Frauen aus dem Schauspiel

Frauen aus dem Schauspiel

Jede Frau erzählt ihre eigene Geschichte – entdecken Sie ihr Vermächtnis.

Hammer Friedhof

    Elise Averdieck

    Leiterin des Diakonissenhauses Bethesda, Kinderbuchschriftstellerin.

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    26.2.1808
    Hamburg
    -
    4.11.1907
    Hamburg
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    Grablage: Im Gras liegender Grabstein

    Elise Averdieck war die Zweitälteste von zwölf Kindern einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Als das Geld in der Familie knapp wurde, ging sie als Gesellschafterin zu Madame Schmilinsky nach St. Georg. Im Alter von 27 Jahren erlebte sie am 3. November 1835 ihre Bekehrung. Der Glaube wurde das Fundament ihres Lebens.
    Nach ihrer Tätigkeit als Gesellschafterin pflegte sie fünf Jahre lang kranke Kinder in der Privatklinik des Arztes Dr. Günther am Borgesch. Als er als Professor nach Kiel berufen wurde, eröffnete Elise Averdieck in St. Georg eine Vorschule für Knaben, entwickelte eine eigene Lesefibel und verfasste selbst Kinderbücher, weil ihr die angebotenen nicht kindgerecht erschienen. Sie schrieb Kinderbücher, die im Hamburger Milieu spielten und die Alltagswelt des Kindes darstellten. 1843 wurde Elise Averdieck Lehrerin der Mädchenklasse in Pastor Rautenbergs Sonntagsschule in St. Georg, in der unbeschulte Kinder aus der Armutsschicht lesen lernten und Biblische Geschichte hörten. 1852 errichtete sie mit den Mitarbeitern der Sonntagsschule eine "Kinderkirche" in der Stiftstraße.
    Doch damit nicht genug. Elise Averdieck plante auch die Gründung eines christlichen Krankenhauses. Der Zufall wollte es, dass ein Bekannter seine Krankenhausbehandlung nicht bezahlen konnte. Elise Averdieck nahm ihn bei sich zu Hause auf und pflegte ihn zusammen mit ihrer Freundin. Ein Arzt untersuchte den Kranken unentgeltlich. Bald kamen weitere Kranke aus der Armutsschicht, und Elise Averdiecks Zimmer, das sie als Krankenzimmer zur Verfügung gestellt hatte, wurde zu eng. Und wieder eine Fügung: Zur gleichen Zeit zog ein Großteil ihrer Schüler aus Hamburg fort oder wurde aus der Schule entlassen, so dass Elise Averdieck kaum noch Kinder zu unterrichten hatte. Außerdem wurde das Haus frei, in dem sie ehemals die kranken Kinder von Dr. Günther gepflegt hatte. Sie widmete sich von nun an ausschließlich der Krankenpflege. 1856 erfolgte der Umzug in die neuen Räume des ehemaligen Kinderkrankenhauses von Dr. Günther. Das Haus wurde "Bethesda" genannt und finanzierte sich über Spenden. Elise Averdieck wurde zur Vorsteherin für das zu erbauende Krankenhaus gewählt, wurde Diakonissenmutter und bildete Schwestern aus. 1860 fand die Einsegnung der ersten Hamburger Diakonissin statt.
    Zur Krankenpflege kam nun noch die Gemeindepflege hinzu. Im Jahre 1881 legte Elise Averdieck die Leitung der Anstalt aus Altersgründen nieder.
    Text: Dr. Rita Bake

    Auguste Jauch

    geb. Stubbe

    Wohltäterin

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    20.4.1822
    Kiel
    -
    4.1.1902
    Hamburg
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    Grablage: Laut Wikipedia soll sie in der Jauchschen Familiengruft auf dem Hammer Friedhof bestattet sein. Das Grab ist nicht auffindbar

