Dörte Helm

    verh. Heise

    Bauhaus-Künstlerin, Malerin, Grafikerin

    Ornament Image
    3.12.1898
    Berlin

    24.2.1941
    Hamburg
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    Dörte Helm war eine vielseitig begabte Künstlerin. Sie schuf Holzfiguren, hölzerne Sitzwürfel, Schmuck, Textilien, Grafiken, Gemälde, Plakatentwürfe, Drucke, Glas-fenster. Auch war sie schriftstellerisch tätig und schuf Illustrationen für Märchen. Dörte Helms Eltern waren Alice Caroline Helm, geb. Bauer und Rudolf Helm, Prof. für klassische Philologie an der Universität Rostock. Dieser entpuppte sich als strenger Patriarch. Wie es in einer patriarchal geprägten Gesellschaft für Frauen üblich ist, sollte Dörte die Haltung einnehmen, es allen recht zu machen. Diesem Ansinnen widersetzte sie sich. Dennoch schufen Vater und Tochter auch etwas Gemeinsames. So erschien 1921 Dörte Helms Kinderbuch "Im Märchenreich" mit Versen des Vaters. "Dörte, die Tochter, illustrierte seine Elaborate als Jugendliche brav und mit heute noch zu bewundernder und zugleich erschreckender Perfektion." Nach dem Schulabschluss am Rostocker Lyzeum besuchte Dörte Helm von 1913 bis 1915 die Rostocker Kunstgewerbeschule, dann bis 1918 die Kunstakademie in Kassel. 1918/1919 studierte sie in der Grafikklasse der Großherzoglichen Kunsthochschule Weimar. Danach ging sie als Lehrling in die Wandmalerei- und Textilwerkstatt des Staatlichen Bauhauses Weimar. 1921 durfte sie an Walter Gropius' Projekt "Haus Sommerfeld" mitwirken: sie stellte einen Applikationsvorhang her. Zwischen 1922 und 1923 war sie in der Weberei-Werkstatt tätig. Auf der Bauhaus-Ausstellung 1923 war sie mit einem Wandbehang und einem Wandschirm vertreten. 1922 legte sie die Gesellenprüfung als Dekorationsmalerin ab und arbeitete bis 1924 als Gesellin am Bauhaus - in bezahlter Position. Dörte Helm hatte sich immer als gleichberechtigte Künstlerin gesehen. So ließ sie sich nicht in die Weberei abschieben, wo nach Meinung der meisten Künstler der Platz der Künstlerinnen sei, sondern erkämpfte sich "einen Platz in der Werkstatt für Wandmalerei (…). Obwohl Frauen dort nicht erwünscht waren, wirkte sie eigenständig an Architekturprojekten mit." 1924 zog sie zurück nach Rostock, wurde u. a. Mitglied der Vereinigung Rostocker Künstler und nahm mit eigenen Werken an deren Ausstellungen teil. Sie arbeitete als Malerin und Gestalterin. Auf ihrem Briefkopf stand "Raumkunst Dörte Helm". 1927 erhielt sie z. B. den Auftrag, die Innengestaltung des Warnemünder Kurhauses zu übernehmen. Dörte Helm ging auch Liebesbeziehungen mit Frauen ein. Von ihr geschaffene Bilder zeigen die Liebe zwischen zwei Frauen "oder die Auseinandersetzung mit dem Verbot oder dem Scheitern dieser Liebe (…)." Ihre ab 1930 geschaffenen Bilder zeigen keine Frauengestalten mehr, sondern "(…) heimatlich-anziehende, aber zugleich leere, einsam wirkende norddeutsche Landschaft". 1930 heiratete sie den Journalisten Heinrich Heise und zog zu ihm nach Hamburg. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde sie, weil ihre Mutter jüdischer Herkunft war, von den Nazis als "Halbjüdin" bezeichnet und erhielt 1933 Berufsverbot, durfte nicht mehr aus-stellen. Sie wich aufs Schreiben aus, gab ihre Texte unter Pseudonym heraus. 1938 wurde ihre Tochter Cornelia Heise geboren. Drei Jahre später starb Dörte Helm an einer Lungenentzündung. Der größte Teil ihrer Arbeiten ist heute noch vorhanden. Quellen: Alle Zitate, siehe: Ulrike Müller: Bauhaus Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design. 