Neue Grab- und Erinnerungs- steine im Garten der Frauen
Neue Grab- und Erinnerungssteine im Garten der Frauen
Neue historische Grabsteine im Garten der Frauen
Aktuelles Grabsteine
Gabriela Giordano
Malerin


Gabi & Frieda, gemalt von Gabriela Giordano


Hamburg
–
20.2.1998
Hamburg
Gabriela Giordano war das jüngste Kind der Klavierlehrerin Lilly Giordano, geb. Seligmann-Lehmkuhl (16.1.1897 Hamburg – 1.1.1980 Hamburg) und des Pianisten Alfons Giordano. Für Lilly Giordano, die mit Gabriela im Alter von 48 Jahren schwanger wurde, befindet sich ein Erinnerungsstein in der Erinnerungsspirale im Garten der Frauen.
Gabriela Giordano hatte noch drei Geschwister, unter ihnen der spätere Schriftsteller Ralph Giordano (1923-2014).
Die Familie lebte nach dem Krieg in einer Wohnung an der Elbchaussee und war damals antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. „Gegen verleumderische Handzettel mit der Aufschrift ‚Judenschweine raus!‘ strengte [die Familie Giordano] (…) eine Strafanzeige gegen Unbekannt an, die zu Ermittlungen bis ins Jahr 1954 führte, ohne dass Täter gefasst wurden (…).“1)
In den 1960er Jahren zog Gabriela Giordano mit ihren Eltern in die Hufnerstraße 118. 1972 starb der Vater. 1978 kam Gabriela Giordano in die Alsterdorfer Anstalten. Ein Jahr später zog ihre Mutter, nun 82 Jahre alt, in das nicht weit von den damals so genannten Alsterdorfer Anstalten entfernte Pflegeheim Alsterberg, wo sie am 1.1.1980 verstarb.
Nach dem Tod ihrer Mutter lebte Gabriela Giordano in den 1980er Jahren im Stadthaus Schlump, damals eine Außenstelle der Alsterdorfer Anstalten (heute evangelischen Stiftung Alsterdorf). Zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Frida war sie regelmäßiger Gast im Atelier der Schlumper, hatte sich aber als bildende Künstlerin nie solch einen Namen gemacht wie zum Beispiel Inge Wulff.
Zu ihrem berühmten Bruder Ralph Giordano hatte sie zu ihrem Bedauern kaum Kontakt. In seinem autobiographischen Roman „Die Bertinis“ erwähnt Ralph Giordano seine Schwester, die im Roman Kezia genannt wird, und lässt den Arzt, der bei der Geburt dabei gewesen war, sagen: „‘Ihre Schwester ist ein mongoloides Kind. (…) Es war vorauszusehen. Das Alter der Mutter, die Erlebnisse während der Schwangerschaft, die Jahre davor. (…). Dieses Kind hätte nie geboren werden dürfen.‘ (…). Vielleicht hättet ihr vergessen können, was hinter euch liegt. Aber mit diesem Kind – nie.‘ (…).
Mit der Geburt dieses Kindes war also keine neue Zeitrechnung in der Chronik der Sippe angebrochen, wie er [Roman Bertini] gehofft hatte in der Stunde der Eröffnung, daß Lea schwanger sei. Es war nichts mit der Erwartung, daß mit diesem Kind nicht nur ein Bertini-Sproß ohne Verfolgung und Angst, in Freiheit und Sicherheit aufwachsen würde, sondern dermaleinst auch den Unterschied kennte zwischen seinem Leben und der Nacht der Brüder, Eltern und Großeltern, deren Geschichte ihm dann nur mehr klänge wie eine ferne Sage.“2) Zum Schluss des Buches schreibt Ralph Giordano wen Roman Bertini, der sich mit dem Gedanken getragen hatte, auszuwandern, schlussendlich doch in Hamburg hielt: „Lea hielt ihn, seine standhafte, hilflose, unermüdliche und schwache Mutter. Und Alf hielt ihn, (…) wie konnte er den Vater verlassen? Und Kezia hielt ihn, seine Schwester, die nie wissen würde, wer ihre Brüder waren: Kezia Bertini, deren Umnachtung ihre Angehörigen immer an die Vergangenheit erinnern würde, und die in Roman die wunderbar tröstliche Gabe des Menschen auslöste, Hilflose mehr zu lieben.“3)
Quellen: 1. Peter Petersen: Lilly Giordano, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen (Hg.), Hamburg: Universität Hamburg, 2014 (www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00005725).
2) Ralph Giordano: Die Bertinis. Frankfurt a. M. 1982, S. 788f.
3) Ralph Giordano, a. a. O., S. 809.
Inge Wulff
Malerin




