Rede zur 15. Geburtstagsfeier des Gartens der Frauen im Jahr 2016 mit Einweihung der Erinnerungsskulptur, der Installation zu Lola Rogge und der Märchenbank


Liebe Geburtstagsgäste, seien Sie herzlich begrüßt zum 15. Geburtstag des Gartens der Frauen. Zum Auftakt spielten die Saxophonistinnen Berthild Lievenbrück und Natascha Protze. Sie werden uns in der nächsten Stunde mit noch weiteren musikalischen Stücken eine Freude machen.
Einzeln begrüßen möchte ich Krista Sager, die vor 15 Jahren zur Eröffnung des Gartens der Frauen als damals amtierende zweite Bürgermeisterin von Hamburg ein Grußwort hielt und die das Vorhaben Garten der Frauen von Anfang an unterstützend begleitet hat. Sie ist auch Mitglied des Vereins Garten der Frauen geworden. Ebenso begrüßen möchte ich den heutigen amtierenden Staatsrat der Umweltbehörde Herrn Michael Pollmann. Auch er war damals, als der Garten der Frauen eröffnet wurde, in dieser Funktion und hatte finanziell zum Gelingen des Gartens der Frauen beigetragen. Begrüßen möchte ich auch den neuen Chef der Hamburger Friedhöfe Herrn Carsten Helberg und ebenso die Bildhauerin Doris Waschk-Balz, die die Skulptur geschaffen hat, die wir gleich einweihen werden.
Begonnen hatte das Projekt „Garten der Frauen“ hier auf einer bloßen Rasenfläche von 500 qm. Zuerst wurden drei Gemeinschaftsgrabstellen für 6 Sarg- und 96 Urnenbestattungen angelegt. Hinzu kamen 16 historische Grabsteine bedeutender Frauen.
Heute, 15 Jahre später, hat der Garten der Frauen eine Gesamtfläche von 1600 qm. Auf ihr befinden sich 10 Gemeinschaftsgrabflächen für 426 Grabplätze. Mit dem Erwerb ihrer Grabstätte im Garten der Frauen und der hierfür notwendigen Mitgliedschaft im Verein Garten der Frauen e.V. treten Frauen, die sich hier bestatten lassen wollen, als Mäzeninnen zum Erhalt der historischen Grabsteine und der Gesamtanlage des Gartens der Frauen auf.
Im Garten der Frauen stehen heute nicht mehr nur wie bei der Eröffnung des Gartens vor 15 Jahren 16 historische Grabsteine von bedeutenden Frauen, sondern 59. Und auf der Erinnerungsspirale gedenken wir 45 Frauen. Der Verein selbst begann mit 87 Mitgliedern und hat heute tagesaktuell 359 Mitglieder.
Aber damit sind wir noch lange nicht am Ende. Durch das Konzept von einem Ort für Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof, der sowohl einen musealen als auch einen Bereich für Beisetzungen hat, wird Frauengeschichte kontinuierlich fortgeschrieben. So werden z. B. in den nächsten Monaten weitere historische Grabsteine in den Garten der Frauen verlegt werden. Merken Sie sich schon mal den Freitag, 7. Oktober 16 Uhr vor. Dann werden anlässlich des 70. Jahrestages der ersten frei gewählten Bürgerschaft nach der Befreiung vom Nationalsozialismus im Beisein der Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit zwei historische Grabsteine von Bürgerschaftsabgeordneten dieser ersten Stunde – Annie Kienast und Hilge Nordmeier – eingeweiht werden.
ABER zurück zu unserem 15. Geburtstag. Damals, als wir begannen, erfuhr der Verein Garten der Frauen Unterstützung durch die Hamburgische Bürgerschaft. Die damaligen Bürgerschaftsfraktionen von GAL und SPD stellten den gemeinsamen Antrag an den Senat, die gärtnerische Anlage des musealen Teils des Gartens der Frauen mit 50.000 DM zu bezuschussen. Die Bürgerschaft stimmte diesem Antrag einstimmig zu – also auch mit den Stimmen der sich damals in der Opposition befindenden CDU-Bürgerschaftsfraktion  – und die Umweltbehörde übernahm die beantragten Kosten. Die Kulturbehörde unter der damaligen Senatorinnenschaft von Christina Weiss – auch sie wurde Mitglied im Garten der Frauen – übernahm Kosten in Höhe von 19.500 DM für das Aufstellen und Fundamentieren von historischen Grabsteinen im Garten der Frauen und für die Aluminiumtafeln mit den Kurzbiographien der bedeutenden Frauen. Die Stiftung Denkmalpflege gab 20.000 DM für die Restaurierung und den Transport weiterer historischer Grabsteine in den Garten der Frauen und die Hamburger Wasserwerke bezuschussten den Brunnen.
Weitere finanzielle staatliche Unterstützung haben wir bis heute nicht benötigt. Durch die Möglichkeit, sich als weibliches Mitglied des Vereins Garten der Frauen zu Lebzeiten sein letztes Plätzchen im Garten der Frauen zu erwerben und durch Mitgliedsbeiträge und Spenden können wir es finanziell wuppen, neue historische Grabsteine, Gedenksteine und Erinnerungstafeln im Garten der Frauen aufzustellen und den Garten gärtnerisch anzulegen und zu pflegen. Dahinter steckt viel reines ehrenamtliches Engagement, geleistet von Mitgliedern des Vereins Garten der Frauen, die zum Beispiel unermüdlich Unkraut zupfen, pflanzen, wässern – und was noch alles sonst in einem Garten zu tun ist. Ingke Litzow und ihrer Gartengruppe ein großes Dankeschön. Unterstützt werden wir dabei auch von Frau Gärtnermeisterin Petra Bamberg von Ohlsdorfer Friedhof und ihrem Gärtnerteam, auch Ihnen allen: Danke.
Das Gedenken an für uns wichtige Frauen erfolgt nicht nur über das Aufstellen historischer Grabsteine bedeutender Frauen oder über die Erinnerungsspirale. Auch im historischen Wasserturm an der Cordesallee, in der Nähe zum Garten der Frauen wird durch jährliche Ausstellungen an Frauen erinnert, die ihren historischen Grabstein oder Gedenkstein im Garten der Frauen haben. Auch hierbei sind Vereinsmitglieder ehrenamtlich tätig, um an den sonntäglichen Öffnungszeiten die Tafel der besonderen Art zu betreiben und die Ausstellung vorzubereiten. Auch an Bärbel Scheidat und ihrem Team ein großer Dank.
Ich gebe nun das Wort an Krista Sager. Damals vor 15 Jahren war sie Zweite Bürgermeisterin von Hamburg und Senatorin für Gleichstellung sowie Senatorin für Wissenschaft und Forschung, später wurde sie Mitglied des Deutschen Bundestages und wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion.
Bitte Krista

