Frauen aus Politik & Soziales

Jede Frau erzählt ihre eigene Geschichte – entdecken Sie ihr Vermächtnis.

Historische Grabsteine: Politik & Soziales

    Grete Albrecht

    geb. Hieber

    Neurologin, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes

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    17.8.1893
    Hamburg

    5.8.1987
    Braunlage
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    Elfriede Margarete "Grete" Albrecht war die Tochter von Charlotte Emilie Hieber, geb. Kammann und des Brauereidirektors Albert Friedrich Hieber. Wenn in ihrer Kindheit über die zukünftigen Berufe der Geschwister gesprochen wurde, hieß es vom Vater: "Mädchen heiraten oder werden Lehrerin." Grete wollte aber weder Lehrerin werden, noch hatte sie als Kind den Wunsch, später einmal zu heiraten. Als sie ungefähr zwölf Jahre alt war, verkündete sie ihren Eltern, später Medizin studieren zu wollen. Ihr Vater nannte dies einen "Spleen", denn: "Mädchen können gar nicht Arzt werden." Als Grete Hieber fünfzehn Jahre alt war, starb der Vater und Grete konnte ihre Mutter überreden, sie Abitur machen zu lassen. Da es damals noch keine Mädchengymnasien gab, besuchte sie eine Privatschule des Vereins für Mädchenbildung und Frauenstudium. 1913 legte sie als Externe das Abitur an einem Realgymnasium für Jungen ab. Um sie von ihrem Berufswunsch Ärztin abzubringen, schickte ihre Mutter sie zu ihrem alten Hausarzt, damit dieser ihr ins Gewissen rede. Doch auch ihm gegenüber äußerte Grete Hieber den Berufswunsch Ärztin, woraufhin sie eine kräftige Ohrfeige von ihm bekam mit der Bemerkung: "Dummes Gör…" Schließlich durfte Grete Medizin studieren, was sie bis 1918 in München, Freiburg i. Br., Kiel und Berlin tat. Als sie nach ihrem Medizinalpraktikum, das sie in einem Berliner Krankenhaus absolvierte, einen praktischen Arzt, der als Soldat eingezogen war, in dessen Praxis vertrat, wurde ihr klar, warum sie Medizin hatte studieren wollen. So schreibt sie in ihren privaten Aufzeichnungen: "Die Arbeit in der großen Kassenpraxis, die in einem Arbeiterviertel lag, mit fünfzig bis sechzig Patienten an einem Nachmittag, war neu und aufregend für mich. Zum ersten Mal war ich allein verantwortlich für alles was ich tat oder nicht tat." In dieser Zeit in Berlin wurde Grete Albrecht auch die "Rote Grete" genannt. Am Ende ihres praktischen Jahres heiratete sie im April 1919 den Juristen Siegfried Ludwig Hermann Albrecht (1890-1967). Im selben Jahr machte sie ihr Staatsexamen und erhielt ihre Approbation. 1920 wurde ihr erster Sohn geboren. Im selben Jahr promovierte sie. 1922 kam dann der zweite Sohn zur Welt. Zwei Jahre später übernahm sie zweimal wöchentlich Beratungsstunden in einer Beratungsstelle der Säuglings- und Kleinkinder-Fürsorge. Doch immer stärker wurde der Wunsch, sich mehr der Medizin widmen zu können. So fing sie in einem Hamburger Krankenhaus als Volontärärztin an und arbeitete auf der Inneren Abteilung und später auf der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Doch Ihr Interesse galt zunehmend den seelischen und neurologischen Erkrankungen. Deshalb absolvierte sie zwischen 1928 und 1929 eine Weiterbildung bei Ernst Kretschmer in Marburg. Ihre beiden Kleinkinder hatte sie nach Marburg mitnehmen müssen. Ende 1929 kehrte sie mit ihren Kindern nach Hamburg zurück und vervollständigte ihre Fachausbildung bei Prof. Nonne in der Neurologie der Universitätsklinik Hamburg Eppendorf. 1931 ließ sie sich dann als Neurologin nieder. Auch wurde sie Mitglied des Deutschen Ärztinnenbundes, dessen Geschäftsführerin sie 1935 wurde. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten trat der Erlass des Doppelverdiener-Gesetzes in Kraft, wonach u.a. Ärztinnen keine Kassenpraxis führen durften, wenn der Ehemann verdiente. Grete Albrecht verlor 1936 ihre Kassenzulassung, weil ihr Ehemann nach den Nürnberger Rassengesetzen als "Jüdischer Mischling ersten Grades" galt. Im selben Jahr verließ sie auch den Deutschen Ärztinnenbund. Noch 1934 hatte sie sich dort gegen die Diskriminierung verheirateter Ärztinnen eingesetzt. 1942 wurde ihr zweiter Sohn als Soldat getötet. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus nahm Grete Albrecht 1945 ihre Praxis in ihrer Privatwohnung wieder auf. Zwei Jahre später wurde die Ehe geschieden. Neben ihrer ärztlichen Tätigkeit baute sie nach dem Krieg die Hamburger Ärztekammer wieder mit auf. 1945 wurde sie in deren Vorstand gewählt und gehörte ihm bis 1962 an. Auch beteiligte sie sich an der Neugründung des Deutschen Ärztinnenbundes. Auch hier war sie ab 1945 im Vorstand tätig und von 1955 bis 1965 dessen Präsidentin sowie bis 1969 dessen Ehrenpräsidentin. Während dieser Zeit amtierte sie auch von 1958 bis 1962 als Vize-Präsidentin des Internationalen Ärztinnenbundes. Grete Albrecht wollte durch diese ehrenamtlichen Aktivitäten die Stellung der Frau als Ärztin in der Öffentlichkeit festigen und fördern. 1962 wurde sie mit der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft ausgezeichnet, weil sie auch in "schwerster Notzeit unbeirrt trotz ihr persönlich drohender Gefahren am Leitbild des Arztes als Helfer der sich ihm anvertrauenden Menschen festhielt".

    Anne Banaschewski

    Direktorin des Instituts für Lehrerfortbildung

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    16.5.1901
    Welschbillig

    4.5.1981
    Hamburg
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    "Wer nicht an Entscheidungen mitwirkt, über den wird verfügt. Das gilt im kleinen Rahmen der Schule und des Verbandes, wie es im größeren der Gesellschaft und des Staates gilt", schrieb Anne Banaschewski in einem Aufsatz, um Frauen zu motivieren, sich als Schulleiterinnen zur Verfügung zu stellen. Anne Banaschewski, seit 1945 schulreformerisch tätig, stritt u. a. für einen höheren Anteil von Frauen in den Schulleitungen und für eine Bildung, die Mädchen nicht nur auf die "kurze Übergangszeit zwischen Schulentlassung und Ehe" vorbereitet, sondern schulisch und beruflich ausbildet, so dass auch Frauen die Möglichkeit des lebenslangen Lernens erhalten. Anne Banaschewski wuchs mit fünf Geschwistern in einem bürgerlichen Elternhaus auf. Nach dem Abitur studierte sie Kunstgeschichte, Literatur und mittelalterliche Geschichte und promovierte 1923. Danach arbeitete sie bei einem Verlag, später als Redakteurin bei einer Literaturzeitschrift in München. 1926 wurde sie Mutter eines Sohnes. Nach freier journalistischer Tätigkeit, seit 1927 in Hamburg, konnte sie 1929 durch ein Stipendium ein Studium an der Uni Hamburg beginnen. Nach dem 1. Staatsexamen trat sie in den Volksschuldienst ein, alleinerziehend, promoviert und mit Berufserfahrung, aber lediglich als Hilfslehrerin. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde sie 1945 Mitglied des Gründungsvorstandes der "Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens" ("Gesellschaft"). Zur gleichen Zeit berief die Schulbehörde sie zur Schulleiterin der Volksschule Wellingsbüttel und 1952 zur Direktorin des Instituts für Lehrerfortbildung. In der Zeit ihrer Leitung (bis zur Pensionierung 1966) wurde das Seminarangebot erheblich ausgeweitet, die Beratungsstellen ausgebaut. Anne Banaschewski forderte die ‚education permanente' auch für Lehrkräfte. Besonders engagierte sie sich in der Gewerkschaftsarbeit. Sie war lange Jahre im Vorstand der "Gesellschaft", gehörte seinem pädagogischen Ausschuss von 1945 bis zu seiner Auflösung 1976 an. Auch arbeitete sie in der pädagogischen Hauptstelle beim Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), von 1957 bis 1963 als Vorsitzende. 1958 berief die GEW sie in eine Kommission zur Erarbeitung eines Plans zur Neugestaltung des deutschen Schulwesens. Dieser 1960 vorgestellte Bremer Plan war damals in der Öffentlichkeit und auch in Teilen der GEW umstritten. So sah er z. B. die Verlängerung der Volksschuldauer unter Einbeziehung von Elementen der Berufsvor- u. -grundbildung auf 10 Jahre, die Reformierung der gymnasialen Oberstufe und die Neueröffnung eines 2. Bildungsweges vor. Anne Banaschewski, enttäuscht, dass auch viele Hamburger GEW Vertreter den Plan ablehnten, legte daraufhin sowohl den Vorsitz in der pädagogischen Hauptstelle, als auch ihr Mandat im Hauptvorstand der GEW nieder. Anne Banaschewski hielt Friedenserziehung und antifaschistischen Unterricht für notwendig. Neben der Vermittlung historischer Zusammenhänge gehörten dazu u. a. Schülermitverantwortung, die Zusammenarbeit mit den Eltern und vorgelebtes demokratisches Verhalten. Wesentliches aus: Hans-Peter de Lorent: "Wer nicht mitwirkt, über den wird verfügt". Anne Banaschewski, ihre pädagogische Arbeit und die GEW. In: Monika Lehmann/Hermann Schnorbach: Aufklärung als Prozess. Festschrift für Hildegard Feidel-Mertz. Frankfurt a. M. 1992.

    Emmy Beckmann

    Politikerin, Hamburgs erste Oberschulrätin

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    12.4.1880
    Wandsbek

    24.12.1967
    Hamburg
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    Auf dem Grabstein ist auch Emmy Beckmanns Zwillingsschwester Hanna Beckmann verewigt. Vor dem Garten der Frauen liegt der Grabstein des Bruders der Schwestern: Heinz Beckmann (siehe zu ihm unter historische Grabsteine: Politik und Soziales). Emmy Beckmanns Mutter starb nach der Geburt der Zwillinge Emmy und Hanna an Kindbettfieber, der Vater ging eine neue Ehe ein. Zu den drei Kindern (es gab noch einen älteren Bruder, der später Pastor wurde) kamen im Laufe der Zeit vier weitere Geschwister hinzu. Die Kindheit der drei Geschwister verlief recht lieblos, die neue Mutter kümmerte sich mehr um ihre eigenen Kinder, der Vater, ein Gymnasialprofessor, kam stets erschöpft von der Arbeit nach Hause, war nervös und reizbar. Emmy und Hanna Beckmann fürchteten sich vor ihm, wagten in seiner Gegenwart kaum zu sprechen. Obwohl zwei Dienstmädchen angestellt waren, mussten sie im Haushalt stark mithelfen und die jüngeren Geschwister hüten. In die Berufslaufbahn der drei Geschwister aus erster Ehe griff der Vater allerdings nicht ein. Die leibliche Mutter hatte für den Zweck der Ausbildung und Bildung der beiden Mädchen eine Erbschaft hinterlassen. Emmy Beckmann beschrieb 1914 ihren Ausbildungsgang, als sie sich an der privaten Hamburger Gewerbeschule für Mädchen bewarb. "Von 1886 bis 1895 besuchte ich die Höhere Mädchenschule von Fräulein Hübener in Wandsbek, ging dann in die Vorbereitungsklasse des Seminars der Klosterschule zu Hamburg und trat nach einjähriger Unterbrechung Ostern 1897 in das Seminar dort ein. Nach dem vorgeschriebenen dreijährigen Besuch des Seminars bestand ich Ostern 1900 das Examen für die Lehrbefähigung an mittleren und höheren Schulen. Ich war danach fast drei Jahre Erzieherin in England, wo ich drei Mädchen in den gewöhnlichen Unterrichtsfächern unterrichtete. Nach einem dreimonatigen Studienaufenthalt in Paris wurde ich Ostern 1903 Lehrerin an der Töchterschule in Husum, damals einer Kuratoriumsschule von fünf Klassen und neun Stufen. 1906 verließ ich Husum, um mich in Göttingen und Heidelberg auf das wissenschaftliche Examen vorzubereiten in Geschichte, Englisch und Philosophie. Ich habe sieben Semester studiert und bestand im Nov. 1909 das Examen in den genannten Fächern. - Von Ostern 1910 bis Ostern 1912 war ich als Oberlehrerin an der Privatschule von Fräulein Schneider angestellt, von 1912 bis Ostern 1914 an der Schule des Paulsenstiftes (siehe: Anna Wohlwill und Hanna Glinzer, historische Grabsteine im Garten der Frauen) zur Vertretung einer studierenden Lehrerin. Ostern 1914 kehrte diese Dame als Oberlehrerin an das Paulsenstift zurück - damit ist die Vertretung abgelaufen" 1). Als Emmy Beckmann in Husum lebte, lernte sie „durch eine kritische Auseinandersetzung mit Peter Moors [Erzählung] ‚Fahrt nach Südwest‘, in der es unter anderem um die Frage geht, wie sich Kolonialpolitik und Glaube ans Evangelium vertragen oder nicht vertragen können“,1a) den Schriftsteller und ehemaligen Pastor Gustav Frenssen (1863-1945) kennen. Nach ihm, der lange Zeit in Blankenese gelebt hatte, wurde dort nach seinem Tod eine Straße benannt. In den 1980-er Jahren wurde die Straße wegen Frenssens nationalsozialistischer Nähe umbenannt. Frenssen, der als Gegenpol seiner schriftstellerischen Arbeit „(…) das Spiel mit einem gesunden jungen Weib“ 1b) liebte, war, als er Emmy Beckmann kennen lernte, bereits seit 1890 mit Anna, geb. Warft, verheiratet. Das hielt Frenssen jedoch nicht davon ab, mehr mit Emmy Beckmann „im Sinn“ zu haben, wie Helmut Stubbe da Luz in seinem Aufsatz über Emmy Beckmann schreibt. „Ein Jahr lang diskutierten er und Emmy Beckmann (…), ob es moralisch vertretbar sei (…), daß ein ‚edles Weib‘ sich ‚ihrem Helden‘ hingebe, wobei Frenssen darauf brannte, die Rolle dieses Helden zu übernehmen und auch Wendungen genug fand, den beabsichtigten Ehebruch (einem von vielen, wie er 1941 in seinem Lebensbericht angegeben hat) in schönstem Licht erscheinen zu lassen: ‚Wenn ‚dieser Held‘ in das Leben eines Weibes nicht hineintritt, so wird sie mit Recht meinen, daß es ihr Schicksal ist, ohne Liebe durchs Leben zu gehen. Wenn er aber kommt und bittet sie um Liebe (…), so soll sie ihm ihre Liebe geben (…). Es ist wahr, daß sie [die Frau, wenn sie Liebe gibt] sich auch Leid und Not schafft; aber ich bin der Meinung, daß diese Not für die Seele fruchtbar ist, während die Not lebenslänglicher Jungfernschaft nach dem, was wir sehen, auf die Weiberseele verdorrend wirkt.‘ (…) Frenssen hoffte ganz allgemein, daß die gebildeten, berufstätigen Frauen, denen die Gesellschaft (…) formal oder informell den Ehestand bis zur Unmöglichkeit erschwerte, sich gegen diese ‚Unnatürlichkeit und Ungesundheit und ungeheure Ungerechtigkeit‘ wenden und ‚sich ein Liebesglück außerhalb der Ehe suchen‘ würden. Die ‚Lehrerinnen, Künstlerinnen, Krankenschwestern‘ hätten dafür nach Frenssens abstruser Erwartung auch bald weitgehende Billigung erwarten dürfen, ‚weil damit die Schweinerei der Prostitution so ziemlich abgeschafft sein‘ würde.“ 1c) Bei Emmy Beckmann sah Frenssen die „Gefahr, ihr ‚Schönstes und Bestes als Schuld‘ anzusehen und ‚darüber zum Krüppel‘ zu werden. Diese mag ihrerseits in dem Dichter (…) jenen Typus des ‚ewigen‘ Mannes erblickt haben, den sie fast zwei Jahrzehnte später unter freilich fast ausschließlich politischem Aspekt geißeln sollte (…). ‚Der ‚ewige Mann‘ ist unbeirrbar eitel auf seine Überlegenheit als Mann, unbelehrbar durch eigenes Fiasko und skrupellos in der Behauptung seiner Machtstellung‘“. 1c) Frenssen stellte auch pubertierenden Mädchen nach, weil er meinte, sich einer so genannten ‚Jungmädchennot‘ annehmen zu müssen. Er fragte sie nach ihren Vorstellungen von Liebe und Sexualität aus, ohne dabei auf ihre meist schamhaften Gefühle Rücksicht zu nehmen. Derartige „Beschäftigungen“ mit jungen Mädchen dienen oft der Befriedigung männlicher sexueller Lust und werden von jungen Frauen als sexuelle Übergriffe empfunden, über die sie aber oft schweigen. 1906 ging Emmy Beckmann nach Göttingen und Heidelberg und studierte sieben Semester Geschichte, Englisch und Philosophie. Gustav Frenssen, der nun doch gemerkt hatte, dass Emmy Beckmann mit ihm keine sexuelle Beziehung wünschte, stellte 1907 resigniert fest: „‘Ich sehe, daß da nichts zu machen ist (…). Es sind verschiedene Geister in uns. (…) Sie sind mehr Kultur, ich mehr wilde Natur (…).‘ “ 1c) Zurück zum Jahr 1914. In diesem Jahr erhielt Emmy Beckmann eine Anstellung an der Gewerbeschule für Mädchen (siehe. Marie Glinzer, historischer Grabstein im Garten der Frauen und Emilie Wüstenfeld in der Rubrik: Erinnerungsskulptur) und war dort bis 1924 tätig - in den Jahren zwischen 1922, als die Schule verstaatlicht wurde und den Namen „Schule für Frauenberufe" erhielt, und 1924 als stellvertretende Direktorin. 1924 ging sie als Studienrätin an eine der neu eingerichteten Aufbauschulen für begabte Volksschüler und -schülerinnen. 1926 wurde sie von dem Kollegium der staatlichen Oberrealschule Hansastraße, der späteren Helene-Lange-Schule, als Schulleiterin berufen. Emmy Beckmann führte dort die Schülerselbstverwaltung ein und sorgte dafür, dass 1927 die Oberrealschule  Hanastraße in Helene-Lange-Oberrealschule umbenannt wurde. 1927 wurde Emmy Beckmann Hamburgs erste Oberschulrätin. Ihre Nachfolgerin an der Schule wurde ihre Schwester Hanna, mit der sie zusammen in der Oberstraße 68 lebte. Über ihre Tätigkeit als Oberschulrätin und ihre Schwierigkeiten, in ihrer Leitungsfunktion akzeptiert zu werden, schrieb Emmy Beckmann in ihren unveröffentlichten Lebenserinnerungen: „Im August 1927 trat ich - zur Oberschulrätin ernannt - dies Amt als erste Frau an. Chef der Behörde war der SPD-Senator Krause. Die Kollegen kamen mir freundlich entgegen. Ich übernahm das Dezernat für die höheren Mädchenschulen, die fast alle noch Privatschulen waren und zugleich die Lichtwarkschule. Ich besuchte die mir unterstellten Schulen alle im Unterricht und in den Prüfungen, lernte auch die Kollegien gut kennen. Eine Reihe von privaten höheren Mädchenschulen entwickelten sich in diesen Jahren zu Vollanstalten. Sie bekamen nach einem von der Behörde unter Mitarbeit staatlicher Lehrkräfte veranstalteten Abiturientenexamen die Genehmigung als Vollanstalten. Die Kuratoriums - ebenso wie die Privatschulen sind in den 30er Jahren von dem Nazi-Regime aufgehoben oder verstaatlicht worden. Das hatte sicher - abgesehen von der politischen Tendenz - auch seine sachliche Berechtigung. Im ganzen glaube ich, dass die Übernahme der Verantwortung durch den Staat eine Notwendigkeit war und ist, wobei er den Weg zu pädagogischen Versuchen und Abweichungen von der Norm frei lassen und auch fördern sollte. Auch in persönlicher Beziehung war die Arbeit erfreulich, sowohl im Kollegium der Schulbehörde wie auch im Verkehr mit den Direktorinnen und Direktoren, letztere kamen mir nicht alle freudig entgegen. Die Frau als Vorgesetzte erregte zunächst wohl Misstrauen und Ablehnung bei verschiedenen Leitern" 1). 1933 wurden Emmy Beckmann und ihre Schwester wegen „nationaler Unzuverlässigkeit" von den Nazis vorzeitig pensioniert. Noch nach Mai 1932 hatte sie eine mutige „Anti-Nazi“-Schrift mit dem Titel „Um Stellung und Beruf der Frau“ verfasst und veröffentlicht. Darin heißt u. a.: „Es ist wieder einmal ein Kampf um Stellung und Beruf der Frau entbrannt, der alles in Frage stellt, was als sicherer Boden gewonnen zu sein schien (…) Wie diese ganze Ablehnung des neuen Frauentums, seiner Stellung und seines Einflusses aufgefangen und gesammelt ist in der Nationalsozialistischen Partei, ist allgemein bekannt und soll hier heute nicht im einzelnen erörtert werden. Auch handelt es sich nicht, darf sich in unserer neutralen Berufsorganisation nicht handeln um eine Stellungnahme zu den politischen Zielen der Partei. Nur Ausgang, Grundlagen und beherrschende Richtung der Gedankengänge und Stimmungen zur Frauenfrage sollen Gegenstand dieser Betrachtung sein. Ich glaube, daß es nötig ist, daß die Frau unserer Tage diese innere Einstellung weiter Kreise klar erkennt, um nicht vor der Geschichte ihres Geschlechts die Verantwortung auf sich zu laden für einen Rückschritt der Menschheit, wie er kaum je erlebt wurde. In der Geschichte der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts (…) gibt es unter dem vielfachen Versagen im Menschlichen, (…) kaum etwas Beschämenderes als die Äußerungen von Politikern, Philosophen, Schriftstellern und Pädagogen über Stellung und Aufgabe der Frau. (…) Neben der beschämendsten Nichtachtung oder Verachtung der Frau als geistiger Persönlichkeit stand die Verhimmelung des jungen Mädchens, das sentimentale Preislied auf die Mutter, neben der bedenkenlosen Ausnutzung der Frauenkraft der Proletarierin, der Landarbeiterin die Theorie von der zarten, stets der Schonung bedürftigen Frau des Bürgertums. Dann aber kam die Befreiung und Reinigung der Atmosphäre durch die stetige Arbeit und den scharfen Kampf der Frauenbewegung und später im Weltkrieg die große Bewährung der Frau. Als die Grundlagen der deutschen Republik gelegt wurden, gab es keinen Zweifel: der Frau gebührte das volle Bürgerrecht. (…) Es ist bekannt, wie die Entwicklung seit Begründung der Verfassung gegangen ist. Wie wenig in dem allmählich sich wieder verfestigenden und erstarrenden, in alte Geleise abrutschenden Parteigetriebe die Frau ihre Auffassungen und Ziele zur Geltung bringen konnte, wie bald die anwachsende Arbeitslosigkeit die Berufsarbeit der Frau nur noch unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz erscheinen ließ. Gleichzeitig sind nun junge Frauen herangewachsen, die – ausgestattet mit der von der vorhergehenden Generation schwer erkämpften Bildung, mit neuen Rechten und Freiheiten – in der ihrer wartenden, Lebensform und den ihnen zufallenden Aufgaben nur Belastung und Verantwortung sehen, die sie nicht wünschen, die ihnen gegenüber dem beglückenden frieden eines Heims, einer engen Familienzusammengehörigkeit von Mann, Frau und Kind als kalter und inhaltsleerer Ersatz erscheint. Und wie überhaupt in unserm Volk in diesem letzten Jahrzehnt der Begriff der Freiheit, der Persönlichkeit am Himmel der Werte niederging und von andern Sternen überstrahlt wurde, so im besonderen für diese jungen Frauen der Stern der Befreiung zu geistigem Menschentum, dem die vorhergehende Generation so gläubig gefolgt war. (…) Es scheint, als ob unsere Zeit sich anschicke, die Aussagen über die Frauen, deren Einseitigkeit und vorurteilsvolle Traditionsgebundenheit uns im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entsetzte, zu überbieten in brutaler Verständnislosigkeit gegenüber dem geistig-seelischen Menschentum der Frau. (…) Aber täuschen wir uns nicht! Solche Brunnenvergiftung tut ihr Werk; und die jungen Mädchen, die durch Sehnsucht und Ideale, die aus ganz anderen Bereichen stammen, in die Nationalsozialistische Partei hineingezogen sind, werden ihr Bild von Wesen und Ziel der Frauenbewegung doch wohl in erster Linie von den Frauen und Männern empfangen, die ihrer Partei angehören. Können und dürfen wir dem zusehen? Es ist mehr als eine Dankespflicht gegen unsere Vorkämpferinnen und Führerinnen, was uns zur Abwehr solcher Geschichtsfälschung aufruft, es sind die gefährlichen Verirrungen eines jugendlichen begeisterten Idealismus, der durch Zerrbilder abgeschreckt, sich in Haß und Gegnerschaft verliert, wo er verehren und nacheifern müßte. (…)“ 2) Dennoch beantragte Emmy Beckmann Anfang Januar 1934 ihre Aufnahme in den NS-Lehrerbund. Warum sie dies tat, als, wie Helmut Stubbe-da Luz schreibt, „(...) über die ‚neue gemeinsame Erzieher-Gemeinschaft' Illusionen nicht mehr möglich waren, darüber kann nur gemutmaßt werden: Wahrscheinlich wollte sie eine Vorsichtsmaßnahme im Hinblick auf ihre Vortrags- und vor allem publizistische Tätigkeit treffen. Sie musste sich sagen lassen (was sie freilich schon gewusst haben dürfte), dass die sogenannten 'Paragraph-Vierer' (entfernt aus dem Staatsdienst wegen politischer Unzuverlässigkeit) von der NSLB-Mitgliedschaft ausgeschlossen seien" 1). Die Schwestern zogen sich in die innere Emigration zurück. Emmy Beckmann hielt diverse Literaturabende bei Freunden ab. Dadurch konnte sie während der Nazizeit ein wenig ihren Lebensunterhalt finanzieren. Nach 1945 setzte die Schulbehörde Emmy Beckmann wieder in ihr Amt als Oberschulrätin mit dem Ressort Mädchenschulwesen ein. Dort blieb sie, die eigentlich nur bis 1948 hatte arbeiten wollen, bis 1949 tätig. Für ihre Verdienste in der Frauen- und Mädchenbildung erhielt sie 1953 als erste Hamburgerin das Große Bundesverdienstkreuz. Acht Jahre nachdem der Ehrentitel "Professor" erstmals vergeben worden war, erhielt Emmy Beckmann als erste Frau diesen Titel. 1955 verlieh ihr der Senat den Professorentitel, 1961 als erster Frau die Bürgermeister-Stolten-Medaille. Bürgermeister Paul Nevermann thematisierte in seiner Laudatio die Schwierigkeiten, mit denen eine Frau in einer Führungsposition zu kämpfen hatte: „Das war gewiss keine leichte Aufgabe, sondern ein unermüdliches, fortwährendes Ringen mit Vorurteilen, deren letzte Reste sich bis in unsere Zeit erhalten haben, trotz ungezählter Beispiele dafür, dass auch eine Frau an verantwortlicher Stelle durchaus ‚ihren Mann zu stehen vermag`, wobei Sie aus dieser bewusst gewählten Formulierung heraushören mögen, wie zäh solche Vorurteile sind und wie tief die Auffassung von der angeblichen Unterlegenheit des Weiblichen in die Redewendungen der Alltagssprache eingegangen ist" 1). Einen Teil ihrer Zeit widmete Emmy Beckmann auch der Literatur. Von ca. 1914 bis in die 50er Jahre war sie Mitglied literarisch-philosophischer Kreise, in denen sie auch Vorträge hielt. Zudem trat sie vor allem in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Veröffentlichungen von Aufsätzen und Literaturkritiken hervor. Meistens schrieb sie über Dichter, die die Themen Krieg, Niederlage und Revolution behandelten. Helmut Stubbe-da Luz schreibt dazu: „Ausschlaggebendes Bewertungskriterium war für Emmy Beckmann, ob in den Stücken ein `Strindbergscher Hass gegen die bestehende Welt sowie die vielfach diesem schwedischen Dichter entlehnte Neigung, Typen anstelle von Charakteren auf die Bühne zu bringen, die Oberhand behielten, oder ob nicht doch wenigstens ganz am Schluss der Wille zum Leben trotz allem in den Protagonisten - welche als ‚gestaltete Persönlichkeiten' individuelles Handeln erkennen lassen sollten - einen wenn auch nur knappen Sieg davontrug" 1). Emmy Beckmann liebte also keine einfachen, vorgefertigten Figuren, bei denen man schon im Voraus wusste, wie sie sich verhalten würden. Außerdem macht ihre Vorliebe für positive Dramenschlüsse deutlich, dass ihr eine zukunftsweisende Lebensweise näher lag - ein Zug, den sie als Politikerin wohl auch brauchte. Ihre ersten Berührungspunkte mit der bürgerlichen Frauenbewegung erhielt sie 1906 in Göttingen in den von ihr besuchten Oberlehrerinnenseminaren. 1914 gründete sie in Hamburg den Verband der akademisch gebildeten Lehrerinnen mit und wurde bald dessen Vorsitzende. Auch war sie 1915 Gründungsmitglied des Stadtbundes hamburgischer Frauenvereine, dessen stellvertretende Vorsitzende sie bis 1918 und in dessen Vorstand sie bis 1933 war. Ihre pädagogischen Fähigkeiten stellte sie der Frauenbewegung durch stundenweisen Unterricht an der  Sozialen Frauenschule zur Verfügung. Außerdem war sie in der 1912 gegründeten Vereinigung für Frauenstimmrecht aktiv, der es in erster Linie um die Gleichstellung von Frau und Mann im vorgegebenen Wahlrecht ging. Die Forderung nach Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts stand erst an nächster Stelle. Emmy Beckmann wurde Helene Langes Nachfolgerin als Bundesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnen Verbandes. Dieser Verband forderte neben dem gleichberechtigten Zugang von Mädchen zu allen Bildungseinrichtungen auch die gesonderte Mädchenschule. Er war der Überzeugung, dass nur in einer gesonderten Mädchenschulen dem „spezifischen Wesen der Frau" Rechnung getragen werden könne. 1933 löste sich der ADLV auf. Emmy Beckmann schrieb weit über 100 Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, u. a. für die Zeitschrift der bürgerlichen Frauenbewegung „Die Frau". Zudem verfasste sie Broschüren, und zwischen 1926 und 1936 gab sie zusammen mit Irma Stoß die Reihe Quellenhefte zum Frauenleben in der Geschichte (26 Bände) heraus. 1955 setzte sie die Arbeit auf diesem Gebiet fort und gab, zusammen mit der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für Mädchen- und Frauenbildung, Dr. Elisabeth Kardel, die Quellen zur Geschichte der Frauenbewegung heraus, die vornehmlich für Schulen gedacht waren. 1956 und 1957 veröffentlichte sie die Briefsammlungen von Gertrud Bäumer und Helene Lange. 1945, gleich nach dem Krieg bildete Emmy Beckmann u. a. mit Olga Essig (siehe zu ihr in der Rubrik: Frauen auf anderen Hambruger Friedhöfen, hier Friedhof: Bornkamp/Altona) den Frauenausschuss. 1946 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Hamburger Frauenringes, in dem sie bis 1952 im Vorstand tätig war. 1948 gründete sie den Hamburger Akademikerinnenbund mit. Von 1949 bis 1952 leitete sie den Deutschen Akademikerinnenbund. 1947 war sie auch an der Bildung der Arbeitsgemeinschaft für Mädchenbildung beteiligt. Ihren politischen Weg schlug Emmy Beckmann wohl erst ein, nachdem sie in der bürgerlichen Frauenbewegung führende Positionen errungen hatte. Durch ihren Bruder lernte sie die Schriften des Liberalen Friedrich Naumann kennen. 1914 besuchte sie eine Veranstaltung der Hamburger Vereinigten Liberalen, und 1918 nahm sie an einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Fortschrittlichen Volkspartei (FVP) teil. Als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) wurde sie 1921 in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Dort war sie hauptsächlich für Schul- und Bildungsfragen zuständig. Sie wehrte sich auch gegen die Kampagne gegen das Doppelverdienertum, wonach verheiratete Beamtinnen kündigen sollten. Sie erreichte es sogar, dass in Hamburg eine Widerspruchskommission zur Prüfung von Härtefällen eingerichtet wurde. Außerdem sprach sie sich für Frauen in leitenden Positionen aus und forderte, dass analog zu Männern auch Frauen im gleichen Maße verbeamtet werden sollten. Bis 1932 stieg sie innerhalb ihrer Bürgerschaftsfraktion auf den zweiten Platz. Nach 1933 saß Emmy Beckmann nicht mehr in der Bürgerschaft. 1949 nahm sie ihre Tätigkeit aber wieder auf, diesmal für die FDP. Als 1952 über die einzelnen Abschnitte der neuen Hamburger Verfassung abgestimmt wurde, beantragte Emmy Beckmann den Artikel 33 um den Satz „Dem Senat müssen Frauen angehören" zu erweitern. Damit forderte sie schon damals das, was später mit der Frauenquote erreicht werden sollte. Diese Forderung löste jedoch damals nur „allgemeine Heiterkeit" im Parlament aus. 1957 schied Emmy Beckmann aus Altersgründen aus der Bürgerschaft aus. Ihre Bitte, als Politikerin ihre Nachfolgerin bestimmen zu dürfen, wurde von der FDP-Bürgerschaftsfraktion ignoriert. Seit 1980 gibt es im Hamburger Stadtteil Niendorf eine Straße, die nach ihr benannt ist: Emmy-Beckmann-Weg. Text: Rita Bake Zitate: [1] Wesentliches aus: Helmut Stubbe-da Luz: Emmy Beckmann, Hamburgs einflussreichste Frauenrechtlerin. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 73, 1987. 1a) Kay Dohnke, Dietrich Stein (Hrsg.): Gustav Frenssen in seiner Zeit. Von der Massenliteratur im Kaiserreich zur Massenideologie im NS-Staat. Heide 1997, S. 44. 1b) Kay Dohnke, Dietrich Stein, a. a. O., S. 37. 1c) Helmut Stubbe- da Luz, a. a. O., S. 105f. [2] Emmy Beckmann: Um Stellung und Beruf der Frau. o. O., o. J. [nach Mai 1932]    

