Friedhof Groß Flottbek

Jede Frau erzählt ihre eigene Geschichte – entdecken Sie ihr Vermächtnis.

Friedhof Groß Flottbek

    Liselotte Lenz

    geb. Lindau

    Malerin und Zeichnerin

    Ornament Image
    4.8.1918
    Hamburg
    -
    5.2.2006
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage: Quartier AA, Reihe 15, Nummer 4, Gemeinschaftsgrab der Eheleute Siegfried und Liselotte Lenz, Nutzungsrecht bis: 27.10.2039

    Ihre erste Begegnung umrankt eine paradiesische Legende: "Lilo", wie Liselotte Lenz von ihrem Mann und den Freunden genannt wurde, war für ihn nicht nur die Lebensgefährtin. Sie war zugleich seine unentbehrliche Ratgeberin und, im unmittelbaren Wortsinn, seine erste Leserin, denn sie diskutierte die Manuskripte mit ihm, und sie tippte seine mit der Hand geschriebenen Texte, "und zwar in eine Schreibmaschine, die aus den Beständen der untergegangenen deutschen Kriegsmarine stammte"
    1). "Das tat sie, die Hamburgerin
    und Malerin, schon in den ersten Nachkriegsjahren als Redaktionssekretärin bei der WELT. Damals, 1948, begegnete ihr ein junger Volontär mit Namen Siegfried Lenz, dem es zeitbedingt nicht gut ging. Er hatte den Krieg als blutjunger Marinesoldat nur knapp überlebt, er hatte im Katastrophenwinter 1946/47 ein Gastspiel beim Nordwestdeutschen Rundfunk gegeben, und nun wollte er eine ordentliche journalistische Ausbildung in dieser Zeitung absolvieren. Aber, wie gesagt, es ging ihm nicht gut, und so fiel der Volontär Lenz eines Tages um. Die Redaktionssekretärin Lilo sorgte dafür, dass er auf eine Liege gebracht wurde, und gab ihm einen Apfel. So begann diese Partnerschaft, aus der im Jahr darauf eine Ehe wurde, die länger als ein halbes Jahrhundert gehalten hat"
    2). In anderen Versionen sei Siegfried Lenz seiner Muse zuerst begegnet, habe dann sein Studium abgebrochen und sich bei der WELT um ein Volontariat bemüht. Sie schrieb alle Manuskripte und Korrekturen ihres Mannes, des Nobelpreisträgers Siegfried Lenz, auf der manuellen Schreibmaschine eigenhändig ab: "Das - wie gewöhnlich und bis zum Schluss - handschriftliche Manuskript wird von Lilo Lenz mit mehreren Durchschlägen getippt"
    3). Sie führte auch große Teile seiner (offiziellen) Korrespondenz. Somit liegt der unschätzbare Ertrag ihres Lebenswerkes, die Roman-Typoskripte - neben den von ihrem Gatten säuberlich und Papier-ökonomisch von Hand geschriebenen Heften als Vorlage - heute im Deutschen Literaturarchiv Marbach (Bericht unter LINK: zeit.de/2017/21/siegfried-lenz-literaturarchiv-marbach: "Er benutzte liniertes Papier, das er ausfüllte, ohne auch nur den kleinsten Rand zu lassen"). So bescheiden das Ehepaar lebte, so ist nur spärlich Verstreutes zu finden von den Spuren der Frau, die 56 Ehejahre an der Seite von Siegfried Lenz gewiss auch mitverantwortlich war für seinen Erfolg, schriftstellerisch wie als Managerin. Über ihr Leben vor der Begegnung mit ihrem Gatten erfahren wir: "Liselotte Lenz hätte gern eine Kunstschule besucht, doch die Verhältnisse erlaubten es nicht, und so begann sie auf Geheiß des Vaters, der in Hamburg mit Tabakwaren handelte, eine kaufmännische Ausbildung. Nebenher hat sie stets gezeichnet und gemalt (...) und während Siegfried Lenz über die unauffälligen Dinge der Welt schrieb, hielt seine Frau mit dem Zeichenstift fest, was sie mit gesenktem Blick an Unscheinbarem am Strand und am Waldboden entdeckte: Vertrocknete Blätter, eine zerbrochene Flasche, Reste einer Fahrradkette, einen toten Vogel"