Nun gebe ich das Wort an den Staatsrat für Umwelt und Energie der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburger Friedhöfe Michael Pollmann. Als der Garten der Frauen gegründet wurde, war Michael Pollmann in derselben Funktion tätig gewesen. Nach dem Regierungswechsel zur CDU/FDP und Partei Rechtsstaatlicher Offensive wurde Michael Pollmann für den Deutschen Entwicklungsdienst in Peru im Umweltbereich tätig und beriet später im Auftrag der GTZ das peruanische Umweltministerium in Lima. Seit letztem Jahr mit dem Beginn der Koalition zwischen SPD und Grünen ist er wieder Staatsrat für Umwelt und Energie der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt.
Bitte Herr Pollmann
Musik
Enthüllung der Skulptur
Wir weihen heute drei neue Objekte im Garten der Frauen ein. Beginnen wollen wir mit einer Skulptur, die die Bildhauerin Doris Waschk-Balz geschaffen hat. Sie ist anwesend und ich möchte sie Ihnen vorstellen. Doris Waschk-Balz hat an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart, bei Ulrich Günther (Keramik) und Rudolf Daudert (Bildhauerei) studiert, sowie ihr Bildhauerinnenstudium an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg, bei Gustav Seitz fortgeführt. In Hamburg arbeitet sie seitdem freischaffend in einem Atelier in Hamburg-Altona. In Hamburg stehen im öffentlichen Raum viele Skulpturen von Doris Waschk-Balz. Ich möchte nur einige nennen: Die Figurengruppe „Tanzende Mädchen“ in Hamburg Wilhelmsburg; eine Reliefsäule im Schulzentrum Bergedorf-Lohbrügge; der Großneumarktbrunnen, die Figurengruppe „Ottenser Torbogen“ in Hamburg-Altona; das Mahnmal vor der ehemaligen Synagoge, eine Figurengruppe am Altenheim Hamburg-Farmsen und 24 Skulpturen in Einzel- und Gruppenaufstellung in Hamburg-Langenhorn.
Für den Garten der Frauen hat Doris Waschk-Balz eine Terrakotta-Skulptur geschaffen, die hier im Pavillon steht. Mit diesem Kunstwerk möchte der Verein Garten der Frauen an Frauen erinnern, die auf dem Ohlsdorfer und auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf an der Ilandkoppel bestattet wurden bzw. an die museal auf dem Friedhof Ohlsdorf erinnert wird, deren Grabsteine aber nicht in den Garten der Frauen verlegt werden, da diese aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeräumt werden. Deshalb braucht der Verein Garten der Frauen auch nicht tätig zu werden, um diese Grabsteine vor dem Zerschreddern zu retten. Dennoch möchte der Verein Garten der Frauen an diese Frauen erinnern, denn nach wie vor geraten Frauen, die Hamburgs Geschichte mitgeprägt haben, wesentlich häufiger in Vergessenheit, als bedeutende männliche Persönlichkeiten, deren Verdienste oft weitaus mehr gewürdigt werden und deren Andenken damit bewahrt wird.
Wir schreiten jetzt zur
ENTHÜLLUNG: 1
In dem Steinsockel sind zwei Tafeln eingelassen, die Sie aufziehen können. Auf diesen Tafeln sind die Namen der Frauen aufgelistet, an die wir mit der Skulptur erinnern. Ebenso sind die Standorte ihrer Gräber aufgeführt.
Die Lebenswege dieser Frauen können Sie in einer Broschüre nachlesen, die druckfrisch ab heute erhältlich ist.
Nach einem nun folgenden Musikstück kommen wir zur zweiten Enthüllung des Tages.
MUSIK