Hamburg
–
26.5.1997
Hamburg
Inge Wulff kam im Alter von 15 Jahren in die Alsterdorfer Anstalten. 1982 zog sie in das Stadthaus Schlump, eine Außenstelle der damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute: Evangelische Stiftung Alsterdorf). Dort besuchte sie in ihrer Freizeit ab 1984 das von dem Hamburger Künstler Rolf Laute (1940 – 2013) gegründete Kelleratelier der „Schlumper“. Schnell zeigte sich Wulffs künstlerisches Talent und ihre Begeisterung für Malerei und Zeichnung. Hauptberuflich war Inge Wulff jedoch bis 1993 in der Montage- und Verpackungsabteilung der Elbewerkstätten tätig, da ihre Betreuer eine hauptberufliche Tätigkeit als Künstlerin für sie nicht befürworteten.
Die Ateliergemeinschaft „Die Schlumper“ entstand in den 1980er Jahren und fand 1983 einen festen Ort im Stadthaus Schlump in der Straße Beim Schlump in Hamburg. Künstler*innen mit unterschiedlichen Behinderungen trafen sich dort zum gemeinsamen Schaffen. Mit Hilfe des 1985 gegründeten Fördervereins ‚Freunde der Schlumper‘ und der Unterstützung der ‚Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Hamburg‘ gelang es 1993 das Arbeitsprojekt ‚Schlumper von Beruf‘ zu initiieren. So wurde die Möglichkeit für die Künstler*innen geschaffen, ihrer Tätigkeit hauptberuflich nachzugehen. Seit Anfang 2002 gehört das ehemalige Arbeitsprojekt mit sozialversicherten Künstlerarbeitsplätzen zur Ev. Stiftung Alsterdorfer, Bereich Alsterarbeit.“1) Inge Wulff wurde hauptberuflich Künstlerin und blieb dies bis zu ihrem Tod 1997. Ihre Bilder waren in zahlreichen Ausstellungen vertreten, u. a. auch in der Hamburger Kunsthalle 2005/2006.
Die Kunsthistorikerin Maike Bruhns schreibt über Inge Wulffs Kunst: „Hochbegabt, Kompositionen aus großen Formen teils in reiner Farbfeldmalerei, teils mit gegenständl. Elementen versehen, Strichmänner, Kinderzeichnungen.“2)
Günther Gercken äußerte über die Künstlerin Inge Wulff: „Sie besaß eine künstlerische Hochbegabung., Ihre Bilder komponierte sie aus großen Formen und bereicherte sie mit ihrer persönlichen Schrift oder figürlichen Einzelheiten. Sie hat Bilder geschaffen, die unsere Welt bereichern und weiter bestehen werden.“ Und im Ausstellungskatalog „Die Schlumper Kunst in Hamburg“ aus dem Jahr 2005 heißt es über Inge Wulffs Werke u. a. : „Ihre ausgewogenen Kompositionen fand sie unmittelbar im Malprozess. Die bildnerischen Entscheidungen, die uns wohlüberlegt erscheinen, wurden weitgehend vom Unbewussten gesteuert. Die großen Formen bereicherte sie mit kleinen Details und mit Schriftelementen. Sie vermied es, dass die Kombination der verschiedenen Bildelemente additiv wirkt; im Gegenteil verstand sie es, Kleinteiligkeit und Großformigkeit zu einer überzeugenden Gesamtkomposition zu vereinen. In dunklen Rahmenbildern füllte sie die weißen Flächen mit primitiven Figuren von Menschen und Tieren. Ihre Bilder, die zunächst abstrakt erscheinen, sind in Wirklichkeit gegenständlich. Wenn man sich in ihre eigenwillige Formensprache eingesehen hat, erkennt man, dass sie in ihren Bildern Gesehenes und Erlebtes schildert.“3)
Gruppenausstellungen (Auswahl): 1989 Hamburg, Kampnagelfabrik, 1991 Freiburg an der Elbe, Kehdinger Kunstverein, 1993 Berlin, KulturBrauerei, 1994 Meldorf, Landesmuseum, 1995 Ahrensburg, Marstall, 1996 Bonn, Bundesgesundheitsministerium, 1999 Bonn, Landesvertretung Hamburg, 2001 Lütjensee, Tymmo Kirche, 2001 Prag, Rathaus, 2002 Chicago, Cultural Center, 2002/2003 Rostock, Kunsthalle, 2003 Göttingen, Kunstverein, 2005/2006 Hamburg, Kunsthalle, 2008 San Gimignano, Galleria D´Arte Moderna e Contemporanea, 2009 Lübeck, Kulturforum Burgkloster
Quellen: 1) https://www.schlumper.de/atelier.html und: Seite „Die Schlumper“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Januar 2025, 17:05 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Die_Schlumper&oldid=252805108 (Abgerufen: 15. März 2025, 08:10 UTC)
2) Der Neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs. Überarbeitete Neuauflage des Lexikons von Ernst Rump (1912). Hrsg. von Familie Rump, ergänzt, überarb. Und auf den heutigen Wissensstand gebracht von Maike Bruhns. 2. Aufl. Neumünster 2013, S. 525.
3) Die Schlumper. Kunst in Hamburg. Hrsg. von der Hamburger Kunsthalle anlässlich der Ausstellung „Die Schlumper Kunst in Hamburg“ vom 25. November 2005 bis 29. Januar 2006. Hamburg 2005, S. 30.
Mary Kid
geb. Agnes Erna Gertrud Keul