    4). Und was die künstlerische Symbiose von "Philemon und Baucis" anbetrifft: Die Geschichte der von Liselotte Lenz gemalten Fundstücke, etwa die Reste einer Reuse, sind beispielsweise in den Roman "Arnes Nachlass" (1999) eingeflossen. Charakteristisches über ihre Mentalität skizzierte eine Art sentimentaler Nachruf, in dem Dr. Reinhard Tschapke, Leiter der Kulturredaktion der Nordwestzeitung, unter dem harmlosen Titel "Kaffeeklatsch mit Siegfried Lenz" seine Begegnung mit dem Künstler-Ehepaar nachvollzog. Dort taucht auch das Motiv "Apfel" wieder auf. Die Episode erinnert an Lenz" berühmte Schilderung der "Jütländischen Kaffeetafel". Redakteur Reinhard Tschapke war im Begriff, "seinen alten Bekannten Siegfried Lenz in Hamburg nur zu einer Lesung nach Oldenburg" abzuholen: ""Wir müssen noch Kaffee trinken!" Lenz winkte mit der Pfeife ins Wohnzimmer. Seine Frau (...) lächelte herzlich. Widerspruch war zwecklos. Wenn einer der größten Dichter einlädt, einer, der in seinen Romanen und Erzählungen immer ein Herz für die Zarten, Freundlichen hatte, lehnt man nicht ab. Der Tisch bog sich unter gekauften Tortenstücken der größten Art. Eingeschenkt wurde dem Besucher, einem passionierten Teetrinker, der schwärzeste Kaffee, den es je gab. Lenz und Frau qualmten ohne Unterlass. Schmeckt"s? Beide lächelten (...) Schwarzer Kaffee wurde in riesige Tassen nachgeschenkt. Wir waren extra beim Bäcker, sagte Liselotte Lenz, die eine wunderbare Zeichnerin und Künstlerin war und sich selbst in den Schatten immer zugunsten ihres Mannes zurücknahm. Es gibt einen Band, der Zeichnungen von ihr sammelt, und zu dem Lenz einen wunderbaren Text geschrieben hat.
    Aber dieses Wissen half jetzt nicht im wunderschönen Altbau der Familie Lenz in Hamburg. Ein zweites Teil war fällig. Kuchen ohne Ende. Es versteht sich fast von selbst, dass Herr und Frau Lenz keinen Kuchen nahmen. Wir haben schon gegessen. Der ist extra für Sie gekauft! Wir haben extra für Sie Kuchen gekauft, betonte Frau Lenz noch einmal, wie man etwas so betont, das Folgen haben muss. Die Folge war ein weiteres, dickes großes Stück auf dem Teller. (...) Und der Kaffee wurde schwarz und schwärzer. Die Szene löste sich absurderweise erst bei der Debatte um Regenwürmer auf. Da könnte man en passant den Aufbruch einleiten, noch einmal viel zu ausführlich durch den großen Garten gehen (ich schäle Ihnen schnell noch einen Apfel von unserem Baum - was dann gar nicht schnell war) und schließlich und endlich völlig befreit losfahren - um gleich um die Ecke in Othmarschen schon bei der Auffahrt auf die Autobahn in einen Megastau zu gelangen. Lenz lächelte, Frau Lenz saß ruhig da. Sie waren das liebste Ehepaar der Welt"