    Auguste Jauch war die Tochter eines Uhrmachers. Im Alter von 26 Jahren heiratete sie den 18 Jahre älteren Hamburger Großbürger und Oberleutnant der Hanseatischen Kavallerie Moritz Jauch (1804-1876), Sohn eines Großkaufmannes. Das Paar bekam einen Sohn (Hermann, 1855-1916, Erbauer des Herrenhauses Schönhagen).
    Auguste Jauch unternahm viele Reisen ins Ausland. Auf einer dieser Reisen, sie weilte damals in Istanbul, erhielt sie die Nachricht vom Tod ihres Ehemannes in Hamburg. Sie soll darauf telegraphisch übermittelt haben: "Beerdigt ihn würdig."
    Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1876 gründete Auguste Jauch aus dem großen Erbe ihres Mannes mehrere wohltätige Stiftungen, wobei der Schwerpunkt auf der Linderung der Not der armen Bevölkerung lag. Darüber hinaus gab sie der Inneren Mission große Geldbeträge.
    1889 kaufte sie ein Stiftsgebäude in der Bürgerweide 59 für ihre: "Auguste-Jauch-Stiftung", eine Stiftung zur Vergabe von Freiwohnungen an bedürftige Witwen und zur Speisung armer Kinder.
    Außerdem wurde im dem Gebäude eine Suppenküche für Arme eingerichtet. Auguste Jauch verwaltete diese Stiftung bis zu ihrem Tode.
    In Kiel ließ Auguste Jauch 1884 neben der Jakobikirche ein Damenstift für "gebildete, unverheiratete Damen" errichten.
    1891 wandelte sie gemeinsam mit ihrem Sohn das Stammhaus der Familie Jauch am Stadtdeich 9 um in ein Heim "für alleinstehende, in ihrer Arbeitsfähigkeit beschränkte alte Männer aus der Arbeiterschaft". Die Männer erhielten hier freie Unterkunft und freie Kost. Ca. 21 alte Männer konnten aufgenommen werden.
    Viele Familiengehörige setzten das wohltätige Wirken von Auguste Jauch in den Stiftungen fort.
    Die Stiftsgebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, das Restvermögen ging in die Hamburger Stiftung Gast- und Krankenhaus über.
    Neben ihrem wohltätigen Engagement widmete sich Auguste Jauch auch der Kunst. Sie besaß eine große Sammlung von Gemälden und Asiatica. Einzelne Institutionen bekamen von ihr daraus Einzelstücke gestiftet.
    Quelle:
    Vgl: Wikipedia: Auguste Jauch (abgerufen 8.1.2018)

    Anna Lühring

    Lützower Jäger, Heldenmädchen

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    3.8.1796
    Bremen
    -
    25.8.1866
    Hamburg
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    Grablage: Lützower Jäger, Heldenmädchen