    Heinz Beckmann

    Hauptpastor, Protagonist für die Gleichberechtigung der Theologinnen in der Kirche

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    8.6.1877
    Wandsbek

    12.8.1939
    Sülzhayn/Südharz Sein Grabstein liegt direkt vor dem Garten der Frauen.
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    Heinz Beckmann war der Bruder von Hamburgs erster Oberschulrätin, der Frauenrechtlerin und liberalen Politikerin Emmy Beckmann, und deren Zwillingsschwester Hanna. Der gemeinsame Grabstein der Schwestern steht im Garten der Frauen. Heinz Beckmanns Grabstein ließ der Verein Garten der Frauen direkt vor die Hecke zum Garten der Frauen verlegen, denn in Fragen der Frauenemanzipation wurde Heinz Beckmann sicherlich durch seine Schwestern sensibilisiert. So setzte er sich für die Gleichberechtigung der Theologinnen ein. Solcherart "Beeinflussung" durch seine Schwestern wurde ihm von einigen Kollegen angelastet. Darüber hinaus vertrat er - wie auch seine Schwester Emmy - liberal demokratische Überzeugungen. So war Heinz Beckmann Sprecher der liberalen Fraktion in der Synode. Nachdem er 1899 das theologische Examen abgelegt und einige Zeit als Hilfsredakteur für die liberal protestantische Zeitschrift "Christliche Welt" und danach als Pastor an der Wiesbadener Marktkirche gearbeitet hatte, kam er 1920 nach Hamburg an die St. Nikolai-Kirche, wo er als Hauptpastor wirkte. Ethische und religionsphilosophische Fragestellungen waren seine Schwerpunkte. Das Alte Testament war das zentrale Thema, mit dem er sich beschäftigte. "In den zwanziger Jahren setzte Beckmann sich insbesondere dafür ein, dass auch Frauen nach dem Theologiestudium die beiden kirchlichen Examina ablegen und in den kirchlichen Dienst übernommen werden konnten"1). Dazu verfasste er auch Aufsätze in der Zeitschrift der bürgerlichen Frauenbewegung "Die Frau", für die auch seine Schwester Emmy Artikel schrieb. Dass die Theologinnen "(…) wie er es gefordert hatte - auch ordiniert und gleichberechtigt neben den Pastoren tätig werden sollten, war jedoch weder in Hamburg noch in einer andern deutschen Landeskirche zu diesem Zeitpunkt mehrheitsfähig"1). So hielt z. B. Pastor Heinrich Wilhelmi (1888-1968) den weiblichen seelsorgerlichen Einfluss für eine "gefällige sentimentale Modemeinung" und "argumentierte", die Frau sei zwar dem Manne religiös gleichwertig, aber "in der ersten Christengemeinde" sei sie von der öffentlichen Wortverkündigung ausgeschlossen worden. Und so solle es auch bleiben. Mit dieser Einstellung stand er nicht allein. Auch andere Theologen sahen in ihren Kolleginnen Konkurrentinnen nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene. Die Ablehnung der Theologinnen als gleichberechtigte Berufskolleginnen war auch Ausdruck tief verunsicherter Männer, die in Zeiten der Moderne und der aktiven bürgerlichen sowie proletarischen Frauenbewegung in einer Identitätskrise steckten und deshalb die alte, unhinterfragte dominante männliche Geschlechtsidentität aufrechterhalten wollten. Dennoch gelang es mit Heinz "Beckmanns Unterstützung, 1927 ein Pfarramtshelferinnen-Gesetz durchzusetzen, das den Theologinnen nach Ablegung beider Examina eine Tätigkeit mit eingeschränkten Rechten ermöglichte"1). Ein Jahr zuvor hatte Heinz Beckmann aus Wiesbaden die Theologin Margarete Braun an die St. Nikolai-Kirche geholt und für sie eine Pfarrstelle zur Verfügung gestellt. Er ermöglichte es ihr, das zweite theologische Staatsexamen abzulegen und bis 1934 als Pfarramtshelferin zu arbeiten. Für Margarete Braun befindet sich im Garten der Frauen ein Erinnerungsstein. Dem Nationalsozialismus standen er und seine Schwestern ablehnend gegenüber. "Bei der Einführung des Bischofsamtes 1933 wurde er entgegen der Tradition der Anciennität wegen seiner liberalen Haltung übergangen und verlor fast alle öffentlichen Wirkungsmöglichkeiten" 1). 1) Rainer Hering: Heinz Beckmann, in: Hamburgische Biografie, Personenlexikon, Hrsg. von Wolfgang Kopitzsch und Dirk Brietzke, Bd.1. Hamburg 2001. Der Grabstein von Heinz Beckmann befindet sich links vor dem Eingang zum Garten der Frauen

    Hedwig Wanda Anna Berta Marie von Brandenstein

    Eine der ersten niedergelassenen Ärztinnen in Hamburg

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    13.06.1886
    Hamburg

    30.05.1974
    Hamburg
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    Hedwig von Brandenstein war die Jüngste von zehn Geschwistern. Nur über den Beruf bzw. den sozialen Stand ihres Vaters erfahren wir etwas: er war Oberstleutnant gewesen. Hedwig von Brandenstein besuchte in ihrer Jugend das Internat Stift Heiligengrabe in der Mark Brandenburg. 1905 machte sie an einem Erfurter Realgymnasium das Abitur. Danach absolvierte sie ein zehnsemestriges Medizinstudium in Straßburg, Freiburg, Heidelberg und Berlin. Während ihrer Straßburger Studienzeit musste sie die Erlaubnis jedes einzelnen Professors für den Besuch seiner Vorlesungen einholen. Oft wurde ihr dies abgelehnt. Im Mai 1910 schloss sie in Heidelberg das Medizinstudium mit dem Staatsexamen ab. Nach dem Studium war sie als Medizinalpraktikantin an der Heidelberger Universitätspoliklinik und später an der Universitäts-Frauenklinik in Halle tätig. 1911 promovierte Hedwig von Brandenstein. Im selben Jahr erhielt sie ihre Approbation. 1913 wurde sie als Ärztin am Virchow-Krankenhaus Berlin und von September 1913 bis September 1914 als Hilfsärztin am Waisenhaus Berlin tätig. Danach war sie von 1914 bis 1918 Assistentin am Institut für Geburtshilfe Hamburg und von 1917 und 1961 niedergelassene Ärztin in Hamburg. Zwischen 1919 und 1951 fungierte sie auch als Postvertrauensärztin. Auch arbeitete sie nach dem Zweiten Weltkrieg in verschiedenen Ausschüssen der Ärztekammer und fungierte einige Zeit als Vorstandsmitglied im Deutschen Akademikerinnenbund. Insgesamt 47 Jahre lang war Hedwig von Brandenstein als Hausärztin und 40 Jahre lang als Geburtshelferin tätig. Nebenamtlich arbeitete sie als Vertrauensärztin. Hedwig von Brandenstein war wegen ihrer liebenswürdigen, menschlichen und geistigen Lebensart eine beliebte Nachbarin. Sie wohnte in der Fontenay 5.

    Olga Brandt-Knack

    Ballettmeisterin, Bürgerschaftsabgeordnete

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    29.6.1885
    Hamburg

    1.8.1978
    Hamburg
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    Im Alter von zehn Jahren begann Olga Brandt in der Kindertanzschule des Hamburger Stadttheaters mit der Ballettausbildung in klassischem- und Ausdruckstanz. Sie gehörte dem Theater von 1900 bis 1933 an. Von 1901 bis 1922 tanzte sie dort im Corps de Ballet, avancierte 1907 zur Solotänzerin und 1922 zur Leiterin der Tanzgruppe des Hamburger Stadttheaters. Sie ging mit ihrer Gruppe auf Gastspielreisen, so nach Stockholm, Kopenhagen, Den Haag, Scheveningen und Lille. Neben ihrer tänzerischen Arbeit engagierte sich Olga Brandt-Knack auch auf standespolitischem Gebiet. Sie gründete 1908 den „Deutschen Tänzerbund" und setzte sich als seine Sprecherin für die Belange ihrer Berufskolleginnen und -kollegen ein. Von 1918 bis 1933 war Olga Brandt-Knack kulturpolitische Referentin der „Genossenschaft der Bühnenangehörigen“. Als Olga Brandt-Knack die Leitung des Balletts des Stadttheaters - unter ihrer Regie Tanzgruppe genannt - übernahm, wurde sie die Nachfolgerin von Alfred Oehlschläger. Unter ihm hatte sich das Ballett auf Tanzeinlagen in Opern und Weihnachtsmärchen beschränkt - von Reformbestrebungen im Tanz war noch nichts zu spüren. Aber auch unter der Leitung Olga Brandt-Knacks blieb es fast ausschließlich bei tänzerischen Einlagen in Operninszenierungen. Sie durfte nicht anders agieren. Rudolf Maack schreibt dazu: „Wer in den 20er Jahren in Hamburg Tanz sehen wollte, mußte ins Curiohaus oder zu Labans Vorstellungen gehen. Denn an der Dammtorstraße [dort stand das Stadtheater] führte Tanz nur ein Aschenbrödel-Dasein. Dafür sorgte Leopold Sachse [Intendant des Stadttheaters]. Olga Brandt (...) durfte ihre kleine Mädchenschar regelmäßig in Operneinlagen und allenfalls auf seltenen Matineen vorzeigen. Dabei hatte sie sich in Dolly Haas, Carmen Holtz und Lotte Krause aus ihrer Kindertanzgruppe einen tüchtigen Nachwuchs erzogen."1) Ihr einziges selbstständiges Ballett war „Der Gaukler und das Klingelspiel", welches 1929 im Stadtheater aufgeführt wurde. Und auch nur einmal durfte sie in einer Abendveranstaltung nach „Don Pasquale" mit ihrer Tanzgruppe eine Pantomime aufführen. Olga Brandt-Knack hielt aber mit ihren Reformideen nicht hinter dem Berg, sondern lieferte sich eine heftige Kontroverse mit ihrem Intendanten Leopold Sachse. Sie stritten sich besonders über die Bedeutung der Musik beim Tanz. Für Leopold Sachse, der von Haus aus Musiker war, stand natürlich die Musik im Vordergrund und nicht der Tanz - und so machte er 1930 - als er als Gastgeber des Internationalen Theaterkongresses in Hamburger Stadtheater fungierte, deutlich, dass er nicht der Ansicht sei, dass die Musik beim Tanz die Zubringerrolle spielen dürfe: „Wenn die Tänzer sich nicht scheuten, Beethoven zu vertanzen, dürften sie sich über die Ablehnung der Musiker nicht wundern. Er selbst als Musiker könne seiner großen Liebe zum Tanz naturgemäß nur in bescheidenem Maße nachgehen. ‚Ich sollte mir wohl von meiner Ballettmeisterin für den Tanz in der Oper die Regie vorschreiben lassen? Das wäre ja noch schöner!`"1) Olga Brandt-Knack, die gemeint war: „saß dabei, und ihre Miene sagte: Da hört ihr es." 1) Olga Brandt-Knack stand dem modernen Ausdruckstanz sehr aufgeschlossen gegenüber. Er stellte den überlieferten Formen der Tanzkunst eine Bewegung gegenüber, die sich aus dem Eigenrhythmus des Körpers rekrutierte. In einem von Olga Brandt-Knack 1926 im Bühnenalmanach verfassten Artikel über „die Umgestaltung des Opernballetts" gab sie einen Blick auf die Entwicklung der neuen Tanzform: „Es ist fast als eine Selbstverständlichkeit zu bezeichnen, dass die neue Tanzform auch auf dem Theater Kräfte wachrief, die das innige Bedürfnis hatten, die im Schematismus erstarrte Ballettkunst neu zu gestalten. Der Tanz war im Laufe der Zeit zur schablonenmäßigen Einlage in der Oper herabgewürdigt. Gelegentlich gegebene selbstständige Balletts oder Pantomimen werden ihrer Einförmigkeit halber vom Publikum meist abgelehnt. Erst als der Siegeszug der Russen einsetzte, begann man zu ahnen, dass der Tanz nicht nur ein geist- und seelenloses Gehüpfe und einen Triumph der Beinmuskeln über den übrigen Körper bedeutet, sondern dass Ernsteres, Höheres die Triebfeder des Tanzes ist (...)." 2) Um ihre Ideen der neuen Tanzform zu verwirklichen, zog sie in den 1920-er Jahren mit der Tanzschule des Stadttheaters ins Vogt`sche Konservatorium im Curio-Haus. Hier war auch schon Mary Wigmann mit ihren musiklosen Tänzen aufgetreten. Auch nahm sie Kontakt mit dem Tänzer und Choreographen des Bewegungstanzes Rudolf von Laban auf. Es war Olga Brandt-Knack jedoch bewusst, dass es immer einen Unterschied zwischen dem Tanz im Konzertsaal und dem auf der Opernbühne geben wird. Denn: „Beim Tanz im Theater kommt es nicht nur darauf an, Musik zu tanzen, sondern der Inhalt des Tanzes muss sich auch dem gegebenen Milieu anpassen. Es wird deshalb die Tanzform im Theater immer eine andere sein und bleiben müssen, als der jetzt in den Konzertsälen gebrauchte Stil, der allerdings schon anfängt, bei einigen seiner besten Vertreterinnen stereotyp zu wirken. (...). Der Tanz im Theater will als Teil der Gesamtwirkung der Oper beurteilt sein. Es darf nicht, wie das bei früheren Balletts die Regel war, aus dem Gesamtbild besonders hervortreten, Rhythmus ist das oberste Gesetz, in dem sich Musik, Bewegung und Farbe zu vereinen haben. Dieses Ziel wird erst dann voll erreicht werden, wenn der tänzerische Nachwuchs unserer Opernbühnen in diesem Geiste erzogen ist. Die von mir gewollte Umgestaltung des Opern-Balletts bedarf eines Neuaufbaues von unten herauf. Erfreuliche Erfolge sehen wir bereits an manchem größeren Theater. (...) Auch am Hamburger Stadttheater wird die Tanzschule nach den von mir angedeuteten Richtlinien geleitet. Und ich darf wohl sagen mit zunächst bescheidenen, aber offensichtlichen Erfolgen."2) Angesichts der unterschiedlichen Aufgaben, die der Tanz in der Oper und im Konzertsaal hatte, versuchte Olga Brandt-Knack eine Synthese von klassischem Ballett und Ausdruckstanz herzustellen. Dazu bekam sie 1930 mit ihrer Choreographie der Bewegungsszenen der Gluckschen Oper „Orpheus und Eurydike", die im Stadttheater zur Aufführung kam, Gelegenheit. Olga Brandt-Knack hatte mit ihrer neuen Tanzform Erfolg. Hans Wölffer lobte Olga Brandt-Knacks Tanzgruppe 1926 im Bühnenalmanach: „Diese Gruppe ist nicht nur Tanzgruppe, nicht nur ‚Ballett`, sie ist darüber hinaus in stilistischer Hinsicht ein durchaus selbständiger Faktor im modernen Kunstleben. Diese Eigenschaft hebt sie aus der Masse der heutigen Tanzgruppen von vornherein heraus. Sie erfordert als Leiterin eine tiefgründliche stilistische Kapazität; nicht nur Olga Brandt sein, sondern jeweils etwa Mozart und Brandt; Verdi und Brandt oder Strauß und Brandt zu einer Schöpfung von eigenem Werte zu verbinden, wird ihre Aufgabe sein. (...) In der grundsätzlichen Tendenz ihres Schaffens teilt Olga Brandt die Bestrebungen des modernen Ausdrucksballetts. Doch wird man bei dieser Tanzgruppe nie den Eindruck uferlosen Experimentierens erhalten haben; den Blick unbeirrbar auf das Neue gerichtet, verliert sie nicht den Kontakt mit den überlieferten Werten klassischer Tanzkunst. Die ewige Antithese Oper und Drama, Ballett und Ausdruckstanz wird hier zur Synthese zwischen der Technik des klassischen Balletts als Mittel und dem Ausdrucksvermögen des modernen Tanzes als Zweck."3) Als Olga Brandt-Knack 1918 Mitglied der SPD wurde, verband sie Politik und Tanz miteinander. Häufig trat sie mit ihrer Tanzgruppe auf der Bühne des Gewerkschaftshauses am Besenbinderhof auf, und nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gründete sie zusammen mit dem Schauspieler Adolf Johannsson den Arbeiter-Sprech-und Bewegungschor, der dann Ende der 1920-er Jahre von Lola Rogge (siehe die Installion zu ihr im Garten der Frauen) übernommen wurde. 1932 gründete sie zusammen mit Lola Rogge und anderen die Vereinigung „Tanz in Hamburg e.V.", um „das am künstlerischen Tanz interessierte Publikum zu sammeln, ihm den Genuss regelmäßiger Tanzveranstaltungen zu verschaffen und wenn irgend möglich, ein eigenes Tänzerhaus zu errichten, das als eine Heimstätte für den Tanz und die Tänzerschaft gedacht ist." Im Januar 1933 veranstaltete „Tanz in Hamburg e.V." seine erste Matinee mit Hamburger Tanzkomponisten. Aber noch im selben Jahr wurde die Vereinigung in den „Kampfbund für Deutsche Kultur" gleichgeschaltet. Dieser „Bund" wurde von den Nationalsozialisten errichtet, um sich den Tanz dienstbar zu machen. Nach nationalsozialistischer Auffassung bestand die Aufgabe des Tanzes darin, „als ein guter Treuhänder echter deutscher Kulturentwicklung zu wirken, und dabei einerseits alle wirklich gesunden künstlerischen Strömungen zu unterstützen und zu fördern, andererseits aber auch strengstens darüber zu wachen, dass alle ungesunden Auswüchse vermieden werden und dass die deutsche Tanzkunst vor allem nicht durch das geschäftige Hintertreppenwirken artfremder Elemente verwässert und vergiftet werde (...), denn es geht nicht an, dass ausgerechnet ein kulturell so hochstehendes Volk wie das deutsche, seinen künstlerischen Weg von rassenfeindlichen Elementen vorgeschrieben erhält und auf tänzerischem Gebiet Prinzipien zu huldigen gezwungen wird, die alles andere als deutsch sind."1) 1933 wurde Olga Brandt-Knack wegen „politischer Unverträglichkeit" aus dem Stadttheater entlassen, auch musste sie ihre Tanzschule aufgeben. Sie wurde unter Gestapo-Aufsicht gestellt und vorübergehend verhaftet. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie bis zum Jahre 1942 zusammen mit ihrer Schwester als Sprechstundenhilfe. Dann zog sie bis Kriegsende zu Freunden aufs Land. Ihr ehemaliger Ehemann, Prof. Dr. Andreas Knack, der Leiter des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek, den sie 1920 geheiratet hatte, und der 1928 Edith Hommes (1891- ?) geheiratet hatte, war ebenfalls fristlos entlassen worden und emigrierte mit seiner Frau nach China.4) Er wurde beratender Arzt am belgischen Missionshospital in Kweisui, praktischer Arzt in Peking und Mukden und in Shanghai ärztlicher Berater des „International Relief-Committee of China". 1948 kehrte das Paar nach Hamburg zurück. Hier zog sich Andreas Knack bald von seinen Aktivitäten zurück und fand, wie es in seinem Nachruf heißt: „einsam von den vielseitigen körperlichen und seelischen Belastungen, die das Leben ihm auferlegte, Ruhe". Olga Brandt-Knack trat gleich nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wieder der SPD bei, war als deren Referentin tätig und begründete die Jugendorganisation „Die Falken" mit. Seit 1948 arbeitete sie als Frauenreferentin der Gewerkschaft „Kunst". Neben ihren gewerkschaftlichen Aktivitäten betätigte sich Olga Brandt-Knack vom 30.10.1946 bis 1953 als Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Schwerpunkt „Soziales". Außerdem war sie bis 1961 Deputierte der Polizeibehörde. 1962 legte sie alle Ämter nieder. Nach Olga Brandt-Knack wurde 2018 im Stadtteil Rothenburgsort die Olga-Brandt-Knack-Straße benannt. Text: Rita Bake Zitate: [1] Rudolf Maack: Tanz in Hamburg. Hamburg 1975. [2] Olga Brandt-Knack: Die Umgestaltung des Opernballetts. In: Bühnenalmanach. Hamburg und Altona 1926, S. 29-31. [3] Hans Wölffer: Tanzgruppe Olga Brandt-Knack. In: Bühnenalmanach. Hamburg und Altona 1926, S. 32-34. [4] Ansprache von Prof. Dr. med. A.V. Knack beim Amtsantritt als Präsident der Hamburgischen Gesundheitsbehörde am 20. April 1949. (unveröffentlichtes Manuskript)      

    Dorothea Christiansen

    Hamburgs erste Schulrätin

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    22.8.1882
    Hamburg

    11.5.1967
    Hamburg
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    Die in der Curschmannstraße 27 wohnende Dorothea Christiansen schlug eine typische Lehrerinnenlaufbahn ein. Ausgebildet wurde sie am Hamburger Lehrerinnen-Seminar und unterrichtete von 1901 bis 1923 an der Volksschule für Mädchen in der Methfesselstraße 28. Als es ab 1919 den Lehrern und Lehrerinnen durch die Schulreform möglich wurde, eine Selbstverwaltung einzurichten, (d. h. gemeinsam mit dem Elternrat konnte das Kollegium aus seinen Reihen eine Schulleitung wählen), fiel die Wahl in der Schule Methfesselstraße auf eine Frau, was ein Novum darstellte. Dorothea Christiansen wurde 1919 die neue Schulleiterin. Sie engagierte sich in den folgenden Jahren besonders in der Schulreform und zwar so erfolgreich, dass die Schulbehörde sie 1923 zur Schulrätin ernannte. 10 Jahre - von 1923 bis 1933 - war Dorothea Christiansen als Schulrätin tätig. Die Autorin vieler Hamburgensien, Henny Wiepking, schrieb in einer kurzen Abhandlung über Dorothea Christiansen: "Nach außen wurde ihr Name wenig genannt, als sie diese gehobene Stellung innehatte. So bewährte sich für ihre Freunde die Lebenserfahrung: Das sind die besten Frauen, über die nicht viel geredet wird. Im Verkehr mit ihr, spürte man ihre innige Anteilnahme an alle an sie herangetragenen Nöte. In keinem Fall, wo sie um Rat und Hilfe angerufen wurde, versagte sie. In allen ihren Handlungen lebte der soziale Geist, der Geist der Menschenliebe, der Geist der Menschenwürde. So genoss sie bei ihren Kollegen und Kolleginnen ein hohes Vertrauen." Während ihrer Tätigkeit als Schulrätin gab es viele Neuerungen in Hamburgs Schulwesen: So wurde z. B. die vierjährige Grundschule für alle Kinder eingerichtet, das Gesetz über die Einheitsschule erlassen, in 50 Volksschulen der Fremdsprachenunterricht eingeführt und die Abschaffung des Schulgeldes und der Lehrmittelbeiträge beschlossen. Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, wurde Dorothea Christiansen wegen "politischer Unzuverlässigkeit" zwangspensioniert. Dorothea Christiansen kümmerte sich um einsame Menschen, kinderreiche Familien. Ihre Devise lautete: "Sparen, für wen? Mit warmer Hand weggeben, ist mein Grundsatz." Quelle: Henny Wiepking: Frau Dorothea Christiansen. (Staatsarchiv Hamburg. Zeitungsausschnittsammlung)

    Minna Froböse

    (geb. Schierloh)

    Stifterin: Ernst und Minna Froböse Stiftung

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    22.2.1848
    Hamburg

    8.7.1917
    Hamburg
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    Minna Froböse war die Tochter des Weinhändlers Claus Schierloh und seiner Ehefrau Elise Gätgens und erlernte den Beruf einer Schirmmacherin. 1875 heiratete sie den Schirmfabrikanten Ernst August Froböse. Das kinderlose Ehepaar widmete sich wohltätigen Aufgaben. Ernst Froböse spendete große Summen seines Vermögens der Arbeitslosenfürsorge. Minna Froböse, die ihren Mann um drei Jahre überlebte und zuletzt am Holstenwall 20 wohnte, stellte einen großen Teil ihres Erbes für bedürftige Kriegsversehrte aus dem Ersten Weltkrieg und deren Familien als jährliche Mietbeihilfe zur Verfügung. Daraus entstand 1917 die „E. M. Froböse-Kriegs-Invaliden-Mietehilfe“. Die Idee zu dieser Beihilfe kam Minna Froböse, als sie sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges um Soldatenkinder gekümmert und später Kriegsverletzte im Marinelazarett besucht hatte. In ihrem Testament, welches sich im Staatsarchiv Hamburg befindet, heißt es, sie wolle durch ihre Stiftung, „für die sorgen, welche zum Schutz des Vaterlandes ihr Leben und ihre Gesundheit eingesetzt und die Feinde von den Grenzen Deutschlands ferngehalten haben. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, schon jetzt, soweit es in meinen Kräften steht, für unsere Kriegsbeschädigten zu sorgen, und zwar habe ich es unternommen, aus den reichen Einkünften meines Vermögens das Leben solcher Tapferen dadurch zu erleichtern. (...) Ich bin überzeugt, dass mein Mann meine Gedanken und Absichten nicht nur billigen, sondern auch mit zu verwirklichen bestrebt sein würde. (...) Sollten im Laufe der Zeit die Kriegsbeschädigten ausgestorben sein, so sollen die Einkünfte des Stiftungsvermögens verwendet werden, um andere Krüppel beiderlei Geschlechts in ähnlicher Weise zu unterstützen." Heute unterstützt die Stiftung Menschen, die durch Krankheit in eine finanzielle Notlage geraten sind. Text: Rita Bake    