    5). Auf dem rückwärtigen Klappentext einer ihrer raren Veröffentlichungen "Waldboden" mit sechsunddreißig Farbstiftzeichnungen zum Text von Siegfried Lenz (Albrecht Knaus, Hamburg 1979) lesen wir: "Liselotte Lenz lebt in Hamburg. Sie ist seit 1949 mit Siegfried Lenz verheiratet. 1958 wurde sie auf der "Ausstellung Hamburger Laienkünstler" mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Soweit Familie und Arbeit es zulassen, pflegt sie ihr Hobby, Zeichnen und Malen". Das war Ende der 1970er Jahre.
    Acht Jahre später, 1986 (im Jahr des 60. Geburtstags von S. Lenz) legte der Verlag Hoffmann & Campe nach mit einem größerformatigen Künstlerbuch "Kleines Strandgut": 48 Farbstiftzeichnungen von Liselotte Lenz, umrahmt mit Betrachtungen aus der Feder ihres Schriftstellergatten. Die Motive für diese Veröffentlichungen fanden die beiden auf ihren Feriensitzen, die sie zu Sommer-Aufenthalten nutzten, einem Bungalow in Tetenhusen zwischen Rendsburg und Schleswig sowie auf der Ostsee-Insel Als(en) im Süden Dänemarks. Der fehlende Text über die Künstlerin findet sich auf dem Internetportal des Hoffmann & Campe Verlages unter einem Porträt-Ausschnitt der älteren Dame: "Liselotte Lenz war Malerin und Illustratorin und mehr als ein halbes Jahrhundert mit Siegfried Lenz verheiratet. Sie war seine Ratgeberin und erste Leserin. Ihre Zeichnungen entstanden bei gemeinsamen Aufenthalten in ihrem Strandhaus am Meer. Liselotte Lenz starb 2006 in Hamburg. (hoffmann-und-campe.de/autoren-info/liselotte-lenz)
    Nach zwei Schlaganfällen verstarb Liselotte Lenz 2014. Sie hinterließ viele Zeichnungen, ein Großteil dieses Oevres ist im Besitz der Siegfried-Lenz-Stiftung
    6). Die bescheidene schöne Grabstätte des Ehepaares Liselotte und Siegfried Lenz liegt nicht etwa auf dem Friedhof Nienstedten, sondern auf dem volkstümlicheren Friedhof Groß Flottbek. Ihr Name Lilo Lenz ist auf dem glatt polierten, unbehauenen herzförmigen Granit mit Geburts- und Sterbejahr über dem Namen ihres Mannes eingraviert.
    Text: Dr. Cornelia Göksu
    Quellen:
    1) Michael Jürgs: Hausbesuch bei einem zeitlosen Erzähler. Zum Tod von Siegfried Lenz. In: Cicero,. Magazin für politische Kultur, Berlin, 8.10. 2014 = Jürgs 2014; Online-Version unter LINK: cicero.de/kultur/tod-von-schriftsteller-meine-erinnerung-siegfried-lenz/58322
    2) Zitat aus: "Liselotte Lenz stirbt im Alter von 87 Jahren". Nachruf in DIE WELT unter Autorenkürzel U.B., v. 11.2.2006, online unter LINK: cicero.de/kultur/tod-von-schriftsteller-meine-erinnerung-siegfried-lenz/58322; abgerufen 30.11.2017 CG
    3) Berg 2016, S. 342
    4) Erich Maletzke: Siegfried Lenz. Eine autobiographische Annäherung. Springe 2006; kleinen Text-Ausschnitt gefunden online unter books.google.de, nach Eingabe Stichwort "1958 Ausstellung Hamburger Laienkünstler" in der Volltextsuche, November 2017 CG.
    5) Reinhard Tschapke: Nachruf. Auf einen Kaffeeklatsch mit Siegfried Lenz. In: Nordwest Zeitung, 8.10.2014, online unter LINK: nwzonline.de/kultur/auf-einen-kaffeeklatsch-mit-siegfried-lenz_a_19,0,1409489692
    6) Freundliche tel. Info durch Frau Katharina Muders, Büro Siegfried Lenz, Mittelweg 117, 22./23.3.2017, die auch Geburtsdaten und Geburtsnamen mitteilte, an CG.).