8.8.1904
Berlin
–
29.10.1986
Hamburg

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Agnes Erna Gertrud Keul, Tochter von Agnes Keul, geborene Hilbrecht und des Arbeiters Bernhard Keul absolvierte in Hamburg eine Schauspielausbildung. Im Alter von 17 Jahren wurde sie von ihren Eltern nach Berlin geschickt, um dort eine Handelskurs zu besuchen.1) Dort lernte sie in Gesellschaft den Grafen Sascha Kolowrat kennen, den Gründer der Wiener Sascha-Film-Gesellschaft und wurde vom Fleck weg engagiert. In Wien wurde sie unter dem Künstlerinnennamen Mary Kid zum Star aufgebaut und durfte sofort Hauptrollen spielen. Dies war, so Mary Kid in einem Interview, damals zur Zeit des Stummfilms noch möglich.1)
1923 trat sie in ihren ersten Stummfilmrollen auf.
1924 kehrte sie nach Deutschland zurück und spielte hier zum Beispiel in den Stummfilmen „Lumpen und Seide“ (1924); „Eifersucht“ (1925) „Der Bastard“ (1925); „Das Gasthaus zur Ehe“ (1926); „Mädchenhandel – eine internationale Gefahr“ (1926); „Gauner im Frack“ (1926); „Die Pflicht zu schweigen“ (1927); „Lützows wilde verwegene Jagd“ (1927).
Der Stummfilm „Vorderhaus und Hinterhaus“ aus dem Jahr 1925, in dem Mary Kid auch mitspielte, durchlief sieben Zensurprüfungen mit dem Resultat: Aufführungsverbot. Schließlich erteilte die Oberprüfstelle eine Aufführungserlaubnis, aber nur unter der Bedingung, dass der Film für die Jugend gesperrt bleibe. Bemängelt wurden angeblich sittlich anstößige Passagen.
1928 ging Mary Kid zurück nach Österreich, wo sie weiterhin als Filmschauspielerin tätig war, so z. B. in den Stummfilmen „Andere Frauen“ von 1928, in dem es um weibliche Homosexualität geht.
Zu ihren letzten Stummfilmen gehörte die 1930 gedrehte heitere Geschichte „Der Onkel aus Sumatra“.
Mary Kid zog dann nach Italien, wo sie in zwei Tonfilmen auftrat: in der Komödie „Rubacuori“ (1930), in der es um einen gealterten Frauenhelden geht und in der Romanze „Saltarello – Ein Roman zweier Menschen“ (1932).
Damals muss sie laut einem Artikel in „Mein Film“ aus dem Jahre 1934 einen amerikanischen Finanzmann geheiratet haben, den sie auf Geschäftsreise nach China begleitete und deshalb über ein Jahr lang keinen Film mehr drehte. 1934 zurück in Österreich stand sie im selben Jahr nochmals vor der Kamera. Durch ihren Mann, der sich geschäftlich für ein neues Farbfilmverfahren interessierte, stand sie für Testaufnahmen für solch ein Verfahren vor der Kamera. Dann zog sich Mary Kid aus der Filmbranche zurück.
1955 heiratete sie in zweiter Ehe den Theaterleiter Werner Jaeger. Laut Nachtragseintrag in ihrer Geburtsurkunde soll sie 1938 in Bukarest geheiratet haben. 2)
Mary Kid starb 1986 3) im israelitischen Krankenhaus Hamburg und wurde im anonymen Urnenhain bei Kapelle 8 auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt.
Quellen:
„Filmen ist eine Leidenschaft, sagt Mary Kind, in: Mein Film Nr. 446, 1934.
Geburtsurkunde, aus: ancestry.
Generalregister Sterbefälle 1951-1993, unter: https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/behoerde-fuer-kultur-und-medien/einrichtungen/staatsarchiv/332-5-standesaemter-generalregister-sterbefaelle-111622 (abgerufen: 18.11.2024)
Marianne Woebcke-Nage
Bildhauerin