    Maria Wilhelmine Gleiss

    Hamburgs erster praktische Ärztin und eine der ersten deutschen Ärztinnen

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    19.9.1865
    Hamburg

    5.2.1940
    Hamburg
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    Maria Wilhelmine Gleiss war Hamburgs erste Ärztin und hatte ihre erste Praxis als niedergelassene praktische Ärztin ab 1904 am Holzdamm 19. Ab 1907 praktizierte sie bis zu ihrem Tod 1940 in der Papenhuderstraße 42. Geboren wurde sie als Tochter des Pastors Karl Wilhelm Gleiss (1818-1889), der Stiftsprediger der Kapellengemeinde in St. Georg war und Oberlehrer an der Sonntagsschule St. Georg und somit mit Elise Averdieck zusammenarbeitete. Ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters starb auch Maria Gleiss' Mutter. Damals war Maria Wilhelmine Gleiss 24 und 25 Jahre alt. Maria Gleiss, die noch einen Bruder hatte, begann nach dem Besuch der höheren Töchterschule in Hamburg und des Lehrerinnenseminars in Callenburg/Sachsen, welches sie 1886 mit dem Lehrerinnenexamen abschloss, als Lehrerin und Erzieherin sowie 1892 während der Choleraepidemie in Hamburg als Krankenpflegerin zu arbeiten. Letztere Tätigkeit, die sie bei ihrer Großtante Elise Averdieck in deren Diakonissenhaus Bethesda durchführte, führte bei Maria Wilhelmine Gleiss zu dem Entschluss, Ärztin zu werden. Dazu musste sie zunächst einmal Abitur machen. Deshalb besuchte sie zwischen 1994 und 1896 die Gymnasialkurse bei Helene Lange in Berlin. In Februar 1897 machte sie ihr Abitur. Zwischen 1896 und 1897 studierte sie Medizin in Zürich, ab 1897 dann in Halle und absolvierte 1901 ihr Staatsexamen in Freiburg. Im selben Jahr promovierte sie in Straßburg. Maria Wilhelmine Gleiss gehörte "zu den ersten sechs Frauen, die1901 die deutsche Approbation erlangt hatten".1). Von November 1901 bis Ende September 1902 war sie als Assistenzärztin am Hilda-Kinderspital in Freiburg i. Br. tätig und dann in selber Funktion an den Frauenkliniken in Straßburg und Wien bis sie sich 1903 als praktische Ärztin in Hamburg niederließ.2) "Bis 1908 blieb Maria Wilhelmine Gleiss die einzige Ärztin Hamburgs. 1910 hatte sie drei Kolleginnen und 1914 standen 15 Ärztinnen in Hamburg 1862 Ärzten gegenüber" 3), schreiben Andrea Brinckmann und Eva Brinkschulte in ihrem Aufsatz über die ersten Ärztinnen in Hamburg und am UKE. Und beide verdeutlichen, dass die Etablierung und Anerkennung der Frau als Ärztin nicht ohne Schwierigkeiten vonstattengingen. "Ab 1903 musste sie mehrmals gerichtlich gegen die Ehemänner ihrer Patientinnen vorgehen, weil sie eigenmächtig Honorare gekürzt hatten. Maria Gleiss betreute komplizierte Schwangerschaften, führte Entbindungen und ärztliche Nachbetreuungen durch. Eine angemessene Bezahlung der von ihr in Rechnung gestellten Leistungen stimmten die Teils wohlhabenden Männer mit verschiedenen Ausflüchten jedoch nicht zu. Konsequent erstritt Maria Gleiss sich vor dem Amtsgericht auch kleine Beträge." 4) Maria Wilhelmine Gleiss' Spezialgebiet war die Frauen- und Kinderheilkunde. In ihrer Promotion hatte sie sich mit der "Verhütung fieberhafter Infektionen im Kindbett durch hygienische Maßnahmen" beschäftigt. Ein Jahr vor ihrem Tod wurde sie 1939 Besitzerin des Kinderheims Heidenheim in Hausbruch. 5) Maria Wilhelmine Gleiss war in den 1920er Jahren Vorsitzende der Ortsgruppe Hamburg des "Bundes deutscher Ärztinnen", außerdem war sie Mitglied des 1914 gegründeten "Verein Krankenhaus weiblicher Ärzte". Maria Wilhelmine Gleiss war 1902 dem Hamburger Senat vom Verein "Frauenwohl" als Gefängnisärztin für die weiblichen Gefangenen der Strafanstalt Fuhlsbüttel vorgeschlagen worden. Und Maria Wilhelmine Gleiss wollte diese Aufgabe auch gerne übernehmen. Doch der Verein scheiterte beim Senat mit seinem Gesuch. Der Senat bestätigte (zwar], dass der Antrag wohlwollend geprüft werden solle, ohne dass je Taten folgten, somit Zwangsuntersuchungen weiblicher Strafgefangener weiterhin von männlichen Ärzten durchgeführt wurden." 6) Bereits zwei Jahre zuvor war der Verein "Frauenwohl" aktiv geworden und hatte an die Gefängnis-Deputation "konkrete Forderungen nach einer Gefängnisärztin für alle Frauen (gestellt], an denen Zwangsuntersuchungen vorgenommen wurden. Der Senat befand, dass der Antrag einer Begründung entbehrte und ‚dass auf das Gesuch um Anstellung eines weiblichen Arztes nicht einzugehen sei.'" 7) Quellen: 1) Andrea Brinckmann, Eva Brinkschulte: Die ersten Ärztinnen in Hamburg und am UKE, in: Spurensuche - erste Ärztinnen in Hamburg und am UKE. Hrsg. Von Eva Brinkschulte. Hamburg 2014, S. 20. 2) Vgl.: https://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK00385 3) Andrea Brinckmann, Eva Brinkschule, a. a. O., S. 20. 4) Ebenda. 5) Vgl. https://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK00385 6) Andrea Brinckmann, Eva Brinkschule, a. a. O., S.19f. 7) Ebenda.

    Hanna Glinzer

    Direktorin der Schule des Paulsenstiftes

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    23.2.1874
    Hamburg

    1.4.1961
    Hamburg
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    Am 23.2.1874 wurde Hanna Glinzer in der von ihrer Pflegegroßmutter Emilie Wüstenfeld (siehe zu ihr in der Rubrik: Erinnerungsskulptur) gegründeten Gewerbeschule für Mädchen (siehe dazu historischer Grabstein von Marie Glinzer) geboren, deren Leiterin von 1868 bis 1878 Hannas Mutter, Marie Glinzer geb. Hartner - die Pflegetochter Emilie Wüstenfelds - war. Hannas Vater, Dr. phil. Ernst Glinzer, war ebenfalls Lehrer und arbeitete von 1867 bis 1919 als Lehrer für Naturwissenschaften an der Gewerbe- und Bauwerkschule. Hanna Glinzers Bildungsweg steuerte auch auf die pädagogische Laufbahn hin: Acht Jahre besuchte sie die private höhere Mädchenschule von Dr. Theodor Zimmermann. Zwischen ihrem 17. und 19. Lebensjahr belegte sie Abendkurse bei Herrn Pracht, um sich auf das Lehrerinnenexamen vorzubereiten. 1893 legte sie diese Prüfung am Seminar der Klosterschule ab. Im selben Jahr begann sie als Lehrerin an der höheren Mädchenschule von Antonie Casali im Hamburger Stadtteil St. Pauli zu arbeiten. Drei Jahre später erhielt sie eine Vertretungsstelle an der Schule des Paulsenstiftes (siehe dazu historischer Grabstein von Anna Wohlwill). Stets betonte sie, dass dies nicht durch Beziehungen erfolgt sei. Mit 23 Jahren ging sie für ein Jahr nach Frankreich, hörte Vorlesungen an der Sorbonne und am Collège de France und arbeitete zwei Monate als Erzieherin in einer normannischen Adelsfamilie. Ein Jahr später kam sie an die Schule des Paulsenstiftes zurück. Gleichzeitig bereitete sie sich auf ihr Studium in Deutsch und Geschichte vor, das sie ab 1901 in Berlin begann. 1904, im Alter von 30 Jahren, legte sie das Oberlehrerinnenexamen ab und ging wieder zurück an die Schule des Paulsenstiftes. Zwei Jahre später (1906) schaffte sie die Vorsteherinnenprüfung am Seminar der Klosterschule. Im Alter von 37 Jahren, im Jahre 1911, übernahm sie von ihrer Vorgängerin Anna Wohlwill die Leitung der Schule des Paulsenstiftes. Ab dieser Zeit mussten Schulleiterinnen die gleichen Qualifikationen - nämlich den Nachweis der Vorsteherprüfung und eines Studiums - erbringen wie ihre männlichen Kollegen. Hanna Glinzer erfüllte diese Voraussetzungen - gehörte sie doch schon der Generation von Frauen an, denen das Studium an einer Universität und der Besuch eines höheren Lehrerinnenseminars erlaubt war. Bis 1937 war Hanna Glinzer Direktorin der Schule des Paulsenstiftes. Diese Position konnte sie deshalb einnehmen, weil es sich bei der Schule um eine private Lehranstalt handelte. An staatlichen Schulen waren ausschließlich Männer als Schulleiter vorgesehen. Die Erziehungswissenschaftlerin Elke Kleinau schreibt dazu: „In Preußen werden 88% aller privaten höheren Mädchenschulen von Frauen geleitet. Die öffentlichen Schulen haben dagegen zu 91% einen männlichen Leiter. In dieser Hinsicht ist die Paulsenstiftsschule mit ihrer Entscheidung für eine Schulleiterin ganz der Privatschultradition verhaftet. Nun handelt es sich aber bei der Paulsenstiftsschule um eine staatlich anerkannte, halböffentliche höhere Mädchenschule. Von daher ist es ungewöhnlich, dass an ihr fast ausschließlich Frauen beschäftigt sind"1). Solch eine - wie damals oft verlautete - Kuriosität hatte Programm. Schließlich war die Schule des Paulsenstiftes von dem Hamburger "Frauenverein zur Unterstützung der Armenpflege" gegründet worden, der sich nicht nur um einen höheren Frauenanteil in den Lehrkörpern bemühte, sondern in seiner Schule ausschließlich Frauen beschäftigen wollte. Und Hanna Glinzer setzte sich als Schulleiterin für die Durchsetzung dieser Forderung ein. Als 1908 im Zusammenhang mit der preußischen Mädchenschulreform ein Gesetz erlassen wurde, dass die Stellen für die pädagogischen Kräfte geschlechtsparitätisch zu besetzten seien, löste dies im Schulvorstand der Schule des Paulsenstiftes heftige Debatten aus, war man doch gerade im Begriff, um eine staatliche Anerkennung zu ersuchen - damit wäre die Schule aber unter dieses Gesetz gefallen. Dennoch beschloss der Schulvorstand 1910, die staatliche Anerkennung zu beantragen, um damit seinen Schülerinnen bessere Berufschancen zu ermöglichen. 1912 erhielt die Schule die Lyzealberechtigung und damit gleichzeitig die Vorgabe, in Zukunft ein Drittel männlicher Lehrkräfte einzustellen. Der Schulvorstand wusste sich aber zu helfen: Er stellte zwar entsprechend viele männliche Lehrkräfte ein - diese aber nur nebenamtlich. Elke Kleinau erklärt dazu: „Dieses Verfahren, männliche Lehrkräfte ausschließlich nebenamtlich zu beschäftigen, wird möglich durch die Verknüpfung zweier Vorschriften über die Zusammensetzung des Lehrerinnen- und Lehrerkollegiums in privaten Mädchenschulen. Neben der Quotenregelung für männliche Lehrkräfte legen die Bestimmungen fest, dass nebenamtliche Kräfte engagiert werden können, die von ihnen erteilten Unterrichtsstunden aber nicht mehr als ein Drittel der Gesamtstunden betragen dürfen. Diese Regelung wird von der Schule bis Ostern 1932 praktiziert, d. h. bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Staat den Lehrerinnen und Lehrern generell die Ausübung nebenamtlicher Tätigkeiten untersagt"1). Unter Hanna Glinzers Leitung konnte die Schule in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Oberrealschule ausgebaut und außerdem als zweiter Oberbau eine dreijährige Frauenschule angegliedert werden. Neben ihrem Lehrerinnenberuf betätigte sich Hanna Glinzer auch stände- und frauenpolitisch. Sie wurde eines der führenden Mitglieder in den Hamburger Ortsgruppen des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins und des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Helene Lange wollte sie sogar für eine Kandidatur zur Hamburgischen Bürgerschaft gewinnen, was darauf schließen lässt, dass Hanna Glinzer zur Deutschen Demokratischen Partei tendierte. Aber Hanna Glinzer lehnte wegen ihrer Arbeitsbelastung als Schulleierin ab. Hanna Glinzer gehörte zu denjenigen, die den Machtantritt der Nationalsozialisten und eine restriktive Politik vorausgesehen hatten. Als sich ihre Befürchtungen verwirklichten, sah sie die einzige Möglichkeit, ihre Schule zu retten, in der völligen Verstaatlichung. Dies geschah 1937 und bedeutete gleichzeitig das Ausscheiden Hanna Glinzers aus dem Schuldienst. Denn sie weigerte sich, den Treueeid auf Hitler zu schwören - ließ sich lieber zwei Jahre zu früh pensionieren. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Schule und auch Hanna Glinzers Wohnung ausgebombt. Hanna Glinzer musste Hamburg verlassen. Lange hatte sie nicht die Kraft, eine zielgerichtete Arbeit aufzunehmen, erteilte dann aber doch wieder Unterricht - und zwar Flüchtlingskindern. Erst 1949 konnte sie nach Hamburg zurückkehren und erhielt eine Wohnung in einem Blankeneser Gartenhaus. Text: Rita Bake Zitate: [1] Elke Kleinau: Die Hochschule für das weibliche Geschlecht und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung des höheren Mädchenschulwesens in Hamburg. In: Zeitschrift für Pädagogik 36, 1990, Nr.1. Trauerrede für Hanna Glinzer an der Beisetzungsfeier am 7. April 1961, Privatarchiv Dr. Rita Bake    

    Marie Glinzer

    Lehrerin, Leiterin der von Emilie Wüstenfeld gegründeten Gewerbeschule für Mädchen

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    3.12.1843
    Hamburg

    6.12.1921
    Hamburg
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    Nach dem frühen Tod ihres Vaters wurde die 12jährige Marie Hartner als Pflegetochter in den Haushalt Emilie Wüstenfelds aufgenommen, um ihrer einzigen Tochter Marie Gesellschaft zu leisten. Sie besuchte die Schule des von Charlotte Paulsen und Emilie Wüstenfeld gegründeten "Frauenvereins zur Unterstützung der Armenpflege". 1860 begann ihre Ausbildung zur Erzieherin. Im Alter von 16 Jahren kam Marie Hartner zu Bertha Ronge gesch. Traun, geb. Meyer (siehe Grabstein: Antonie Traun und Erinnerungsstein: Margarethe Meyer Schurz) nach London, bei der sie die Arbeit in einem Fröbelschen Kindergarten kennen lernen sollte. 1861 engagierte Emilie Wüstenfelds Freundin Malwida von Meysenbug Marie Hartner als Gehilfin für die Erziehung der neunjährigen Olga Herzen, Tochter des im Londoner Exil lebenden russischen Revolutionärs Alexander Herzen. Nach vier Jahren Aufenthalt im Ausland kehrte Marie Hartner 1864 nach Hamburg zurück, wo sie zunächst bei der Familie Kortmann (siehe Grabstein: Marie Kortmann), dann wieder bei Emilie Wüstenfeld wohnte. Marie Hartner begann ihre Ausbildung zur gewerblichen Lehrerin. Am 3. November 1866 weihte sie die vom Hamburger Verein zur Unterstützung der Armenpflege gegründete Schule des Paulsenstifts mit ein (siehe: Grabstein Anna Wohlwill) und unterrichtete an der neuen "Industrieklasse". Marie Hartner wurde 1867 mit der Leitung der Klasse betraut, die sich im dritten Stock des Hauses Großer Burstah 12/16 zu Hamburgs ersten Gewerbeschule für Mädchen entwickelte. Schneidertische und Nähmaschinen waren die erste Ausrüstung. Hand- und Maschinennäherei, Wäsche und Kleiderzuschneiden und -anfertigen waren die ersten Arbeiten, Musterentwerfen und Zierhandarbeiten, alle Ausbesserungen, Waschen und Plätten traten hinzu. Zeichnen, Körperzeichnen, Zeichnen nach Pflanzenmodellen und nach der Natur, Malen, Porzellan- und Holzmalerei, Lithographie wurden eingeführt. Die Anfangsgründe der Physik und Chemie, Deutsch, Rechnen und Elementargeometrie, Buchführung und Schreiben traten hinzu. Man arbeitete für Kunden. Im Herbst 1867 kam Dr. Ernst Glinzer aus Kassel als Lehrer an die Baugewerkschule nach Hamburg und unterrichtete auch an der Gewerbeschule für Mädchen. Marie Hartner und Ernst Glinzer wurden am 2.6.1870 standesamtlich getraut. Marie Glinzer wurde Mutter von 3 Kindern, Otto (Arzt, geb. 1871), Hanna (siehe Grabstein: Hanna Glinzer) und Dora (geb. 1878). Sie setzte ihre Arbeit als Lehrerin fort. Nach dem Tod von Emilie Wüstenfeld kollidierten die Pläne des Vorstandes des Frauenvereins mit Marie Glinzers Auffassungen. Um seiner Frau weiteren Ärger zu ersparen, kündigte Ernst Glinzer die Stelle seiner Frau, was seine Frau sehr kränkte. Die Arbeit der Schulleitung hatte Marie Glinzer besser vertragen als die der Hausfrau und Mutter. Der Abschied von der Erwerbsarbeit war Marie Glinzer zeitlebens nahegegangen.

    Christel Grimme

    geb. Hartner

    Stifterin

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    8.9.1899
    Hamburg

    19.7.1984
    Großhansdorf
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    Christel Grimme stammte aus einer kinderreichen Familie. Sie war die jüngste Tochter und wuchs zwischen zwei älteren Brüdern und den drei älteren Schwestern, in einer lebensfrohen, von harmonischem Geist geprägten Familie auf, in der man fest zusammenhielt und bereit war, sich gegenseitig zu helfen. Die Eltern waren Toni Hartner und der Maschinenfacharbeiter Wilhelm Hartner, ein Bruder von Marie Glinzer, deren historischer Grabstein ebenfalls im Garten der Frauen steht und die die Pflegetochter der Frauenrechtlerin Emilie Wüstenfeld gewesen war.
    Christel Grimmes Brüder wurden Ingenieure und heirateten, zwei ihrer Schwestern blieben ledig.
    Eine von ihnen wurde Hausdame, die andere Erzieherin. Niemand von den Kindern der Eheleute Toni und Wilhelm Hartner bekam später Kinder. Eine Cousine von Christel Grimme war die im Garten der Frauen bestattete Elisabeth Glinzer, die einen kurzen Lebensabriss von Christel Grimme verfasste. Darin heißt es: "Frau Grimme heiratete einen, von Jugend auf, hochgradig zuckerkranken Mann [Ernst August Grimme 1901-1973], einen Lehrer und später Schulleiter in Northeim. Trotz aller Warnungen hielt sie an ihrem Entschluss fest. Sie ist ihrem Mann durch die Jahrzehnte hindurch eine gewissenhafte, zuverlässige und fürsorgliche Hilfe gewesen. Durch strikte Einhaltung der Zuckerdiät hat sie sich und ihrem Mann ein erfülltes Berufs- und Freizeitleben ermöglicht. Nach ihrem Tod hinterließ Frau Grimme ein beträchtliches Vermögen. Sie stiftete ihr ‚Erbe' für die Unterstützung und Pflege zuckerkranker Kinder. Ich betone ‚Erbe', denn das Vermögen stammte aus den Hinterlassenschaften der vor ihr verstorbenen Geschwister, vor allem aus der Hinterlassenschaft des Bruders John Hartner (1883-1965). Ein Zeichen für den festen Zusammenhalt der Familienmitglieder bis zum Tode." Die Christel- Grimme-Stiftung gibt es noch heute. Sie dient der Unterstützung zur Heilung, Pflege und Betreuung von Kindern, vorzugsweise solcher, die in Heimen leben und die durch ihre Erkrankung an Diabetes mellitus eine geistige und/oder körperliche Behinderung erfahren haben.

    Erna Hammond-Norden

    Kriegerwitwe, die Frau an seiner Seite

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    24.5.1906
    Hamburg

    6.1.1979
    Hamburg
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    Im Jahre 2005 erinnerte Deutschland mit Feierlichkeiten an das Kriegsende vor 60 Jahren. Der Verein Garten der Frauen gedenkt mit dem Grabstein von Erna Hammond-Norden den vielen tausend Kriegerwitwen des Zweiten Weltkriegs. Sie und die vielen anderen Frauen waren es, die nach den oft unerträglichen Belastungen, Ängsten und Entbehrungen während des Zweiten Weltkriegs einen wesentlichen Anteil am Aufbau des neuen demokratischen Deutschlands hatten. Bei Kriegsende lebten in Deutschland rund 65 Millionen Menschen - mehr Frauen als Männer. Das neue Deutschland brauchte die Frauen als Überlebensarbeiterinnen. Erna Hammond-Norden, geb. Michel, aus einer Arbeiterfamilie stammend, musste nach ihrer Ausbildung zur Dekorateurin schon früh zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen. So blieb denn auch ihr Wunsch, einen künstlerischen Beruf zu ergreifen, unerfüllt. Auf einem "Künstlerfest" im Hamburger Curiohaus lernte sie ihren späteren Mann Wilhelm Hammond-Norden kennen. Er, von Beruf Steinmetzmeister, war gleichzeitig Schriftsteller und Theaterkritiker. 1932 heiratete das Paar. Und obwohl bald darauf die Nazis die Macht ergriffen, begann für Erna die wohl schönste Zeit ihres Lebens. Man lebte sparsam und gesund, war ständiger Gast im Reformhaus, ebenso in den Hamburger Theatern und im legendären Bronzekeller. Das Paar war Mitglied der SPD. Zu seinen Freunden gehörten Hans Leip, Eugen Roth, Helmut Gmelin, Hans Harbek u.a. 1934 wurden die Tochter Renate und 1938 der Sohn Henning geboren. 1939 mit Kriegsbeginn erhielt Wilhelm Hammond-Norden den Einberufungsbefehl. Für seine Frau begann nun die schwere Zeit: Zwei Kleinkinder im Haus und der Mann im Krieg. Der Familienbetrieb lag durch verfehlte Betriebspolitik des Schwiegervaters darnieder und wurde zum Schleuderpreis von einem Wettbewerber übernommen. Und dann kam die schreckliche Nachricht: Ihr Mann wurde nach den Kämpfen um Stalingrad vermisst. Lange Jahre forschte Erna nach seinem Verbleib. Zahllose Gespräche mit heimkehrenden Soldaten wurden geführt, Briefe geschrieben - und immer wieder Hoffnung. Von ihrer kleinen Rente konnte sie sich und ihre beiden Kinder nicht ernähren. So übernahm sie neben der Erziehung ihrer Kinder die Büroarbeit in der nicht mehr der Familie gehörenden Steinmetzfirma. 1955 ließ der neue Firmenbesitzer ihren Mann für tot erklären, um den Namen Wilhelm Hammond-Norden aus dem Handelsregister löschen zu können. Für Erna Hammond-Norden ein Schock. Doch sie konnte nach zähen Verhandlungen erreichen, dass ihr Sohn als Partner in die Firma aufgenommen wurde. Im Alter erkrankte Erna Hammond-Norden an Hautkrebs. Kurz vor ihrem Tod am 6. Januar 1979 wünschte sie sich von ihrem Sohn sein Steinmetzmeisterstück als Grabstein.

    Julie Hansen

    Bibliothekarin

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    30.6.1883
    Hamburg

    5.2.1959
    Hamburg
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    Wenige Monate vor ihrer Geburt starb ihr Vater, Kapitän Hansen, beim Untergang der „Cimbria“. Auch ohne den Ernährer gelang es der Witwe, dass ihre drei Kinder Privatschulen besuchen konnten, indem diese z. B. Stipendien erhielten. Julia Hansen erfuhr die Erziehung einer „höheren Tochter“. Doch mit ihrem Wunsch, auf eigenen Füßen zu stehen und einem Beruf nachzugehen, ging sie in Opposition zum Leben einer „höheren Tochter“. 1918 wurde Julia Hansen Leiterin der Barmbeker Bücherhalle - Hamburgs vierten Bücherhalle. Das Verhältnis der Leserschaft zu ihrer Bücherhalle und ihrer Bibliothekarin war sehr vertraut. Besonders zur Jugend hatte Julia Hansen ein besonders gutes Verhältnis. Sie konnte die Jugendlichen fürs Lesen begeistern. Ab 1914 widmete sich Julia Hansen auch der Bibliothekarinnenausbildung. Bereits 1910 hatte sie öffentlich die Gründung einer Bibliotheksschule angeregt, was jedoch am Mangel an geeigneten Dozenten scheiterte. 1940 erhielt Julia Hansen neben Marie Friedrichs die Leitung des gesamten Praktikantinnenunterrichts. Julia Hansen lebte in der Burgstraße, wo sie mit ihrer Freundin Anni Eschrich zusammen wohnte.

    Franziska Jahns

    Kindermädchen der Familie Warburg

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    8.7.1850
    Hamburg

    24.2.1907
    Hamburg
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    Franziska Jahns, die in einem Waisenhaus aufgewachsen war, kam 1869 im Alter von 19 Jahren als Kindermädchen in das Haus des Ehepaares Moritz und Charlotte Warburg am Mittelweg 17. Damals waren bereits Aby (1866), Max (1867) und Paul (1868) Warburg geboren. Später folgten dann noch: Felix (1871), Olga (1873) und die Zwillinge Fritz und Louise (1879). Die rothaarige junge Frau schenkte den Warburgkindern ihre ganze Zuneigung. Sie war der Gegenpol zu Charlotte Warburg, die ein strenges, aus Leistungsdruck bestehendes mütterliches Regiment führte. Franziska Jahns zeigte sich den Kindern gegenüber warmherzig und gefühlvoll, schenkte ihnen ihre volle Zuwendung - räumte sogar das von den Kindern liegen gelassene Spielzeug weg - und war die einzige in der Familie, die mit den Wutausbrüchen und Augenblickslaunen des jungen Aby Warburg fertig wurde. Franziska Jahns, die nicht dem jüdischen Glauben angehörte, lernte sogar Hebräisch, um mit den Kindern die Gebete sprechen zu können. Im Winter 1906/07 erkrankte Franziska Jahns an Influenza. Diese Krankheit schwächte sie so sehr, dass sie am 24. Februar 1907 an einem Schlaganfall verstarb. 38 Jahre war sie - wie es in der von dem Bankier Moritz Warburg aufgesetzten Anzeige zu Franziska Jahns Tod heißt: "die treue Freundin unseres Hauses, die wir schmerzlich vermissen werden". In seinen privaten Unterlagen ist nachzulesen, dass Franziska Jahns: "38 Jahre mit uns Freud und Leid geteilt hatte und durch ihr feines, taktvolles Wesen die Vertraute aller geworden war". Das Grabmal schuf 1908 Richard Luksch, Bildhauer und Professor an der Kunstgewerbeschule in Hamburg. Zwei kniende Frauenskulpturen: die "Trauer" und die "Hoffnung" sitzen sich in etwa 1 ½ Meter Abstand gegenüber. Zwischen ihnen befindet sich ein in der Mitte geöffneter Steinrahmen. Franziska Jahns wurde damals zwischen den Figuren beigesetzt, so dass die nach unten blickende "Trauer" und die ihr Gesicht nach oben wendende "Hoffnung" an Franziska Jahns Kopfende saßen. In dem Steinrahmen sind glasierte Keramik-Sterne eingelassen. Zwischen den mit den Handflächen auf dem Steinrahmen ruhenden Händen der "Trauernden" liegt ein einziger Stern. Zwischen den ebenfalls auf dem Steinrahmen liegenden Händen der "Hoffenden", deren Handflächen geöffnet sind, sind drei Sterne zu finden. Die "Trauernde" bewahrt den einen und einzigen Stern, während die "Hoffende" weitere Sterne zu erwarten scheint.

