Iris Conradi
84 Jahre, Industriekauffrau


9.3.1938
Herne
–
9.12.2022
Hamburg
Herne
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9.12.2022
Hamburg
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Iris wurde am 09. März 1938 als zweites Kind eines Redakteurs und einer Hausfrau und Mutter in Herne/Westfalen geboren. Ein Jahr darauf begann der 2. Weltkrieg. Aufgrund der schweren Bombardierungen im Ruhrgebiet zog ihre Mutter gemeinsam mit den beiden Kindern 1942 nach Scherfede, wohin ihr Vater nach Beendigung des Krieges 1945 folgte. Es waren schwierige Jahre in sehr beengten Wohnverhältnissen, die zugleich als Zeit der Freiheit erlebt wurden, die sie und ihr Bruder überwiegend draußen und ohne elterliche Aufsicht zubrachten. Aufgrund einer beruflichen Veränderung ihres Vaters zog die Familie 1948 nach Warburg. Iris liebte diese Zeit. Die Familie bewohnte eine großzügige Wohnung, und Iris besuchte ein von katholischen Nonnen geleitetes Mädchengymnasium, wo sie ihrer Liebe zu
Fremdsprachen nachgehen konnte. Ein erneuter Umzug zwang sie, sich in dem neuen Wohnort Osnabrück auf deutlich andere Gegebenheiten einzustellen. Schwerpunkt in der Schule waren wissenschaftliche Fächer, die Sprachen waren untergeordnet. Die Verständigung mit den Mitschülerinnen verlief problematisch. Nach ihrem Abitur 1958 nahm sie nach hartem Kampf mit ihren Eltern das Universitätsstudium in Münster auf, und belegte ein Semester Publizistik, Anglistik und Romanistik. Es war ihr großer Wunsch, Sprachen zu studieren, jedoch gestatteten ihre Eltern keine eigene Unterkunft. Das Pendeln ließ sich nicht lange durchhalten, und sie brach das Studium ab. Sie fand einen anderen Weg, ihrer Liebe zu Fremdsprachen nachgehen zu können: Sie ging nach London und betreute als Au-Pair eine siebenköpfige Familie. Die Zeit dort war prägend. Endlich kam die Welt aus ihrem Versteck und hieß die junge und kulturell interessierte Frau willkommen. Nach ihrer Rückkehr nach Osnabrück nahm sie Kontakt zu einem ehemaligen Studienkommilitonen auf, der in Hamburg lebte und sie einlud, ihn zu besuchen. Iris folgte der Einladung. Daraus erwuchsen zwei spätere Lieben: Die Liebe zu ihrem künftigen Mann, und die Liebe zu ihrer künftigen Heimat. 1960 zog sie nach Hamburg und fand sofort Arbeit als Fremdsprachenkorrespondentin. 1962 folgte die Heirat, sie wurde Mutter zweier Kinder. Sie lebte im Herzen Hamburgs, an der Seite eines erfolgreichen und aufstrebenden Redakteurs. Sie war angekommen. Die Mitteilung ihres Mannes, dass er sie verlassen werde, war die größte Zäsur in ihrem Leben. 1971 zog er aus, 1974 erfolgte die Scheidung, das elterliche Sorgerecht für beide Kinder wurde ihr zugesprochen. Alles stand auf Anfang, und Iris ging ihren Weg. Sie arbeitete als Sekretärin, leistete Übersetzungsaufgaben, tippte bis in die Nacht Doktorarbeiten als Zuverdienst und begann, sich ein soziales Netzwerk und einen Freundeskreis aufzubauen. Im Januar 1982 schloss sie ihre Ausbildung als Industriekauffrau ab, und im Juli 1982 nahm sie ihre Arbeit im Rechtsreferat der Behörde für Wissenschaft und Forschung auf. Dort war sie für die Anerkennung ausländischer akademischer Grade zuständig und blieb dieser Aufgabe bis zum Eintritt in den Ruhestand 1998 treu. Sie hatte ihre berufliche Heimat gefunden. Zwischenzeitlich war sie von Eppendorf nach Winterhude gezogen, wo sie bis zu ihrem Tod geblieben ist. Sie liebte Kultur. Theater, Kino, Konzerte, Literatur Und sie liebte den Austausch mit Menschen. Sie war fast von Beginn an aktives Mitglied im Garten der Frauen, und war über viele Jahre in der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Winterhude aktiv. Als Mitglied der Theatergruppe, als Organisatorin der Veranstaltungsreihe ‚Kultur bei Kerzenschein', als Besucherin des Literaturkreises, und als Besucherin der Gottesdienste. Gerade in den späteren Jahren, als ihr Radius kleiner wurde, war das Wohnen im Herzen Hamburgs für Iris ein Geschenk. Sie blieb in Reichweite des Lebens, das sie so liebte. Sie führte ein offenes Haus, und gab fast bis zu ihrem Tod noch Englischunterricht. Sie besaß Grandezza. Und hat unser Leben reicher gemacht. In ihrer Vorausverfügung schrieb sie: ‚Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, jedoch an ein Lebendigsein in der Erinnerung derjenigen, die mich kannten'. Liebe Iris, wir halten diese Erinnerung wach und bewahren dich in unseren Herzen.