    Dr. Erika Mühlbauer

    geb. Schneider

    Langjährige Vorsitzende des Vorstands des Sozialdienstes katholischer Frauen Hamburg-Altona

    Ornament Image
    Fotos: © kulturkarte.de /

    23.2.1937
    Frankfurt a. M.
    -
    22.5.2017
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage: LM-4A, Nutzungsrecht bis: 01.06.2042 Erika Mühlbauer wurde als drittes von vier Kindern des Ehepaares Elisabeth und Dr. Carl Schneider geboren. Nach dem Abitur studierte sie in Graz Staatswissenschaften und promovierte zum Dr. rer pol. Beruflich arbeitete sie dann in einer Sanitärtechnikfirma. 1961 heiratete sie den Diplom-Kaufmann Ernst Mühlbauer und lebte seitdem in Hamburg. 1962 wurde das erste, 1963 das zweite und 1964 das dritte Kind geboren. In dieser Zeit arbeitete Erika Mühlbauer von 1963 bis 1968 in der neu gegründeten Firma DMG und EMKA ihres Mannes in Teilzeit mit. Später widmete sie sich der Erziehung der Kinder und hielt ihrem Mann den "Rücken frei". 1980 wurde Erika Mühlbauer Mitglied im Verein "Sozialdienst katholischer Frauen Hamburg-Altona" (SkF Hamburg-Altona). Zu ihrer Motivation, sich in diesem Bereich zu engagieren, sagt ihre Tochter Petra: " Meine Mutter wollte mit ihrer Mitgliedschaft im SkF, Menschen Gutes tun, die in unserer Gesellschaft mehr Hilfe und Unterstützung benötigen als staatliche Stellen alleine leisten können. Sie selber war sich der Tatsache bewusst, dass es ihr und der Familie durch glückliche Umstände und viel Fleiß meines Vaters gesundheitlich und materiell nach den ersten mühevollen Jahren immer gut ging. Auf diesem Weg konnte sie etwas "zurückgeben". Katholisch sozialisiert, brachte sich meine Mutter gerne mit ihren Fähigkeiten bei SkF ein, knüpfte zahlreiche neue Kontakte und freute sich, mit kleinen aber beständigen Schritten die Projekte voranzubringen." Der Sozialdienst katholischer Frauen ist, so die Selbstdarstellung des Verbandes: "ein Frauen- und Fachverband der sozialen Arbeit in der Caritas, wurde 1899 von Agnes Neuhaus in Dortmund als ‚Verein zum guten Hirten" gegründet. Agnes Neuhaus war geprägt von ihrem starken sozialen Engagement. Sie war Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und Reichstagsabgeordnete. Ihre heute noch aktuelle Gründungsidee war, dass es Not- und Konfliktsituationen gibt, die Frauen in besonderer Weise erleben und in denen Frauen anderen Frauen, Kindern und Familien wirksam helfen können. Der SkF arbeitet auf der Grundlage eines christlichen Menschenbildes. Er setzt sich, unabhängig von Nationalität und Konfession, für sozial benachteiligte Menschen ein." 1) Der Ortsverein des Verbandes in Hamburg-Altona, in dem Erika Mühlbauer aktiv war, bietet u. a. neben Beratung für Frauen, Familien und Schwangere, Hilfe bei Wohnungslosigkeit und einen Wohngruppenbereich für junge Mädchen und Frauen im Alter von 16 bis 27 Jahren nach einer psychischen Erkrankung an. Er wendet sich politisch zum Beispiel gegen Frauenarmut und Frauenwohnungsnot sowie gegen Gewalt gegen Frauen. Der Sozialdienst katholischer Frauen Hamburg-Altona hatte sich 1924 in Altona gegründet und damals das "Marienheim" eröffnet. "(1994 umbenannt in ‚Wohnhaus für Frauen"). Betreuung lediger Mütter und ihrer Kinder durch Ordensschwestern und Ehrenamtliche." 1959 folgte die "Einrichtung der Sozialen Beratungsstelle, heute Beratungsstelle für Frauen, Familien und Schwangere in der Schomburgstraße. 1986, als Erika Mühlbauer bereits Mitglied des Vereins war, wurde die "Beratungsstelle für wohnungslose Frauen und Männer in Kooperation mit Herz As Hamburg" gegründet. 1996 begann der Verein mit der "Ambulanten und Flexiblen Betreuung" für Frauen in schwierigen Lebenssituationen. 2002 eröffnete die "Kleiderkiste", bei der es kostenlose Kleidung gibt und 2014, zwei Jahre vor Erika Mühlbauer Tod, wurde die Erweiterung des Wohnhauses für Frauen eröffnet, das seitdem JOHANNA heißt und seit 2014 auch Mädchen ab 16 Jahren aufnimmt. 2) Diese Einrichtung unterstützt junge Frauen ab 16 Jahren sowie Mütter und ihre Kinder mit einer psychischen Erkrankung oder Belastung durch unterschiedliche Angebote. Erika Mühlbauer hatte 22 Jahre von 1984 bis 2006 den Vorsitz des Vorstandes dieses Vereins. Außerdem war sie von 1995 bis 1999 Vorsitzende der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der SkF-Ortsvereine im Erzbistum Hamburg und solange sie Vorsitzende des SkF Hamburg-Altona war, auch geschäftsführende Ansprechpartnerin im Vorstand für die jetzige Einrichtung "JOHANNA - psychosoziale Unterstützung für Frauen und Kinder". Als Mitglied des Zentralvorstandes des SkF Gesamtvereins wirkte sie von 1993 bis 2001 über die Bistumsgrenzen hinaus. So knüpfte sie in dieser Zeit für das Projekt Auslandsadoptionen Kontakte in Bolivien. Als Zentralvorstandsmitglied führte Erika Mühlbauer 1994 eine SkF-Delegation nach Bolivien an. Diese Reise hatte das Ziel, die Auslandsadoptionsarbeit des SkF weiter zu etablieren, indem sich der Verband dort durch persönliche Begegnungen und Veranstaltungen bekannt machte. Die verbandliche Arbeit und insbesondere die fachliche Arbeit im Bereich der Auslandsadoption wurden über Gespräche mit zuständigen Behörden, Fachveranstaltungen mit Fachkräften, Besuchen von Heimen sowie Hilfsprojekten und insbesondere in Gesprächen mit Vertretern und Vertreterinnen der Kirche wie der Caritas präsentiert. Erika Mühlbauer war in der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit im Zentralvorstand für den Fachbereich Auslandsadoption eine wichtige Ansprechpartnerin. Sie erhielt für ihr langjähriges Engagement die höchste Auszeichnung des SkFs: die goldene Ehrennadel. Darüber hinaus wurde ihr 2004 die Ansgar-Medaille des Erzsbistums Hamburg verliehen. Quellen: 1) http://www.skf-altona.de/index.php/geschichte 2) Ebenda und siehe auch: http://www.psag-hamburg.de/unsere_mitglieder/details/johanna_psychosoziale_ unterst%C3%BCtzung_f%C3%BCr_frauen_und_kinder_-des_skf_e.v._hh-altona.html