    Bertha Keyser

    Schwester der Straßenmission

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    24.6.1868
    Maroldsweisach

    21.12.1964
    Hamburg
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    Als Kind einfacher gläubiger Eltern wurde Bertha Keyser am 24. Juli 1868 in Maroldsweisach in Bayern geboren. Sie verstand sich als eine Person, die die Menschen auf Jesus Christus hinweisen wollte. Bertha Keyser hatte vier Geschwister. Ihr Vater, ein Schmiedemeister, starb, als sie noch sehr jung war. Da er Geld aufgenommen hatte, um sich Maschinen zu kaufen, kam die Familie nach seinem Tod in finanzielle Nöte. Haus und Werkstatt mussten verkauft werden, Bertha und ihre Schwester wurden zu Verwandten nach Nürnberg geschickt, wo Bertha in der Bäckerei des Onkels mit anpacken musste. Als 1885 ihre Mutter mit den anderen Kindern nach Nürnberg nachzog, fing Bertha an, in einer Spielzeugfabrik zu arbeiten, um etwas zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Einige Zeit später ging sie nach Wien und im Alter von 34 Jahren (1902) nach England, wo sie als Hausangestellte tätig war. Dort lernte sie die Arbeit der Heilsarmee kennen und wusste von nun an, wozu sie berufen war. Entsprechend interpretiert sie in ihren Lebenserinnerungen auch einen verpassten Rendezvoustermin: Gerade im Begriff, sich zu ihrem Rendezvous aufzumachen, verspürte sie beim Treppenhinabsteigen heftige Schmerzen im Knie. Sie war nicht mehr in der Lage weiterzugehen und konnte somit auch nicht am Treffpunkt erscheinen. Dies deutete sie als Fingerzeig Gottes. Denn um für "den Heiland zu sein - musste ich frei sein von menschlichen Liebesbanden" (Bertha Keyser: Mutter der Heimatlosen. Nach der Lebensbeschreibung von Schwester Bertha Keyser, bearb. von Barbara Lüders. Hamburg o.J.) schreibt sie in ihren Lebenserinnerungen. Wegen des Beinleidens wurde ihr die Stelle im Haushalt gekündigt - und nun wieder ein Fingerzeig: Wie durch ein Wunder wurde nicht nur das Knie geheilt, in einer Zeitungsannonce las sie: Reisebegleiterin nach Berlin gesucht. Sie nahm die Stelle an. Durch diese Tätigkeit sah sie viel von der Welt, so war sie z.B. in Amerika, in der Schweiz und in Frankreich. Als die Mutter starb, gab Bertha diese Tätigkeit auf, denn nun brauchte sie nicht mehr für ihre Mutter zu sorgen, war, wie sie schreibt, "frei, ohne Rücksicht auf Geld meine ganze Kraft in den Dienst des Herrn zu stellen" (ebenda.). Sie arbeitete in verschiedenen Einrichtungen wie z.B. in einem Diakonissenhaus, später auch als Aufseherin in einem Frauengefängnis. In dem Diakonissenkrankenhaus blieb sie ein Jahr, "trat aber doch wieder aus, weil ich hier nicht fand, wonach sich mein Herz sehnte. Ich hatte mich ohne Entgelt zur Verfügung gestellt, und es war mir nicht schwer gefallen, in dieser Zeit den Kranken mit Rat und Tat zu helfen. Aber dass ich die kleinen materiellen Wünsche meiner Patienten nicht erfüllen konnte und durfte, bedrückte mich sehr. Es war mir einfach ein Bedürfnis, meine Kranken gelegentlich durch Früchte oder kleine Erfrischungen zu erfreuen", schrieb sie in ihren Lebenserinnerungen (ebenda.). So nahm Bertha Keyser wieder eine bezahlte Stelle an, diesmal als Kammerzofe bei einer französischen Gräfin. Aber bald zog es sie wieder zu einer sozialen Tätigkeit, und so kündigte sie und ging in die Wohnviertel den Armen von Paris. Dort lebte sie in einer Kürschnerwerkstatt, half beim Fellespannen und Pelznähen, malte Bilder und verkaufte sie für fünf Francs das Stück. Als das Angebot kam, als Aufseherin in einem Frauengefängnis zu arbeiten, griff sie zu. Sie führte einige Neuerungen ein, sang mit den Mädchen, betete und hielt mit ihnen Andacht. Als einige Mädchen sich nicht den Hausgesetzen entsprechend verhielten, hatte die Gefängnisleitung eine Handhabe, Bertha Keysers Neuerungen zu verbieten. "Alle Freiheiten, die man ihnen gewährt hatte, wurden wieder abgeschafft. Mir wurde untersagt, die Gefangenen in mein Zimmer zu lassen oder mit ihnen Andacht zu halten. Das schien mir ebenso schlimm, wie lebendig begraben zu sein." (ebenda.) Bertha Keyser kündigte und wurde nun Erzieherin in einem Mädchenheim im Elsass. Sie hatte eine ähnliche Arbeit zu verrichten wie im Frauengefängnis, denn in diesem Heim lebten die "tief Gefallenen". Aber auch hier blieb sie nicht lange: "Wir hatten eines Tages eine Unmenge Wäsche, die die Mädchen kaum bewältigen konnten. Ich sah die Erschöpfung der Mädchen und ließ deshalb die Wäsche einmal weniger spülen als sonst. Sie war trotzdem weiß und schön geworden. Ein Mädchen hatte es jedoch der Leiterin hinterbracht. Es kam zu einer scharfen Auseinandersetzung und ich verließ das Heim." (ebenda.) Bertha Keyser ging zur Heilsarmee zurück. Als sie jedoch zur Kadettenschule nach Berlin geschickt werden sollte und all die Verordnungen las, die sie von nun an einzuhalten hatte, distanzierte sie sich von der Heilsarmee. Sie zog nach Nürnberg und baute dort im Armenviertel eine eigene Missionsarbeit auf. Als Motor für diese aufopfernde Tätigkeit nannte sie ihren starken Glauben an Gott. Nach 3 1/2Jahren übergab sie ihre Arbeit der Landeskirche und ging 1913, im Alter von 45 Jahren, nach Hamburg. Der damalige Leiter der Strandmission hatte sie mehrmals darum gebeten. "Spät nachts kam ich im September 1913 nach Hamburg und in dem Missionsheim Richardstraße an. Nach kurzer Rast ging ich schon morgens um 5 Uhr mit in die üblen Kneipen und Keller der Niedernstraße, wo sich die Elendesten und Verkommensten einfanden. Welche Schreckensszenen erlebte ich in dieser gefährlichsten Gegend von Hamburg. Doppelposten von Schutzleuten waren im Abruzzenviertel, wie man diese Gegend nannte, aufgestellt. Ein einzelner Beamter hätte sich der Übergriffe des lichtscheuen Gesindels nicht erwehren können. Ich ließ mich aber nicht abschrecken und ging ganz allein durch die Straßen. Über den Arm hatte ich mir ein paar Würste gehängt und nahm einige Brote mit. So bewaffnet ging ich in die Spelunken und Kellerwirtschaften. Nach meinem Gefühl muss der Hungrige zuerst gesättigt werden, ehe man ihm das Wort Gottes bringen kann. Ich setzte mich daher auf irgendeine Kiste und verteilte meine Gaben. Die Hungrigen hockten sich um mich herum, und während sie aßen, erzählte ich ihnen von meiner Heimat und von meiner Mutter. So schloss ich ihre Herzen auf. Sie fingen nun an zu klagen, dass sie nur zerrissene Schuhe und Lumpen hätten und nicht wüssten, wie sie aus diesem Jammer herauskommen sollten, denn in diesem Zustand könnten sie sich wirklich nicht auf die Straße wagen. So blieben sie in den Kellern hocken und waren dem Laster und der Verzweiflung preisgegeben. Nachdem diese Armen Vertrauen zu mir gefasst hatten, konnte ich sie darauf hinweisen, dass die Sünde der Menschen Verderben ist, und Jesus Christus auch ihr Heiland sein will. Manchem dieser Verlorenen habe ich das Rettungsseil zuwerfen dürfen und sie mit Gottes Hilfe aus leiblichem und seelischem Elend herausgeführt." (ebenda.) Bertha Keyser arbeitete ehrenamtlich im Missionshaus in der Richardstraße. Ihre Arbeit wurde jedoch neidisch und missgünstig beäugt. Sie schreibt dazu: "Leider hat meine Anteilnahme für die Insassen bei einigen christlichen Geschwistern Anstoß erregt. Aber ich konnte nicht anders. Daher fasste ich den Entschluss, ein eigenes Missionswerk zu beginnen." (ebenda) Bertha Keyser lag es sehr am Herzen, ihre Schützlinge alle gleich zu behandeln, was in den Missionshäusern, in denen sie gearbeitet hatte, nicht die übliche Praxis gewesen war. Die ersten Räume für ihre Mission fand sie am Alten Steinweg 25. Hier gründete sie die Mission unter der Straßenjugend: "Zuerst wusch ich den Kindern Gesicht und Hände, denn niemand kümmerte sich um sie."(ebenda) Außerdem betreute sie Obdachlose. Im Laufe der Jahre kamen Armenspeisungen, Straßengottesdienste, Gefängnis- und Krankenbesuche sowie die Betreuung von Prostituierten hinzu. Finanziert wurde ihre Arbeit ausschließlich durch Spenden reicher Kaufleute, Firmen oder Privatpersonen, die sie persönlich aufsuchte. Im letzten Kriegsjahr zog sie mit ihrer Mission in ein größeres Haus an den Neuen Steinweg. Hier gab es einen großen Saal für Versammlungen, und es konnten ca. 60 Menschen über Nacht untergebracht werden. Aber obwohl Bertha Keyser ihre Obdachlosen angewiesen hatte, beim Verlassen des Hauses barfuß die Treppe hinunterzugehen, beschwerten sich nach einiger Zeit die Hausbewohner über den starken Betrieb. Bertha Keyser wurde daraufhin verboten, Obdachlosen Übernachtungsmöglichkeiten zu bieten. Sie musste ausziehen und fand in der Jugendherberge in der Böhmkenstraße ein neues Zuhause mit 80 Betten. In den Jahren der Wirtschaftskrise bekamen Bertha Keysers Feldküchenspeisungen großen Zulauf. 1924 schaffte sie deshalb drei Feldküchen an. Damit fuhren sie und ihre Mitarbeiter täglich zum Großneumarkt, zur Reeperbahn und zum Rathausmarkt. 600 Portionen warmer Mittagskost wurden zeitweilig täglich verteilt. 1925 musste Bertha Keyser auf Drängen des Hauswirtes auch die Räume in der Böhmkenstraße verlassen. Sie fand eine neue Bleibe in der Winkelstraße, nahe der Musikhalle, wo die Mission nun ein ganzes Haus für sich besaß. Wer bei ihr wohnte, musste arbeiten, Sachspenden abholen oder Gelegenheitsarbeiten auf dem von der Mission gepachteten Holzhof ausführen. 1927 konnte Bertha Keyser endlich auch ein Frauenobdachlosenheim einrichten und zwar in der Winkelstraße 7, in einem Haus neben dem Missionsheim. Das Heim erhielt den Namen "Fels des Heils". Für die obdachlosen Männer fand Bertha Keyser in der Stiftstraße, in der Nähe des Hauptbahnhofes, ein neues Domizil. Bei vielen Anwohnern und Behörden stieß Bertha Keysers Tätigkeit auf keine freundliche Zustimmung. Aber sie ließ sich nicht beirren. Sie verstand sich als Mutter der Heimatlosen. 1929 gründete sie im Alter von 61 Jahren einen "Evangelisch-Sozialen Hilfsverein e. V.". Die Beiträge der Mitglieder dienten zur Unterstützung der Mission. Über Bertha Keysers politische Einstellung während der Zeit des Nationalsozialismus und ihre Arbeit in dieser Zeit schreibt Claudia Tietz in ihrem Aufsatz über Bertha Keyser: "Bertha Keyser, die von sich sagte, sich nie um Politik gekümmert zu haben, galt dem Hamburger Bischof Franz Tügel (1888-1946), einem profilierten Deutschen Christen, als politisch zuverlässig und der gleichgeschalteten Landeskirche treu ergeben. Auskunft über ihre politische Einstellung geben auch die erhaltenen Exemplare der 'Posaune des St. Michael'. Während die Beiträge des nationalsozialistisch geschulten Parteimitglieds Adolph Bohlen von Propaganda geprägt sind, äußert sich Bertha Keyser weit zurückhaltender: Blind für die deutsche Kriegspolitik, die Verfolgung von ethnischen Gruppen und den Rassenwahn befürwortet sie die von den Nationalsozialisten angeblich betriebene Stärkung der Familie, der öffentlichen Moral und des Christentums. Dabei könnte Bertha Keysers Zurückhaltung sowohl politisch durch ihre öffentlich bekannte, langjährige Sympathie für die evangelikalen Bewegungen am Rand beziehungsweise außerhalb der Landeskirche begründet gewesen sein, welche im 'Dritten Reich' zum Teil verboten waren, als auch theologisch durch ihr Verständnis Jesu Christi. Der Glaube an ihn als den alleinigen Schöpfer, Herrscher und Erlöser schloss für sie andere totalitäre Herrschaftsansprüche aus: Während der nationalsozialistischen Diktatur konnte Bertha Keyser ihre Missionsarbeit nur unter Schwierigkeiten fortsetzen: 1933 musste das Männerheim in der Stiftstraße aus ungenannten Gründen geräumt werden. Als die Winckelstraße im gleichen Jahr in eine geschlossene Bordellstraße umgewandelt wurde, musste auch das Mädchenheim 'Fels des Heils' ausziehen. Eine neue Unterkunft fand die 'Volks- und Straßenmission' im ehemaligen Quartier des zerschlagenen kommunistischen 'Internationalen Seemannsklubs' in der Rothesoodstraße 8. Das Haus wurde am Reformationstag 1934 mit einer Festansprache von Pfarrer Albrecht Jobst (1902-1945) von St. Michaelis über die sieben Bitten des Vaterunsers eingeweiht. Wie in den bisherigen Heimen, befanden sich auch in der Rothesoodstraße die Schlafsäle der Obdachlosen, die Versammlungs- und Arbeitsräume, die Kantine, das Büro und Bertha Keysers Privatwohnung unter einem Dach. Um Arbeitsplätze für die Heimbewohner zu schaffen, wurde in der Nicolaistraße 4 ein Holzhof für 20 Beschäftigte eingerichtet. Wegen Problemen mit dem Heimleiter bestand das neue Missionshaus nur kurze Zeit. Bertha Keyser zog in eine gegenüberliegende Ladenwohnung und führte während des Krieges mit einem kleinen Mitarbeiterkreis in Kellern und Bunkern Armenspeisungen durch." (Claudia Tietz: Die Straßenmissionarin Bertha Keyser (1868-1964), in: Das 19. Jahrhundert. Hamburgische Kirchengeschichte in Aufsätzen, Teil 4. Herausgegeben von Inge Mager. Hamburg: Hamburg University Press, 2013, S. 434f. (Arbeiten zur Kirchengeschichte Hamburgs, Band 27). Als 1943 ihr dreistöckiges Heim "Fels des Heils" den Bomben zum Opfer fiel, suchte sie, nun bereits 75 Jahre alt, sofort wieder nach einem geeigneten Haus. 1945 konnte sie schließlich ein kleines Zimmer in der Langen Reihe Nr. 93 mieten. Dort wohnte sie mit Schwester Anna Bandow, die Bertha Keyser unterstützte und die zahlreichen "Essensgäste" beköstigte. Außerdem erklärten sich mehrere Großküchen bereit, für Bertha Keysers Missionswerk mitzukochen. In verschiedenen Schulen konnte die Mission Feierstunden mit anschließender Speisung abhalten. Bei Hamburger Firmen und Kaufleuten erwarb sich Bertha Keyser viele Freunde, Gönner und Spender, die sie regelmäßig mit Sach und Geldspenden unterstützten. Eine große Hamburger Kaffeefirma zahlte die Miete ihrer kleinen Ladenwohnung im Bäckerbreitergang Nr. 7, die sie bewohnte, seit sich die Nachbarschaft aus der Langen Reihe über sie beschwert hatte. Aber sie wurde vom manchem auch argwöhnisch beäugt. Pastor Lüders schrieb in einem Nachwort zu Bertha Keysers Lebenserinnerungen: "Mag sein, dass die Sozialbehörde, das Arbeitsamt oder auch die Kriminalpolizei zürnend auf dies Sammelbecken Obdachloser sehen. Asoziale Elemente würden durch ihre Speisungen nach Hamburg gezogen oder in Hamburg gehalten, Arbeitsscheue in ihrer Faulheit bestärkt, weil sie bei ihr unentgeltliche Hilfe und Beköstigung finden. Gewiss, sie will das Gute, aber ihre Gutmütigkeit wirkt sich zuweilen als Schade aus. So wird von manchen geurteilt." (ebenda.) Aber: "Schwester Bertha ist für viele Heruntergekommene die letzte Chance zu einem neuen Lebensanfang.(...) Diese für manche letzte Auffangstation hat aber doch Ungezählten im Laufe der Jahre einen neuen und guten Lebensanfang gegeben. Dass die Arbeit eben nicht nur Menschlichkeit zum Motiv hat, sondern die Liebe Christi, die Menschen mit Christus verbinden und dadurch retten möchte, gibt ihr den besonderen Charakter. Welche Behörde kann sich so seelsorgerlich um die Bedürftigen kümmern?" (ebenda.) Zu ihrer Beerdigung am 29. Dezember 1964 fanden sich über 500 Trauergäste aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten ein. Mit Hilfe der Hamburger Verkehrsbetriebe, die kostenlose Busse vom Bäckerbreitergang zum Friedhof Ohlsdorf einsetzten, war es auch vielen ihrer "Sperlinge Gottes" möglich, am langen Trauerzug teilzunehmen. Bertha Keyser blieb vielen Hamburgerinnen und Hamburgern in Erinnerung. 1983, 18 Jahre nach ihrem Tod, wurde nach ihr der "Bertha-Keyser-Weg" im Hamburger Stadtteil St. Pauli benannt. Ein Jahr später initiierte die Patriotische Gesellschaft die Enthüllung einer Gedenktafel im Bäckerbreitergang. Anlässlich ihres 25. Todestages wurde ein von Hans Petersen geschaffenes Gemälde von ihr in die Krypta des Michels gehängt. Dort verblieb es lange Zeit. Text: Dr. Rita Bake

    Annie Kienast

    Betriebsrätin, Mitbegründerin der DAG, Mitglied (SPD) der Hamburgischen Bürgerschaft

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    15.9.1897
    in Hamburg

    3.9.1984
    in Hamburg
    Mehr erfahren
    Annie Kienast wuchs mit fünf Geschwistern im Arbeitermilieu auf - der Vater war Kesselschmied, die Mutter ein ehemaliges Dienstmädchen, beide SPD-Mitglieder. Annie Kienasts Bildungslaufbahn entsprach dem eines Mädchen aus der Arbeiterschicht: Volksschule, danach Lehre als Textil-Verkäuferin.
    Geprägt durch ihre Eltern wurde auch Annie Kienast Mitglied der SPD und der Gewerkschaft. Da war sie 21 Jahre alt. Ihr Hauptinteresse galt der Gewerkschaftsarbeit. Ihr widmete sie ihre ganze Aufmerksamkeit und Kraft - und blieb unverheiratet. Aktiv war sie im Zentralverband der Handlungsgehilfen (ZdH) bzw. dessen Nachfolgeorganisation, dem Zentralverband der Angestellten (ZdA). 1918 war Annie Kienast eine der Organisatorinnen des ersten Streiks der Hamburger Warenhausangestellten. Darüber erzählte sie: "Es war einige Tage nach dem 9. November 1918. In Schlagzeilen zeigte das Flugblatt eine öffentliche Versammlung für die Waren- und Kaufhausangestellten an:
    Wir fordern bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen!
    Wir fordern gleiche Bezahlung für Frauen und Männer!
    Wir fordern 7-Uhr Ladenschluß am Sonnabend!
    Referent: Kollege John Ehrenteit
    Die Versammlung fand im großen Saal des Gewerkschaftshauses in Hamburg statt.
    Tausende von Einzelhandelsangestellten sind damals diesem Ruf gefolgt. Natürlich, ich war auch dabei (...) Eine Tarifkommission wurde gewählt. Die Versammlung zog sich bis nach Mitternacht hin, vor Begeisterung hatte ich es nicht gemerkt (...).
    Es ging ans Werk. Der Tarifvertragsentwurf wurde ausgearbeitet und beraten. Wir zogen in die Verhandlung mit den Arbeitgebern; aber kein Baum fällt auf den ersten Hieb. Darum wurde verhandelt, vertagt und berichtet. Kurzfristig wurde die Kollegenschaft abermals zur Versammlung eingeladen; einmütig wie in der ersten stand sie zur Sache! Die Arbeitgeber erklärten, wenn unsere Forderungen Wirklichkeit würden, müßten sie ihre Geschäfte schließen. Im Februar 1919 wurden die Verhandlungen abgebrochen. Als letztes gewerkschaftliches Kampfmittel wurde der Streik beschlossen und angewandt, er dauerte sechs Tage.
    Die Einmütigkeit und Entschlossenheit führten zum Erfolg: bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen, gleiche Bezahlung für Frauen und Männer, 7-Uhr-Ladenschluß am Sonnabend. Das war mein erstes gewerkschaftliches Erlebnis (...)." (Anni Kienast: Wie ich Gewerkschafterin wurde. In: Frauenstimme der DAG, Nr. 9, September 1955.)
    Die Quittung für ihr Engagement war: Annie Kienast wurde entlassen, konnte aber gleich darauf bei der ZdA-Hamburg anfangen zu arbeiten, wo sie von 1919 bis 1921 tätig war. Zwischen 1921 und 1933 arbeitete sie dann als Warenhausverkäuferin im Konsum-, Bau- und Sparverein "Produktion" und war gleichzeitig Mitglied des Gesamtbetriebsrates der "Produktion" und damit eine der wenigen Frauen, die in einem Hamburger Betriebsrat saßen. Als Gewerkschafterin kümmerte sie sich sehr um die Probleme der erwerbstätigen Frauen.
    Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen: "verlor [ich] 1933 meine Stellung und war dann bis 1935 arbeitslos. Dann bekam ich eine Anstellung bei der Defaka. 1943 mußte ich zum Chef kommen. Der Chef hat gesagt: 'Frau Kienast, zum zweiten Mal wird mir mitgeteilt, sie halten in der Kantine kommunistische Reden!' Ich sag: 'Nein' und daß das eine Verleumdung ist. Aber das war außerordentlich gefährlich! Ein Jahr später mußte ich wieder zum Chef. Da war die Vertreterin von der NS-Frauenschaft gestorben, und da sagt der Chef zu mir: 'Wir möchten gerne, daß Sie die Stellung von Valeska übernehmen'. Das müßt Ihr Euch mal vorstellen, wie schwer das ist, sich da rauszuwinden! Da hab ich gesagt: 'Das tut mir furchtbar leid, das kann ich nicht. Ich muß meine armen, alten Eltern betreuen. Ich muß abends immer sofort nach Hause.' 'Nein, das brauchen sie nicht, wir stellen ihnen 'ne Frau, die immer bei ihren Eltern ist'. Und da sage ich: 'Nein, das tut mir furchtbar leid, aber das würden meine Eltern nicht durchhalten.' Und da bin ich so davon gekommen." (Frauen im Faschismus. Frauen im Widerstand, Hamburger Sozialdemokratinnen berichten. Hrsg. von der AsF Hamburg o.J.
    Vgl.: Anni Kienast: Die Frau und die Gewerkschaft. In: Gewerkschaftliche Frauenzeitung vom 19.7.1921.)
    Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Annie Kienast im Oktober 1946 in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt, der sie bis Oktober 1949 angehörte. In der Nachkriegszeit war sie Mitbegründerin der DAG und gehörte bis 1957 dem Hauptvorstand an.

    Clara Klabunde

    geb. Genter

    Erste Gerichtspräsidentin der Bundesrepublik Deutschland

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    30.12.1906
    Hamburg

    7.7.1994
    Hamburg
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    Geboren, als Tochter von Bertha Genter, Lehrerin in Hamburger Strafanstalten und des Kaufmanns Hermann Genter gehörte Clara Klabunde zu den wenigen Frauen, die in einem seit Jahrhunderten den Männern vorbehaltenen Beruf tätig wurden: der Juristerei. In diesem Metier brachte sie es zur ersten Gerichtspräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Im Alter von 20 Jahren schrieb sich Clara Klabunde an der juristischen Fakultät der Universität Hamburg ein, studierte bis 1929 Jura und wurde dann Referendarin in der Hamburger Justizverwaltung. Im März 1933 bestand sie die juristische Staatsprüfung und beantragte die Zulassung als Anwältin. Seitdem arbeitete sie 19 Jahre als Rechtsanwältin in Hamburg. Durch die Reichsrechtsanwaltsordnung von 1935 wurde Clara Klabunde als Frau, die als Anwältin arbeitete, beruflich eingeschränkt. Sie ging eine gemeinsame Sozietät mit dem Rechtsanwalt Wilhelm Drexelius ein und vertrat in der NS-Zeit politisch Verfolgte des NS-Regimes. 1934 heiratete sie den Journalisten Erich Klabunde, den sie während des Studiums an der Universität im Sozialistischen Studentenbund kennengelernt hatte. Erich Klabunde musste nach 1933 seine Arbeit aus politischen Gründen aufgeben. Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde er Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion und später Bundestagsabgeordneter. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Clara Klabunde ehrenamtliches Mitglied einer Reihe von Gremien. Im Rahmen der Entnazifizierungsverfahren war sie als Spruchkammervorsitzende, außerdem im beratenden Ausschuss für das Pressewesen, im Vorstand des Hamburgischen Anwaltsvereins und der Vereinigung weiblicher Juristen und Volkswirte tätig. 1950 starb Erich Klabunde. Clara Klabunde ging in den Staatsdienst und wurde Richterin. Neben dieser Tätigkeit fungierte sie 25 Jahre als Verfassungsrichterin am Hamburgischen Verfassungsgericht und gehörte außerdem lange dem Vorstand des Hamburgischen Richtervereins an. 1952 wurde Clara Klabunde zur Vorsitzenden am Landesarbeitsgericht Hamburg und zur Landesarbeitsgerichtsdirektorin berufen und war entscheidend bei der Entwicklung des damals nur teilweise kodifizierten Arbeitsrechts beteiligt, welches den sozialen Gegebenheiten der Nachkriegszeit angepasst werden musste. Am 1. September 1966 wurde Clara Klabunde als erste Frau in der Bundesrepublik Deutschland zur Präsidentin des Landesarbeitsgerichtes ernannt - unter der Dienststellenbezeichnung "Der Präsident". Mit dieser Ernennung würdigte der Senat ihre Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Fünf Jahre wirkte sie als Gerichtspräsidentin und trat 1971 in den Ruhestand. Für ihre Verdienste um das Rechtswesen erhielt Clara Klabunde die Medaille für Treue Arbeit im Dienste des Volkes in Silber.

    Marie Kortmann

    Lehrerin, Leiterin des Vereins zur Förderung von Frauenbildung und Frauenstudium

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    20.5.1851 –
    16.10.1937
    Hamburg
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      Eine verwandtschaftliche Nachfahrin der Frauen der 48er Revolution ist Marie Kortmann, die Tochter Pauline Kortmanns, der Schwester Emilie Wüstenfelds. (Siehe zu Emilie Wüstenfeld in der Rubrik: Erinnerungsskulptur) Marie Kortmanns starke Prägung durch Mutter und Tante wird an ihrem beruflichen und frauenpolitischen Werdegang deutlich. Dennoch hatte sie auch etwas „Eigenes“ - sie war nicht nur die „Nichte von....“ Kaum 17jährig, unterrichtete sie bereits an der 1867 gegründeten gewerbeschule für Mädchen (siehe dazu historischer Grabstein von Marie Glinzer im Garten der Frauen). Dort wirkte sie ganz in der Tradition ihrer Tante - brachte aber auch ihre persönliche Komponente ein. So nutzte sie ihr Zeichentalent und ihre musikalische Begabung, um an der Gewerbeschule und später auch an privaten Mädchenschulen Kunstunterricht zu geben, und ging mit ihren Schülerinnen zu den von Alfred Lichtwark und Anna Wohlwill (historischer grabstein im Garten der Frauen) angeregten Führungen in die Kunsthalle. Sie war aber nicht nur als Lehrende tätig, sondern beteiligte sich mit Zeichnungen an den „Jahrbüchern der Gesellschaft Hamburgischer Kunstfreunde“. Ganz im Sinne ihrer Mutter, die lange Zeit für den Frauen-verein zur Unterstützung der Armenpflege gearbeitet hatte, widmete sich auch Marie Kortmann diesem Verein und wurde 1914 dessen Vorsitzende. Der Tradition ihrer Tante verpflichtet waren folgende Aktivitäten Marie Kortmanns: Im Herbst 1895 hatte die Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins eine Abteilung für Frauenbildung geschaffen, deren Leiterin Marie Kortmann von 1898 bis zu ihrer Ablösung im Jahre 1907 war. Ziel dieser Abteilung war es, das Mädchenbildungswesen zu erweitern. So gelang ihr an hamburgischen Privatschulen die Einführung des Unterrichts in Hygiene, Pädagogik und in Grundzügen der Volkswirtschaftslehre. Keinen Erfolg bei der Schulbehörde hatte die Abteilung für Frauenbildung mit ihrer Forderung nach Einrichtung von Latein- und Mathematikkursen zur ersten Vorbereitung auf die Oberlehrerinnenprüfung. Deshalb richtete die Abteilung für Frauenbildung selbst solche Kurse ein. Besonders engagierte sich die „Abteilung“ für die Einführung der staatlichen Mädchenfortbildungsschule. Auch versuchte sie, den Staat dazu zu bewegen, Haushaltsschulen mit Tages- und Abendkursen für Volksschulmädchen einzurichten. Da dieser Plan aussichtslos erschien, eröffnete 1898 die Abteilung für Frauenbildung selbst die erste Haushaltungsschule in der Sachsenstraße, der bald darauf eine weitere in Eimsbüttel folgte. Von der Abteilung für Frauenbildung wurde auch die Gründung von Gymnasialklassen für Mädchen angeregt. Da die „Abteilung“ jedoch nicht selbst solche Klassen einrichten konnte, rief die Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins einen Zweigverein - den Hamburgischen Verein zur Förderung von Frauenbildung und Frauenstudium - ins Leben, der sich ganz diesem Anliegen widmete. Er wurde im Dezember 1900 unter dem Vorsitz von Marie Kortmann mit 50 Mitgliedern gegründet. Marie Kortmann als Vorsitzende dieses Vereins wirkte ganz entscheidend bei der Gründung eines Realgymnasiums für Mädchen mit. Ostern 1901 wurde die erste Obertertia mit 22 Schülerinnen eröffnet und im folgenden Jahr die Weiterführung der Klassen nach dem Lehrplan des Realgymnasiums beschlossen. Die ehrenamtliche Leitung übernahm Professor Dr. Gustav Wendt. Unter seiner Leitung wuchs die Schule zu einer zunächst fünf-, später sechsstufigen Schule an. 1917 wurde sie in ein humanistisches Gymnasium umgewandelt. Marie Kortmann war maßgeblich bei der Beschaffung der Gelder für dieses Unternehmen beteiligt. 1904 bewilligten der Senat und die Bürgerschaft für drei Jahre 5.000 Mark. Da das Geld aber nicht ausreichte, „steckte“ um Ostern 1906 der damals amtierende Schulrat Schober den wenigen nicht in die Ferien verreisten Vorstandsdamen des Vereins, dass nun die Zeit günstig sei, weiteren Staatszuschuss zu beantragen. Die Kassenführerin des Vereins entschloss sich, auf eigene Verantwortung 15.000 Mark zu fordern. Als der Vorstand davon erfuhr, erschrak er zutiefst. Aber die Mutige hatte Glück - die Behörde stimmte dem Anliegen zu. Als Marie Kortmann ihren siebzigsten Geburtstag feierte, schrieb eine Hamburger Zeitung über die Jubilarin: „Sie wirkte an der Gründung des Hamburger Mädchen-Gymnasiums mit und wurde die treu sorgende Hausmutter desselben. All den verschiedenen Jahrgängen Hamburger Studentinnen, die in dem trefflichen Lehrinstitut zum Abitur geführt wurden, wird die Liebe und Hingebung von Marie Kortmann unvergesslich bleiben, mit der es ihr gelungen war, die Anstalt unter anfangs recht schwierigen Verhältnissen mit den notwendigen Lehrmitteln auszurüsten und ihr stets ein angenehmes, heimisches Gepräge zu verleihen.“ Marie Kortmann blieb unverheiratet und lebte mit Dora und Hanna Glinzer (siehe: historischer Grabstein von Hanna Glinzer im Garten der Frauen), die ebenfalls unverheiratet blieben, zusammen im Juratenweg 4. Dora Glinzer führte für ihre Schwester Hanna und für Marie Kortmann den gemeinsamen Haushalt. Noch im Alter von 76 Jahren schrieb Marie Kortmann eine umfassende Biographie über ihre Tante Emilie Wüstenfeld: „Emilie Wüstenfeld. Eine Hamburger Bürgerin.“ Text: Dr. Rita Bake Literatur: Zeitungsberichte von Mai 1992, Zeitungsausschnittsammlung Staatsarchiv Hamburg Helene Bonfort: Marie Kortmann am 20. Mai achzigjährig, in: Wir Hausfrauen von Hamburg, Nr. 11, 5.6.1931.    

