Hilde (Heidi) Hoffmann

    86 Jahre, Gemeindehelferin

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    12.4.1932

    23.9.2018
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    Ansprache aus dem Trauergottesdienst für Hilde Hoffmann (1932-2018) am Sonnabend, dem 13. Oktober 2018 um 11.00 Uhr in der Christophoruskirche in Hamburg-Hummelsbüttel Ulrike Wenn, Pastorin
    Tief ein- und ausatmen.
    So hat Hilde aus- und eingeatmet, bevor sie etwas Gewichtiges sagen wollte. - Und sie konnte sicher sein: Alle hörten zu: Wenn ihr etwas sehr am Herzen lag Wenn es eine schwierige Situation war Wenn sie unbedingt überzeugen wollte.
    Lange Reden lagen ihr nicht.
    Darum kam es auf jedes Wort an.
    Überhaupt, im Mittelpunkt stand sie nicht gern.
    Sie hielt sich lieber im Hintergrund, darum saß sie ja auch gern in der letzten Reihe hier in der Kirche.
    Und trotzdem war hier vorne der Altar ihr allerliebster Ort. Hier wird das Abendmahl gefeiert (und sie hat es geliebt, bei der Austeilung mitzuwirken), hier konzentriert sich die Kraft, hier wird gesegnet, und wenn das kein Mensch tut, tut es dieser Christus. "Durch diesen Christus werden wir zu Gott geleitet, er breitet die Arme aus und ist voller Liebe." So sagte sie es. Und dann ist da diese Szene, die auf dem Taufsockel abgebildet ist: Jakob, der nachts mit einem Unbekannten darum ringt, dass dieser ihn segnet (sind das eigentlich Flügel hier auf dem Bild?), und der körperlich versehrt aus diesem Kampf hervorgeht, aber die Sonne aufgehen sieht.
    Hilde Hoffmann wollte, dass Menschen zu ihrer eigenen Begegnung mit dem Heiligen, aber auch mit Gott kommen, und dies mit allen Sinnen erfahren und entdecken. Dass sie die Nacht- und Kampfzeiten des Lebens als Chance zu begreifen, zu wachsen und zu reifen, immer begleitet durch den Segen, der mitgeht.
    Sie sah sich als Mittlerin in diesem Geschehen, und sie war eine, die mit anderen aushalten konnte, dass es oft genug mehr Fragen als Antworten gibt, blieb sie doch ihr ganzes Leben lang selbst eine Suchende.
    Gerade dadurch war sie glaubwürdig und konnte Menschen eigene Wege ermöglichen und dazu ermutigen; oft geschah das, indem sie auf die ganz kleinen Dinge und Bewegungen achtete und sie aufnahm und wertschätzte.
    Sie konnte großen und kleinen Menschen das Gefühl vermitteln, sie seien mit ihren Anliegen im Augenblick das Wichtigste auf der Welt.
    In einem Rückblick auf ihre Arbeit in der Festschrift zum 50jährigen Kirchweihjubiläum sagte sie, ich zitiere:
    "Auf einer Freizeit sprach ich gerade das Fürbittengebet, da sagte ein kleines Mädchen aus dem Hintergrund: 'Du musst jetzt auch für meine Mutter beten und für das kleine Kind, das sie jetzt bekommt!' Dies Kind hatte begriffen, dass es Gott all dies ans Herz legen konnte.
    Dies (ich zitiere weiter) bis ins Erwachsenenalter durchzutragen, hat sich nicht immer erfüllt, oder vielleicht doch? Neulich kam ein ehemaliges Kind aus meinem Kinderkreis, mittlerweile selbst Vater, und besuchte nach langer Abwesenheit von der Kirche mit seinem Kind den Kindergottesdienst." Zitat Ende.
    Von diesen Erinnerungen gibt es so viele, wie es Menschen gibt, die Hilde Hoffmann begegnet sind, durch alle Jahre hindurch.