    Ursula Randt

    geb. Klebe

    Sprachheilpädagogin, Autorin z. B. des Buches über die Schulgeschichte der Israelitischen Töchterschule Karolinestraße 35, Erforscherin der jüdischen Schulgeschichte und der Schicksale der Schülerinnen, hatte großen Anteil an der Entstehung und Gestaltung der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule Karlonenstraße 35

    Ornament Image
    25.5.1929
    Hamburg
    -
    20.5.2007
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage: LQ Reihe 1, Nr. 13, Nutzungsrecht bis: 30.05.2032

    Ursula Randt war eine Tochter des jüdischen Arztes Egon Klebe und dessen nichtjüdischer Frau Johanna. "Von 1935 bis 1939 besuchte sie eine Volksschule am Voßberg, ab 1940 die Heilwig-Oberschule für Mädchen. Randt, deren Vater 1939 ohne die Familie in die USA emigrieren musste, [die Familie konnte aus finanziellen Gründen nicht mitkommen] galt während der Zeit des Nationalsozialismus als "Jüdischer Mischling""
    1), so heißt es in dem Wikipedia Eintrag zu Ursula Randt. Aus gesundheitlichen Gründen war sie von 1939 bis 1940 vom Schulbesuch freigestellt. Danach besuchte sie von 1940 bis 1944 die Heilwig Oberschule für Mädchen, wurde aber 1944 vom Unterricht ausgeschlossen und durfte erst nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wieder den Schulunterricht besuchen. 1949 machte sie an der Heilwig Oberschule ihr Abitur.
    Zwischen 1950 und 1952 studierte sie an der Universität Hamburg auf Lehramt, welches sie 1953 mit dem Ersten Staatsexamen abschloss und Referendarin an der Schule am Vossberg wurde. In selben Jahr heiratete sie und bekam ein Jahr später einen Sohn. 1957 absolvierte sie ihr Zweites Staatsexamen. 1958 wurde sie verbeamtet und ging zwei Jahre später in "Familienzeit". In dieser Zeit wurde 1963 ihr zweiter Sohn geboren. 1969 war es dann soweit, dass Ursula Randt wieder in den Beruf einsteigen wollte. Damals suchte die Stadt Hamburg dringend Logopäden, deshalb wurden Studierende dieser Studiengänge auch von der Stadt Hamburg unterstützt. Ursula Randt begann nun wieder an der Hamburger Universität zu studieren und zwar Sprachheilpädagogik und Hörgeschädigtenpädagogik für das Lehramt an Sonderschulen. Nach dem Abschluss dieses Studiums im Jahre 1971 arbeitete sie als Sprachheilpädagogin an der Sprachheilschule in der Karolinenstraße 35.
    "Im November 1977 wurde sie bei einem Schulfest in der Schule Carolinenstraße durch eine ehemalige Schülerin darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hier um eine ehemals jüdische Mädchenschule handelte. Die Trauer der Gesprächspartnerin darüber, dass auf die Vergangenheit der Schule nirgends hingewiesen wurde, wurde zum Ausgangspunkt für Ursula Randts Forschungsarbeiten zu jüdischen Schulen in Hamburg. 1984 wurde ihr erstes Buch "Carolinenstraße 35" vom Verein für Hamburgische Geschichte veröffentlicht. Im Mai 1989 eröffnete die "Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule" mit der Ausstellung "Ehemals in Hamburg zu Hause. Jüdisches Leben am Grindel im Gebäude Carolinenstr. 35". 1989 verlieh der Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg Ursula Randt die Ehrendoktorwürde."
    2) 1994 trat Ursula Randt in den "Ruhestand" und forschte weiter zu den Schicksalen von ehemaligen jüdischen Bewohnerinnen und Bewohnern Hamburgs sowie zur jüdischen Schulgeschichte. "Da sie über weltweite Kontakte zu ehemaligen Hamburgern verfügte und wichtige historische Materialien sammelte, wurde sie von vielen Forschern konsultiert. Sie entwickelte sich zu einer Vertrauensperson für Personen, die aus der Hansestadt vertrieben worden waren."
    3) Ursula Randt, die zahlreiche Publikationen und Aufsätze verfasste, wurde wenige Tage vor ihrem Tod durch den Verein für Hamburgische Geschichte mit der Lappenberg-Medaille ausgezeichnet. Quellen:
    1) Wikipedia: Ursula Randt, aberufen 7.1.2018.
    2) http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/UrsulaRandt/UrsulaRandt_Biographie.pdf
    3) Wikipedia: Ursula Randt, aberufen 7.1.2018.