    Yvonne Mewes

    Lehrerin, leistete Widerstand gegen das NS-Regime

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    22.12.1900 –
    6.1.1945
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    Yvonne Mewes stammte aus einer bürgerlichen gebildeten Familie. Sie war die erste von vier Töchtern des Ehepaares Dr. Wilhelm Mewes und Hermine Mewes. Wilhelm Mewes war Zahnarzt, er hatte in Hamburg in der Gelehrtenschule Johanneum das Abitur abgelegt, sein Enkel Harry berichtet, dass er viel las, u. a. Werke in lateinischer Sprache.1) Yvonne Mewes wurde in Karlsruhe geboren. Bis 1919 lebte die Familie in Straßburg im Elsass. Im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Versailler Vertrags verließen sie, wie Harry Mewes schrieb, „als patriotische Deutsche“ das Elsass und zogen nach Hamburg. Hier bewohnten sie eine Villa am Grindelberg 42. Wilhelm Mewes praktizierte in der ersten Etage und hatte ein kleines Labor. Seine Ehefrau oder seine Töchter gingen ihm zur Hand. Yvonne Mewes studierte von 1920 bis 1925 Philologie in Hamburg und München. Sie legte 1925 das Staatsexamen ab und 1927 die Lehramtsprüfung. Ihre jüngere Schwester Gertrude, geboren 1904, ging in die Lehre bei einer Hutmacherin. Sie verliebte sich in Imre Szanto, einen jungen Ungarn jüdischer Herkunft, Geschäftsmann und Sohn eines Rechtsanwalts. Als Gertrude Mewes schwanger wurde, erlaubten seine Eltern nicht, dass er sie heiratete. Als Gründe gaben sie seine Jugend an und dass die Verbindung „außerhalb seiner Religion“ sei. 1923 wurde Harry als uneheliches Kind geboren. Er wuchs auf im Haus seiner Großeltern und Tanten. Eine enge Beziehung hatte er zu seiner Tante Yvonne. 1928 erhielt Yvonne Mewes eine Stelle als Lehrerin in der Heilwig-Schule, die damals noch privat und evangelisch-lutherisch war. Sie unterrichtete die Fächer Englisch und Französisch. Bei ihr traf sich regelmäßig das „Italienische Kränzchen“. Es war aus den Italienisch-Vorlesungen des Dr. Meriggi hervorgegangen, der als „antifaschistisch“ galt. Im Laufe der Zeit wurden die Gespräche politisch, die Teilnehmer lasen Hitlers „Mein Kampf“. Eine Teilnehmerin wollte eine Frau jüdischer Herkunft ausschließen, Yvonne Mewes setzte sich dafür ein, dass diese in der Gruppe bleiben konnte, die andere verließ das Kränzchen. Ab 1933 geriet Yvonne Mewes in der Schule unter Druck. Es wurde von ihr erwartet, dass sie der NSDAP beitrat. Sie weigerte sich und verschleierte keineswegs ihre Abneigung gegenüber dem NS-Regime und seiner Ideologie. Diese Haltung hatte zur Folge, dass sie nicht zur Studienrätin ernannt wurde, sondern Studienassessorin blieb. Ihre ehemalige Schülerin Ursula Randt (siehe zu ihr in der Rubrik: Frauen auf anderen Hamburger Friedhöfen, hier: Altona, friedhof Groß-Flottbek) schreibt, dass sie „eine hervorragende Französisch-Lehrerin“ gewesen sei. Um dem wachsenden Druck etwas entgegenzusetzen, machte Yvonne Mewes Ausflüge und weite Fahrradtouren und bot damit auch ihrem Neffen Erholung von der ihn belastenden Situation als „Mischling 1. Grades“ in der Schule Johanneum. Sie nahm auch Anteil an dem Schicksal der anderen jüdischen und „halbjüdischen“ Kinder in der Schule ihres Neffen, und sie war empört über die Bücherverbrennung 1933 und die „Reichskristallnacht“ 1938. 1938 wurde Yvonne Mewes auf eigenen Wunsch in den Staatsdienst übernommen. Sie unterrichtete an der Schule Curschmannstraße. Sie weigerte sich aber, in den Kriegsjahren an der Kinderlandverschickung teilzunehmen, weil sie dann ihren Unterricht nicht mehr in ihrem Sinne gestalten könne, sondern unter dem Einfluss der Hitler-Jugend stehe. Als Folge dieser Weigerung wurde sie an die Caspar-Voght-Schule versetzt und 1942 wieder zurück an die Heilwig-Schule, die inzwischen staatlich geworden war. Der Schulleiter der Heilwig-Schule, Dr. Hans Lüthje, schrieb am 4. Juni 1943 in einem Bericht an die Schulbehörde über Yvonne Mewes: „Ein bis zum Fanatismus wahrheitsliebender Mensch, der keine Bindung anerkennt und anerkennen will, sich rücksichtslos gegen alles stemmt, was nach Zwang aussieht, sich mit allen Kräften gegen die notwendigen Anforderungen der Gemeinschaft sträubt. Sie ist alles in allem der Prototyp eines Individualisten, in ihre Ideen verrannt, schwer, wenn überhaupt, belehrbar und anderen Gedanken kaum zugänglich ... Mewes ist in ihrer Sucht, jeglicher Bindung auszuweichen, auch nicht der NSDAP beigetreten.“ Ende Juli 1943 wurde ihre Wohnung in der Meerweinstraße durch Bombenangriffe zerstört, ihre Bibliothek und ihre literarischen Texte, Grundlagen ihrer beruflichen Tätigkeit, verbrannten. Sie verließ Hamburg und fand gemeinsam mit ihren Eltern Aufnahme bei ihrer jüngsten Schwester in Passau. Dort begann Yvonne Mewes wieder zu unterrichten und hoffte, von der Hamburger Schulbehörde die Erlaubnis zu bekommen, in Passau bleiben zu dürfen. Ihr Gesuch sandte sie unter Einhaltung des Dienstweges an den Schulleiter Hans Lüthje, der es mit einem Begleitschreiben vom 4. September 1943 an die Schulbehörde weiterleitete. In diesem Schreiben zitierte er seinen vorangegangenen Brief an Yvonne Mewes: Er habe darauf hingewiesen, dass es Lehrern verboten sei, sich selbst eine Stelle zu suchen, und habe ihr verschiedene Möglichkeiten vorgeschlagen: Sie könne ausscheiden aus dem Schuldienst, zurückkehren nach Hamburg „und zwar sofort“, bleiben in Passau und an der Jungenschule unterrichten oder in Passau Hamburger Schulkinder unterrichten. Yvonne Mewes hatte in Passau nach dem Verlust ihrer Wohnung wieder eine Wohnmöglichkeit, eine Stelle an einer Jungenschule, und sie lebte in der Nähe ihrer Schwester und deren Familie, sie hoffte, in dieser neuen Existenz bleiben zu können, aber die Schulbehörde lehnte ihr Gesuch ab. Sie erhielt den Befehl, bis zum 20. Januar 1944 wieder nach Hamburg zurückzukehren und zu unterrichten. Sie hatte dort keine Wohnung mehr. Die schriftliche Zusage, dass sie zunächst im Nachtwachenzimmer der Heilwig-Schule unterkommen könne, wurde nicht eingehalten. Harry Mewes Santo: „Die Walddörfer Schule für Mädchen, wo sie sich melden soll, hat keine Verwendung für sie. Verärgert umsonst entwurzelt zu sein, um bei einer Schule, die sie nicht braucht, anzutreten, folgt sie dennoch dem Befehl des Schulamts, beim Kinderlandverschickungsheim der Heilwig-Schule in Wittstock an der Dosse zum Dienst anzutreten.“ Ihre ehemalige Kollegin Anni Kuchel erinnerte sich im Jahr 1985, dass Schulleiter Lüthje bemüht gewesen sei, Yvonne Mewes zu „helfen“, sie werde „von NS unbehelligt bleiben“, wenn sie in Wittstock unterrichte. Er habe ihr eine Wohnmöglichkeit verschafft, wo sie allein leben konnte, und sich eingesetzt, „um die Behörde zu beruhigen“. Yvonne Mewes litt unter den Bedingungen und begab sich in Behandlung bei einem Nervenarzt. Sie ließ sich jedoch kein Attest geben, das ihr Dienstunfähigkeit bescheinigt hätte. Ursula Randt erinnerte sich, dass ihre Lehrerin den Aufenthalt in Wittstock nur „mit großem Widerstreben“ ertrug. Sie schilderte eine Situation im Frühsommer 1944. Es war in der Französischstunde im HJ-Heim. Die Fenster standen offen, und die Wittstocker HJ war draußen zum Dienst angetreten, laute Kommandos waren zu hören. „Plötzlich wandte sich Yvonne Mewes brüsk um, schlug die Fenster heftig zu und sagte dann zornig, zu uns gewandt: Das ist ja nicht zu ertragen! Bei dem Gebrüll dieser sogenannten Führer kann man unmöglich unterrichten!“ Aus den Quellen ist nicht genau zu erkennen, ob Yvonne Mewes plötzlich abreiste, wie eine ehemalige Schülerin meinte beobachtet zu haben, oder ob sie von einem Aufenthalt in Hamburg nicht wieder nach Wittstock zurückkehrte. Am 15. Juli 1944 schrieb sie ihre Kündigung aus dem Schuldienst. Ihrer Familie teilte sie mit, dass sie nervlich überfordert sei. Ihr Brief endet mit den Worten, die ihr Neffe Harry Mewes Santo in seiner Autobiographie zitiert: „Ich habe alle Anstrengungen gemacht auf rechtliche Weise aus meinem bisherigen Dienstverhältnis freizukommen. Es ist mir nicht geglückt, und ich habe den Eindruck, dass man von Seiten der Behörde darauf wartet, dass ich mich ins Unrecht setze. Wenn ich dies mit dieser Kündigung tue, so ist es meinerseits ein Schritt der Verzweiflung, denn ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, da versagen zu müssen, wo ich früher etwas leisten konnte.“ Sie wurde mehrfach in der Schulbehörde verhört. Die Kündigung war keine strafbare Handlung. Da die Schulbehörde ein Exempel statuieren wollte, wurde der Reichsstatthalter Karl Kaufmann eingeschaltet. Erst die Verweigerung eines Arbeitseinsatzes hätte gerichtlich verfolgt werden können. In diese Falle ging Yvonne Mewes nicht, sie kam dem Befehl zum Einsatz in der Flickstube der NS-Frauenschaft nach. Daraufhin übergab die Schulbehörde den „Fall Mewes“ der Gestapo. Wesentliches Gewicht hatte bei diesem Vorgehen der Bericht des Schulleiters vom 4. Juni 1943. Als Yvonne Mewes am 7. September 1944 von der Behörde nicht zurückkam, erfuhr ihr Neffe Harry auf telefonische Nachfrage, dass seine Tante von der Gestapo „in Schutzhaft“ genommen sei und sich im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel befinde. Er brachte jeden zweiten Sonnabend ein Paket für sie zum Gefängnis und gab es dort ab, sehen durfte er sie nicht, und auf seine Fragen erhielt er keine Antwort. „Drei Monate sind schon seit Yvonnes Verhaftung verstrichen, und wir sehen keinerlei Vorwärtskommen. Ich habe mich mit allen an ihrer Schule, der Behörde und dem Gericht, die irgendeinen Einfluss auf den Fall haben könnten, in Verbindung gesetzt und sie gebeten, sich für sie einzusetzen. Zu meinem Erstaunen teilt Herr Heinz, der Anklagevertreter, mir mit, dass das Gericht schon vor einiger Zeit die Klage gegen Yvonne wegen ungenügendem Grund zur Verurteilung eingestellt hat. Das klingt zwar ermutigend, hat aber bisher noch nicht zu ihrer Entlassung geführt. Im Gegenteil habe ich gehört, dass gewisse Leute am Schulamt empfohlen haben, sie für einen weiteren Monat in ein Erziehungslager zu schicken um ihr Gehorsam beizubringen.“ Bei einem Gespräch in der Schulbehörde eine Woche vor Weihnachten 1944 gab sein Gesprächspartner zu, dass er auch die lange Haftzeit besorgniserregend fände. Von Seiten der Behörde sei vor zwei Monaten beantragt, sie in ein „Erziehungslager des Arbeitsamtes“ zu überführen. Er werde dem Reichsstatthalter nahe legen, sich persönlich der Angelegenheit anzunehmen. Die Hoffnung auf baldige Entlassung wurde bitter enttäuscht. Am 25. Dezember 1944 erfuhr Harry Mewes Santo, dass Yvonne Mewes nicht mehr in  Fuhlsbüttel sei. Auf seine Frage erhielt er nur die Anweisung, sich an die Gestapo zu wenden. Das erschien ihm jedoch zu riskant in seiner Situation als „Mischling 1. Grades“. Die Ungewissheit hatte ein Ende, als im Januar der Briefträger bei ihren Halbschwestern in Altona die Urne mit der Asche von Yvonne Mewes zustellte. In der beigefügten Todesurkunde des Standesamtes von Ravensbrück wurde als Todesursache „Herzschwäche“ angegeben. Im Jahr 1950 fand ein Schwurgerichtsprozess gegen Dr. Hasso von Wedel und Prof. Dr. Ernst Schrewe, die früheren Leiter der Schulbehörde Hamburg, statt. Es wurde 11 Tage lang verhandelt, der Schulleiter Lüthje wurde als Zeuge geladen. Das Verfahren endete mit Freispruch. Ernst Schrewe wurde freigesprochen, da gegen ihn kein Tatverdacht gefunden wurde. Hasso von Wedel wurde freigesprochen, da er nach Erkenntnis des Gerichts im „übergesetzlichen Notstand“ gehandelt habe. Er habe gewollt, dass Yvonne Mewes in ein Arbeitserziehungslager gebracht werde, habe jedoch „Konzentrationslager“ geschrieben. Im Jahr 1953 folgte der Revision des Staatsanwaltes der zweite Prozess gegen Hasso von Wedel. Eine Zeugin, die mit Yvonne Mewes im Gestapogefängnis Fuhlsbüttel war, sagte aus, dass sie „nicht unaufrichtig“ sein konnte. Von Wedel führte an, er fühlte sich durch den „Starrsinn gezwungen, ein Exempel zu statuieren“. Das Urteil lautete 8 Monate Haft für von Wedel. Text: Stolperstein-Initiative Hamburg-Winterhude Quellen: [1] Für den gesamten Beitrag Mewes: Harry Mewes-Santo: Vom Dritten Reich zur Neuen Welt. Autobiographie (unveröffentlicht, liegt als CD vor); Harry Mewes-Santo: Bericht aus New York (wahrscheinlich geschrieben 1945/46); Exponate in der Ausstellung „Die Heilwigschule im ‚Dritten Reich‘ und ihr Neuaufbau nach 1945“ vom 21.1.2007 bis 14.2.2007; Aufzeichnungen von Frau Hagedorn, Aufzeichnung von Dr. Ursula Randt; Bericht des Schulleiters Dr. Hans Lüthje vom 4.6.1943; Begleitschreiben des Schulleiters Dr. Hans Lüthje vom 4.9.1943; Ursel Hochmuth, Hans-Peter de Lorent: Schule unterm Hakenkreuz. Hamburg 1985; Reiner Lehberger: Kinderlandverschickung: „Fürsorgliche Aktion“ oder „Formationserziehung“, in: R. Lehberger, H. P. de Lorent (Hrsg.): „Die Fahne hoch“, Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz. Hamburg 1986, S. 370-381; Rita Bake, Brita Reimers: Stadt der toten Frauen. Hamburg 1997, S. 307f.; Brief von Anni Kuchel vom 4.6.1985; Edith Oppens: „Sich selber treu“, in: „Die Welt“, 29.8.1950; „Hamburger Abendblatt“, Nr. 165, S. 3 vom 18./19. Juli 1998.       Yvonne Mewes, Lehrerin an der Hamburger Schule Curschmannstraße, weigerte sich 1942, in der Kinderlandverschickung als Lehrerin zu arbeiten, weil sie befürchtete, dort nationalsozialistische Propaganda in ihren Unterricht einbringen zu müssen. Es folgten mehrere Versetzungen. Ihre Kündigung wurde nicht angenommen. An ihr sollte ein Exempel statuiert werden. Der Fall ging an die Gestapo, die sie in die Haftanstalt Fuhlsbüttel brachte. Dort kam sie für längere Zeit in Dunkelhaft und erhielt keine Nahrung. Einen Tag vor Weihnachten 1944 wurde sie ins KZ-Ravensbrück gebracht. Wenige Wochen später starb sie an Hungertyphus. Die Beamten der Hamburger Schulbehörde Hasso von Wedel und Ernst Schrewe, die Yvonne Mewes denunziert hatten, wurde nach der Befreiung vom Nationalsozialismus der Prozess gemacht. Hasso von Wedel wurde 1953 in 2. Instanz zu 8 Monaten Gefängnis wegen Freiheitsberaubung im Amte mit Todesfolge verurteilt. Nach dem Straffreiheitsgesetz war ihm die Strafe allerdings erlassen worden. Ernst Schrewe erhielt in einem Disziplinarverfahren wegen "Dienstvergehens" einen Gehaltsabzug.

    Antonie (Toni) Milberg

    Gründerin und Leiterin einer höheren Mädchenschule, der Milberg Kursusschule

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    13.11.1854
    Hamburg

    1.9.1908
    Wildungen
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    1888 kaufte Toni Milberg in der  Esplanade 3 ein Schulhaus, in das sie mit ihrer Toni Milberg Kursusschule einzog. Heute stehen hier Kontorhäuser. Toni Milberg, aus einer Kaufmannsfamilie stammend, verlor schon im Kindesalter ihren Vater. Die Halbwaise erhielt einen Schulunterricht, den sie als so anregend empfand, dass sie schon als Kind den Wunsch hegte, Lehrerin zu werden. Doch ihre Mutter war dagegen. Erst auf ihrem Sterbebett stimmte die Mutter dem Herzenswunsch ihrer Tochter zu. Toni Milberg besuchte das Königliche Lehrerinnen-Seminar in Callenberg und machte dort 1876 ihr Lehrerinnenexamen. Dann wurde sie Lehrerin im Hause des Hamburger Hauptpastors an St. Jakobi, Pastor Calinich und leitete den damals für höhere Töchter - oder wie man auch sagte: für Töchter gebildeter Familien – üblichen Privatunterricht im kleinen Kreis. Diese Unterrichtsstunden wurden auch Kurse genannt und waren von Pastor Calinich für seine Töchter erarbeitet und eingerichtet worden. In der Zeit dieser Tätigkeit machte Toni Milberg ihr Vorsteherinnen-Examen und erhielt nach dem Tod Calinichs von der Oberschulbehörde am 19.2.1883 die Erlaubnis, die Kurse zu übernehmen und fortzuführen. Toni Milberg entwickelte weitere Kurse und eröffnete am 13.3.1883 eine eigene Schule – die Milbergsche Kursusschule. Sie befand sich am Raboisen 53. Fünf Jahre später kaufte Toni Milberg ein eigenes Schulhaus an derEsplanade Nr. 3. Als die Räume auch dort nicht mehr ausreichten, erwarb sie ein Grundstück in der Klopstockstraße 17 (heute: Warburgstraße). Über 25 Jahre bis zu ihrem Tod leitete Toni Milberg die Schule zusammen mit ihrer Freundin Martha Krecke, der sie sie vermachte. Als Toni Milberg starb, hieß es in einem Nachruf: „Für sie waren nicht der Lehrstoff und die Schulregeln das Wesentliche, sie soll im besten Sinne Erzieherin gewesen sein, legte besonderen Wert auf die Bildung von Charakter und Gemüt und genoss das Vertrauen und die Verehrung vieler Familien.“ Am 25. April 1912 erhielt die von Martha Krecke weitergeführte zehnklassige höhere Mädchenschule, die bis 1926 unter dem Namen „Milberg Lyzeum“ bekannt war, die Anerkennung als höhere Lehranstalt. 1926 wurde die Schule in „Milberg-Realschule“ und ab 1937 in „Milberg-Schule, Oberschule für Mädchen“ umbenannt. Seit 1926 berechtigten die Zeugnisse der 10. Klasse zum Besuch der Obersekunda einer Mädchen-Oberrealschule. Ab 1931 schließlich durfte die Schule den Schülerinnen des realgymnasialen Zuges das Reifezeugnis zum Eintritt in ein Realgymnasium erteilen. Zwei Jahre später wurden der Schule bis 1935 zwei Waldorf-Klassen der „Freien Schule Altona“ angegliedert. Doch am 14.12.1937 kam das „Aus“ für die Schule. „Unter der Einwirkung der Schulreform, des Abbaus der Unterklassen und des Erlasses an die Beamten“, so die damalige Leiterin der Milberg-Schule, Bertha Schmalfeldt an die Schulbehörde, müsse ihre Schule zum Ende des Schuljahres schließen“. Text: Rita Bake Quellen: Renate Hauschild-Thiessen: Tony Milberg (1854-1908) und ihre Schule, in: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter, Bd. 13, Heft 11, April 1997. Die Trauerfeier für Antonie Milberg, in: Hamb. Correspondent vom 5.9.1908. Trauerrede für Antonie Milberg, gehalten von Herrn Senior D. Behrmann im Schulhause, Klopstockstraße 17.      

    Mathilde Möller

    Urheberin der Bewegungsspiele für Mädchen

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    20.1.1867
    Altona

    9.2.1925
    Hamburg
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    Mathilde Möller arbeitete in Hamburg als Lehrerin. In ihrer Zeit als Lehrkraft an der Mädchenvolksschule Lutterothstraße im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel hatte sie eine bahnbrechende Idee. Sie initiierte als erste Lehrkraft die Bewegungsspiele für Mädchen. So zog sie Anfang der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts mit ihren Schülerinnen in den Sternschanzenpark, um sie im Schlag- und Wurfball zu unterrichten. Das war damals ein sehr gewagtes Unterfangen. Mathilde Möller hatte schwere Kämpfe gegen die Gleichgültigkeit der Eltern wie der Kollegen und Kolleginnen aus der Lehrerschaft zu bestehen. Man hielt diese Sportübung zwar für Jungen, aber nicht für Mädchen geeignet. Doch Mathilde Möller ließ sich nicht beirren und vertrat öffentlich die Meinung, dass Mädchen diese Übungen zu ihrer Ertüchtigung viel nötiger hätten als Jungen. Der Protest gegen diese angeblich unweiblichen Sportübungen ging sogar so weit, dass Schuljungen diese Sportstunden störten, weshalb sie längere Zeit unter polizeilichem Schutz durchgeführt werden mussten. Doch im Laufe der Jahre gelang es dem von Mathilde Möller gegründeten "Verein für Jugendspiele für Mädchen" dem neuen Gedanken Verbreitung zu verschaffen. Heute sind solche sportlichen Spiele eine Selbstverständlichkeit für Mädchen und Frauen.

    Dr. h.c. Erna Mohr

    Zoologin von internationalem Rang

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    11.7.1894
    Hamburg

    10.9.1968
    Hamburg
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    Da Erna Mohr das Verhalten der Baumratten erforschte, ließ der Verein Garten der Frauen eine aus Sandstein geschaffene Baumratte neben ihren Grabstein setzen. Als Tochter eines Lehrers schlug Erna Mohr ebenfalls die Lehrerinnenlaufbahn ein, obwohl ihre Liebe der Natur und den Tieren galt. Ihre Schulferien verbrachte sie auf dem Lande in Wischreihe bei Siethwende (Kreis Steinburg) und half dort in Hof und Stall. Im Alter von 18 Jahren nahm sie am 1843 gegründeten, weltberühmten Zoologischen Museum am Steintorplatz eine Tätigkeit als Spinnenzeichnerin an. Auch während ihrer Ausbildung und später dann als Lehrerin – von 1914 bis 1919 war sie an der Volksschule für Mädchen am Rhiemsweg, von 1919 bis 1930 in den gemischten Klassen der Hilfsschule Bramfelder Straße und von 1930 bis 1934 in der Volksschule am Alten Teichweg tätig – arbeitete sie weiterhin am Zoologischen Museum. So wurde sie 1913 Mitarbeiterin in der Fischereibiologischen Abteilung bei Professor Ehrenbaum. Hier gelang es ihr, Altersbestimmungen bei Fischen anhand von Ctenoidschuppen durchzuführen – eine wissenschaftliche Pionierleistung. Nach einiger Zeit wechselte Erna Mohr in die Abteilung für niedere Wirbeltiere, wo sie sich in die Systematik der Fische einarbeitete und auf diesem Gebiet viele wertvolle Arbeiten veröffentlichte, die ihr internationale Anerkennung einbrachten. In der Museumsabteilung für niedere Wirbeltiere wurde Erna Mohr vertraut mit der Anlage von Sammlungen und deren Ordnung. Sie erkannte die Wichtigkeit dieser Arbeiten für die Wissenschaft und setzte sich das Ziel, möglichst viele Bestände dem Museum zuzuführen. Dabei halfen ihr ihre plattdeutschen Sprachkenntnisse, denn dadurch kam sie schnell mit den Menschen auf dem Lande in Kontakt, von denen sie so manches Stück für ihre Sammlung erhielt. Als 1934 ihr Chef, Professor Duncker, in Pension ging, wurde Erna Mohr aus dem Schuldienst beurlaubt, um die Abteilung für niedere Wirbeltiere zu übernehmen. Dort bewies sie enormes didaktisches Talent, als sie die öffentliche Schausammlung neu gestaltete. Überhaupt war es Erna Mohr ein großes Anliegen, ihr Fachwissen so verständlich wie möglich zu vermitteln, um auch einer breiten Öffentlichkeit Zugang zu ihren Forschungen zu verschaffen. 1936 folgte ein neuer Schritt: Erna Mohr erhielt auch die Abteilung für höhere Wirbeltiere und damit die Verantwortung für entscheidende Teile der Schausammlung des alten Zoologischen Museums. Erna Mohr war so fasziniert von ihrer Arbeit, dass sie selbst während des Zweiten Weltkrieges ihre als Soldaten eingezogenen Kollegen bat, im Feld Mäuse zu sammeln und sie ihr zwecks Bestimmung der verschiedenen Arten zu schicken. Erna Mohr trat während der NS-Zeit in keine NS-Organisation ein. (Staatsarchiv Hamburg, 221-11 Ed 16074) 1943 zerstörten Bomben Erna Mohrs Werk. Sie ließ sich jedoch nicht entmutigen und machte sich sofort nach dem Krieg an den Wiederaufbau der Sammlungen. Als Anerkennung für ihren Einsatz wurde sie an 1.Januar 1946 von der Hochschulverwaltung als Kustos der Wirbeltierabteilung des Zoologischen Museums übernommen. Prof. Wolf Herre schrieb in einem Nachruf auf Erna Mohr: „Sie hat eine schwere Aufgabe gemeistert, weil sich damals in der Zeit der Raumnot in der Öffentlichkeit aber auch in der Wissenschaft eine Strömung breit zu machen versuchte, welche in der Hortung von Beständen für spätere Arbeiten keine Aufgabe oder gar Verpflichtung sah. Erna Mohr war in ihrem Idealismus von der Notwendigkeit des Sammelns von Material für spätere Arbeiten anderer Forscher durchdrungen. Sie empfand, dass Zeugnisse tierischer Mannigfaltigkeit in wissenschaftlichen Sammlungen eine der entscheidenden Grundlagen für die Zoologie als einer sicher fundierten Wissenschaft sind. (…) Erna Mohr hat ihre Überzeugung nicht nur in Hamburg durchzusetzen gewusst. Sie arbeitete in Museen vieler Städte und wies auch dort auf die Notwendigkeit des Sammlungsausbaus hin. Erna Mohr suchte auch kleine alte Museen auf, welche dem Untergang geweiht schienen. Dort hob sie die Schätze und verstand die Verantwortlichen mit schlichten, eindringlichen Worten über die Bedeutung dieser Bestände für die Geschichte der Wissenschaft und für zukünftige Forschungen zu überzeugen“[1]. Noch heute besteht der von ihr zusammengetragene Grundstock der wissenschaftlichen Sammlung. Und auch darin lebt sie weiter: in den Etiketten an den Sammlungsstücken. Die ließ sie nicht schreiben, das machte sie lieber selbst. Aber sie lebt auch weiter in ihren ca. 400 Veröffentlichungen. Gekleidet in einen Lodenmantel, mit Wanderschuhen an den Füßen und einer Einkaufstasche aus Plastik am Arm, in der ihre Manuskripte lagen, begab sie sich zu ihren Verlegern. Zuhause in ihrer Wohnung am Kraemerstieg warteten ihre Dackel und eine große Menagerie aus Porzellantieren auf sie. Erna Mohr erhielt hohe Auszeichnungen und Ehrungen: 1944 wurde sie zum Mitglied der Kaiserlichen-Leopoldinisch-Karolinischen Akademie der Naturforscher in Halle berufen. 1950 erhielt sie von der Universität München die Ehrendoktorwürde, und 1954 wurde sie Ehrenmitglied des „Verbandes deutscher Zoodirektoren“. Letztere Ehrung begründete sich auf dem engen Kontakt, den Erna Mohr zu den Zoodirektoren Deutschlands hielt. Bereits als 20-Jährige hatte sie die Zoologischen Gärten bereist und sie photographiert. Daraus entstand eine umfangreiche Dokumentensammlung über die Entwicklung der Zoologischen Gärten Deutschlands. Diese Zoobesuche waren für Erna Mohrs Forschungen sehr wichtig: „Bedeutsam waren die Anregungen, welche sie durch die Besuche erhielt: die Säugetiere und ihre Biologie rückten immer stärker in der wissenschaftlichen Tätigkeit von Erna Mohr nach vorn. Sie nahm sich mancher Merkmale an, welche andere Forscher vernachlässigten, weil sie spürte, dass sich Großes auch im Kleinen verbergen kann. Kennzeichnend dafür ist schon ihre erste Arbeit über Säugetiere, die im Biologischen Zentralblatt 1917 erschien und sich mit dem `Knacken´ der Rentiere beim Laufen befasste“,1) berichtete Professor Wolf Herre. Und um noch ein weiteres „kleines“ Thema zu nennen: Erna Mohr schrieb auch über „Ohrtaschen“ und andere taschenähnliche Bildungen am Säugetierohr (1952). Erna Mohr leistete viel für den Naturschutz, aber nicht auf einer sentimentalen Ebene, wie Prof. Schliemann vom Zoologischen Institut, der Erna Mohr noch persönlich kannte, betont. Sie kämpfte für einen wissenschaftlich begründeten Naturschutz. So setzte sie sich für das vom Aussterben bedrohte europäische Wisent ein und arbeitete im Vorstand der „internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“. Einer ihrer Spitznamen war „Wisent-Mama“. Sie wurde die erste Zuchtbuchführerin aller in den Zoos lebenden Wisente und erreichte dadurch, dass die europäischen Wisente nicht mit ihren nordamerikanischen „Verwandten“ gekreuzt wurden. Auch den Fledermäusen widmete sie sich. Sie war der erste Mensch, dem es gelang, verwaiste Fledermausbabys mit einem Puppenschnuller großzuziehen. Daneben waren auch Ratten, Birkenmäuse, Kängurus, Schlitzrüssler, Leoparden und Robben ihre Schützlinge. Erna Mohr befasste sich auch intensiv mit der Tierwelt Schleswig-Holsteins. Im Rahmen dieser Studien begann Erna Mohr Tiere zu halten. Professor Wolf Herre schrieb dazu: „Ich erinnere mich noch immer, wie Erna Mohr mit ihren dicken, großen Baumratten auf der Galerie des alten Zoologischen Museums umherwandelte, diese seltsamen Tiere belauschte und in ihren Eigenarten kennenlernte. (…) Erna Mohr hat als einer der Pioniere auf dem Gebiet der Verhaltensforschung der Säugetiere zu gelten. Erna Mohr hat stets auf Experimente verzichtet und Einsichten vom unbeeinflussten Tier erstrebt. Daß dies eine Verfahren von außerordentlichem Wert ist, wird heute immer klarer anerkannt“1). Als Erna Mohr 1968, im Alter von 74 Jahren, starb, trafen aus ganz Europa Kranzspenden und Kondolenzschreiben ein. Vertreter zoologischer Gesellschaften und von Tiergärten der Bundesrepublik nahmen am feierlichen Abschied teil. 1984 wurde im Stadtteil Bergedorf eine Straße (Sackgasse!) nach ihr benannt:Erna-MOhr-Kehre. Im selben Jahr wurde aus dem Zoologischen Staatsinstitut und dem Zoologischen Museum das Zoologische Institut und Zoologische Museum der Universität Hamburg. Ihren Sitz haben das Institut und das Museum heute am Matin-Luther-King-Platz in Hamburg. Text: Rita Bake Zitat: [1] Zeitschrift für Säugetiere. Bd. 33.1968.   Im Alter von 18 Jahren nahm die Lehrerstocher am Zoologischen Museum am Steintorplatz in Hamburg eine Tätigkeit als Spinnenzeichnerin an. Auch während ihrer späteren Arbeit als Lehrerin war Erna Mohr am Zoologischen Museum tätig. 1934 wurde Erna Mohr aus dem Schuldienst beurlaubt und übernahm die Museumsabteilung für niedere Wirbeltiere. Sie bewies enormes didaktisches Talent bei der Neugestaltung der öffentlichen Schausammlung. 1936 übernahm Erna Mohr auch die Leitung der Abteilung für höhere Wirbeltiere. Noch heute besteht der von ihr zusammengetragene Grundstock der wissenschaftlichen Sammlung. Über 400 Veröffentlichungen gibt es von ihr. Ihre Manuskripte trug sie, gekleidet in einem Lodenmantel und Wanderschuhen, in einer Plastik-Einkaufstasche zu ihren Verlegern. Erna Mohr erhielt hohe Auszeichnungen. Sie befasste sich mit dem "Knacken" der Rentiere beim Laufen, schrieb über Ohrtaschen am Säugetierohr, setzte sich für das vom Aussterben bedrohte europäische Wisent ein , wurde "Wisent-Mama" genannt und war die erste Zuchtbuchführerin aller in Zoos lebenden Wisente. Sie war der erste Mensch, der Fledermausbabys mit einer Puppennuckelflasche großzog, hielt im Zoologischen Museum Baumratten und erforschte deren Verhalten. Erna Mohr war eine der PionierInnen auf dem Gebiet der Verhaltensforschung von Säugetieren.

