Rede zum 11. Geburtstag des Gartens der Frauen 2012

Heute feiern wir den 11. Geburtstag des Gartens der Frauen. Noch kein Alter für einen Garten und deshalb auch noch in voller Entwicklung. So ging es auch in diesem Jahr wieder einen Schritt weiter mit dem Garten: mit ein wenig mehr Fläche und einem Pavillon mit Rosen berankt und mit blauen Tafeln, auf denen der Sinn und der Zweck des Gartens der Frauen für die vielen neuen Besucherinnen und Besucher, die sich spontan aufmachen, den Garten der Frauen kennen zu lernen, erklärt wird.
Der Garten der Frauen wird immer bekannter, so soll es auch sein. Doch dies stellt uns auch vor neue Herausforderungen. So will der Garten der Frauen immer herausgeputzt, also empfangsbereit sein für seine Gäste. Und was das bedeutet, weiß unsere Gartengruppe nur zu gut. Unterstützung in der Gartenarbeit ist deshalb sehr willkommen.
Auch mit der weiteren Inneneinrichtung des Gartens der Frauen geht es immer weiter: Aufgenommen wurden in diesem Jahr bisher vier neue historische Grabsteine, mit denen an für uns bedeutende Frauen erinnert wird. Diese Grabsteine wollen wir heute einweihen.
Es handelt sich um die Grabsteine von drei Künstlerinnen und einer Politikerin. Die Künstlerinnen: eine Malerin und zwei Sängerinnen starben in relativ jungen Jahren: zwei im Alter von 41 Jahren, eine im Alter von 49 Jahren.
Von drei der vier Frauen wissen wir, dass sie aus Arbeiterfamilien stammten und sehr schwer in ihren beruflichen Bereichen arbeiten mussten.
Die vier Grabsteine sind im hinteren Bereich des Gartens der Frauen aufgestellt worden. An ihren Grabsteinen liegen auf Notenständern Portraits der Frauen aus und von der Malerin Charlotte Hilmer ein Bild, welches sie gemalt hat.
Birgit Kiupel und ich werden Ihnen nun die vier Damen vorstellen.
Der Grabstein von Charlotte Hilmer befindet sich im hinteren Teil des Gartens neben der Rundbank. Es ist eine mittelgroße Liegeplatte mit einer schönen graphisch gestalteten Inschrift.
Charlotte Hilmer
Malerin, Expressionistin
4.5.1909 Hamburg – 7.5.1958 Hamburg
Von Charlotte Hilmer wissen wir noch nicht, aus welchem sozialen Milieu sie stammte. Bei der Recherche nach den Lebensumständen der Frauen, an die wir im Garten der Frauen erinnern wollen, stoßen wir immer wieder auf unüberwindbare Hürden. Das Ausblenden der Frauen bereits zu ihren Lebzeiten trägt gerade auch nach ihrem Tod „Früchte“. Doch sind diese „Früchte“ nicht gefüllt, sondern nur leere Hülsen. Von Charlotte Hilmer gibt es noch heute in Aktionshäusern Bilder zu kaufen. Vielleicht mag jemand dort einmal nachrecherchieren.
Nach dem Abitur 1928 studierte Charlotte Hilmer von 1928 bis 1933 an verschiedenen Kunstschulen, so von 1928/29 an der Landeskunstschule in Hamburg; von 1929/30 an der Kunstakademie in Königsberg und von 1930 bis 1933 an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Während ihres Studiums beschäftigte sie sich hauptsächlich mit dem Aktstudium. Nach ihrer Ausbildung malte sie Portraits und Stillleben. Nach 1941 schuf sie auch Landschaften in Aquarell und Öl.
In der Zeit des Nationalsozialismus konnte sie sich künstlerisch nicht frei entfalten. Ihren eigenen, auf dem Expressionismus basierenden Stil entwickelte Charlotte Hilmer erst ab 1950 bis zu ihrem Tod 1958.
Studienreisen führten sie nach Holland, Italien und Dänemark. Seit 1939 hatte sie Kollektiv- und Einzelausstellungen, so z. B. in der Hamburger Kunsthalle, in Lübeck, Darmstadt und Göttingen.