    Karin Stilke

    geb. Lahl

    Deutschlands erstes Fotomodell; Stifterin

    Ornament Image
    1.3.1914
    Bremen
    -
    2.5.2013
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage: GW-12, Nutzungsrecht bis: 13.05.2038

    "Lernt erst mal was Anständiges, macht einen Schulabschluss. Modeln ist ein Spaß, das sollte man so nebenbei machen. Euren Beruf könnt Ihr erst an den Nagel hängen, wenn ihr soviel verdient wie die Schiffer", riet sie Anfängerinnen im Modeljob. Karin Stilke war früher einmal in Deutschland das, was sich heute Topmodel nennt - als an Magersucht- und High-Heel-Zirkus aber noch nicht zu denken war. "Man zog sich an, trug noch etwas Lippenstift auf und machte viele Bilder. Vormittags Dolmetscherschule, nachmittags drei bis vier Kleider - fertig". So lakonisch beschrieb die 97-Jährige in einem Interview rückblickend ihren Tagesablauf.
    In den 1930/40er und 1950er Jahren wurde sie zur Stilikone. Statuarisch posierte sie in strengen grauen Kostümen, präsentierte "Straßenanzüge" mit dreiviertellangen (Hosen-)Röcken aus englischem Tuch mit tiefen Kellerfalten, im Jackett mit raffiniertem Pelzbesatz, darunter Schalkragenbluse aus Seidenbrokat. In den frühen fünfziger Jahren strahlte sie der jungen Bundesrepublik von Litfaßsäulen entgegen und warb in Badeeinteilern für die "schlanke Linie", wurde mit Hamburger Kosmetikmarken und amerikanischen Zigarettensorten zum stilbildenden Frauentyp der Nachkriegsära.
    Entdeckt wurde die Schülerin 1936 in Berlin: "Ich spazierte auf dem Kurfürstendamm, als mich die Fotografin Yva ansprach und fragte, ob sie Aufnahmen von mir machen könne", erzählte sie in einem Interview. "Zwei Tage später wurden die Fotos gemacht, das Geld gab es hinterher gleich auf die Hand ... Ich schminkte mich selbst, wobei es damals nur Theaterschminke und Nivea gab". (Mode und Fotografie fanden sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts; der bürgerliche Name der Mode- und Aktfotografin Yva lautete Else Ernestine Neuländer-Simon, 1990 Berlin - 1942 Vernichtungslager Sobibor. Helmut Neutädter, später als Helmut Newton weltberühmt, begann 1936 in ihrem Atelier seine Fotografenlehre). 1937 folgten Karins erste Bademoden-Shootings, "danach stand mein Telefon nicht mehr still". Ihre Bilder zierten die Titel und Modestrecken in den stilbildenden Modeblättern wie "Elegante Welt" oder "Die Dame" aus dem Ullstein Verlag. Der Zeitschrift "Film und Frau" verlieh sie in den 1950er Jahren ihr Gepräge zwischen Etuikleid, Wasserfall-Robe und Trenchlook.
    In scherenschnittartiger Körpersilhouette und natürlich-anmutigem Mienenspiel eine inszenierte Geschichte zur sprechenden Momentaufnahme zu machen: Das wurde ihre Spezialität! Mit ihren Bildern lässt Karin Stilke uns eintauchen in versunkene Modeepochen und Layout-Stile: Puristisch, naturalistisch, à l"oriental, die Kulissen als Zitate von Kunstgeschichte bis film noir; isolierte Szenen aus Modesport und Zeitgeschehen, gefroren zu abstraktem Kammerspiel und nature morte - perfekt komponiert in der unendlichen Dramaturgie von Schwarz-Weiss. Ganz