    Namensgeberin für: Anna-Lühring-Weg, seit 1929 in Hamburg-Horn
    Anna Lühring wurde als fünftes Kind eines Bremer Zimmermeisters geboren. Über die Mutter ist nichts bekannt. In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1814 verließ sie in den Kleidern ihres Bruders ihr Elternhaus in der Bremer Brautstraße, um zu den Lützower Jägern zu gelangen, die vorher durch Bremen gezogen waren. Unter dem Namen Eduard Kruse trat sie als freiwilliger Jäger in das Lützower Korps ein und zog mit ihm in den Krieg. Was sie zu diesem Schritt bewogen hatte, ist nicht eindeutig zu ermitteln. Vielleicht waren es die verklärten Vorstellungen vom Heldenruhm, die damals stark verbreitet waren. Vielleicht die Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit. Ihr Vater glaubte an ein Liebesverhältnis zu einem Soldaten, das seine Tochter dazu veranlasst hatte, sich in das Lützower Jägerkorps als Mann verkleidet einzuschleichen Niemand merkte, dass "Eduard Kruse" eine junge Frau war. Anna Lühring gab sich mutig und züchtig. Sie nahm an der Belagerung Jülichs teil, zog mit nach Frankreich. Auf dem Marsch gen Frankreich erreichte das Korps in Aachen ein Brief von Vater Lühring. Dadurch wurde die Identität des Jägers Kruse entdeckt. Doch das inständige Bitten Anna Lührings und ihr vorbildlicher Lebenswandel waren die ausschlaggebenden Kriterien, sie in der Kompanie zu belassen. Allerdings wurden ihre Kameraden nicht in das Geheimnis um den Soldaten Kruse eingeweiht,
    nur der Hauptmann und der Kompaniechef wussten Bescheid. Als das Korps in Frankreich einmarschiert war, wurde am 8.4.1814 das Kriegsende verkündet. Die Lützower zogen nach Berlin zurück, wo sich das Korps auflöste. Dort, in Berlin, wurde Anna Lühring von Wilhelm von Preußen empfangen und von der Fürstin Radziwill ausgezeichnet und beschenkt. Vater Lühring jedoch wollte seine Tochter nicht zurückhaben. Er grollte ihr, hatte sie sich in seinen Augen doch zu unanständig verhalten. Der Hofrat und Schriftsteller Karl Gottlob Heun intervenierte beim Bremer Senator Johann Smidt. Der Bremer Senat versprach daraufhin, Anna Lühring gebührend zu ehren. Durch diese Zusage wurde auch Vater Lühring umgestimmt, und so kehrte Anna Lühring 1915 nach Bremen zurück. Der Einzug in Bremen war imposant, neben dem Wagen ritten ehemalige Lützower Jäger, an den Straßenrändern standen jubelnde Menschen. Doch schon bald wurde es wieder still um Anna Lühring. 1820 ging sie nach Hamburg, arbeitete dort in einem Geschäft für weibliche Industrieartikel, heiratete 1823 den Kellner Lucks und wurde 1832 Witwe. Sie lebte an der Horner Landstraße in äußerst bescheidenen Verhältnissen und versuchte sich mit Näharbeiten über Wasser zu halten. Manchmal erhielt sie auch private Spenden. Nachdem sich ehemalige Lützower Jäger für sie eingesetzt hatten, bekam sie ab 1860 von ihrer Mutterstadt Bremen eine regelmäßige kleine Pension. Anna Lühring wurde auf dem Kirchhof zu Hamm in Hamburg beigesetzt. 43 Jahre nach ihrem Tod erhielt die Grabstätte einen neuen Grabstein. Immer dann, wenn patriotische Gesinnung gefragt war, wurde sich Anna Lührings erinnert - so im Ersten Weltkrieg, als auch die weibliche Bevölkerung zu vaterländischen Taten aufgerufen wurde.
    Text: Dr. Rita Bake

    Amalie Sieveking

    Vorsteherin des Weiblichen Vereins für Armen- und Krankenpflege, gegr.: 1832.

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    25.7.1794
    Hamburg
    -
    1.4.1859
    Hamburg
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    Grablage: Familiengruft Sieveking auf kleinem Hügel