Werke von Charlotte Hilmer befinden sich in der Hamburger Kunsthalle, im Märkischen Museum Witten und in Privatsammlungen.
Verheiratet war Charlotte Hilmer mit dem Bildhauer Arnold Hilmer (1908-1993). Das Paar hatte eine Atelierwohnung in der Langen Reihe im Hamburger Stadtteil St. Georg. Später lebten beide in der Etzestraße in Hamburg Fuhlsbüttel.
Kommen wir nun zu Anny Ahlers. Ihre Stele steht dort, wo sich das große Patenschaftsgrab mit der blauen Glastafel befindet. Ich übergebe an unser Mitglied Birgit Kiupel, Historikerin, die sich seit vielen, vielen Jahren besonders auch den Frauen in der Musik widmet und diese erforscht. Anni Ahlers
geb. 21.12.1902 in Hamburg, gest. 14.03. 1933 in London
Operettensängerin
Anni Ahlers war Ende der 1920er-Jahre neben der Ungarin Gitta Alpar die gefeierte Operettendiva Berlins. Sie wurde in Hamburg geboren und wohnte mit ihrer Mutter Auguste, geb. Leeberg, ihrer zwei Jahre älteren Schwester Mia und ihrem Stiefvater, dem Maurermeister Cäsar Buschitzky, in der Annenstraße im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Ihr leiblicher Vater war Zirkusstallmeister. Er machte seine Tochter im Alter von vier Jahren mit dem Bühnenmilieu vertraut. 1920 wurde sie als Tänzerin an die Hamburger Volksoper auf der Reeperbahn engagiert, an der sie bis zum Sommer 1924 blieb. Damit begann ihr Aufstieg von der Tänzerin zur Chor- und schließlich zur Solosängerin. Im Juni 1923 bekam Anni Ahlers ihre erste Solo-Rolle. Sie spielte die Rote Liesy in der Operette „Der fidele Bauer“.
Zu Beginn der neuen Spielzeit, im September 1924, ging Anni Ahlers nach Itzehoe, wo sie bis April 1925 am Stadttheater als Sängerin und Tänzerin engagiert war. Als die Spielzeit im Herbst wieder begann, wechselte sie ans Stadttheater nach Dortmund. Hier blieb sie wiederum nur für eine Spielzeit und ging im August 1926 nach Breslau. Dort hatte sie ihren ersten größeren Erfolg in der Operette „Lady Hamilton“. Die folgenden zwei Jahre blieb Anni Ahlers in Breslau.
1929 kam sie nach Berlin, wo sie schnell zu einem der Stars der Operetten- und Revuebühnen avancierte. Ihre erste größere Rolle war die der Barbarina in der Operette „Casanova“, eine reine Tanzrolle. Doch bereits im Jahr darauf erhielt sie ihre erste große Tanz- und Gesangsrolle, verkörperte die Victoria in „Victoria und ihr Husar“. Diese Operette schlug bei den Leipziger Operettenfestspielen im Juli 1930 sensationell ein und wurde danach mit viel Erfolg im Berliner Metropoltheater gespielt.
Jetzt meldete sich auch der Film. Im Jahre 1931 spielte Anni Ahlers in vier Streifen, der „Marquise von Pompadour“, dem „Wahren Jacob“, der „Faschingsfee“ und der „Liebesfiliale“. 1932 wirkte sie in dem musikalischen Lustspiel „Die verliebte Firma“ mit.
Im selben Jahr verließ Anni Ahlers Deutschland und ging ans His Majesty’s Theatre in London, wo sie in der Rolle der Dubarry in der gleichnamigen Operette Triumphe feierte. Doch diese Rolle wurde ihr möglicherweise zum Verhängnis. So jedenfalls sahen es manche Freunde und Kollegen, als Anni Ahlers infolge eines Sturzes aus dem Fenster starb. Sie meinten, Anni Ahlers habe, mondsüchtig veranlagt und überarbeitet, die Wirklichkeit mit ihrer Rolle verwechselt. Als Madame Dubarry musste Anni Ahlers durch ein Fenster über einen Balkon der Dekoration kriechen. Die Jury, die in England ungeklärte Todesfälle untersucht, kam zu dem Ergebnis, dass es sich um einen Suizid gehandelt habe.