anders die Welt der gedruckten Anzeigen-Kampagnen: Sie bewarb, ja verkörperte Kosmetik wie Kaloderma, Stora - Sonnenschutz ohne Fett und Öl oder elegante Damenblusen von JORA; verhalf per Exklusivvertrag der Synthetikfaser "Ninoflex" zur Alltagspopularität. Nach ihrer Entdeckerin Yva machten so berühmte FotokünsterlerInnen wie Imre v. Santho, Sonja Georgi, Ilse Flöter, Elisabeth von Stengel, Martin Munkàcsi (für Harper"s Bazaar), Charlotte Rohrbach (bewarb mit ihr den Karman Ghia von VW) oder der Hamburger Modefotograf und Sammler F.C. Gundlach sie zu einer Marke.
    1938 lernte das schon berühmte Mannequin ihren Gatten, den Buchhändler Georg Stilke, auf einer Party in Berlin kennen. Stilkes Großvater hatte die glänzende Idee gehabt, in Bahnhöfen Buchhandlungen einzurichten. An seiner Seite erlebte sie zwischen 1941 bis 1978 die mondäne Welt. Aus der Berliner Intellektuellenszene war sie mit Künstlern wie Erich Kästner, Josef von Sternberg oder Vladimir Nabokov vertraut. In Venedig kochte und posierte Marlene Dietrich mit ihr. Erich Maria Remarque war ein langjähriger Weggefährte. Als prominente Gattin eines ebenso gesellschaftsbekannten "Vierteljuden" in Berlin erinnert sich Karin Stilke: "Das Dritte Reich war eine fürchterliche Zeit. Man wusste nie, wem man vertrauen kann, was die Nazis sich als nächstes ausdenken. Ich hatte zuvor Leni Riefenstahl kennengelernt und an ihr gesehen, wie schwer es ist, wieder rauszukommen, wenn man den Nazi-Größen einmal nahe ist". (SZ v. 15.9.2008). Anfang der 1950er Jahre ließ sich das Ehepaar Stilke in Hamburg nieder. 1991 gründete Karin Stilke die "Georg und Karin Stilke Stiftung für Kunst und Senioren", aus deren Mitteln auch das historische Schloss Ringelsdorf, bei Genthien/Magdeburg (aus dem Besitz der Familie Stilke) in der damaligen DDR erhalten wurde. Mit diesem "Märchenschloss" verbanden sie schicksalhafte Erinnerungen. Das von Architekt Christian Pütz entworfene Stilke Haus in der Heimhuder Straße 92 beherbergt die Diakonie- und Sozialstation der Kirchengemeinde St. Johannes. Im Mai 2013 verstarb die mittlerweile erblindete Karin Stilke mit 99 Jahren. 100 duftende Rosen schickte Karl Lagerfeld als langjähriger Bewunderer der Grande Dame als letzten Gruß. Eine bildschöne ausführliche Autobiografie im Plauderton hatte sie für ihre 2008/2009 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe gezeigte Retrospektive verfasst. Getreu dem Titel "Ich bin ein Sonntagskind" steht ihr Werdegang exemplarisch für ein Jahrhundert und die Anfänge ihres Berufes.
    Text: Dr. Cornelia Göksu
    Hauptsächlich benutzte Quellen:
    - Karin Stilke. Fotomodell. Katalog zur Retrospektive Hamburg. Hamburg 2007.
    - Silke Lode: Lernt erst mal was Anständiges. In: Süddeutsche Zeitung vom 18.9.2008 = sueddeutsche.de vom 17. Mai 2010

    Prof Dr. Hedwig Wallis

    geb. von Häfen

    Kinderärztin, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (CDU) von 1970 bis 1974

    Ornament Image
    20.5.1921
    Hamburg
    -
    21.10. 1997
    Mehr erfahren
    Grablage: LC 3, Nutzungsrecht bis: 24.05.2037