    Namensgeberin für den Amalie-Sieveking-Weg, benannt 1957 in Hamburg Volksdorf und seit 2018 auch des Sievekingdamms
    Amalie Sieveking war eine Senatorentochter und -enkelin. Die Eltern starben früh, hinterließen Amalie kein Vermögen. Nach dem Tod der Eltern wurde Amalie von ihren beiden Brüdern getrennt und kam zu Verwandten, wo sie den kranken Sohn des Hauses pflegen und durch Handarbeiten und deren Verkauf zu ihrem Lebensunterhalt beitragen musste. In diesem Haushalt wurde sie mit Religion und Frömmigkeit vertraut gemacht. Amalie Sievekings berufliche Laufbahn führte sie in die pädagogische Richtung. Sie beteiligte sich an der 1815 gegründeten Freischule für Mädchen und richtete selbst eigene Schulkurse ein. Durch sittliche und religiöse Erziehung wollte Amalie Sieveking die Mädchen zu tüchtigen Hausfrauen und Müttern erziehen.
    "Umschreibend gestand sie sich im Tagebuch geheime Sehnsüchte ein, die glücklichste Erfüllung jeder Frau an der Seite eines geliebten Mannes zu erreichen. Später beteuerte sie, an Gelegenheit habe es ihr nicht gefehlt, es wird aber nicht klar, worin die Barriere bestand, ob in ihrem eckigen, schroffen Wesen und ihrer wenig charmanten Erscheinung oder in ihrer finanziellen Blöße? Darüber grübelte
    Amalie Sieveking nicht weiter, sondern rang sich die Disziplin ab, je länger desto entschiedener das Faktum der Ehelosigkeit anzunehmen und es ins Positive zu wenden. Als sie mit sich darüber im Reinen war, bekannte sie sich nachdrücklich zu dem allgemein verspotteten und gewiss nicht erstrebenswerten sozialen Stand der ‚alten Jungfer'." [1] "Ihr Vetter Karl Sieveking, der die Liebe nicht erwiderte, blieb zeitlebens ihr Freund und Berater." [2]
    Religiös wurde Amalie Sieveking durch Pastor Rautenberg und ihren Cousin Karl Sieveking in die Gemeinschaft der Erweckten (Erwecktenbewegung) eingeführt. "Die Elemente ihres ‚lebendigen' Glaubens waren Sünde, Buße, Versöhnung, Heilung, Erleuchtung. So sehr sich Amalie zur Gemeinschaft mit diesen Menschen hingezogen fühlte, so wach blieb ihre Kritik. Über die Erleuchtung schrieb sie: ‚Ist sie nicht nur der Schimmer einer trügerischen Aufklärung, die ihre Fackel nur gezündet am Licht der eigenen Vernunft ?'" [3]
    Amalie Sievekings Hinwendung zur Armenpflege war die Folge ihrer Entscheidung, ehelos zu bleiben. So erwuchs der Plan, ähnlich den katholischen Frauenorden, eine Gemeinschaft von Protestantinnen zu gründen. Der Ausbruch der Cholera in Hamburg im Jahre 1831 gab den entscheidenden Ausschlag, auf dem Gebiet der tätigen Nächstenliebe zu arbeiten. Amalie Sieveking meldete sich als Pflegerin in der Cholera-Quarantäne des St. Ericus -Hospitals. Dort beließ sie es jedoch nicht beim Pflegen der Kranken, sondern machte sich sogleich an die Organisation des chaotischen Krankenhauswesens. Gleichzeitig entwarf sie die Statuten für einen zu gründenden Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege. Armen, die unschuldig in Armut geraten waren, sollte geholfen werden. So genannte verwahrloste Arme erhielten keine Zuwendung.
    Um sich über den Zustand der Armen ins Bild zu setzen, machte Amalie Sieveking als Vereinsvorsteherin - diese Position hatte sie 27 Jahre lang inne - den ersten Besuch bei der empfohlenen Armenfamilie.
    Amalie Sievekings Helferinnen kamen aus dem gehobenen Bürgertum. Sie hatten genügend Zeit und auch die finanzielle Unabhängigkeit, sich unentgeltlich solch einer Tätigkeit zu widmen. Voraussetzung für die Aufnahme in den Kreis der Helferinnen war eine evangelische Glaubenshaltung und die Überzeugung, dass der Unterschied zwischen Arm und Reich gottgewollt sei. Arme sollten als Unmündige angesehen werden, denen durch Mitgefühl und Zuspruch geholfen werden sollte. Sie erhielten Naturalien, Kleidung, Haushaltungsgegenstände und es wurde ihnen Arbeit vermittelt. Finanzielle Unterstützung bekamen die Armen nur selten. Wer besonders fromm war, erhielt zusätzliche kleine Zuwendungen. "Die bestehende Kluft zwischen Armen und Reichen meinte sie [Amalie Sieveking] in persönlicher Zuwendung zu den Unterschichten überbrücken zu können, indem sie auf die Gleichheit aller Menschen vor Gott hinwies. Gleichwohl nahm sie ‚ihren' Armen gegenüber eine paternalistische Haltung ein, so wie sie auch den Verein für Armen- und Krankenpflege hierarchisch gliederte. Die ständisch verfasste Gesellschaftsordnung galt ihr als gottgewollt. Aus dieser sozialkonservativen Überzeugung heraus hielt sie alle demokratischen Ansätze und gar revolutionären Umstürze für friedensgefährdend." [4]