Die Einäscherung von Annie Ahlers fand in London unter großer Beteiligung der Theaterwelt und im Beisein von Mutter und Schwester statt, die die Urne nach Hamburg überführten.
Rita:
Sie hören nun ein Stück aus einer Operette
Nun zu einer Politikerin. Ihr kleiner Kissenstein liegt vis a vis des Liegesteins von Charlotte Hilmer.
Johanne Reitze geb. Leopolt
geb.: 16.1.1878 in Hamburg, gest.: 22.2.1949 in Hamburg
Führende Funktionärin der sozialdemokratischen Frauenbewegung stammte aus einer Arbeiterfamilie. So war ihr Bildungsweg vorprogrammiert: Volksschule, Arbeit als Dienstmädchen, später als Arbeiterin. Johanne Reitze war in einer Druckerei tätig. Dort lernte sie Kollegen und Kolleginnen kennen, die sie mit der Arbeiterbewegung vertraut machten, so dass Johanne Reitze 1902 den Entschluss fasste, in die SPD einzutreten.
Zwei Jahre zuvor hatte sie den sozialdemokratischen Journalisten Johannes Carl Kilian-Reitze geheiratet. Auch er wird ihren politischen Weg beeinflusst haben. Zusammen mit ihm ging sie 1904 für ein halbes Jahr auf die Parteischule nach Berlin.
Von 1916 bis 1919 war Johanne Reitze Vorstandsmitglied im Landesvorstand der Hamburger SPD und bis 1931 regelmäßig Delegierte bei den SPD-Frauenkonferenzen und SPD-Parteitagen auf Reichsebene. So war sie sicherlich daran beteiligt, als im April 1918 erstmals eine gemeinsame Kundgebung der bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauen für das Frauenstimmrecht im Hamburger Gewerkschaftshaus stattfand. Die Zusammenarbeit zwischen bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauen war durch die schon während des Ersten Weltkrieges zustande gekommene Kooperation auf dem Gebiet der Kriegshilfe entstanden. Der Anstoß für die Zusammenarbeit in der Kriegshilfe war vom SPD-Parteivorstand und der Generalkommission der freien Gewerkschaften ausgegangen. Sie riefen, nachdem: „die sozialdemokratische Reichstagsfraktion für die Bewilligung der Kriegskredite gestimmt hatte, die Genossinnen (…) zu einer ‚allgemeinen Hilfsaktion‘ auf. Um eine Zersplitterung der Kräfte in der Kriegsfürsorge zu vermeiden, sollten sie gemeinsam mit den bürgerlichen Frauen im Nationalen Frauen Dienst tätig werden. Diese Aufforderung entsprach der Burgfriedenspolitik, die die Mehrheit in der SPD-Führung [so auch Johanne Reitze] seit Kriegsbeginn in dem Glauben betrieb, daß Deutschland einen ‚Verteidigungskrieg gegen den russischen Despotismus‘ führe“.
Neben dieser Tätigkeit in der Kriegshilfe war Johanne Reitze auch Beiratsmitglied des Hamburger Kriegsversorgungsamtes und des Speiseausschusses der Kriegsküchen und arbeitete für die Kriegsfolgehilfe und die Kriegshinterbliebenenfürsorge.
Von 1919 bis 1921 wurde Johanne Reitze Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und von 1919 bis 1933 Mitglied des reichsweiten SPD-Parteiausschusses.