2. Aufl. München 2019, S. 101ff. Auszüge aus dem Nachruf auf Dörte Helm, von Hugo Sieker Ich war in diesen Tagen in den Räumen, die Dörte Helm-Heise für sich und die ihren hergerichtet hat. Alles zeugte noch von ihr und von dem Maß der Liebe, das sie auf Dinge und Pflanzen, auf Tiere und Menschen verwendete. Die Pflanzen im kleinen Erker, die so willig unter ihrer behutsamen pflegenden Hand gegrünt hatten, sie grünten noch (…) Der Kater Müffchen, den sie in einer Erzählung verewigt hat, strich noch hoheitsvoll und mit der Neugier eines aufgeweckten Menschen über die Teppiche. Die Buchregale waren wohlgefüllt mit der Nahrung, die sie ihrem so regen und aufgeschlossenen Geist zuführte (…). Die Möbel, deren Form und Farbe sie selber bestimmte, schauten den Besucher wie mit lieben, klaren Gesichts-zügen an. An den Wänden hingen die Bilder, die sie einst in frohen Schaffensjahren gemalt hat. Die Landschaften grüßten aus ihnen, die sie geliebt hat, die Kieler Förde, die heitere grüne Marschlandschaft der Warnow bei Rostock. (…) Ein (…) Schrank hütete die schriftstellerischen Entwürfe, die manchmal kleinen Märchen und Erzählungen, ein fertiges Kinderbilderbuch, das Märchenspiel vom König Drosselbart, das bei seiner Aufführung im Rostocker Stadttheater so viele kleine und große Menschen erfreute. Alle diese Dinge und Kunstwerke und Pflanzen schienen mir von der leisen Unruhe des Wartens erfüllt, als ich unter ihnen weilte. Der Kater Müffchen trug die Frage in seinen fast menschlichen Augen herum: "Weißt du nicht, wo sie ist?" Ach, euer Warten wird vergebens sein, nie wird Dörte zu euch zurückkehren (…). Da aber trippelte die kleine Cornelia ins Zimmer herein - zierlich noch die Glieder und unbeholfen noch die Beinchen, aber die Augen des Kindes blickten aus derselben Tiefe und sie hatten dasselbe bunte Leuchten wie die Augen der Mutter. Sie trippelte herein und erfüllte die Räume mit ihrer zirpenden Stimme, und die Unruhe des Wartens schien von den Dingen zu weichen, so lange sie unter ihnen weilte. Wie gut, dass für Cornelia alles noch lange so bleiben wird. Für sie werden die Pflanzen weiter grünen, für sie die Möbel ihren treuen Dienst verrichten, für sie der Vater und die Großmutter ihre sorgende Liebe zu jeder Stunde walten lassen. Ihr gewohntes Leben wird weitergehen, sie wird spielen und die Seele des von der Mutter gerichteten Heims bleiben, und jeden Abend wird sie in ihrem Bettchen das Gebet der Unschuld sprechen, so wie sie es heute tat: "ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als die liebe Mama allein." Ach du ahnungsloses Menschlein, wie wahr ist doch dein Gebet, wie gewiss ist doch, dass in dir die Mutter fortlebt - das Beste der Mutter. Verbunden mit der besten Kraft des Vaters. Nein, niemand löst sich ganz aus diesem Leben, auch wenn es dem Nächsten im ersten Schmerz so scheinen will. Wie in einem kleinen Gewebe schlingt sich ein Faden um den andern, und die Klugheit der Mütter gar, die im Leben so manches sinnvoll richtet, kann auch durch den Tod nicht oh-ne weiteres abgeschnitten werden, sie wirkt fort und fort und tritt im Gewebe des Daseins immer wieder hervor und gibt ihm seinen Halt. Du wirst heranwachsen in einem behüteten Kreise, kleine Cornelia, so wie es sicherlich der letzte, sehnlichste Wunsch deiner Mutter war. (…) veröffentlicht: Sonderdruck aus dem "Hamburger Anzeiger" vom 1./2. März 1941