    Domenica Anita Niehoff

    Kämpferin für die Rechte der Huren, Streetworkerin, St.Paulis großes Herz

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    3.08.1945
    Köln

    12.02. 2009
    Hamburg-Altona
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    Domenica Niehoff ist im Garten der Frauen bestattet worden. Ihr Grabstein wurde vom Verein Garten der Frauen konzipiert und von der Steinmetzfirma Carl Schütt & Sohn gespendet. Domenica Niehoff, Tochter einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters, wuchs bis zu ihrem 14. Lebensjahr zusammen mit ihrem Bruder in einem katholischen Waisenhaus auf. Nach einer Ausbildung als Buchhalterin heiratete sie 1962 einen Bordellbesitzer. 1972 begann sie, in der Herbertstraße auf St. Pauli als Prostituierte zu arbeiten. Sie war Inspiration und Muse für viele Künstler. Anfang der 80er Jahre erlangte Domenica bundesweit Berühmtheit, weil sie sich öffentlich als Hure bekannte und sich als eine der Ersten für die Legalisierung der Prostitution engagierte. Ihre Berühmtheit nutzten viele so genannte Prominente zur eigenen Selbstdarstellung. 1990 stieg sie endgültig aus der Prostitution aus. Obwohl sie sich für die Akzeptanz der Huren stark machte, sah sie klarsichtig die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen und Ausbeutungsverhältnisse in der Prostitution. "Sie war wütend auf diejenigen, die die Prostitution glorifizierten", so der Photograph Günter Zint, mit dem Domenica eng befreundet war. 1991 begann Domenica, als Streetworkerin in Hamburg-St.Georg zu arbeiten. Sie war Mitinitiatorin des Hilfsprojektes "Ragazza e.V." und betreute bis 1997 drogenabhängige Mädchen auf dem Straßenstrich. 1998 eröffnete Domenica eine Kneipe am Hamburger Fischmarkt, die sie bis zum Jahr 2000 betrieb. Nach dem Tod ihres Bruders 2001 lebte sie in dessen Haus in Boos in der Eifel, bevor es sie 2008 wieder auf den Hamburger Kiez zurückzog. Dort wohnte sie in der Talstraße und war bis zu ihrem Tod immer wieder Anlaufstelle für Bedürftige. Sie starb an einem Lungenleiden. Information zum Grabstein

    Hilge Nordmeier

    geb. Stuhr

    Mitglied (SPD) der Hamburgischen Bürgerschaft

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    5.7.1896
    Hamburg

    9.9.1975
    Hamburg
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    Hilge Stuhr heiratete 1920 den kaufmännischen Angestellten Carl Otto Nordmeier (1890-1954). 1922 zog sie mit ihm in den Rüsternkamp 12, 1) eine Straße in der Steenkampsiedlung. "Die Steenkampsiedlung in Hamburg-Bahrenfeld ist eine als Gartenstadt nach dem Ersten Weltkrieg angelegte Siedlung, die der Versorgung von Familien mit geringem Einkommen und Kriegsheimkehrern mit Wohnraum dienen sollte." 2) Carl Nordmeier gehörte zu den Gründungsmitgliedern dieser Heimstättenvereinigung und war viele Jahre im Vorstand. 3) Nach ihrer Heirat wurde Hilge Nordmeier Hausfrau. Das Paar blieb kinderlos. Hilge Nordmeier und ihr Mann gehörten der SPD an. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gehörte Hilge Nordmeier als SPD-Abgeordnete der ersten frei gewählten Hamburgischen Bürgerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg an (Oktober 1946 bis August 1949). Gewählt wurden 17 Frauen und 93 Männer. 15 Frauen gehörten der SPD, eine der KPD und eine der FDP an. Zehn der Frauen bezeichneten sich als "Hausfrau". Diese Einstufung entsprach dem als "natürlich" geltenden traditionellen Rollenverständnis, das die Frauen zu diesem Zeitpunkt nicht hinterfragten, war doch die Funktion der Hausfrau entscheidend für das Überleben und dadurch im öffentlichen Bewusstsein auch als gesellschaftlich wichtig anerkannt. Nach dem Ende der ersten Wahlperiode wurde Hilge Nordmeier in die Bezirksversammlung Altona gewählt, der sie von 1949 bis 1961 angehörte. Quellen: 1) Vgl.: Bettina Herrmann: Hilge Nordmeier, in: Die Steenkamper vom 21.6.2020, unter: https://www.steenkamper.de/ 2) Wikipedia: Steenkampsiedlung, abgerufen: 25.6.2020 unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Steenkampsiedlung 3) Vgl.: Bettina Herrmann, a. a. O.

    Hermine Peine

    geb. Kreet

    Bürgerschaftsabgeordnete, Mitbegründerin der AWO Hamburg

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    19.9.1881
    Hamburg

    19.8.1973
    Hamburg
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    Schon vom Elternhaus her war Hermine Peine seit Kindertagen vertraut mit gewerkschaftlichen und politischen Fragen. Ihr Vater, der Schneider Heinrich Kreet, geboren 1837 in Adensen bei Hannover, hatte sich Ende der 1850er Jahre in Hamburg niedergelassen und sich politisch im Allgemeinen deutschen Arbeiterverein engagiert. Bereits 1865 wählten ihn die Kollegen in die Verwaltung der Kranken- und Unterstützungskasse der Schneider, und er wurde 1887 Bevollmächtigter des Krankenunterstützungsbundes. 1902 wurde er zum Vorsitzenden des Verbandes der Schneider gewählt. Am 26. Januar 1897 leistete Heinrich Kreet den Hamburger Bürgereid. Wahrscheinlich in zweiter Ehe heiratete er Luise, geb. Wellhöfer (1852-1928) aus Großrudestadt (Sachsen-Weimar), die Mutter von Hermine. 1895 lebte die Familie in der Wexstraße 13, danach bis 1900 in der Fuhlentwiete 13, ab 1902 in der Düsternstr. 53, wo Heinrich Kreet am 14.2.1916 verstarb. Hermine Peine lernte nach Beendigung der Volksschule (1888-1896) in Oldenburg ein Jahr Haushalt und arbeitete bis zur Eheschließung als Hausangestellte. Am 11. April 1902 heiratete sie den Schneidermeister Andreas Friedrich [K]Carl Peine (1871-1939) aus Erxleben. Sie lebten zuerst in der Neuen ABC-Straße, dann in der Kleinen Rosenstraße und ab ca. 1933 in der St. Georgstraße 6. Das Paar hatte zwei Kinder: Hertha (1906-1982) und Kurt (1908-1991). Am 20.10. 1905 leistete Andreas Peine den Hamburger Bürgereid und am 16.10.1907 erhielt er seine Gewerbeanmeldung als selbstständiger Schneider. Er starb am 27.1.1939. Hermine Peine war seit 1908 Mitglied der SPD. Von 1922 bis 1929/30 saß sie als Beisitzerin im Vorstand der SPD (Vorsitz: Leuteritz). 1924 wurde sie für die SPD Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft und gehörte ihr bis 1933 an. Hermine Peine engagierte sich ehrenamtlich in der Sozialfürsorge. Sie war in den Notjahren nach dem Ersten Weltkrieg als Sozialfürsorgerin tätig und gehörte seit 1919 der Deputation der Wohlfahrtsbehörde und dem Ausschuss für die staatlichen Heimeinrichtungen an. 1920 war sie Mitbegründerin des "Hamburger Ausschusses für soziale Fürsorge" (Arbeiterwohlfahrt/AWO). Durch ihre Arbeit in sozialen Ausschüssen kannte sie die Situation der Armen und Alten in den Heimen und Stiften und setzte sich intensiv für eine würdige Unterbringung alter Menschen ein, von denen viele durch die Wirtschaftskrise und deren Folgen veramt waren. (vgl.: StA.351-101-Signatur StW 26. 10 und 26.13). Im Juli 1929 übernahm sie die Leitung des staatlichen Altersheims in Groß Borstel. Es war das erste staatliche Altersheim, das von der Stadt Hamburg errichtet wurde. Es bot den Bewohnerinnen und Bewohnern abgeschlossene Ein- und Zweizimmerwohnungen mit Kochgelegenheit, eine Neuerung für damalige Zeiten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Hermine Peine politisch verfolgt. 1934 durchsuchte die Gestapo ihre Wohnung. Ein Jahr zuvor war sie am 28. Juni 1933 aus ihrem Dienst entlassen worden und war fortan arbeitslos. Drei Jahre lang lebte sie von Arbeitslosenunterstützung. Danach konnte sie sich finanziell nur dadurch über Wasser halten, weil sie Untermieter in ihrer Wohnung aufnahm und ihre Kinder sie unterstützten. 1940 begann gegen Hermine Peine ein Prozess wegen "Wehrkraftzersetzung", der eingestellt wurde, weil die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht bewiesen werden konnten. 1939 war Hermine Peine in die Lübeckerstraße 31 gezogen, wo sie in der Nacht vom 27./28.7. 1943 ausgebombt wurde. Nach dem missglückten Attentat auf Hitler war Hermine Peine im August 1944 als "politisch unzuverlässig" für zehn Tage im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus engagierte sich Hermine Peine wieder in der Hamburger Arbeiterwohlfahrt und war seit 1945 deren stellvertretende Vorsitzende. Die Britische Militärregierung setzte sie zum 1. September 1945 wieder als Leiterin des Altersheims in Groß Borstel ein. Diese Funktion hatte sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 1949 inne. Nach ihrer Pensionierung zog Hermine Peine, die seit September 1945 in einer Dienstwohnung an der Borsteler Chaussee 301 gewohnt hatte, in eine Einzimmerwohnung am Kreuzweg 2. 1965 bezog sie ein Zimmer im Altenheim Groß Borstel, wo sie bis zu ihrem Tod am 19.8.1973 lebte, das letzte Jahr auf der Pflegestation.. Für ihre Verdienste erhielt Hermine Peine am 29.3.1949 die "Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes" in Bronze. Text: wesentliche Inhalte von Ingrid H. Verch Quelle: Vgl: AWO Landesverband Hamburg: Arbeiterwohlfahrt in Hamburg. Eine Idee setzt sich durch - exemplarisch dargestellt an bedeutsamen Frauen der AWO. Hamburg 2015.

    Johanne Reitze

    geb. Leopolt

    Führende Funktionärin der sozialdemokratischen Frauenbewegung

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    16.1.1878
    Hamburg

    22.2.1949
    Hamburg
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    Johanne Reitze entstammte einer Arbeiterfamilie. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete sie als Dienstmädchen, später als Arbeiterin in einer Druckerei. Dort lernte sie Kollegen und Kolleginnen kennen, die sie mit der Arbeiterbewegung vertraut machten, so dass Johanne Reitze 1902 den Entschluss fasste, in die SPD einzutreten. Zwei Jahre zuvor hatte sie den sozialdemokratischen Journalisten Johannes Carl Kilian-Reitze geheiratet. Auch er wird ihren politischen Weg beeinflusst haben. Gemeinsam besuchten sie 1904 für ein halbes Jahr die SPD-Parteischule in Berlin. Von 1908 bis 1919 war Johanne Reitze Vorstandsmitglied im Landesvorstand der Hamburger SPD und bis 1931 regelmäßig Delegierte bei den SPD-Frauenkonferenzen und SPD-Parteitagen auf Reichsebene. Während des Ersten Weltkrieges engagierte sie sich besonders in der Kriegshilfe, nachdem die SPD-Reichstagsfraktion für die Bewilligung der Kriegskredite gestimmt und die Genossinnen zu einer "allgemeinen Hilfsaktion" aufgerufen hatte. Diese Aufforderung entsprach der Burgfriedenspolitik, die die Mehrheit in der SPD-Führung seit Kriegsbeginn in dem Glauben betrieb, Deutschland führe einen "Verteidigungskrieg gegen den russischen Despotismus". Johanne Reitze fungierte als Beiratsmitglied des Hamburger Kriegsversorgungsamtes sowie des Speiseausschusses der Kriegsküchen und arbeitete für die Kriegsfolgehilfe und die Kriegshinterbliebenenfürsorge. Von 1919 bis 1921 war sie Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, von 1919 bis 1933 Mitglied des reichsweiten SPD-Parteiausschusses. Ein Höhepunkt ihrer Parteikarriere war die 1919 erfolgte Wahl in die Nationalversammlung. 310 Frauen waren für die Wahl aufgestellt worden. Neben Johanne Reitze wurden noch weitere 36 Frauen und 386 Männer gewählt. Aus dem Wahlkreis Hamburg kamen neben Johanne Reitze noch vier Männer. Bis 1928 blieb Johanne Reitze die einzige weibliche Reichstagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Hamburg. Sie gehörte von 1919 bis 1932 als Abgeordnete des Wahlkreise Hamburg dem Reichstag an. Die Hauptbetätigungsfelder der Politikerinnen waren die "angestammten" so genannten Frauenbereiche wie Sozialpolitik, Wohlfahrtspflege, Jugend-, Gesundheits- und Schulpolitik. Dadurch war es den Politikerinnen nicht möglich, auf allen Politikfeldern die Interessen der Frauen einzubringen. Die "Große Politik" richtete sich weiter nach den Interessen der männlich dominierten Gesellschaft. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Johanne Reitze 1944 von der Gestapo verhaftet und kam in "Schutzhaft". Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie am Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt beteiligt.

    Gerda Rosenbrook-Wempe

    Widerstandskämpferin, Archivarin, Privatlehrerin

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    19.11.1896

    24.11.1992
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    Ihre frühe Kindheit verbrachte Gerda Wempe, Tochter von Frieda und Gerhard D. Wempe, mit vier Geschwistern in Oldenburg. Nach dem Tod der Mutter änderte sich das Leben der 7-Jährigen. Ihr Vater heiratete wieder und zog mit der Familie nach Hamburg. Dort eröffnete er im Schulterblatt ein Goldwaren- und Uhrengeschäft und ließ zu, dass seine zweite Frau die drei jüngsten Kinder aus der zum Laden gehörenden geräumigen Parterrewohnung in den Keller verbannte. Tagebucheintrag von Gerda Rosenbrook-Wempe: "Dieser Keller war unsere Welt, hier haben wir gefroren, gehungert, schwer gearbeitet und viel geweint. ... ein liebes Wort haben wir weder im Hause noch in der Schule je gehört." 1) Gerda Wempe hätte gern das Abitur gemacht. Doch der Vater ließ sie in seiner Firma arbeiten. 2) 1928 heiratete sie den Mathematiklehrer Dr. Curt Rosenbrook. Er war kriegstraumatisiert, die Ehe blieb kinderlos. Vier Jahre später trennten sich die Eheleute ohne Scheidung. 1937, dem Jahr, in dem die Fa. Wempe als nationalsozialistischer Musterbetrieb ausgezeichnet wurde, 3) lernte die inzwischen verwitwete Gerda Rosenbrook Walter Funder kennen, einen Freigeist und Publizisten, der schon vor Hitlers Machtübernahme Schriften gegen den Antisemitismus verfasst und veröffentlicht hatte. Konspirativ leistete das Paar Widerstand: Es verfasste kritische Flugblätter und warf sie nachts in Briefkästen immer anderer Hamburger Haushalte und anderer Wohnviertel. In Gerda Rosenbrooks Haus trafen sich Gleichgesinnte, um über das Unrechtsregime zu diskutieren. Dem Verlangen ihres älteren Bruders, seit dem Tod des Vaters Inhaber der Fa. Wempe, sich von ihrem Lebensgefährten zu trennen, widersetzte sich Gerda Rosenbrook. 4) Nur noch einmal sahen sich die Geschwister: 1944 beim Prozess gegen Walter Funder, sie als Zeugin der Verteidigung, er als Zeuge der Anklage. Diese lautete: "Vorbereitung des Hochverrats". 5) Funder war am 1.8.1943 gemeinsam mit dem Künstler Hugo Meier-Thur verhaftet worden. Letzterer, Professor am Lerchenfeld, war längst im KZ Fuhlsbüttel ermordet worden, als man Funder den Prozess machte, wegen der schlechten Beweislage nicht vor dem Volksgerichtshof in Berlin, sondern vor einem Hamburger Gericht. Funder erhielt eine Gefängnisstrafe, zeitweise saß er sie in KZs ab. 6) Wenn möglich, reiste Gerda Rosenbrook ihm nach, versuchte, ihm die Haft zu erleichtern. Im März 1945 wurde er freigelassen, körperlich ein Wrack, seelisch gebrochen. Nach dem Krieg hörten die Verleumdungen gegen Walter Funder nicht auf. Alte Feinde wollten ihn für unzurechnungsfähig erklären lassen, um ihn mundtot zu machen. Gerda Rosenbrook half ihm, sich dagegen erfolgreich zu wehren. Rehabilitierung und Wiedergutmachung blieben ihm jedoch versagt. Walter Funder starb als vorbestrafter Mann 1960. Gerda Rosenbrook überlebte ihn um 32 Jahre, ordnete Korrespondenzen und Prozessakten und gab sie an die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg weiter. Die Verabschiedung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile erlebte auch sie nicht mehr. Es annullierte Jahrzehnte nach seinem Tod das Urteil gegen Walter Funder. Als ihre schönste Zeit bezeichnete sie das Lernen fürs Abitur als Externe: Im Alter von gut dreißig Jahren hatte sie sich zur Abiturprüfung gemeldet und war mündlich in Mathematik durchgefallen. Erst als Rentnerin erfüllte sich ihr Wunsch zu unterrichten. Gratis gab sie Stunden in Latein, Englisch, Französisch und Geschichte. Allen, die ihr begegneten, brachte sie politisches Wissen nahe. Kurz vor ihrem Tod schrieb sie: "Das Gespräch ist mir das Wichtigste in meinem Leben." Text: Regina Deertz, Iris Pompesius, Brigitte Wempe Quellen: 1) Tagebuchaufzeichnungen 2) Tagebuchaufzeichnungen 3) Wikipedia unter: a. Gerhard D. Wempe - Unternehmensgeschichte b. Kategorie: Nationalsozialistischer Musterbetrieb - Gerhard D. Wempe 4) Tagebuchaufzeichnungen und Ordner in der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg (FZH) 5) Anklageschrift und Urteil beim HOLG, AZ: O.Js. 9/44 6) Tagebuchaufzeichnungen - Ordner in der FZH

    Hanna Schüẞler

    Leiterin des Evangelischen Frauenwerks Hamburg, Begründerin der Hamburger Familienbildungsstättenarbeit

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    23.5.1909
    Rüstern/Liegnitz

    26.6.1985
    Hamburg
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    Hanna Schüßler entstammte einem Pastorenhaushalt. Nach dem Abitur absolvierte sie bis 1930 eine kirchliche Ausbildung im Burckhardthaus Berlin-Dahlem und lernte die kirchliche Frauenarbeit kennen. Von 1933 bis 1934 widmete sie sich als Pfarrgehilfin in einer Berliner Kirchengemeinde der Jugendarbeit. Hanna Schüßler lehnte die "Deutschen Christen", die eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen Protestantismus waren, ab. Nachdem Hanna Schüßler 1934 eine Veranstaltung der "Bekennenden Kirche", eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen gegen Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangl. Kirche in der NS-Zeit, besucht hatte, wurde sie bedrängt, den "Deutschen Christen" beizutreten. Sie weigerte sich und erhielt die fristlose Kündigung. Hanna Schüßler verließ Berlin und trat 1935 in Hamburg die Stelle als Leiterin der Landesstelle Hamburg des Burckhardthauses an, des größten deutschen Verbandes weiblicher Jugend. Diese Funktion hatte sie bis 1958 inne. Ihre schriftlichen Ausarbeitungen, die sie für die Bibelarbeit mit Heranwachsenden verfasste, führten mehrfach zu Verhören durch die Gestapo. Von 1947 bis 1956 leitete sie den Aufbau des Evangelischen Mädchenpfadfinderbundes der BRD, dessen erste Vorsitzende sie von 1949 bis 1953 war. Ab 1948 fungierte sie für 30 Jahre als Kirchenvorsteherin in der Hauptkirche St. Katharinen. 1952 beteiligte sie sich federführend an der Eröffnung und Führung des "Hauses der Offenen Tür", eines kirchlichen Klubheimes für Jugendliche in der Sierichstraße. Im selben Jahr übernahm sie Ausbau und Leitung des "Evangelischen Frauenwerkes der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Hamburgischen Staate". Diese Funktion behielt sie bis zum Eintritt in den Ruhestand 1974 inne. Gleichzeitig war sie bis 1958 Leiterin des Evangelischen Jugendwerkes, außer-dem von 1952 bis 1976 Synodale der Synode der Hamburgischen Landeskirche und ab 1953 Deputierte der Hamburger Jugendbehörde. Zwischen 1953 und 1958 amtierte sie als Vorsitzende des Arbeitskreises für Jugendgildearbeit, welcher sich an Jugendliche wandte, die aus der sowjetisch besetzten Zone nach Hamburg kamen. Darüber hinaus widmete sie sich der Müttergenesungsarbeit und koordinierte sowie organisierte in Hamburg mit anderen die jährl. Sammlungen. Auch war sie maßgeblich an der Einrichtung der Mütterkurheime in Dahmeshöved/ Ostsee und Bispingen/ Lüneburger Heide beteiligt. Hanna Schüßler sorgte durch ihr kirchliches und politisches Engagement für eine Vernetzung zwischen den Organisationen und Trägern, deren ehrenamtliches Mitglied, deren Leitung, Vorstand oder Präsidentin sie war. Alle diese Tätigkeiten wiesen auf ein Ziel Hanna Schüßlers hin, die Arbeitsbereiche der Frauen- und Jugendarbeit, an der sie beteiligt war, an einem Ort zusammenzuziehen. Deshalb forderte sie 1956 auf der Landeskirchlichen Synode einen zentralen Ort für die Arbeit. 1959 war es dann so weit: Im Mai wurde das "Haus der Frau" im von der Evangelischen Kirche erworbenen Haus am Loogeplatz 16 eingeweiht. Hier erfolgte eine Zusammenführung und Zentralisierung aller Aktivitäten, Funktionen, Tätigkeiten und Ämter. 1974 ging Hanna Schüßler in den Ruhestand. Ein Jahr später wurde ihr das Bundesverdienstkreuz überreicht

    Elisabeth Schulz

    Oberschulrätin, erste Frau, die dem Landeskirchenrat angehörte

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    18.5.1903
    Concepción/Chile
    -
    24.3.1957
    Hamburg
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    Elisabeth Schulz besuchte von 1909-1911 die Volksschule in Langengrassau im Regierungsbezirk Merseburg, von 1912-1916 die gehobene Mädchenschule in Luckau (Niederlausitz). Darauf folgten drei Jahre Lyzeum in Berlin-Pankow und von 1920-1922 das Oberlyzeum in Hermannswerder sowie in Potsdam, wo sie die Reifeprüfung ablegte. Dort besuchte sie bis 1923 die Seminarklasse und erlangte die Lehrbefähigung für Lyzeen. Im März 1924 legte sie zudem die Reifeprüfung des Humanistischen Gymnasiums ab. Die junge Frau war von der Jugendbewegung stark beeinflusst. So studierte Elisabeth Schulz zwischen 1923 uns 1928 evangelische Theologie, Germanistik und Geschichte in Leipzig, Tübingen, Münster und Hamburg. Karl Barth, einer ihrer Professoren, (1886-1968, Mitbegründer der "Bekennenden Kirche"), habe sie stark geprägt und besonders geschätzt. Als Schülerin hatte der Besuch von Mädchen-Bibelkreisen ihre Frömmigkeit vertieft; während des Studiums war sie Mitglied der Deutschen Christlichen Vereinigung studierender Frauen (DCVSF). Ihre erste Theologische Prüfung legte sie 1927 in Münster ab, 1929/30 folgten die beiden Staatsexamina für das Höhere Lehramt in den Fächern Deutsch, Geschichte und Religion in Hamburg. Ihr Referendariat absolvierte Elisabeth Schulz an der Helene-Lange-Schule in Hamburg bei Emmy Beckmann (1880-1967). Seit 1930 war sie wissenschaftliche Hilfslehrerin an der Elise-Averdieck-Schule, und 1940 folgte die Ernennung zur Studienrätin. Nachdem sie drei Jahre später an die "Oberschule für Mädchen im Alstertal" versetzt worden war, wurde ihr 1944 vorübergehend die Leitung der Elise-Averdieck-Schule übertragen. In der Zeit des Nationalsozialismus gehörte sie nicht der NSDAP an. Im September 1945 übernahm Elisabeth Schulz die kommissarische Leitung der "Oberschule für Mädchen am Lerchenfeld". Dort wurde sie 1947 zur Oberstudiendirektorin ernannt. In ihrer als schwungvoll und tatkräftig beschriebenen Art sei es ihr gelungen, diese Schule äußerlich und innerlich wieder aufzubauen. Ostern 1955 wechselte sie als Oberschulrätin, zuständig für die wissenschaftlichen Oberschulen für Mädchen, in die Hamburger Schulbehörde, wo sie ein gutes Jahr bis zu ihrer Krebserkrankung wirkte. Neben ihrer schulischen Tätigkeit war Elisabeth Schulz kirchlich sehr engagiert, unter anderem als Kirchenvorsteherin in ihrer St. Lukaskirche Fuhlsbüttel. Sie stand in engem Kontakt zum späteren Landesbischof Volkmar Herntrich (1908-58), der ihre Zivilcourage schätzte. Seit 1946 war sie Mitglied der Kirchensynode. Als erste und einzige Frau gehörte sie dem Landeskirchenrat an, in dem sie das Frauenwerk und das Schulreferat betreute. Ihr gelang es 1947, Karl Barth für einen Gottesdienst in Fuhlsbüttel zu gewinnen, was von Landesbischof Simon Schöffel (1880-1959) scharf gerügt worden sei. Elisabeth Schulz war Mitglied des Kirchenrats und vom Sommersemester 1949 bis zum Wintersemester 1951/52 nebenamtliche Dozentin bzw. Lehrbeauftragte für Katechetik an der Kirchlichen Hochschule Hamburg (gegründet 1948 zur Vorbereitung der Evangelisch-Theologischen Fakultät an der Universität Hamburg). Text: Dr. Cornelia Göksu