    1941 begann Hedwig Wallis in Hamburg mit ihrem Medizinstudium. Über ihre Ersteinschreibung im Januar 1941 äußerte sie: "Wir standen in Schlagen (…), vor der Quästur. Bevor wir den Schalter erreichten, wurden wir zwangsweise an einigen Tischen vorbeigelenkt. Am ersten musste man nachweisen, welchen Gliederungen der NSDAP man angehörte. Am zweiten wurde uns ein Eintrittsgesuch in den Nationalsozialistischen Studentenbund unter die Nase gehalten: ‚Ohne Beitritt keine Einschreibung", hieß es. Am dritten Tisch wurde man in gleicher Weise gezwungen, eine nazistische Studentenzeitschrift zu abonnieren. (…) Erst dann durfte man sich einschreiben. Ob diese Verfahren in irgendeiner Weise rechtens waren, (…) fragten wir nicht. Zu viele Leute in den typischen Ledermänteln der geheimen Staatspolizei standen in der Vorhalle herum, als daß man sich zu widersetzen wagte. Ich bin allerdings mit Hilfe konsequenter Lügerei und Bummelei über den erzwungenen Anwärterstatus im Studentenbund nicht hinausgekommen."
    1) Im dritten Semester heiratete sie einen Kommilitonen und bekam eine Tochter. Zwei Jahre später, 1944, ließ sie sich scheiden und "beendete ihr Studium als alleinerziehende Mutter und legte 1946 das Staatsexamen ab".
    2) Nach ihrem Medizinstudium, der Fachausbildung in Psychiatrie und der anschließenden Fachausbildung in Kinderheilkunde wurde Dr. Hedwig Wallis an der Universitäts- Kinder- und Poliklinik Hamburg Eppendorf tätig. 1959 habilitierte sie sich (als zweite Frau in der Medizinischen Fakultät) und wurde 1965 zum apl. Professor ernannt. Sie arbeitete nun als Abteilungsdirektorin und Professorin an der Universität Hamburg.
    Hedwig Wallis unterstützte auch Eltern mit autistischen Kindern. So gewann Anfang der 1970er Jahre die Selbsthilfeinitiative betroffener Eltern - später wurde daraus der Autismus Landesverband Hamburg e.V. - Hedwig Wallis, die damals Leiterin der psychosomatischen Abteilung der Universitätsklinik in Hamburg-Eppendorf war, als Unterstützerin und Beraterin. Sie stellte der Elterngruppe für ihre Treffen einen kleinen Hörsaal zur Verfügung. 1987 wurde Hedwig Wallis pensioniert.
    Zu Ihrem 65. Geburtstag schrieb Manfred Müller-Küppers: "(…)Ihre Mitarbeit in den verschiedensten wissenschaftlichen und berufspolitischen Gremien hat Maßstäbe gesetzt und ist unvergessen. Mit der Ihnen eigenen - als Hamburger wage ich zu sagen norddeutschen Unbekümmertheit - haben Sie Tabus unterlaufen, heiße Eisen angepackt und auch gewagt, sich unbeliebt zu machen, wie man dies nicht von allen ‚gestandenen Mannsbildern" sagen kann.
    Es gibt aber auch noch eine andere Seite der Hedwig Wallis, die in den letzten Jahren persönliches Leid erfahren mußte: Sie haben Ihre Tochter verloren und damit Ihre Enkel ihre Mutter. (…) Sie haben sich um die Entwicklung der deutschen Kinder- und Jugendpsychiatrie verdient gemacht und dafür sei Ihnen (…) ausdrücklich gedankt (…)."
    3) "Ihr zu Ehren gab der Freundes- und Förderkreis des UKE e. V. einem jährlich zu vergebenden Stipendium den Namen Hedwig Wallis-Promotionspreis für Psychosoziale Medizin. Der Preis wurde erstmals im Jahr 2008 ausgelobt und wird an Studenten und junge Ärzte für die beste Dissertation des Jahres vergeben."
    4) Neben ihrer Erwerbsarbeit betätigte sich Hedwig Wallis auch parteipolitisch. Von 1970 bis 1974 war sie CDU-Bürgerschaftsabgeordnete.
    Sie wohnte in der Parkstraße 22.
    Text: Dr. Rita Bake
    Quellen:
    1) Petra Umlauf: Die Studentinnen an der Universität München 1926 bis 1945. München 2015.
    2) Doris Fischer-Radizi: Gruppenbild mit Ärztin, In: http://www.aerztekammer-hamburg.org/funktionen/aebonline/haeb_08_2014/page39.html
    3) http://psydok.psycharchives.de/jspui/bitstream/20.500.11780/1784/1/ 35.19864_6_31644.pdf_new.pdf
    4) Wikipedia: Hedwig Wallis (abgerufen: 21.7.2017)