ENTHÜLLUNG: 2
Nun kommen wir zur Enthüllung einer Installation für Lola Rogge. Vor 25 Jahren wurde die Tanzpädagogin, Tänzerin und Choreographin Lola Rogge hier auf dieser Rasenfläche bestattet. Nun ist die gesetzliche Ruhezeit von   25 Jahren abgelaufen. Deshalb haben wird die Grabstelle durch Versetzen der Hecke in den Bereich des Gartens der Frauen aufgenommen. Da Lola Rogge nie einen Grabstein hatte – schließlich ist es ja auch nicht Verpflichtung einen Grabstein zu haben – haben wir uns auch nicht befugt gesehen, ihr jetzt einen Grabstein zu schaffen. Für Lola Rogge haben wir uns eine kleine Installation ausgedacht. Eines ihrer wichtigsten Choreographien war nach der Befreiung vom Nationalsozialismus das Werk ‚Vita Nostra’. Die Uraufführung des auf alttestamentarischen Psalmen basierenden Werkes am 15. Mai 1950 erregte große Begeisterung. Der renommierte Ballettkritiker Christian E. Lewalter wertete das Werk, das die durchlebten Schrecken des Krieges zum Ausdruck brachte, in der „DIE ZEIT“ als einzigartiges Werk; der Tanzpublizist Kurt Peters bezeichnete die Choreographie als die bedeutendste der Nachkriegszeit.
Wir präsentieren Ihnen ein Szenenbild dieser Tanzchoreographie, in der auch der Tod auftritt, direkt am Grabplatz von Lola Rogge.
Das Photo, das diese Tanzszene zeigt, wurde auf Porzellan übertragen, damit es haltbar bleibt und in einem Kasten platziert, der in die Rasenfläche eingelassen ist.

Enthüllung
Bevor wir zur dritten Enthüllung schreiten, hören Sie zwei Musikstücke von Berthild Levenbrück und Natasche Protze. Die beiden werden jetzt zum dritten Standort gehen, wo die Märchenbank eingeweiht wird. Folgen Sie bitte den beiden Musikerinnen. 