    Adele Schwab

    geb. Mennerich, Buchpseudonym Lexa Anders

    Diakonisse, Sozialfürsorgerin, Buchautorin

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    14.6.1907
    Hamburg

    30.7.1991
    Hamburg
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    Adele Schwab äußerte über ihr Leben: "Mein Leben verlief in stark ansteigenden und steil abfallenden Linien, unter viel Krankheitsnot und manchen inneren Kämpfen. Menschen, zu denen ich aufgesehen hatte im Leben, wurden mir genommen, auf dass Jesus mir alles würde. Er erfüllt meinen Alltag mit dankbarer Freude!" Adele Mennerich wuchs gemeinsam mit ihrer älteren Schwester in Hamburg in der Heinrich-Hertz-Straße 118 auf. Ihre Mutter betrieb ein Handarbeitsgeschäft. Adele war handwerklich begabt, besuchte neben dem regulären Schulunterricht die Kunstgewerbeschule und fertigte noch zu Schulzeiten Bastpuppen an, für deren Herstellung sie ein Patent erwarb. Diese Erfindung half der Familie durch die schweren Zeiten der Wirtschaftskrise. Im Alter von zwölf Jahren entschied sich Adele bewusst für Christus. Ihr geistiges Zuhause fand sie in der Freien evangelischen Gemeinde in Hamburg am Holstenwall. Auch ihre Eltern sowie ihre Schwester Olga stellten sich in den Dienst des diakonischen Werkes innerhalb der Freien evangelischen Gemeinde. Nach der Schulentlassung 1922 wurde Adele Mennerich auf Anraten des Leiters der Freien evangelischen Gemeinde, der gleichzeitig auch Direktor des Hamburger Krankenhauses "Elim" war, Diakonisse. Im März 1935 machte sie ihr Krankenschwesterstaatsexamen. Doch bald bekam sie Schwierigkeiten. Ihr wurde vorgeworfen, sich nicht mehr zur Elimschwesternschaft zu zählen. Als sie von ihrer ehemaligen Mitschwester Heidi erfuhr, dass diese sich an "die Partei" (NSDAP) wenden wolle, um sie aufzuklären "wie man in Elim mit Menschen umgeht, die Jesus nachfolgen wollen", warnte Adele die Mutter Oberin. Adele wurde daraufhin aufgefordert, die Elim-Haube abzulegen. Wenige Tage später wurde der Rauswurf zurückgenommen unter der Bedingung, dass Adele Heidi nicht mehr sehen dürfe. Doch Adele weigerte sich, und so verließ sie am 31. August 1936 die Diakonie Elim. Nun begann ihr Leben als freie Schwester. Zuerst erhielt sie Arbeit im "Abendroth-Haus" in Hamburg-Hamm. Dort wurden Prostituierte und geschlechtskranke Frauen aufgenommen. Später wurde sie als behördliche Krankenhausfürsorgerin in Hamburger Krankenhäusern tätig. In diese Zeit fällt auch ihre Heirat. Ein ihr unbekannter Witwer, der ebenfalls Mitglied der Freien evangelischen Gemeinde war, stellte ihr einen Heiratsantrag. Im Mai 1943 wurde Hochzeit gefeiert. Doch schon bald merkte Adele, wie sie es beschreibt: "daß er als Mann nicht zu seinem Recht kam". Eine gynäkologische Untersuchung ergab, dass Adele Schwabs Geschlechtsorgane infolge einer in der Kindheit erlittenen Rachitiserkrankung unterentwickelt waren. Das Paar ließ sich scheiden und Adele Schwab begann wieder in ihrem alten Beruf zu arbeiten. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus war Adele Schwab noch viele Jahre als Fürsorgerin tätig, so auch auf St. Pauli. Unter dem Pseudonym "Lexa Anders" veröffentlichte sie in den 1960er bis 1980er Jahren eine Vielzahl von Büchern, in denen sie u. a. über ihr Leben und ihre Hinwendung zu Gott berichtet und z. B. auch über ihre Erlebnisse als Fürsorgerin auf St. Pauli und in Hamburgs Straßen.

    Dr. Ellen Simon

    Jugendamtsleiterin

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    16.7.1895
    Nordhausen bei Erfurt

    13.7.1982
    Berlin
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    Dr. Ellen Simon, Schwester von Lola Toepke, studierte nach bestandenem Abitur im Jahre 1915 Volkswirtschaft, Jura, Philosophie und Psychologie. 1921 promovierte sie in Jura über das Thema "Schutzerziehung und Besserungserziehung". Von 1925 bis 1931 war sie Abteilungsleiterin des Jugendamtes und des Landesjugendamtes in Hamburg. 1931, nach dem Tod der Mutter Anna Simon, zog sie nach Königsberg, um dort die Leitung des Jugendamtes zu übernehmen. 1932 führte sie den ersten Arbeitsdienst für erwebslose Mädchen ein. Wegen ihrer Parteizugehörigkeit (seit 1930) zur SPD wurde sie 1933 von den Nazis ihres Amtes enthoben. Im selben Jahr emigrierte sie in die Schweiz, arbeitete dort als Dozentin an einer Schwesternschule und als Privatpflegerin und ging 1938 nach London. Dort war sie als Sozialarbeiterin im East End tätig, hielt Verbindung zur bekennenden Kirche in Deutschland und kehrte im Mai 1948 nach Deutschland zurück. Nachdem sie 1950 in den USA einen Ausbildungskursus für Einzelfallhilfe absolviert hatte, wurde sie 1951/52 Lehrbeauftragte für Vormundschaftsrecht an der Universität Frankfurt/Main. Von 1953 bis 1960 arbeitete sie als Leiterin des Pestalozzi-Fröbel-Hauses in Berlin. Dr. Ellen Simon war Gründungsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und Beiratsmitglied im deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Bis zu ihrem Tod lebte die unverheiratet und kinderlos Gebliebene in Westberlin. Recherchen Dr. Stephan Heinemann, Potsdam

    Elsa Teuffert

    (geb. Jansen)

    Bürgerschaftsabgeordnete der FDP

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    12.6.1888
    Hamburg

    10.3.1974
    Hamburg
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    Als Elsa Teuffert im März 1966 im Alter von 77 Jahren nach zwölfjähriger Zugehörigkeit – von 1954 bis 1957 als Abgeordnete des Hamburg Blocks und von 1958 bis 1966 als Abgeordnete der FDP – aus der Hamburgischen Bürgerschaft ausschied, schrieb sie einen offenen Brief an die Hamburger Bevölkerung: „Liebe Mitbürger! Erlauben Sie mir, Ihnen anlässlich meines Ausscheidens aus der Hamburger Bürgerschaft die nachstehenden Zeilen zu übermitteln: Die hinter mir liegenden Jahre haben mich mit Dankbarkeit darüber erfüllt, dass ich vielen Männern und Frauen in mannigfachen Nöten und Anliegen zur Seite stehen konnte. Das mir dabei entgegengebrachte Vertrauen veranlasst mich, Ihnen zu sagen, dass mein Verzicht auf eine Kandidatur für die neue Bürgerschaft nicht das Ende meiner Arbeit überhaupt bedeutet. Ich habe mich bereit erklärt, dem Wunsche meiner Partei zu entsprechen und als ihre Sozialreferentin alle Fragen des sozialen Bereichs zu bearbeiten, allen Anliegen nachzugehen und den Schwierigkeiten abzuhelfen, soweit dafür nur irgend die Voraussetzungen gegeben sind. (...) In guter Verbundenheit Ihre Elsa Teuffert.“ Elsa Teuffert hatte in Hamburg die Paulsenstiftschule (siehe dazu historischer Grabstein von Anna Wohlwill und Historischer Grabstein von Hanna Glinzer) zur  besucht und 1907 einen Telegraphendirektor geheiratet. 1928 wurde sie Witwe. 1923, im Alter von 35 Jahren, begann Elsa Teuffert ehrenamtlich für die Wiedergutmachung des „Inflationsunrechtes“ tätig zu werden. Bis 1933 betreute sie durch die Inflation um ihre Ersparnisse gebrachte Menschen. Nach der Ausbombung während des Zweiten Weltkrieges wurde Elsa Teuffert nach Ostpommern evakuiert und kehrte 1945 nach Hamburg zurück. Ein Jahr später, 1946, im Alter von 58 Jahren, trat sie der FDP bei. Damit begann ihre politische Karriere. Bevor Elsa Teuffert 1954 als Abgeordnete in die Bürgerschaft gewählt wurde, war sie von 1951 bis 1954 Bezirksabgeordnete in Hamburg-Altona und von 1953 bis 1954 Deputierte der Baubehörde gewesen. Außerdem war sie von 1953 bis 1959 Vorsitzende der FDP-Landesfrauengruppe und in den 50er-Jahren Vorstandsmitglied des Hamburger Frauenringes. Was sie trieb, die vielen politischen Belastungen auf sich zu nehmen, beschrieb sie 1958 in einem Brief an Wilm Sanders, einen Sohn der Familie Sanders, bei der sie wohnte: „Sie [die Arbeit] befriedigt mich (..) sehr durch ihre Vielseitigkeit. (...) Wie oft kann man doch helfen oder wenigstens einen Weg zeigen. (...) Heute war ich unterwegs, um eine Kleingarten-Kolonie, die räumen soll, zu retten, was günstigstenfalls auf dem Wege über viele Verhandlungen möglich ist.“ Privat lebte Elsa Teuffert sehr bescheiden. In Zeiten der Wohnungsnot wurde sie 1947 in den Kielkamp 23 bei Familie Sanders und ihren fünf Kindern einquartiert. Die Juristin Dr. Maria Sanders (1905–1998) war langjährige Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes Hamburg und Mitbegründerin der Katholischen Frauen- und Familienbildungsstätte Hamburg gewesen. Elsa Teuffert wählte dort das kleinste Zimmer, welches spartanisch mit einem Bett, Tisch, Waschtisch, Spiegel, Stuhl und Schrank ausgestattet war. Dort lebte sie, bis sie 1971 in eine Seniorenwohnung zog. Elsa Teuffert wurde den fünf Sanders-Kindern eine Ersatzgroßmutter. Mit dem Sohn Wilm – später Msgr. Wilm Sanders, Geistlicher Rektor der Katholischen Akademie Hamburg und Priester der katholischen Gemeinde St. Ansgar (Kleine Michaelis Kirche) – pflegte sie während seiner Studienjahre in Rom einen regen Briefwechsel, der auch Einblick gibt in die knappe Gestaltung des Privatlebens von Elsa Teuffert. So schrieb sie kurz vor Weihnachten 1955: „Zur Zeit wird ein gedämpftes Privatleben geführt, d. h. ohne Sitzungen und Termine, nur dringende Anrufe verlangen ganz schnell noch die Regelung kompliziertester Fälle (mal eben) und viele interessante ‚Vorlagen‘ (...) müssen bis Anfang Januar bearbeitet sein, denn dann steigen wir in die Haushaltsberatungen.“ Ihr Zimmer wurde von Frau Ladiges sauber gehalten: „Meine gute Frau Ladiges hielt heute Zimmerputz, so dass ich mich an einer schönen und geordneten Umwelt freuen kann, was leider nicht immer der Fall ist. Kein Wunder, wenn man immer so durch die Gegend sausen muss und meistens abgekämpft heimkommt.“ Noch im hohen Alter freute sich Elsa Teuffert, wenn sie helfen durfte. So schrieb sie 1972 aus ihrem Alterswohnsitz: „Von meiner Bleibe ließe sich auch viel erzählen; es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrtum, dass es in Altersheimen eintönig zugeht. Selbst bei einer Belegschaft von nur sechs Insassen ist immer etwas ‚los‘; ich bin froh, dass ich in meiner Frau Klatt einen Schützling gefunden habe, der mich sehr nötig braucht, und auch somit mancherlei Pflichten habe, die mich ausfüllen.“ Text: Dr. Rita Bake Quellen: Briefe: Privatarchiv R. Bake    

    Anny Tollens

    geb. Hock

    Kommunalpolitikerin, Leiterin und Geschäftsführerin der Kinderstube Rahlstedt.

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    3.12.1911
    Hildesheim

    10.4.1989
    Hamburg
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    Weddinger Weg 1 (Geschäftsstelle der Rahlstedter Kinderstube) Namensgeberin für:  Anny-Tollens-Weg, seit 2002
    Die als Anna Hock in Hildesheim geborene Anny Tollens kam bereits als Kind mit ihren Eltern nach Hamburg. Sie heiratete einen Kaufmann und bekam drei Kinder, die sie großzog. Bald nach dem Zweiten Weltkrieg begann Anny Tollens, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Sie war Mitglied im Ortsausschuss Rahlstedt und in der Wandsbeker Bezirksversammlung. Politisch war sie in der CDU beheimatet. 1963 wurde sie Mitglied im Bürgerverein Rahlstedt e. V. Im Rahmen ihrer dortigen aktiven Mitgliedschaft als Leiterin des Arbeitskreises Soziales gründete Anny Tollens 1964 den bis heute bestehenden Seniorenkreis „Du und ich“. 1969 hob sie zusammen mit der Vereinigung Jugendheim die Kinderstube Rahlstedt aus der Taufe, deren Leitung und Geschäftsführung sie bis zu ihrem Tod 1989 übernahm. Die Idee zu diesem Halbtagskindergarten für drei- bis sechsjährige Kinder, der Spielstunden und später für fünf- bis sechsjährige Kinder auch eine Vorschule anbot und mit 40 Kindern begann, kam ihr, weil sie feststellte, dass damals viele Mütter einen Kindergartenplatz für ihre Kinder suchten. Die Kinderstube fand ihre Räumlichkeiten im Jugendheim, das im Jugendpark liegt, denn Anny Tollens war aufgefallen, dass Jugendheime vormittags leer standen, denn ihr Betrieb begann schließlich erst in den Nachmittagsstunden. Für ihr unermüdliches ehrenamtliches Engagement bekam Anny Tollens 1976 das Bundesverdienstkreuz verliehen und 1989 von der Bezirksversammlung Wandsbek die Wandsbeker Medaille. Ebenfalls 1989 erhielt sie die Rahlstedter Silbermünze. Der Portugaleser in Bronze wurde ihr 1988 für ihren großen persönlichen Einsatz bei der Seniorenbetreuung des Bürgervereins Rahlstedt e. V. verliehen. Anny Tollens starb nach einem Schlaganfall im Alter von 77 Jahren. Dreizehn Jahre später wurde im Stadtteil Rahlstedt der Weg, der direkt an der Park-Kita Altrahlstedt, die aus der von Anny Tollens ins Leben gerufenen Kinderstube des Rahlstedter Bürgervereins hervorging, vorbeiführt in Anny-Tollens-Weg benannt. Quelle: Staatsarchiv Hamburg: A 770, Verdienstkreuz für Anna Tollens.

    Antonie Wilhelmine Traun

    (geb. Westphal)

    Gründerin des Vereins "Die Sozialen Hilfsgruppen"; Mitbegründerin des "Bundes Hamburgischer Hausfrauen" und des "Stadtbundes Hamburgischer Frauenvereine"

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    6.12.1850
    Hamburg

    28.10.1924
    Hamburg
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    Antonie Westphal war die älteste Tochter von Carl Wilhelm Ludwig Westphal, Kaufmann und Mitinhaber der Firma G.W.A. Westphal Sohn & Co. und dessen Ehefrau. Die Teefirma besteht noch heute und hat ihren Sitz in der Speicherstadt. Einer ihrer fünf Geschwister war der Senator Otto Westphal (Wirtschaft und Verkehr). Im Alter von 21 Jahren heiratete Antonie Westphal den acht Jahre älteren Kaufmann und Harburger Fabrikanten Otto Traun. Dessen Mutter war Bertha Traun, geb. Meyer. Diese hatte sich für die Selbstständigkeit und Rechte der Frauen stark gemacht, und mit Emilie Wüstenfeld 1850 die Hochschule für das weibliche Geschlecht gegründet. In zweiter Ehe hatte sie 1851 den Prediger der Deutschkatholiken Johannes Ronge geheiratet, der ebenfalls für die Emanzipation der Frau eintrat. Wie ihre Schwiegermutter wurde auch Antonie Traun eine Anhängerin und Aktivistin der bürgerlichen Frauenbewegung. Als sie mit 48 Jahren Mitglied des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" wurde, hatte sie in 26 Jahren sechs Kinder geboren, von denen eins im Alter von einem Jahr gestorben war. Und als Antonie Traun 1900 den Verein "Die sozialen Hilfsgruppen" gründete, waren die jüngeren Kinder 19, 17 und 11 Jahre alt. Ihr ältestes Kind war bereits verheiratet und hatte sie schon zur Großmutter gemacht. Die "Sozialen Hilfsgruppen" waren ein Zweigverein des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, Ortsgruppe Hamburg". Ihr Ziel war: "Frauen und Mädchen zur tatkräftigen, persönlichen Teilhabe an solchen Unternehmungen heranzuführen, die das Elend der ärmeren Volksklassen zu lindern bestimmt sind." Durch diese gemeinnützige Tätigkeit sollten die weiblichen Vereinsmitglieder auch eine Bereicherung des eigenen Lebens und innere Befriedigung erlangen. 1907, ein Jahr nach dem Tod ihres Ehemannes, wurde Antonie Traun Mitglied des Hauptvorstandes des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins", acht Jahre später,1915, Mitbegründerin des "Bundes Hamburgischer Hausfrauen" und nach einem weiteren Jahr, im Alter von 66 Jahren Mitbegründerin des "Stadtbundes Hamburgischer Frauenvereine". Ziel des Hausfrauenbundes war: die Vertretung der volkswirtschaftlichen Interessen der Hausfrauen als Konsumenten und Produzenten. Der Bund wollte die Arbeit der Hausfrau mit der Tätigkeit in anderen Berufen gleichsetzen. Dieser Passus wurde jedoch 1918 gestrichen, denn gegen Ende des Ersten Weltkriegs entwickelten sich die Hausfrauenvereine immer mehr zu nationalistischen, konservativen Frauenvereinigungen. Die Ausdehnung des Ersten Weltkrieges machte es für die bürgerlichen Frauenverbände notwendig, ihre losen Verbindungen in eine straffe Zusammenfassung aller Hamburgischer Frauenvereine umzuwandeln. Deshalb wurde der "Stadtbund Hamburgischer Frauenvereine" gegründet, dessen Ziel es war, die gemeinsamen Interessen der angeschlossenen Frauenvereine zu vertreten und zu stärken. Antonie Traun starb acht Jahre, nachdem sie den Stadtbund mitbegründet hatte, im Alter von 73 Jahren.

    Dr. Marie Unna

    geb. Boehm

    Dermatologin

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    03. 06. 1881
    Schewen/Westpreußen (heute Szewa/Polen)

    23.12.1977
    Hamburg
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    Marie Unna war die Tochter eines Gutsbesitzers in Westpreußen. Nachdem sie einige Zeit Privatunterricht erhalten hatte, besuchte sie zwischen 1894 und 1896 die städtische höhere Töchterschule in Thorn und von 1898 bis 1902 die Gymnasialkurse für Frauen bei der Frauenrechtlerin Helene Lange in Berlin. Im September 1902 machte sie am kgl. Luisengymnasium in Berlin ihr Abitur. Zwischen 1902 und 1906 studierte sie dann Medizin in Freiburg, München und Berlin. 1906 promovierte sie an der Universität in Freiburg i. Br. und erhielt ein Jahr später ihre Approbation. 1910 ließ sie sich als Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten nieder. Sie war in den Jahren 1911, 1912, 1914, 1917, 1919, 1926/27, 1929, 1933, 1935, 1937, 1952 niedergelassene Ärztin in Hamburg mit Praxis in ihrem Privatwohnhaus in der Wentorferstraße 74 in Hamburg Bergedorf, wo sie mit ihrem Mann, dem Dermatologen Karl Unna (1880-1964) und den gemeinsamen drei Kindern lebte. Karl Unna entstammte einer Dermatologenfamilie. Sein Vater, der Dermatologe Paul Gerson Unna, nach dem in Hamburg der Unna-Park und die Unnastraße, an der das Hauptgebäude der Beiersdorf AG steht, benannt wurden, arbeitete eng mit dem Apotheker Paul Carl Beiersdorf zusammen. Zur Unna-Familie gehörte auch die Malerin Julie de Boor. Auch Karl Unna praktizierte eine Zeitlang in eigener Praxis in der Wentorferstraße 47, hatte später aber seine Praxis in der Dammtorstraße 27. In der Zeit des Nationalsozialismus fiel Karl Unna als "Mischling 1. Grades" unter die NS-Rassegesetze. Einer ihrer Söhne, der Pharmakologe Klaus Robert Walter Unna (geb. 30. Juli 1908 in Hamburg, gestorben am 26.6.1987 in Santa Fe/New Mexico) emigrierte 1933 nach Österreich und 1937 in die USA. 1925 beschrieb Marie Unna eine neue, bis dahin unbekannte Form der Alopezie (des Haarausfalls). Diese seltene Erbkrankheit wird heute auch als "Unna-Syndrom" oder als hereditäre kongenitale Hypotrichose Typ Marie Unna bezeichnet. Diese Erkrankung zeigt sich oft schon nach der Geburt. Manchmal sind die Haare kurz nach der Geburt noch normal oder auch schon sehr dünn, bzw. gar nicht vorhanden. Waren Haare bei der Geburt vorhanden, werden sie in den ersten Lebensjahren schütter und spärlich, später dann grob und unregelmäßig gedreht. Kam das Kind ohne Haare auf die Welt, so wachsen zwar die Haare, sind dann aber auch grob, von drahtiger Struktur und schwer zu kämmen. Der Haarausfall beginnt dann in der Pubertät. Als Therapie gibt es nur die Möglichkeit einer Haartransplantation oder das Tragen einer Perücke. Marie Unna war Gründungsmitglied des 1924 gegründeten Bundes Deutscher Ärztinnen (BDÄ). Über dessen Gründungsversammlung schrieb sie in der Vierteljahresschrift Deutscher Ärztinnen einen Bericht. Unter der Leitung von Marie Unna wurde 1925 auf der Tagung des Gesamtvorstandes des BDÄ ein Entwurf zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten diskutiert. Marie Unna gehörte dem Ausschuss zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten des BDÄ an, aus dem sie 1927 austrat. Außerdem war sie Mitglied des Hartmannbundes, aus dem sie 1953 ausschied. Marie Unna war auch Schriftleiterin der von ihrem Schwiegervater Paul Gerson Unna geführten "Dermatologischen Wochenschrift".

    Anna Wilhelmine Catharina Veldkamp

    "Mutter Veldkamp", Besitzerin eines Dom-Cafés

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    5.7.1865
    Hamburg

    13.12.1944
    Hamburg
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    „Mutter Veldkamp“ wie es auf ihrem Grabstein steht, besaß das über Hamburgs Grenzen bekannte Dom Café Veldkamp auf dem Hamburger Winterdom. Schon ihre aus Groningen stammende Großmutter kam aus dieser Branche. Sie hatte 1821 in Groningen einen Zuckerwarenhandel gegründet und später, als sie nach Hamburg gezogen war, am Gänsemarkt ein Café eröffnet. Dieses vermachte sie ihrer Tochter, die später auf dem Hamburger Dom (Freimarkt, Kirmes) ein Dom-Café errichtete, welches diese dann ihrer Tochter Anna Wilhelmine vererbte. Unter der erfolgreichen Leitung von Anna Wilhelmine, die 1900 den bei ihr angestellten Konditor geheiratet hatte, mit dem sie drei Söhne bekam (1901: August; 1903: Jan; 1904: Willi), wurde das kleine Dom-Café zu einem über 1200 Sitzplätze fassenden Kaffeehaus vergrößert. Während eine Musikkapelle spielte und 42 Kellnerinnen und Kellner die Kuchen- und Kaffeewünsche der Gäste befriedigten, saß Mutter Veldkamp wie eine Matrone hinter der Kasse und kontrollierte den reibungslosen Ablauf der Bedienung. Auf ihrem Kopf trug sie eine, von ihrer Großmutter geerbte, golddurchwirkte holländische Haube, zu der ein Brüsseler Spitzentuch gehörte, dessen Ränder mit Brillanten besetzt waren. In dieser Aufmachung fiel Mutter Veldkamp allen Gästen sofort ins Auge. Die Haube wurde Mutter Veldkamps Markenzeichen. Ihr, aus vielen tausend blinkenden Glühbirnen arrangiertes Portrait mit Haube prangte als Reklame für ihr Café in luftiger Höhe auf einem Turm, der an der Außenwand des Cafés errichtet worden war. Und auch auf ihrem Grabstein ist ihr Portrait mit Haube geschaffen worden. [Bild:3143_Cafe_Veldkamp|right]Während des Winterdoms gehörte das Café für einen Tag den Hamburger Waisenkindern. Dann war das Café für die übrigen Dombesucherinnen und –besucher geschlossen und Mutter Veldkamp ließ die Waisenkinder mit Kakao und Schmalzgebäck bewirten und gab ihnen kleine Geldgeschenke. Wegen dieser Wohltätigen wurde Anna Wilhelmine Catharina Veldkamp „Mutter Veldkamp“ genannt. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde wegen der Luftangriffe kein Dom mehr veranstaltet. So ließ Mutter Veldkamp 1940 ihr in Einzelteile zusammengelegtes Café in Lagerhallen unterbringen. In der Julinacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 wurden die Lagerhallen und die Privatwohnung der Veldkamps durch Bomben zerstört. Mutter Veldkamp zog mit ihrem Mann zu ihrem Sohn Jan, der in der Annenstraße 32, 1, Stock allein lebte. Seine Frau Emmi Veldkamp geb. Schill (3.1.1907 - 14.12.1944) war wegen „Hehlerei mit 1000 Lebensmittelkarten“ verhaftet und zum Tode verurteilt worden. Mutter Veldkamp, die schon seit längerer Zeit herzkrank war, starb am Abend vor der Hinrichtung ihrer Schwiegertochter, deren Todesurteil am Morgen des 14.12.1944 im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis vollstreckt wurde. Vater und Sohn erreichten, dass die Leiche der Hingerichteten freigegeben wurde, so dass beide Frauen am 20.12.1944 auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet werden konnten. Hamburgs Waisenkinder geleiteten mit brennenden Kerzen in den Händen den Sarg zur Grabstätte. Drei Jahre später wurde der Grabstein am Grab aufgestellt.. Text: Dr. Rita Bake      

    Bertha Wendt

    geb. Bahnson

    Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (DDP), organisiert in der bürgerlichen Frauenbewegung

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    6.10.1859
    Hamburg

    14.3.1937
    Hamburg
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    Geboren wurde Bertha Bahnson als erstes von acht Kindern von Rosalie Bahnson, geb. Philipp und deren Mann, dem Gymnasiallehrer Prof. Dr. Franz Wilhelm Bahnson. Rosalie Bahnson war jüdischer Herkunft und ließ sich vor ihrer Hochzeit evangelisch taufen. Bertha Bahnson besuchte die Höhere Töchterschule und die Klosterschule St. Johannis. 1878, im Alter von knapp 19 Jahren, heiratete sie den Lehrer und späteren Reichstagsabgeordneten Prof. Dr. Gustav Wendt (1848-1933), der 1901 Leiter, der vom Verein Frauenbildung und Frauenstudium gegründeten Real- und später Gymnasial-Kurse für Mädchen wurde. Bertha Wendt bekam mit ihrem Mann acht Kinder. Außerdem nahm sie nach dem frühen Tod ihrer Mutter (gest. 1884) ihre beiden jüngeren Brüder Fritz (acht Jahre) und Rudolph (drei Jahre) auf. Kinderschutz, hauswirtschaftliche Ausbildung für Mädchen und die Abstinenzbewegung, das waren Bertha Wendts Themen, denen sie ihre Kraft widmete. Bertha Wendt war führend in der bürgerlichen Frauenbewegung, und schon Jahre bevor die Frauen das Wahlrecht erlangten, begann sie sich politisch zu betätigen. So wurde sie 1911 in den Vorstand der Vereinigten Liberalen gewählt. Bertha Wendt trat z. B. für die Abschaffung des Lehrerinnenzölibats ein, denn sie war der Auffassung, dass alle Frauen das Recht auf einen Beruf haben sollten. Im Ersten Weltkrieg wandte sie sich anderen Aufgaben zu. Sie organisierte Kriegsküchen und leistete Aufklärung über praktische Ernährung. Außerdem stellte sie Unterkünfte für heimkehrende Soldaten und alleinstehende Frauen bereit. Nach dem Krieg und nachdem 1918 die Frauen das Wahlrecht erlangt hatten, begann Bertha Wendt mit der politischen Frauenbildungsarbeit. Als Führerin der demokratischen Frauen richtete sie für Frauen Notkurse in politischer Bildung ein und leitete solche Kurse selbst noch im Alter von 70 Jahren. Von 1919 bis 1924 war sie für die Deutsche Demokratische Partei Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. In dieser Zeit als Abgeordnete beschäftigte sie sich besonders mit Frauen- und Kinderfragen. Außerdem war sie Vorsitzende der demokratischen Frauengruppe Hamburg. Außerhalb der Parteipolitik engagierte sie sich in der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins auf dem Gebiet des Jugendschutzes. Hier kümmerte sie sich insbesondere um die Unterbringung und weitere Betreuung schulentlassener Mädchen und um die Überwachung des Koststellennachweises für uneheliche Kinder. Außerdem richtete sie Heimstuben für weibliches Hauspersonal ein, übernahm Vormundschaften, arbeitete im Verein gegen Ausnutzung und Misshandlung von Kindern und in der Bewegung für Mütterabende, war als Waisenpflegerin und in der Ferienkolonie Waltershof tätig. Sie war Mitglied im Frauenklub Hamburg, im Deutschen Bund Abstinenter Frauen, im Verband Norddeutscher Frauenvereine und im Hamburger Zweig des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht. Zu ihrem 70. Geburtstag organisierte der Stadtbund hamburgischer Frauenvereine für sie eine Teestunde, an der rund 100 Frauen teilnahmen. Emma Ender, die diesen Nachmittag vorbereitet hatte, Klara Fricke, als Vorsitzende der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und Helene Bonfort hielten kleine Reden. Für ihre karitativen Arbeiten erhielt Bertha Wendt das Verdienstkreuz. 1933, nach dem Tod ihres Mannes, zog sich Bertha Wendt aus der Öffentlichkeit zurück und starb am 14.3.1937 in ihrer Wohnung in der Oderfelderstraße 11.