    Das könnten Erinnerungen an intensive Zeiten sein, die man mit ihr geteilt hat, beginnend mit den Kinderkreisen über den Konfirmandenunterricht, in Gesprächskreisen, Frauenkreis, bei Kinderbibeltagen und -wochen, beim Weltgebetstag, im Kirchengemeinderat und im Weltladenteam, aber genauso auch in kurzen Begegnungen beim sonntäglichen Türdienst oder auf dem Rehagen, wo sie frühmorgens, am liebsten bei Morgensonne und Vogelgesang unterwegs war.
    Ein paar Worte beim kurzen Stehenbleiben öffneten viele Türen und bauten Brücken in die Welt hier rund um die Kirche und diesen Altar.
    Unvergesslich ist für mich ein Osterfrühgottesdienst, in dem es eine Tauferinnerung der besonderen Art gab: Im Halbdunkel schritt Hilde Hoffmann mit einem Buchsbaumzweig durch die Kirche, neben ihr jemand, der die Taufschale trug, gefüllt mit Wasser. "Ihr seid getauft!", hieß der Ruf. Und sie tauchte mit sichtlicher Freude den Buchsbaumzweig ins Wasser und besprengte die Menschen in den Bänken damit.
    Solche Rituale, die das Gewohnte sprengten, liebte sie ebenso wie diejenigen Rituale, die das Vertraute sinnenhaft bewahren.
    Ja, und dann sind da der Weg und das Leben, die sich für euch, die Familie mit dem Namen "Heidi" verbinden.
    Euch beide, Claus, hat ein gutes geschwisterliches Miteinander auf getrennten Wege verbunden, das waren deine Worte in unserem Gespräch. Getrennt, weil ihr so verschieden, und verbunden, weil ihr euch in eurer Eigenwilligkeit so nahe wart.
    Du bist stolz, sie als Schwester gehabt zu haben, so hast du es auch aufgeschrieben.
    Es gehört zu den schwer erklärbaren Dingen in einer Familie, warum sich Namen verändern, die doch in einer Urkunde stehen. Du kanntest und kennst bis heute deine Schwester nur als "Heidi". Deine Schwester war sieben Jahre älter als du, das ist ein Abstand, der zu groß ist, um dieselben Spielkameraden zu haben, respektive in einer Zeit, in der die Welt durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg gründlich aus den Fugen geraten war.
    Die ersten vier Jahre ihres Lebens verbrachte die kleine Hilde, Heidi, mit ihrer Mutter, bevor die Familie zusammen leben konnte. Eine enge Bindung zwischen den beiden entstand, und sie blieb bis zum Tod eurer Mutter in den 60er Jahren. Heidi hat sich auf die Geburt ihres kleinen Geschwisterchens gefreut, das hat sie immer wieder erzählt.
    "Sie konnte aber auch streng sein!", so sagtest du, - es wird seine Gründe haben... ?
    Als du 1939 geboren wurdest, wohnte die Familie in der Hochstraße in Altona, wo ihr auch den Krieg und die Bombennächte erlebt habt. Vieles habt ihr gesehen, wofür es auch heute noch kaum Worte gibt.
    Wenige Jahre in Friedenszeiten waren eurer Familie vergönnt, bevor euer Vater einen Schlaganfall bekam und zwei Jahre später starb. Da war deine Schwester schon ausgezogen und wohnte, wie ihre Studienfreundin Dorothea Heinemann es sagte, unter ziemlich erbärmlichen Verhältnissen in der Nähe des Altonaer Fischmarktes.
    Von 1953-1957 dauerte ihre Ausbildung am Burckhardthaus in Gelnhausen. Dort lernte sie auch Nora Buckenauer kennen, die Freundin, mit der sie durchs Leben ging.
    Mit ihr fand sie sich in nahezu allen Dingen auf gleicher Ebene, von der Haltung dem Leben gegenüber, dem Umgang mit materiellen Dingen bis hin zu den Vorlieben für Literatur, Kunst und Reisen – und den Fröbelsternen, von denen Hilde bis zum Ende ungezählte Mengen herstellte und mit Wonne weitergab.
