bürgerschaftspräsidenten.
    Als Toni Petersen starb, berichte die Hamburger Presse ausführlich über die Umstände ihres Todes. So schrieb das Hambruger Fremdenblatt: "Fräulein Toni Petersen, die Tochter des Bürgermeisters Petersen und Tante des Herrn Dr. Carl Petersen (Mitglied der Bürgerschaft), ist Montag nachmittag, als sie von einem Besuch bei ihrem Bruder, dem Direktor der Norddeutschen Bank, Rudolf Petersen, in der Parkstraße in Othmarschen zurückkehrte, in einem Wagen der Straßennbahn vom Schlage gerührt worde und verstorben. In hervorragender Weise hat sie die Wohltätigkeitsbestrebungen ihrer Vaterstadt Hamburg unterstützt. Ihre letzte Fahrt galt noch der Teilnahme an einer Wohltätigkeitssitzung."
    Ein Jahr nach ihrem Tod gründeten Damen und Herren der Hamburger Gesellschaft die Toni-Petersen-Freibettenstiftung im Bad Oldesloer Auguste-Viktoria-Pflegeheim. Um dieses Unternehmen finanziell zu bewerkstelligen, gab es diverse Aufrufe in Hamburger Tageszeitungen. Die Institutionalisierung der Stiftung wurde zu einem gesellschaftlichen Ereignis - von einem stillen Agieren und von Bescheidenheit im Geben für die Armen - ist hier nichts zu spüren. Und so schrieben dann auch am 20. Juli 1910 die "Hamburger Nachrichten": "Im Auguste-Viktoria-Pflegeheim zu Oldesloe hatte sich am Montag eine Anzahl Festgäste eingefunden, um die dritte Freibettenstiftung des Hauses einzuweihen. Über jedem dieser freibetten ist eine Metalltafel mit dem Namen des Stifters bzw. der Stifterin angebracht. Die Anbringung der Tafel ist stets mit einer Zeremonie verbunden, die diesen Akt zu einem recht feierlichen gestaltet. Dem Bericht des Oldesloer Landboten über die Einweihung der Toni-Petersen-Freibettenstiftung entnehmen wir folgendes: ‚Mit dem Choral: ‚Die Himmerl rühmen des Ewigen Ehre' wurden die Freigäste empfangen, nachdem die auswärtigen Teilnehmer um 4 ½ Uhr von der Bahn abgeholt worden waren (…). Dann fand eine eingehende Besichtigung des Heims statt, an die sich ein Kaffee im Speisesaal anschloß. Hier nahm Direktor Peters das Wort zur Festrede. Er schilderte eingehend die Geschichte des Heims vom Anfang bis heute und hob dabei die Verdienste der Frau Rompeltien, ihres Gatten und ihrer Tochter, der Frau Oberin ins verdiente Licht. Durch die im Winter von Frau Rompeltien angelegte Sammlung zur Ehrung des verstorbenen Fräulein Toni Petersen sei es ermöglicht, außer einem Bildnisse der Verewigten, das Frau Julie de Boor malt, eine Freibettenstiftung zum gedächtnis des Fräulein Toni petersen im Auguste-Victoria-Pflegeheim ins Leben zu rufen, von deren Zinsen vier arme Leute mehr als bisher je vier Wochen im Augsute-Viktoria-Pflegeheim verpflegt werden (…). Später fuhren die Herrschaften durch die Stadt zum Kurhause. Das Abendessen wurde dort durch eine Reihe von Ansprachen verschönt. (…) Eine in poetischer Form gehaltene Ansprache widmete Oberrealschullehrer Maßmann den Frauen. (…)."
    Text: Rita Bake