Ein Höhepunkt ihrer Parteikarriere war die 1919 erfolgte Wahl in die Nationalversammlung. 310 Frauen waren für die Wahl aufgestellt worden. Das war damals sehr viel und hatte seine Ursache darin, dass nach der Novemberrevolution auch die bürgerlichen Parteien, die sich bis dahin gegen die staatsbürgerliche Gleichstellung der Frauen gewehrt hatten, die Frauen entdeckt hatten – schließlich waren dies potentielle Wählerinnen. Allerdings wurden nur 36 Frauen in die Nationalversammlung gewählt, drei rückten nach. Damit machten die Parlamentarierinnen 9,6% aller Parlamentarier in der Nationalversammlung aus. Unter ihnen war Johanne Reitze, die lange Zeit die einzige weibliche Abgeordnete aus dem Wahlkreis Hamburg war.
Das Hauptbetätigungsfeld der Politikerinnen waren die „angestammten“ so genannten Frauenbereiche wie Sozialpolitik, Wohlfahrtspflege, Jugend-, Gesundheits- und Schulpolitik. Dadurch war es den Politikerinnen nicht möglich, auf allen Politikfeldern die Interessen der Frauen einzubringen. Die „Große Politik“ richtete sich weiter nach den Interessen der männlich dominierten Gesellschaft.
Über das Wirken Johanne Reitzes während der NS-Zeit ist kaum etwas bekannt. 1944 wurde sie von der Gestapo verhaftet und kam in Schutzhaft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie am Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt beteiligt. Eilbekthal 62 (Wohnadresse)
Rita:
Kommen wir nun zu Katharina Klafsky. Wenn Sie sich diesen Stein ansehen wollen, dann müssen Sie sich in den Teil des Gartens begeben, wo auch der schöne Grabstein mit den zwei Frauen: der Trauernden und der Hoffenden steht.
Birgit bitte:
Katharina Klafsky (gesch. Liebermann verw. Greve verh. Lohse)
geb. 19.09.1855 in St. Johann/Ungarn, gest. 22.09.1896 in Hamburg
Auf dem Grabstein steht nur ihr Vorname: „Katharina“ . Kein Geburts- und Sterbedatum, kein Nachname. So war es von Katharina Klafsky gewollt.
Sie wurde am 19. September 1855 in dem deutsch-ungarischen Dorf St. Johann als Tochter eines Flickschusters geboren. Schon als Kind fiel sie durch ihre besondere stimmliche Begabung auf und sang ab dem achten Lebensjahr im Kirchenchor. Eine Gesangsausbildung konnten ihre Eltern jedoch nicht bezahlen. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahre 1870 und der Wiederverheiratung ihres Vaters verließ Katharina Klafsky ihr Heimatdorf. Es war für sie zu Hause noch enger geworden. Sie zog nach Sopron und weiter nach Wien. Ihr Wunsch war es, zu singen. Aber da sie weder Geld hatte noch einflussreiche Menschen kannte, blieb ihr nichts anderes übrig, als zuerst einmal als Kindermädchen zu arbeiten. Ihrem Dienstherrn fiel ihre Begabung auf. Er schickte sie 1873 zu einem Organisten, der sie nach kurzer Ausbildung an den Direktor der „Komischen Oper“ in Wien empfahl, wo sie eine Anstellung als Choristin für 30 Gulden im Monat bekam. Auch in Wien fiel Katharina Klafsky auf. Der Konzertmeister vermittelte sie an Mathilde Marchesi, die später zur bedeutendsten Gesangspädagogin des 19. Jahrhunderts werden sollte. Die Kosten für die Ausbildung wurden durch Spenden von „hohen Persönlichkeiten“ getragen.
