Hilde David

    93 Jahre, Verwaltungsangestellte, Frauen und Arbeit - Gewerkschafterin, Chronistin

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    2.5.1926

    30.3.2020
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    "Was für eine aufrechte und in ihrer Liebenswürdigkeit kämpferische Frau!" schrieb der Gründungsdirektor des Museums der Arbeit 2020 an mich, die Tochter. Meine Mutter wuchs überwiegend mit alleinstehenden, selbstbewussten Frauen auf, die Freude an Kultur vermittelten. Die jungen Eltern waren geprägt von der Arbeiterbewegung der Weimarer Republik. "Hitler bedeutet Krieg" sagte ihre Großmutter, als die Nazis 1933 an die Macht kamen. Im selben Jahr kam Hilde zur Schule. Es war wichtig für sie, dass einige Lehrkräfte versuchten, die Reformpädagogik "vom Kinde aus" weiterzuführen. Der Rekrutierung in die NS-Organisationen konnte sie sich partiell entziehen. Hilde über ihre Familie im Faschismus: "Wir waren nicht im Widerstand - aber wir haben widerstanden." 1945 begann Hilde eine Ausbildung zur Krankenschwester und trat gleich nach Kriegsende in die Gewerkschaft ein. In diesem Bund freier Schwestern, der in die ÖTV überging (später ver.di) erhielt sie 1947 einen Arbeitsplatz. Gewerkschaft und das schwedische Komitee für demokratische Aufbauarbeit ermöglichten ihr 1948/49 einen halbjährigen Aufenthalt in Schweden. In der Gewerkschaft lernte Hilde ihre große Liebe kennen, ging eine dauerhafte Partnerschaft ein, blieb aber unverheiratet. 1955 wurde ich als Wunschkind geboren. In der ÖTV arbeitete sie in den Abteilungen Gesundheit, Frauen, Jugend. Viel Neues, gerade nach der Nazi-Zeit, konnte sie in der Gewerkschaft lernen und einbringen: Die Arbeit für und mit Frauen, gewerkschaftliche Bildungsarbeit, überhaupt das Führen von Auseinandersetzungen. Zeitweilig unterfordert, aber immer ansprechbar für die KollegInnen, arbeitete sie bis zu Ihrer Rente bei der ÖTV. Als ich größer wurde, engagierte sie sich auch nach Feierabend gewerkschaftlich, als ich erwachsen war, taten wir es gemeinsam. So unterstützten wir z.B. den Britischen Bergarbeiterstreik 1984/85 und die Women Support Groups - von deren Dank noch eine Grubenlampe zeugt. Und jedes Jahr am 1. Mai war sie mit dabei. Noch 90-jährig hob sie bei einer ver.di Veranstaltung hervor, was ihr das Wichtigste war: Die Solidarität. Genau hinsehen, sich erinnern, durchdenken und in Worte fassen, das konnte sie gut - eine Zeitzeugin mit Haltung. Ab Mitte der 1980er Jahre wirkte Hilde viele Jahre in der Geschichtswerkstatt Barmbek und im Museum der Arbeit mit seinem Freundeskreis. Einige Projekte prägte sie wesentlich mit:
    • "Große Wäsche" Vorführungen über die Mühen eines Waschtages ohne Waschmaschine
    • "... nicht nur Galionsfigur" Das Lesebuch zum Wandbild über Frauenarbeit im Hamburger Hafen
    • "Fräulein Mutter" Ein Album über unverheiratete Mütter am Beispiel unserer Familie "Als unser Kindsein zerbrach ..." Den Text zu Kriegsbeginn und -ende verfasste sie 1999, 60 Jahre nach Kriegsbeginn, im Jahr des deutschen Krieges gegen Jugoslawien - und trug ihn am Antikriegstag im Museum vor.
    "Hellwach, zugewandt und ja durchaus klassenbewusst. [...] Hilde war eine große Vermittlerin und Erzählerin, eine kritische Wegbegleiterin." schrieb der Freundeskreis. Hilde hatte ein sehr gutes Gedächtnis und eine einfühlsame Sicht auf Menschen und ihre Verhältnisse - und mit dem, was sie im Museum gelernt und praktiziert hatte, verband sie es zu einem umfangreichen Buch: Erinnerungen an Kindheit und Jugend in Hamburg 1929 - 1949 Siehe auch: Datenbank Hamburger Frauenbiografien; Museum der Arbeit, Freundeskreis Dörte David