    1840 gründete Amalie Sieveking ein Armenwohnstift, das Amalienstift, welches neun Wohnungen und ein Kinderkrankenhaus mit zwei Zimmern und vierzehn Betten enthielt. Die ehrenamtlichen Helferinnen kontrollierten die Stiftsbewohnerinnen und -bewohner. Hielten diese sich nicht an die strenge Hausordnung und besuchten z. B. nicht die täglichen Andachten, schickten ihre Kinder nicht regelmäßig zur Schule oder machten ihre Wohnung nicht genügend sauber, mussten sie mit Strafe rechnen.
    "Das von ihr begründete Werk lebt bis heute fort in einer Stiftung, die ihren Namen trägt. Das Verwaltungsgebäude befindet sich in dem 1840 erbauten ‚Ersten Amalienstift' in der Stiftstraße 65. Hier und in drei weiteren benachbarten Häusern in St. Georg - Minenstraße 11, Alexanderstraße 28 und Brennerstraße 77 - wohnen 165 bedürftige Menschen zu den günstigen Bedingungen der Stiftung. (…) Die Trägerschaft lag bis 1978 beim ‚Weiblichen (Sievekingschen) Verein für Armen- und Krankenpflege' und ging dann auf die Nachfolgeeinrichtung, die ‚Amalie-Sieveking-Stiftung' über. Die Zweckbestimmung der Einrichtungen als Wohnstifte ist unter veränderten Zeitläuften erhalten geblieben.
    Im Gedenken an die von Amalie Sieveking gegründete Krankenpflege ist auch das Krankenhaus in Volksdorf benannt worden," [5] schreibt die Historikerin Inge Grolle über Amalie Sieveking. Auch wird Amalie Sieveking mit einem Medaillon in der Rathausdiele geehrt.
    Von der 1848 ausbrechenden bürgerlichen Revolution hielt Amalie Sieveking überhaupt nichts. Sie empfand es als völlig widersinnig, der Arbeiterschicht zu erklären, dass diese sich selbst aus ihrem Elend befreien solle. Demokratie bedeutete für Amalie Sieveking Anarchie.
    Ebenso war Amalie Sieveking wenig begeistert von der sich im Zuge der bürgerlichen Revolution formierenden religiös-demokratischen Glaubensbewegung, die gegen Priesterherrschaft und engen Dogmatismus angingen. Diese Bewegung "erschien ihr in höchstem Maße verderblich. Denn die Anhänger beriefen sich auf eine Religion der Humanität, auf ein von traditionellen Dogmen gelöstes Christentum der Tat, das allein auf Mitmenschlichkeit im Hier und Jetzt baute und sich vehement gegen die Vertröstung auf ein ungewisses Jenseits richtete. (…) Mit Beklemmung beobachtete Amalie Sieveking, wie attraktiv für Frauen die deutsch-katholische Bewegung war. In deren Zukunftsentwürfen wurde der Weiblichkeit eine erlösende Funktion zugeschrieben; die Befreiung der Menschheit aus den Fesseln weltlicher und geistlicher Herrschaft sollte mit der Emanzipation des Weibes beginnen. In den neu gebildeten freikirchlichen Gemeinden erhielten Frauen volle Mitbestimmungsrechte.
    Im Spätherbst 1846 entstand in Hamburg eine deutsch-katholische Gemeinde. Um ihr die Finanzierung eines Predigers und des Gottesdienstraums zu gewährleisten, bildeten Hamburger Frauen aus gutbürgerlichen Familien um Emilie Wüstenfeld und Bertha Traun einen Unterstützungsverein" [6]
    Amalie Sieveking verurteilte u. a. Bertha Trauns und Emilie Wüstenfelds Einstellung zur Ehe. Dass Bertha Traun sich scheiden ließ und Emilie Wüstenfeld diesen Schritt guthieß, sogar selbst Scheidungsabsichten hegte, stieß nicht nur bei Amalie Sieveking auf heftige Kritik.
    Amalie Sievekings Armenverein wurde zu einer festen Institution der hamburgischen Armenpflege und von den wohlhabenden Bürgern Hamburgs mit reichen Spenden bedacht. Viele Städte in Deutschland und im Ausland gründeten ähnliche Vereine.
    Text: Dr. Rita Bake
    Quellen:
    1 Ulrich Heidenreich, Inge Grolle: Wegbereiter der Diakonie. Johann Wilhelm Rautenberg, Amalie Sieveking. O. O. 2005, S. 72. (Hamburgische Lebensbilder in Darstellungen und Selbstzeugnissen. Hrsg. vom Verein für Hamburgische Geschichte, Bd. 18.)
    2 A. a. O., S. 82.
    3 A. a. O., S. 80.
    4 A. a. O., S. 66.
    5 A. a. O., S. 64.
    6 A. a. O, S. 115ff.
    Vgl. auch: Inge Grolle: "Auch Frauen sind zulässig". Die Frauensäule in der Hamburger Rathaus diele, in: Rita Bake, Birgit Kiupel: Auf den zweiten Blick. Streifzüge durch das Hamburger
    Rathaus. Hamburg 1997.

