Christine Böer
Zeichnerin, Gerichtszeichnerin, Journalistin

Berlin
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11.9.2025
Hamburg
Bestattet auf dem Hauptfriedhof Altona, Grablage: Abt. 11 DXXIV Nr. 1.
"Darf ich Sie zeichnen? ". fragte höflich Christine Böer, Zeichnerin und Journalistin. Sie durfte und porträtierte Menschen aus Politik und Medien, vor Gericht und am liebsten in ihrem Alltag. Die Hamburger Morgenpost (MOPO) , das Hamburger Abendblatt, die taz, die Zeit, überregionale Zeitungen wie die Süddeutsche, die Welt oder die Frankfurter Rundschau, der Spiegel und viele andere druckten ihre Arbeiten.
1941 in Potsdam geboren, in Berlin aufgewachsen, ging sie 1961 kurz vor dem Mauerbau nach Hamburg. Sie studierte an der Hochschule für bildende Künste, arbeitete zunächst sieben Jahre lang als Kostümbildnerin in Oper und Theatern. Für die Frankfurter Rundschau war sie „die Frau für die schwierigen Fälle". Für die Süddeutsche Zeitung war sie bei den Prozessen gegen Erich Honecker, den früheren Staatsratsvorsitzenden und andere Politgrößen der DDR mit Stift und Block dabei. Auch Helmut Kohl porträtierte sie im Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre.
Sie zeichnete den Kaufhaus-Erpresser Dagobert und die Gladbecker Geiselnehmer (1991) und viele mehr.
Besonders wichtig waren ihr die Schwachen, Alte, junge Leute am Rande der Gesellschaft. „Menschen in Hamburg-Altona" war ein Buch, das sie 1984 veröffentlichte, 1991 waren es „Porträts Hamburger Jugendlicher", ein Jahr später Zeichnungen von Junkies. Ihre Bücher sind weitgehend vergriffen.
Mit einem Fotoapparat arbeitete sie nie. In einem Spiegel-Gespräch erklärte sie, im Zeichnen habe man andere Möglichkeiten als im Foto. Zeichner beobachten länger und intensiver. Man könne „weglassen und übertreiben, auswählen und bewusst zusammenstellen."
Erholung und Ausgleich für ihre Arbeit suchte und fand Christine Böer in jährlichen Besuchen in Venedig.
Text: Sigrid Meißner