31.12.1906
Hamburg
–
16.09.1988
Hamburg


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Ihre berufliche Laufbahn begann Marianne Nagel mit einem Schneiderkurs an der Gewerbeschule, danach ab 1926 mit einer Ausbildung zur MTA am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf und einem halbjährigen Handelsschulkursus im Jahr 1931. Schließlich absolvierte sie zwischen 1933 und 1936 eine Bildhauerausbildung bei Johann Bossard.
Nachdem sie ein Jahr im Atelier von K. Bauer gearbeitet hatte, bekam sie 1937 ein eigenes Atelier im Künstlerheim Birkenau 24. Ein Reisestipendium für Paris verwendete sie zu dessen Ausstattung.
Als der Zweite Weltkrieg begann, musste ein Praktikum in der keramischen Fabrik Meimerstorf absolvieren, in der sie ‚Winterhilfspakete‘ herstellte. Marianne Woebke-Nagel trat damals nicht der NSDAP bei. 1943 wurde ihr Atelier ausgebombt. Sie floh nach Tübingen, wo sie schwer erkrankte. 1944 kehrte sie nach Hamburg zurück.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus arbeitete sie ab 1946 an der Kunstschule und heiratete 1952 den Bildhauer, Maler, Grafiker Albert Woebcke (1896-1980).
Das Paar lebte in Marianne Woebcke-Nagels Elternhaus in der Erikastraße 178.
Marianne Woebcke-Nagel, die auch Weihnachtskrippen für Kirchen anfertigte, bekam zwischen 1960 und 1975 Aufträge für das Hamburger Panoptikum, womit sie das Geld für den Unterhalt der Familie verdiente. So modellierte sie für das Panoptikum zum Beispiel in Ton den Kopf des Fußballspielers Uwe Seeler. Insgesamt fertigte sie 33 Büsten an.
Sie wurde bei ihrem Ehemann auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet. Das Grab gilt als Prominentengrab, weil Albert Woebcke – im Gegensatz zu seiner ebenfalls bildhauerisch tätigen Ehefrau – als prominent eingestuft wurde. Marianne Woebcke-Nagel wurde in der Prominentenliste des Friedhofes nicht aufgeführt.
Geburts- und Todestage
Neue Biografien von Frauen, deren Grabsteine und Erinnerungssteine im Garten der Frauen stehen:
Aus den Medien
SWR 3 Feature zum Garten der Frauen
Beitrag Tiede-TV
Veröffentlicht am 08.03.2016