ENTHÜLLUNG: 3
Nun kommen wir zum dritten und letzten Akt. Wir weihen eine Märchenbank ein. Wie so oft in Märchengeschichten: manches entwickelt sich erst allmählich, begibt sich dann in andere Sphären und wird immer verwunschener. So auch diese Bank. Sie wird erst im Laufe der nächsten Jahre ihre Vollendung erreichen, dann, wenn Efeu, der sinnbildlich für das Ewige steht, die Bank mit seinen Blättern umrankt hat – so wie im Märchen so manches Märchenschloss. Erst dann wird ein verwunschener Sitzplatz für zwei entstanden sein.
Auf dieser Bank sitzend, auf der übrigens der Spruch des Dadaisten Kurt Schwitters „ewig währt am längsten“ verewigt ist, können Sie in einem wetterfesten Buch, das in der mit Gold ausgemalten Nische in der als Rückenlehne dienenden Steinmauer liegt, Märchen, Gedichte und Erzählungen über Leben und Tod nachlesen.
Die Erinnerung an die verstorbenen Frauen ist der wesentliche Aspekt des Gartens der Frauen und zeigt sich in vielen Elementen im Garten der Frauen. Sitzen wir auf dieser Bank, blicken wir auf die Erinnerungsspirale, auf historische Grabsteine und auf die bisher noch leeren blauen Glastafeln auf dem Patenschaftsstein, auf denen in zehn Jahren die ersten Namen der im Garten der Frauen bestatteten Frauen verewigt werden, wenn die Nutzungsdauer ihrer Grabstellen in den Gemeinschaftsgrabstellen im Garten der Frauen nach 25 Jahren Ruhezeit abgelaufen ist. Mit all diesen Steinen und den Tafeln, auf denen die Viten der Verstorbenen nachzulesen sind, erinnern wir uns an diese Frauen. Mit der Märchenbank gehen wir einen Schritt weiter und ergänzen den Akt des Erinnerns um den Akt der Auseinandersetzung, des Beschäftigens mit der eigenen Vergänglichkeit, dem eigenen Tod und dem Stellenwert des eigenen Lebens. So heißt es bei dem jüdischen Lehrer Jesus Sirach im Buch Jesus Sirach des Alten Testaments:
„Was ist der Mensch?
Wozu ist er zu gebrauchen?
Was ist gut an ihm, was schlecht?
Wenn er sehr alt wird,
dann nicht mehr als hundert Jahre.
Was ist das, verglichen mit der Ewigkeit?
Ein Wassertropfen im Meer,
ein Sandkörnchen am Strand.“

Dass das Leben nie einen geraden Weg geht, glatt ohne Kanten und Ecken verläuft, wissen wir alle. Und auch die Erinnerung weist manchmal Lücken auf, verspinnt sich in Details, wirkt verschroben, kantig, gebrochen so wie diese Steinbank auch.

Seit einiger Zeit ist Ohlsdorf 2050 in aller Munde. Im Rahmen dieser Neubewertung und neuen Nutzung des Friedhofes Ohlsdorf bekommt der Friedhof als außerschulischer Lernort eine größere Bedeutung. Auch diese Märchenbank aus Stein ist ein außerschulischer Lernort auf dem Friedhof Ohlsdorf. Diese Bank hat Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Margaretha Rothe Gymnasium mit ihrem Lehrer Gerhard Brockmann dazu inspiriert, sich mit dem Thema Stereotypen von Mädchen- und Frauenfiguren im Märchen zu beschäftigen und dies in den Kontext der Bedeutung des Gartens der Frauen zu stellen.

Zum Schluss möchte ich noch auf eine Neuerung hinweisen. Seit einer Stunde finden Sie auf der Website des Gartens der Frauen eine Hamburg Stadtkarte, in der die Wohnorte von Frauen eingezeichnet sind, an die wir hier im Garten der Frauen erinnern. Unser Mitglied Beate Görig hat diese Karte soeben auf unserer Website gestellt. Damit erinnern wir nun nicht nur im Garten der Frauen an diese Frauen, sondern geben ihnen auch im Stadtbild einen ewigen Platz.