Nach knapp zwei Jahren brach Katharina Klafsky die Ausbildung jedoch ab. Freunde müssen ihr eingeredet haben, sie habe einen solchen „Schulzwang“ nicht nötig, und sie war naiv genug, das zu glauben. Doch schnell bereute sie diesen Schritt, denn anders als ihr vorgegaukelt, fand sie kein Engagement als Solistin und musste weiterhin als Choristin tätig sein. Am Salzburger Stadttheater hatte sie erste kleinere Erfolge. Zum ersten Mal wurde auch die Öffentlichkeit auf sie aufmerksam. Doch wieder brach sie ab, was sich langsam zu entwickeln begann. Sie heiratete den Kaufmann Liebermann und zog mit ihm nach Leipzig, wo sie zwei Söhne gebar. Da die Ehe jedoch nicht glücklich verlief, trennte sich das Ehepaar (später kam es zur Scheidung), und Katharina Klafsky nahm wieder ein Engagement an der Oper an. Am Leipziger Stadttheater, dessen Operndirektor zu jener Zeit Angelo Neumann war, sang sie im Chor und übernahm kleinere Rollen, bei „bescheidener Gage“. Wiederum stellten sich kleine Erfolge ein, so dass sie hin und wieder auch größere Aufgaben bekam. Am 8. September 1879 sang sie ihre erste große Rolle in einer Operette, am 22. Oktober 1879 ihre erste große Wagner-Partie, die Venus in „Tannhäuser“. Eine Wagnersängerin war geboren. Angelo Neumann schreibt später: „Katharina Klafsky ist in Leipzig von mir als Anfängerin eingeführt und eine jener jungen Kräfte, die ich mir nach und nach herangezogen habe.“1
Als er im Sommer 1882 ein Tournee-Ensemble gründete, um Wagners „Ring der Nibelungen“ in ganz Europa aufzuführen, nahm er auch Katharina Klafsky mit, die inzwischen Studien bei Joseph Sucher und Friedrich Rebling absolviert hatte. Sie sang vornehmlich kleinere Rollen, nur ausnahmsweise bekam sie auch einmal eine größere Partie wie in Danzig, als Neumann völlig überraschenderweise sie anstelle der damals weltberühmten Therese Vogl mit der Rolle der Sieglinde betraute.
Während einer Tournee durch Italien im Mai 1883 erkrankte Katharina Klafsky an einer schweren Venenentzündung und Malaria. Nach vier Monaten erst wurde sie aus dem Krankenhaus in Turin entlassen. Obwohl noch schonungsbedürftig, musste sie aus finanziellen Gründen schnell wieder arbeiten. Für die Spielzeit 1883/84 nahm sie bereits ein Engagement bei Angelo Neumann an, der inzwischen Direktor am Bremer Stadttheater geworden war. Vorher reist sie nach Leipzig, um ihre Kinder abzuholen, die dort in Pflege waren.
Auch in Bremen war sie nur für mittlere Rollen vorgesehen, zumal man ihr nach der langen Krankheit keine großen Rollen zutraute. Doch durch den Tod der Primadonna Hedwig Reicher-Kindermann und Misserfolge anderer Kolleginnen erhielt sie die Chance, große Partien zu singen. Ihre Leonore in Beethovens „Fidelio“ wurde ein Riesenerfolg – der Durchbruch war geschafft. Sie arbeitete jetzt ohne jede Rücksicht auf sich und ihre Stimme: „Das körperliche Befinden der Klafsky war übrigens im Winter 1884/85 von der bedeutenden Anstrengung, eine ganze Reihe großer Partien neu zu studieren, zahllosen Proben beizuwohnen und daneben an sechzig Abenden die schwersten und angreifendsten Rollen zu bewältigen, doch recht ungünstig beeinflusst worden; auch stimmlich machte sich vereinzelt eine besorgniserregende Ermüdung geltend. Vor allem war die rastlos Strebende, wie sie ihrem zur Vorsicht mahnenden Lehrer, Paul Geisler, später eingestand, ‚rasend nervös’ geworden“.1 Bei ihrem ersten Auftritt in Berlin im März 1885 erfüllte sie die Erwartungen ihrer Zuhörer dann auch so wenig, dass weitere schon verabredete Gastspiele dort nur auf inständiges Bitten ihres Lehrers zustande kamen. Doch bald muss Katharina Klafsky sich wieder gefangen haben. Bei Gastspielen in Hamburg und Wien wurde sie kurz darauf stürmisch gefeiert und „als eine reine, zum höchsten berufen, mit den größten Mitteln ausgestattete und reichbegabte Künstlernatur“1 anerkannt. Von ihrer Isolde, die sie im Hamburger Stadttheater am 05. Mai 1885 zum ersten Mal sang, hieß es im „Hamburger Fremdenblatt“: „Die Isolde der Frau Klafsky repräsentiert diese reine Menschlichkeit, das nur ihrem glühenden Empfinden gehorchende Weib in jedem Zuge, ohne jemals in der Darstellung oder musikalisch die Grenze der Schönheitslinie zu überschreiten.“1
1886 nahm Katharina Klafsky ein festes Engagement am Hamburger Stadttheater an und blieb hier mit Unterbrechungen bis zu ihrem Tode. 1887 heiratete sie den Bariton Franz Greve, der ebenfalls zum Ensemble des Stadttheaters gehörte. Mit ihm hatte sie eine Tochter.