    Amanda Wichern

    geb. Böhme

    Leitende Mitarbeiterin ihres Mannes Johann Heinrich Wichern

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    12.9.1810
    Hamburg
    -
    7.5.1888
    Hamburg
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    Grablage: Ihr Grabstein steht rechts neben dem ihres Mannes. Der Grabstein ihrer Schwiegermutter Caroline Wichern steht links neben dem ihres Sohnes. Damit ist der Grabstein von Johann Heinrich Wichern rechts und links flankiert von den Grabsteinen seiner Ehefrau und seiner Mutter

    Namensgeberin für: Wichernsweg
    Nachdem Johann Heinrich Wichern 1833 mit seiner Mutter und seiner Schwester ins Rauhe Haus gezogen war, die ersten zwölf Jungen hier untergebracht worden waren und ein Jahr später bereits ein weiteres Haus gebaut worden war, wurden ab 1835 auch Mädchen im Rauhen Haus aufgenommen. Im selben Jahr verlobte sich Johann Heinrich Wichern mit der Sonntagsschullehrerin Amanda Böhme. Er hatte die junge Frau in der Sonntagsschule von Pastor Rautenberg, wo sie als Sonntagsschullehrerin tätig war, kennen und lieben gelernt.
    Amanda Böhme, geboren am 12. September 1810 in Hamburg, hatte mit ihren Eltern - ihr Vater war Direktor der hamburgischen Feuerversicherungskasse - und Geschwistern am Besenbinderhof gewohnt. Als Amanda dreizehn Jahre alt war, starb ihre Mutter. Amanda, dunkelhaarig und klein von Statur, sanftmütig und gelassen, übernahm die Erziehung ihrer jüngeren Geschwister - und damit war der Grundstock für ihre weitere Lebenslaufbahn gelegt.
    Im Rauhen Haus wohnte das junge Paar mit Wicherns Mutter Caroline im Mutterhaus. Amanda ging der Schwiegermutter bei der Haushaltsführung zur Hand und wollte es der Schwiegermutter recht machen. Doch es gab Konflikte und so manche heimlich vergossene Träne, bis der Gatte es eines Tages bemerkte und eine Aussprache mit seiner Mutter führte. Danach übergab er seiner Frau einen Teil seiner Geldgeschäfte und stellte für die Hilfe im Haushalt eine Küchen- und eine Wäschefrau ein. Damit schien der Konflikt zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter bereinigt gewesen zu sein.
    1836 kam Amanda Wicherns erstes Kind zur Welt. Dazu gesellten sich im Laufe der nächsten Jahre noch weitere acht Kinder. Ein Kind starb bereits im Kindesalter, ein weiteres wurde im Alter von 22 Jahren als Soldat im Krieg getötet.
    Die Arbeit im Rauhen Haus reichte Wichern nicht, er wollte solche "Werke rettender Liebe" in ganz Deutschland anregen. Deshalb unternahm er viele Vortragsreisen.
    Während Johann Hinrich Wichern auf Reisen war, übernahm seine Ehefrau die vielfältigen administrativen Arbeiten für den Geschäftsbetrieb des Rauhen Hauses. Sie war nicht nur - obwohl auch dies schon erheblich war - Mutter und Hausfrau, sie war auch Verwalterin und Managerin des Rauhen Hauses und leitete das Haus in Abwesenheit ihres Mannes. Auch war sie für die im Rauhen Haus aufgenommenen Mädchen und deren Arbeitsgebiete zuständig.