    Ein Praktikum zu Beginn der Ausbildung, das man ihr zur Stärkung ihrer Frömmigkeit (!!) verordnete, führte sie in das Pastorat am Poppenbüttler Stieg, wo sie bei Familie Meder lebte und sich um die vier Töchter kümmerte. Sie selbst erinnerte sich da auch an das Haarewaschen und Kämmen, das bei den Kindern nicht sehr beliebt war…auch das lehrt Demut.
    1956 begann dann offiziell der Dienst als Gemeindehelferin in Hummelsbüttel, mit landeskirchlicher Beauftragung.
    Ihr Geschwister wusstet voneinander immer, wo der jeweils andere war. Und doch haben wir in unserem Gespräch gemerkt, dass deine Schwester die verschiedenen Bereiche ihres Lebens jeweils für sich genommen und gehütet hat. Die unterschiedlichen Bezüge, in denen deine Schwester gelebt hat, hatten nicht viele Verbindungen untereinander. Und gern in die Karten schauen ließ sich Hilde Hoffmann nicht.
    Sie hatte ein ausgesprochenes Bedürfnis nach Autonomie, danach, ihren Weg auf IHRE Weise zu gehen. Gleichzeitig hatte sie aber auch den Wunsch nach Verbindung und Kontakt; das war manchmal nicht einfach zusammenzubringen. Umarmung kann sich auch schmerzvoll anfühlen.
    Ein Berührungspunkt zweier Welten gelang aber zum Beispiel durch die Kinderfreizeiten nach Neukirchen, auf die du, Astrid, als Kind Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger Jahre mitgefahren bist.
    Deinen Weg, und auch den ihres Patenkindes Ulfert Andresen, begleitete Hilde, Heidi, mit Aufmerksamkeit und Treue bis in die Gegenwart. Dass du jetzt nach langen Auslandsaufenthalten in Hamburg lebst, war für sie Anlass zu großer Freude. Noch im Juni habt ihr gemeinsam im Restaurant "La Differenza" auf dem Rehagen draußen gesessen und den schönen Sommer miteinander genossen. Überhaupt, immer wieder der Rehagen.
    Streifraum und Kraftort war er für Hilde Hoffmann, auch gewohnt hat sie für einige Jahre dort, gemeinsam mit Katharina Bennewitz und Irene Meder und den Hunden, Finchen war der letzte. Die Geräusche der Natur dort begleiteten sie bei der Gartenarbeit und später bei jedem morgendlichen Gang über den Rehagen, möglichst bis zum See, den Kuckuck und das Geräusch des Windes im Ohr.
    Noch viele andere Bilder könnten wir hier zusammentragen, und ich möchte nur noch eins davon nennen, weil es das Selbstverständnis von Hilde Hoffmann beschreibt: Sie sagte (ich zitiere noch einmal aus der Festschrift von 2003): "Mit dieser Gemeinde war es doch so etwas wie eine Liebesheirat...Manchmal komme ich mir vor wie die Hannah der Bibel, die ihr ganzes Leben lang in der Kirche rumsitzt!" Weiter sagt sie dort:
    "... Bei der Geburt Jesu sind auch lauter alte Menschen da, die ihren Mund auftun und reden - weil sie das Neue erkennen, das ihnen dann den Mund öffnet, um es weiterzusagen." Zitat Ende. Dies ist geschehen und geschieht.
    Und so, wie es den Frauen am Grab Jesu aufgegeben wurde, den Lebenden nicht bei den Toten zu suchen, ist das auch unsere Aufgabe, den Mund aufzutun und von dem Neuen zu reden, das wir auch durch Hilde Hoffmann, durch Heidi, durch Hoffi erkannt und erfahren haben.
    Gott sei Dank dafür!
    Amen.