    Paula Westendorf

    geb. Gühlk

    Politikerin, Bürgerschaftsabgeordnete

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    26.10.1893
    Hamburg

    3.10.1980
    Hamburg
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    1917, im Alter von 25 Jahren, heiratete Paula Westendorf und bekam vier Söhne (geb. 1918, 1922, 1923, 1925). Später ließ sie sich scheiden und wurde 1949 wieder berufstätig. Das SPD-Mitglied wurde im Oktober 1946 in die erste frei gewählte Bürgerschaft nach dem Ende des Nationalsozialismus gewählt. Der Bürgerschaft gehörte sie bis 1953 an. Als Mitglied der Bürgerschaft brachte Paula Westendorf 1947 einen ergänzenden SPD-Antrag zum KPD-Antrag von Magda Langhans (siehe zu ihr in der Rubrik: Erinnerungsskulptur) zur Einstellung der Strafverfahren bei Verstoß gegen den Paragraphen 218 ein. Sie forderte die Einrichtung öffentlicher Ehe- und Sexualberatungsstellen und setzte sich für die soziale Indikation ein. In diesen Beratungsstellen wollte sie das Thema des Schwangerschaftsabbruchs nicht biologisch behandelt wissen, sondern im Zusammenhang mit der „Menschheitsfrage", aus Ehrfurcht vor dem Leben im Sinne Albert Schweitzers und im Gegensatz zu den „menschheitszerstörenden Praktiken der Nazis". Als einseitigen Machtausdruck des Staates lehnte sie Strafverfolgung wegen Abtreibung ab und gab grundsätzlich zu bedenken, dass Verbote die Menschheit nicht erzögen, weil Moral nicht befohlen werden könne. Paula Westendorf versicherte dem Parlament, dass die Beratungsstellen nicht leichtfertig Schwangerschaftsabbrüche anempfehlen, sondern das Verantwortungsbewusstsein dem Leben gegenüber stärken würden. Trotz lebhaften Beifalls war die Reaktion der Männer im Parlament hinhaltend. Der Gesundheitsausschuss verwarf aus juristischen Gründen den Antrag der KPD. Erfolg hatte nur Paula Westendorfs ergänzender Antrag. Und so wurden in den Räumen des Gesundheitsamtes eine öffentliche Ehe- und Sexualberatungsstelle eingerichtet, die als erste ihrer Art in den Westzonen im August 1948 ihre Arbeit aufnahm.1) Auch Paula Westendorfs Einsatz zur Freigabe des Vertriebes von Verhütungsmitteln hatte Erfolg. Am 1. Juni 1948 gab der Senat bekannt, dass die Polizeiverordnung des früheren Reichsinnenministers vom Juni 1941 über „Verfahren, Mittel und Gegenstände zum Schwangerschaftsabbruch" aufgehoben sei.2) 1947 wurde Paula Westendorf Beisitzerin des Verwaltungsgerichtes. Sie war Deputierte der Kulturbehörde (1947, 1953) und der Baubehörde (1948) und außerdem stellvertretendes Mitglied des beratenden Ausschusses für das Pressewesen (1949). 2007 wurde im Stadtteil Ohlsdorf den Paulen-Westendorf-Weg eingeweiht. Text: Rita Bake Quelle: [1] Vgl.: Inge Grolle, Rita Bake: „Ich habe Jonglierebn mit drei Bällen geübt,“ Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft 1946 bis 1993. Hamburg 1995, S. 67f. [2] Vgl.: Inge Grolle, Rita Bake, a. a. O., S. 68.   Die politische Karriere der geschiedenen Frau mit vier Kindern begann gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits in der ersten Wahlperiode im November 1946 wurde Paula Westendorf für die SPD als Abgeordnete in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt, der sie bis 1953 angehörte. Paula Westendorf setzte sich besonders für die Straffreiheit bei Abtreibung und für die soziale Indikation ein und forderte in diesem Zusammenhang die Einrichtung öffentlicher Ehe- und Sexualberatungsstellen. Als einseitigen Machtausdruck des Staates lehnte sie Strafverfolgung wegen Abtreibung ab und gab zu bedenken, dass Verbote die Menschheit nicht erzögen, weil Moral nicht befohlen werden könne. Auf ihre Initiative hin wurde dann in den Räumen des Gesundheitsamtes eine öffentliche Ehe- und Sexualberatungsstelle eingerichtet, die als erste ihrer Art in den Westzonen im August 1948 eröffnet wurde. Auch ihr Einsatz zur Freigabe des Vertriebes von Verhütungsmitteln hatte Erfolg. Am 1. Juni 1948 gab der Senat bekannt, dass die Polizeiverordnung des früheren Reichsinnenministers vom Juni 1941 über "Verfahren, Mittel und Gegenstände zum Schwangerschaftsabbruch" - worunter auch Verhütungsmittel fielen - aufgehoben sei.

    Adele Will

    geb. Hessberger

    Kindergärtnerin mit Privat-Kindergarten in Hamburg-Eppendorf

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    25.2.1903
    in Antwerpen

    28.5.1997
    in Hamburg
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    Adele wurde als einziges Kind der Gouvernante Maria Klü und des Seemanns Johann Hessberger in Antwerpen geboren. Im selben Jahr zog die Familie nach Hamburg-Eimsbüttel. Im Seminar der Vereinigten Fröbelkindergärten erfolgte von 1918 bis 1919 die Ausbildung zur Kindergärtnerin. In den Jahren danach arbeitete Adele Hessberger als "Kinderfräulein" in Familien und als Kindergärtnerin in verschiedenen staatlichen Einrichtungen - unter anderem in der Nähe der Reeper-bahn, wo sie sich Plattdeutsch aneignete, um die Kinder der Hafenarbeiterfamilien verstehen zu können. Zur beruflichen Selbstständigkeit entschied sie sich vor dem Hintergrund der Fröbel-Pädagogik: "Ich wollte keinen Massenbetrieb, sondern pädagogische Betreuung für jedes einzelne Kind."
    Am 1.10.1925 gründete sie einen Privatkindergarten in Hamburg-Eppendorf: zunächst im Billiardraum der Conditorei C. W. Nobiling, Eppendorfer Landstraße, 1927 in ihrer Privatwohnung Erikastr. 143, bald darauf Im Winkel 21. Es war der vierte Privatkindergarten in Hamburg.
    Am 17. Mai 1928 heiratete sie Max Will. Ihr Mann, ein gelernter Kaufmann, arbeitete als Buchhalter, später als Prokurist. Sobald er frühmorgens zur Arbeit ging, wurde die Wohnung mit routinierten Handgriffen kindgerecht verwandelt, sodass sich 15 Mädchen und Jungen im Alter von drei bis sechs Jahren wohlfühlen und verschiedene altersgemäße Spiel- und Lerngruppen stattfinden konnten. Mittags wurde aus dem Kinderparadies wieder eine Familienwohnung für Max und Adele Will, ab 1931 mit Tochter Eva-Maria. Der "fröhliche singende Kindergarten" wurde über sechs Jahrzehnte zu einer Institution in Eppendorf: jeden Vormittag zog Adele Will in Begleitung der angestellten Kinderpflegerin mit der Kindergartengruppe singend durch das Viertel an die Alster zu den Spielwiesen oder an den Mühlenteich, wo sich ein Spielplatz befand, der auf Adele Wills Initiative hin eingerichtet worden war. Viele Jahre organisierte sie Sommerferien an der Nordsee für ihre Kinder. Zuhause ging es regelmäßig ins Schwimmbad. Der jahreszeitliche Rhythmus prägte das Kindergartenjahr mit Frühlingsfest, Osterfeuer, Apfelernte, Nikolaus und Weihnachten ebenso, wie mit dem Puppenfest, Kasperltheater, Hafenausflug, Geburtstagsritual oder Abschiedsfest zum Schulbeginn für jedes Kind. Mit Unterstützung der dafür von Adele Will entwickelten Vorschulmappe, wurden die Kinder auf die Einschulung vorbereitet. 1970 entwarf sie ein "Uhren-Lotto", das der Ravensburger Verlag jahrelang verlegte, mit dem auch lernbehinderte Kinder spielerisch die Uhr kennenlernen konnten.
    Durch die Gleichschaltung der Kindergärten während der nationalsozialistischen Diktatur 1933 bis 1945 wurde der Erhalt des Privatkindergartens zu einer besonders schwierigen und oft nur mit Verhandlungsgeschick zu lösenden Aufgabe: jede privatpädagogische Initiative war dem Reichsjugendamt verdächtig, besonders auch das Feiern von Ostern und Weihnachten. Während der Kriegsjahre wurde der Kindergarten so lange wie möglich offengehalten, bis der Beginn des Bombardements Hamburgs die Schließung nötig machte. Auf Initiative eines Arztes betreute Adele Will in dieser Zeit Kinder von Bombenopfern in der Lüneburger Heide und dem Kleinwalsertal.
    Den Eltern der Kinder und auch "Ehemaligen" stand Adele Will immer mit Rat und Tat in schwierigen Erziehungs- und Familiensituationen zur Seite. Viele hielten über Jahrzehnte den Kontakt, manche waren inzwischen selber (Groß-)Eltern und brachten ihre Kinder zu "Tante Will" in den "Winkel 21".
    1986 - bald nach dem sechzigjährigen Jubiläum und kurz vor Eintritt in den Ruhestand - bekam sie das Bundesverdienstkreuz am Bande "für ihr beispielhaftes Engagement bei der Betreuung von Kindern" verliehen. Sie nahm den Orden nur entgegen: "stellvertretend für meine Kolleginnen der anderen privaten Kindergärten Hamburgs". Einige Jahre war sie deren Sprecherin im "Verein der privaten Kindergärten von Hamburg und Umgebung" gewesen. 1990 wurde ihr der Portugaleser Taler in Bronze "BÜRGER DANKEN" durch den "Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine v. 1886" überreicht.
    Ehrenamtlich engagierte sich Adele Will in der Ökumene ihrer Kirchengemeinde St. Antonius sowie im Seniorenheim Anscharhöhe in Eppendorf, wo sie auch ihren Lebensabend verbrachte.

    Margarethe Wöhrmann

    geb. Brosterhues

    Politikerin (SPD)

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    19.7.1900
    Hamburg

    7.1.1989
    Hamburg
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    Margarethe, genannt Grete, war das dreizehnte Kind eines Schusters und einer gelernten Weißnäherin, die als Putzfrau arbeitete. Politisch tendierten die Eltern der SPD zu. Schon früh nahmen die älteren Geschwister Grete mit zu Veranstaltungen der Arbeiterjugend. 1914 trat sie dem Arbeiter-Jugend-Bund bei, wo sie zunächst Obmännin, später Leiterin einer Jüngerengruppe wurde. Nach Abschluss der Volksschule absolvierte sie eine zweijährige kaufmännische Lehre und arbeitete von 1917 bis 1919 als Kontoristin und von 1919 bis 1923 als Sekretärin im Büro der Filiale des Transportarbeiterverbandes. 1918 trat sie der SPD bei, lernte dort ihren späteren Mann, den kaufmännischen Angestellten Bernhard Wöhrmann, kennen, und leitete mit ihm eine Jugendgruppe in der Neustadt. Nach der Hochzeit im April 1923 wurde Grete Wöhrmann aus ihrer Stellung entlassen. Sie betätigte sich nun ehrenamtlich in einem Hamburger Mädchenheim. Diese Arbeit übte sie bis zur Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 1924 aus. Vier Jahre später wurde ihre zweite Tochter geboren. Ihr Mann war seit Anfang der zwanziger Jahre Geschäftsführer der städtischen Blindenfürsorge in Altona. Grete Wöhrmann war eine der wenigen Frauen, die Mitglied des Hauptvorstandes der Hamburger AWO (Arbeiterwohlfahrt) war. Außerdem arbeitete sie seit 1927 als Frauendistriktsleiterin der Altonaer SPD und war von 1929 bis 1933 Mitglied des Vorstandes der SPD Hamburg-Altona. 1930/31 wurde sie in der SPD zur Leiterin der Frauenarbeit gewählt und setzte sich gezielt für die Teil-nahme von Frauen an der Parteienpolitik ein. Zur selben Zeit wurde sie Kandidatin der Stadtverordnetenversammlung und 1931 Delegierte auf dem Reichsparteitag. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, wurde Bernhard Wöhrmann wegen seiner Mitgliedschaft im Arbeiter-Jugend-Bund, in der SPD, der AWO sowie bei den freien Gewerkschaften, aus dem Dienst entlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich das Ehepaar Wöhrmann bei der Neuorganisation der SPD und wurde in der AWO wieder aktiv. Von 1946 bis 1949 gehörte Grete Wöhrmann als Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft an.

    Anna Cunigunde Wohlwill

    Schöpferin der Schule des Paulsenstiftes

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    20.6.1841
    Seesen

    30.12.1919
    Hamburg
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    „Der Schöpferin der Schule des Paulsenstiftes" steht auf ihrem Grabstein. Länger als ein halbes Jahrhundert war Anna Wohlwill Lehrerin und viereinhalb Jahrzehnte leitete sie die Schule des Paulsenstiftes. Anna Wohlwill wurde am 20. Juni 1841 als viertes von fünf Kindern geboren. Ihre Mutter war eine geborene Warburg, ihr Vater Dr. Emanuel Wohlwill. Er war in Hamburg als Lehrer an der Stiftungsschule einer jüdischen Stiftung, die für Jungen aller Konfessionen gegründet worden war, tätig gewesen. Später wurde er Direktor der Jacobsen-Schule in Seesen im Harz. Er starb, als Anna Wohlwill sechs Jahre alt war. Die Mutter zog mit ihren Kindern nach Hamburg zurück und wohnte mit ihnen an der Alsterchaussee. Anna Wohlwill besuchte zunächst die Privatschule von Herrn Kröger. Dann erhielt sie zusammen mit einigen anderen Altersgenossinnen zwei Jahre Unterricht in Geschichte, Deutsch und Literatur bei Dr. Anton Rée, dem Leiter der Stiftungsschule von 1815, und in Mathematik und Naturwissenschaften bei Otto Jessen, dem Gründer des Gewerbeschulwesens. Außerdem wurde sie auch von ihren Brüdern Emil und Adolf Wohlwill unterrichtet. Anna Wohlwill wollte viel lernen. Einer ihrer Leitsprüche lautete: „Wer nicht mehr selbst lernt, der lehrt nicht gut und hört auf, zu erziehen." Da es zu ihrer Zeit in Hamburg noch keine Bildungsanstalten für Lehrerinnen gab, hospitierte sie regelmäßig in der Stiftungsschule von 1815 und unterrichtete gleichzeitig, ohne jemals eine Prüfung abgelegt zu haben, seit ihrem 15. Lebensjahr die Kinder in der Schule des Paulsenstifts (siehe dazu historischer Grabstein Hanna Glinzer). Es waren die Kinder der Armen, für die es damals noch keine staatlichen Schulen gab. Weil es für diese noch keine staatliche Schule gab, hatten Johanna Goldschmidt und Amalie Westendarp, die beiden Mitglieder des 1849 gegründeten Frauen-Vereins zur Unterstützung der Armenpflege, eine Armenschule gegründet, „(...) deren Elementarunterricht keine religiöse Unterweisung vorsah. Daran nahm die Regierung Anstoß und verbot vorübergehend die Schule, bis sie 1856 neu eröffnet werden und 1866 als offiziell anerkannte Mädchenschule in das neu gebaute Paulsenstift einziehen konnte.“ (Ursula Randt: Johanna Goldschmidt, in: Hamburgische Biografie, Personenlexikon. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke. Bd. 1. Hamburg 2000.) Anna Wohlwill war erst 25 Jahre alt, als ihr am 3. November 1866 die Leitung der Schule des Paulsenstiftes anvertraut wurde, die zu diesem Zeitpunkt schon keine reine Armenschule mehr war - das macht auch die breite Palette an Unterrichtsfächern deutlich. Naturwissenschaftlicher Anschauungsunterricht und Englisch kamen hinzu, 1867 Gymnastikunterricht, 1868 Pflichtenlehre, 1869 Maschinennähen und 1870 Französisch. 1866 und 1867 waren die Lehrerinnenbücherei, die Zeitschriftensammlung und die Schülerinnenbücherei angelegt worden. Mit diesem reichen Angebot überbot die Schule des Paulsenstiftes bei weitem das der siebenstufigen Mädchenvolksschulen, die der Staat 1871 errichtete. Die Resonanz auf die Schule des Paulsenstiftes war groß. 1880 hatte die Schule bereits acht Klassen mit 369 Kindern und erfüllte die Anforderungen der damaligen neunjährigen höheren Mädchenschule. 1881 trug die Oberschulbehörde dem Rechnung und nahm die Schule in die Sektion für höhere Schulen auf. Die endgültige Anerkennung als höhere Mädchenschule erhielt die Schule 1893, als sie aus Platzmangel in die Bülowstr. 20 auf ein staatliches Grundstück gezogen war. Mit der Anerkennung als höhere Mädchenschule wurde die Schule des Paulsenstiftes „halböffentlich" - und diente als Ersatz für eine fehlende staatliche höhere Mädchenschule. Ostern 1894 war die Schule bereits eine neunstufige Anstalt mit 562 Schülerinnen in vierzehn Klassen; zwei Jahre später, 1896, hatte sie in siebzehn Klassen 760 Schülerinnen, und 1908 konnte das zehnte Schuljahr „eingeweiht werden". Damit auch begabte Kinder aus ärmeren Familien diese Schule besuchen konnten, wurde eine Freistellenstiftung gegründet, die 1906 anlässlich des 40. Dienstjubiläums von Anna Wohlwill den Namen Anna-Wohlwill-Stiftung erhielt. Sie vergab 20 ganze und 50 halbe Freistellen, die aus Geschenken und Legaten von Freunden und Freundinnen der Schule finanziert wurden. Auf gutes Benehmen ihrer Schülerinnen legte Anna Wohlwill sehr großen Wert. Die Klassenlehrerin wurde mit Handschlag und Knicks begrüßt. War der Unterricht beendet, führte die Lehrerin die Klasse geordnet zum Ausgang und gab jeder zum Abschied die Hand, wobei darauf geachtet wurde, dass die jungen Mädchen „ordentlich" aussahen. Strafarbeiten gab es nicht. Jede Arbeit wurde nachgesehen und verbessert, trotz der 50 Kinder in jeder Klasse. Die Schülerinnen lernten für Bedürftige zu sorgen und an andere zu denken. Großer Wert wurde darauf gelegt, den Eltern der Schülerinnen die Erziehungsmethoden der Schule nahezubringen. Dies geschah zum Schluss eines jeden Halbjahrs während einer Schulfeier. Auch der Gesundheitszustand der Schülerinnen lag der Schule am Herzen. Zwischen 1866 und 1899 gab es den Fußzeugverein, der Kindern, die nur schlechtes Schuhzeug besaßen, mit Schuhen aushalf. Schülerinnen, die zu Hause nicht genügend zu essen bekamen, versorgte die 1868 gegründete Suppenanstalt. Und Schülerinnen, die arm und von schlechter Gesundheit waren, wurden zur Ferienerholung aufs Land geschickt. Deshalb wurde 1882 die Ferienstiftung der Schule des Paulsenstiftes gegründet, und 47 Schülerinnen fuhren nach vorheriger ärztlicher Untersuchung zur Erholung aufs Land. Da nicht jede Unterkunft bei einem Bauern den Vorstellungen der Schule entsprach, trug sich die Schule mit den Vorstellungen, ein eigenes Heim zu gründen. Am 7. Juni 1896 konnte dieser Plan realisiert werden, denn Frau Laura Beit hatte dem Paulsenstift ein Ferienerholungsheim am Timmendorfer Strand gestiftet. Es wurde Olgaheim genannt, nach der verstorbenen Tochter der Stifterin. Als Anna Wohlwill 1906 ihr 50jähriges Lehrerinnenjubiläum beging, verlieh ihr der Senat als erster Frau eine goldene Denkmünze. Am 1.4.1911 wurde Anna Wohlwill pensioniert und übergab die Leitung der Schule an Hanna Glinzer (historischer Grabstein im Garten der Frauen). In einer Laudatio hieß es: „Das Beste aber musste sie tun; und sie hat mit Treue und Freudigkeit 45 Jahre hindurch täglich ihre Pflicht erfüllt; mit Strenge gegen sich und, wo es nötig war, auch gegen andere, mit gütiger, in der Stille wirkender Liebe, mit klugem, klarem Verstande, der das Durchführbare sicher erfasste und es mit festem Willen auch durchführte. Keine Arbeit erschien ihr zu gering, wenn sie nur dem Zwecke des Ganzen diente, keine zu schwer und zu weit ausgreifend, wenn sie die Anstalt zu fördern berufen war. Hervorzutreten liebte sie nicht, sie hat die Öffentlichkeit so wenig wie irgend möglich beschäftigt; außerhalb ihrer Schule vermied sie auch, das Wort zu ergreifen, es sei denn, dass dies zum Besten des Ganzen nötig schien. Die große Einfachheit ihres Auftretens lässt es fast als eine Indiskretion erscheinen, an dieser Stelle über sie zu sprechen." Obwohl Anna Wohlwill erblindete, blieb sie im Schulvorstand und erteilte weiterhin Unterricht in sozialer Hilfstätigkeit. Außerdem förderte sie die Waldschulidee und richtete mit ihrer Freundin Selly Agnes Wolffson in der ersten Woche nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Kriegsküche im Keller des Schulhauses ein. Anna Wohlwill, die in der Binderstraße 18 wohnte, musste sich im Alter zwei Staroperationen unterziehen und erlitt außerdem noch einen Oberschenkelhalsbruch. Nach ihrem Tode wurde die an der Lehrerbildungsanstalt entlangführende Straße nach ihr benannt. Die nationalsozialistische Regierung benannte die Straße um und zog die Anna Wohlwill Medaille ein. Nach der Nazizeit, im Jahre 1948, wurde im Hamburger Stadtteil St. Pauli erneut eine Straße nach Anna Wohlwill benannt: die Wohlwillstraße. Text: Rita Bake Zitate: vgl.: Inge Grolle: Die Schule des Paulsen-Stifts - ein Denkmal für Charlotte Paulsen - ein Erbe der Frauenbewegung. In: Charlotte Paulsen Gymnasium, Hamburg Wandsbek, 125 Jahre Schule des Paulsen-Stifts, 75 Jahre Lyzeum Wandsbek. Hamburg 1991.  

    Hilde Wulff

    Jugendwohlfahrtspflegerin

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    7.1.1898
    Dortmund

    23.7.1972
    Hamburg
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    Hildegard Wulff zählt zu jenen Hamburger Persönlichkeiten, die Bereiche des öffentlichen Lebens maßgeblich beeinflusst und die Geschichte der Stadt entscheidend mitgeprägt haben. Trotz ihres beruflichen Engagements für behinderte Kinder und ihrer entschiedenen Ablehnung des NS-Regimes ist sie in der Öffentlichkeit jedoch nur einem kleineren Kreis bekannt. Geboren wurde sie als Tochter eines begüterten Kaufmanns in Dortmund. Im Alter von zwei Jahren erkrankte Hildegard Wulff, die mit ihren Eltern und den zwei Schwestern nun in Düsseldorf wohnte, an Kinderlähmung, von der sie eine lebenslange Behinderung zurückbehielt. 1920 begann sie eine Ausbildung zur Heilpädagogin. Nach Abschluss der Ausbildung übernahm sie eine leitende Funktion in der von ihr und ihrem Vater ins Leben gerufenen Stiftung „Glückauf für Kinderfürsorge Düsseldorf“. Neben dieser Aufgabe wurde sie 1923 Mitglied im „Selbsthilfebund der Körperbehinderten“ in Düsseldorf und Berlin. Hildegard Wulff setzte sich stark für die Autonomie Behinderter ein. Außerdem belegte sie in dieser Zeit Vorlesungen in Psychologie und Pädagogik an den Universitäten Frankfurt a. M. und Hamburg. Hildegard Wulff setzte sich in den 1920er Jahren zunächst in Düsseldorf und später in Berlin insbesondere für eine ordentliche Schulbildung körperbehinderter Kinder und für die gemeinsame Erziehung behinderter und so genannter gesunder Kinder ein. 1931 gründete sie die Krüppelhilfe und Wohlfahrt GmbH in Düsseldorf, die sie aus der Erbschaft ihres Vaters finanzierte. Hildegard Wulff war die alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin dieser Einrichtung, deren Ziel es war, „unentgeltliche Hilfe für Krüppel“ zu leisten. Von 1933 bis 1935 führte Hildegard Wulff ein Heim für körperbehinderte und sozial benachteiligte Kinder in Berlin. Charlottenburg. Dieses Heim bot Platz für zehn behinderte, erholungsbedürftige und sozial auffällige Kinder. Nachdem 1935 der Mietvertrag für das Heim ausgelaufen war, zog sie mit diesen Kindern in die Klöppersche Villa nach Hamburg Volksdorf. Dieses Haus hatte sie bereits 1931 erworben, nachdem sie in Düsseldorf für ihre Krüppelhilfe und Wohlfahrt GmbH keine Baugenehmigung für einen Neubau erhalten hatte. Doch sie hatte das Haus wegen finanzieller Probleme zunächst noch nicht genutzt und es unentgeltlich der Hamburger Wohlfahrtsbehörde für die Kinder- und Jugendfürsorge überlassen. Nun aber, im Oktober 1935 bezog sie mit ihren Kindern die Villa in Volksdorf, der sie den Namen „Im Erlenbusch“ gab, wegen der die Villa umgebenden Landschaft. Noch im selben Jahr erhielt Hildegard Wulff die staatliche Anerkennung als privat geführtes Kinderheim für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. 1937 gründete Hildegard Wulff, in deren Heim rund 25 sowohl körperbehinderte als psychisch kranke sowie schwer erziehbare Kinder lebten, eine Heimschule und stellte dazu eine staatlich finanzierte Lehrerin ein. Gemeinsam mit ihrer in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Freundin und Vertrauten Hermine Albers (1884-1955), die in der Hamburger Jugendhilfe arbeitete, leistete Hildegard Wulff Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Ihr Heim wurde Zufluchtsort für Kinder kommunistischer inhaftierter Eltern. Auch half Hildegard Wulff vielen jüdischen Emigrantinnen und Emigranten und kommunistischen Widerstandskämpfern. 1941 konnte sie durch hartnäckiges Verhandeln mit den Hamburger Behörden verhindern,, dass ihr Heim 1941 beschlagnahmt wurde. 1945, nach dem Ende des NS-Regimes übergab Hildegard Wulff die Schule an die Schulbehörde. Ihr Volksdorfer Heim führte sie noch bis 1964 selbst und übergab es dann der Martha Stiftung, die ihre Lebensarbeit seitdem weiterführt. Seit 2014 gibt es in jenfeld den Hilde-Wulff-Weg. Dr. Rita Bake Quelle: Petra Fuchs: Hilde Wulff (1898-1972). Leben im Paradies der Geradheit. Münster 2003.      

    Grete Marie Zabe

    (geb. Tischkowski)

    Vorsitzende des Frauenaktionsausschusses der SPD, Mitglied (SPD) der Hamburgischen Bürgerschaft

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    18.3.1877
    Danzig

    1.12.1963
    Hamburg
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    Grete war fünf Jahre alt, als ihre Eltern, der Vater ein Schiffszimmergeselle, die Mutter ein Dienstmädchen, verstarben. Sie kam in ein Waisenhaus, später zu Pflegeeltern. Sie besuchte die Volksschule, wurde Dienstmädchen, später Arbeiterin in einer Zigarrenfabrik. Im Alter von 20 Jahren heiratete sie einen Malergehilfen. Ein Jahr später wurde das erste Kind, drei Jahre darauf das zweite und nach weiteren vier Jahren das dritte Kind geboren. Da das Gehalt ihres Mannes nicht für den Lebensunterhalt der Familie ausreichte, übernahm Grete Zabe zwischenzeitlich Aushilfsarbeiten. Nachdem die Familie 1906/07 nach Hamburg gezogen war, wurde Grete Zabe auf Anregung ihres Mannes, einem aktiven Sozialdemokraten und Gewerkschafter, Mitglied der SPD. Grete Zabe, die großes Redetalent besaß, machte Parteikarriere: 1913 wurde sie in den SPD-Distriktvorstand Hamburg-Uhlenhorst gewählt und leitete während des Ersten Weltkrieges die Kriegsküche dieses Stadtteils. Von 1919 bis 1933 war sie Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und im Ausschuss für Wohnungsfragen sowie in der Oberschulbehörde als einzige Frau in der Deputation für das Gefängniswesen tätig. Dort machte sie sich für eine Reform des Strafvollzuges stark. Zwischen 1922 und 1933 war sie Mitglied des SPD-Landesvorstandes und des SPD-Frauenaktionsausschusses. Im Letzeren hatte sie von 1922 bis 1927 den Vorsitz. Die zentralen Forderungen der SPD und des Frauenaktionsausschusses waren damals u. a.: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Verbesserung des Arbeits- und Mutterschutzes für erwerbstätige Frauen, gleiches Recht auf Erwerbstätigkeit für Mann und Frau und die Reform des Schwangerschaftsparagraphen 218. 1933 und 1944 wurde Grete Zabe von der Gestapo mehrere Tage inhaftiert. Nach 1945 war Grete Zabe wieder für die SPD und die Arbeiterwohlfahrt aktiv.