    Zum Rollenverständnis zwischen Mann und Frau äußerte sich Johann Hinrich Wichern wie folgt: "Mutter zu sein, ist der erste Beruf einer Frau. Ihr Wirkungskreis ist das Haus. Als Organ, als Diakon Gottes, dient sie dem Tisch, wie der Mann dem Worte dient. Der Dienst bei Tische ist dem Dienst des Mannes am Wort nicht untergeordnet, sondern nebengeordnet. Über diese Trennung jedoch darf kein Zweifel bestehen.
    Die Frau hat sich nicht in den lärmenden Streit der Männer zu mischen, und in der Kirche hat sie zu schweigen. Mann und Frau gehören zueinander wie die Räder einer Achse. Sie helfen sich gegenseitig, fortzukommen. Ich bin der Außenminister des Rauhen Hauses und Du der Finanzminister."
    1856 waren Amanda Wichern und zwei ihrer Töchter ihrem Mann nach Berlin gefolgt, wo er sich um das Gefängniswesen kümmerte. Die anderen Kinder waren entweder in einem Internat untergebracht, absolvierten eine Lehre oder lebten bei der Großmutter, um in Hamburg weiterhin zur Schule gehen zu können.
    Im Laufe der Jahre bekam Johann Hinrich Wichern mehrere Schlaganfälle, seinen ersten 1866. Nach seinem zweiten Schlaganfall 1871 wurde er vom Staatsdienst beurlaubt, und das Ehepaar Wichern kehrte ganz nach Hamburg ins Rauhe Haus zurück. Wichern begann an Depressionen zu leiden. Sieben Jahre bis zu seinem Tod pflegte Amanda aufopferungsvoll ihren Mann. Am 7. April 1881 wurde die Achtzigjährige Witwe. Fünf Jahre später erblindete sie und starb zwei Jahre darauf am 7. Mai 1888.
    Seit 1890 gibt es im Hamburger Stadtteil Hamm-Mitte den Wichernsweg , benannt nach dem Theologen Johann Heinrich Wichern, ergänzt 2001/2002 um die ebenso bedeutende Ehefrau Amanda Wichern. Neuer Erläuterungstext: "benannt nach dem Ehepaar Johann Heinrich W. (1808-1881), Theologe, Gründer des Rauhen Hauses, und Amanda W. (1810-1888), Leitende Mitarbeiterin ihres Mannes."
    Text: Rita Bake

    Caroline Wichern

    Dirigentin, Gesangspädagogin, Komponistin

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    13.9.1836
    Hamburg-Horn
    -
    19.03.1906
    Hamburg-Horn
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    Grablage: Ihr Grabstein liegt auf der Familiengrabstätte Wichern zu Füßen des Grabsteins ihres Vaters Johann Heinrich Wichern

    Tochter von Amanda Wichern und dem Begründer des Rauhen Hauses Johann Heinrich Wichern. Leitete von 1860 bis 1880 den Männer- und Knabenchor des Rauhen Hauses, von 1881-1896 Gesangslehrerin in Manchester, danach zurück in Hamburg, wo sie im Rauhen Haus als Dirigentin tätig war. 1900 dirigierte sie in Hamburg ein Orchesterkonzert mit eigenen Kompositionen. Sie gab Liedersammlungen heraus, bearbeitete wallische Volksweisen, komponierte Lieder, Gesänge, Klaviermusik.