Die Hamburger Zeit war geprägt von zahlreichen großen Erfolgen am eigenen Haus und bei Gastspielen in Berlin, Köln, Stuttgart, Wien, Paris, London und St. Petersburg. Sie sang nicht nur an Opernhäusern, sondern trat auch in Konzertsälen und bei Musikfesten auf. Am 12. Mai 1892 starb Franz Greve. 1895 heiratete Katharina Klafsky ihren dritten Mann, den Kapellmeister am Hamburger Stadttheater, Otto Lohse. Im gleichen Jahr brach sie ihren Vertrag mit dem Stadttheater und verließ Hamburg für eine ausgedehnte Tournee durch die USA. Ihr erster Auftritt fand am 12. November 1895 in Cincinnati statt, Katharina Klafsky sang die Brünnhilde in der „Walküre“. Als nächste Station folgte Chicago. Nach überaus erfolgreichen Auftritten in mehr als 20 Städten der USA endete die Tournee im März 1896 mit mehreren Abenden in New York.
Nach ihrer Rückkehr nach Hamburg traf sie mit dem Stadttheater ein Arrangement, das ihr erlaubte, einen Teil der Saison in Hamburg, den anderen in den USA zu verbringen. Doch das sollte sie nicht mehr ausschöpfen können. Am Abend des 11. Septembers 1896, als sie wieder einmal die Leonore im „Fidelio“ gesungen hatte, bekam sie heftige Beschwerden – ein Gehirngeschwulst, das sie sich wahrscheinlich in den USA zugezogen hatte, als sie gegen eine Tischplatte gefallen war. Katharina Klafsky starb am 22. September 1896 an den Folgen der Operation. Sie war erst 41 Jahre alt und auf der Höhe ihrer gesanglichen Fähigkeiten.
Die Bestattung fand am 25. September 1896 auf dem Ohlsdorfer Friedhof statt. Mehrere tausend Menschen nahmen an der Beerdigung teil. Der Vorplatz des Friedhofes und der ganze Weg bis zur Kapelle 2 sollen so überfüllt gewesen sein, dass der Trauerzug kaum hindurch kommen konnte. Katharina Klafsky hatte alles bühnenreif inszeniert: Im Gewand der reinen, der „heiligen“ Elisabeth aus dem letzten Akt von Wagners „Tannhäuser“ ließ sie sich in der Grabstätte ihres zweiten Mannes Franz Greve beisetzen. Das Orchester des Stadttheaters spielte den Chor „O Isis und Osiris“ aus Mozarts „Zauberflöte“, in dem die Priesterversammlung die Erwartung ausspricht, dass der Prinz Tamino bald der Eingeweihten würdig sein werde. Die Hoffnung und der Wunsch auf Entsühnung mögen die Beweggründe für Katharina Klafskys letzten Willen gewesen sein.
Ob sie bei ihrer Entscheidung für die Elisabeth wohl daran gedacht hatte, das das Pendant, die Venus, ihre erste große Rolle auf der Bühne gewesen war?
Rita:
Von Katharian Klafsky gibt es keine Tonaufnahmen, schließlich starb sie bereits 1896.
Musik:
O Isis und Osiris.
Zitate:
Johanne Reitze:
Karen Hagemann, Jan Kolossa: Gleiche Rechte, Gleiche Pflichten, Hamburg 1990.
Katharina Klafsky:
Ludwig Ordemann: Aus dem Leben und Wirken von Katharina Klafsky. Hameln, Leipzig 1903.