Altona

Jede Frau erzählt ihre eigene Geschichte – entdecken Sie ihr Vermächtnis.

Ehemaliger Friedhof Wohlers Park

    Hedwig von Nyegaard

    geb. Müller

    Stifterin (Von Nyegaard-Stift, Max-Brauer-Allee)

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    30.9.1812
    Altona
    -
    18.3.1898
    Altona
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    Grablage: Grabstein im Park. Der Grabstein ihrer Stiftung befindet sich auf dem Friedhof Diebsteich auf FH 10 Hedwig Magdalene Henriette von Nyegaard entstammte einer wohlhabenden Familie. Von ihrem Vater, dem Syndikus der Stadt Altona, Georg Friedrich Müller erbte sie ein großes Vermögen. Sie war verheiratet mit dem Korvettenkapitän Christian Wilhelm Nyegaard (1790-1847). Das Paar blieb kinderlos und wohnte an der Palmaille 5. Der Gatte starb nach siebenjähriger Ehe im Alter von 57 Jahren. Hedwig Nyegaard wurde mit 35 Jahren Witwe. Fortan lebte sie allein und nahm gewahr, dass es vielen alleinlebenden Damen "gebildeter Stände" finanziell nicht gut ging, dass sie in Armut und schlechten Wohnverhältnissen lebten. So verfügte sie bereits zu Lebzeiten, dass ihr Millionenvermögen auch für den Bau eines Damenstiftes zur Verfügung gestellt werden sollte. Ihr Vermögen sollte: "einem wahrhaft wohltätigen Zweck zu[gewendet werden] in der Weise, daß dadurch auch noch Späterlebenden den Nutzen gebracht und zugleich das Andenken an meinem Vater, von dem das durch mich nach und nach vergrößerte Vermögen herrührt und an meine Mutter sowie an meinen innig geliebten Mann und mich erhalten." 1898 stiftete sie das Nyegaard-Stift für alleinstehende alte Damen. "Es soll Alles was ich sonst hinterlasse an beweglichen und unbeweglichem Haab und Gütern eine milde Stiftung bilden "Die von Nyegaard"sche Stiftung" mit dem Zweck, Witwen und Töchter unvermögender Officire, Beamten, Prediger sowie andere den gebildeten Ständen angehörige alleinstehende weibliche Personen, welche dessen bedürftig und würdig sind, daraus zu unterstützen." "Am 1. Oktober 1901 zogen die ersten Damen in die 50 ca. 34 qm großen Wohnungen ein, die bereits über je ein Wohn- und Schlafzimmer, Küche und ,Klosett" verfügten. Schon damals gab es auch größere Wohnungen mit einem zweiten Schlafzimmer, die von 2 Damen (selbstverständlich nur Mutter und Tochter oder Schwestern) bewohnt werden konnten." 1) Eine Gedenktafel auf dem Gelände erinnert an die Stifterin: "Diesen Bau ließ Hedwig von Nyegaard, (...) als Damenstift errichten. Den reichsweiten Wettbewerb hatte das Berliner Architektenbüro Kuhn und Baumgarten gewonnen. Der schlossähnliche Komplex in Formen der deutschen Renaissance mit Rauhputz und Werksteingliederung zeigt den Einfluss Berlins auf die Architektur des preußischen Altonas." Auch heute leben im Stift Damen in 2-Zimmer-Wohnungen. Text. Rita Bake Quelle: 1) http://nyegaard-stiftung.de/de/Das-Haus/Die-Geschichte

Hauptfriedhof Altona

    Maren Lipp

    geb. Bomhoff

    Bildhauerin, Keramikerin, Malerin, Zeichnerin

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    18.11.1926
    Hamburg
    -
    2.6.2015
    Hamburg
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    Bestattet auf dem Altonaer Friedhof Stadionstraße, Grablage: 11.CXXU. 1-2

    Rethelstraße 7 (Wohnadresse)
    Maike Bruhns schreibt über Maren Lipp: "Ab 1945 Lehre in einer Handweberei mit Gesellenprüfung. 1950 Heirat mit Ulrich Lipp, drei Kinder, unter ihnen die spätere Künstlerin Meike Lipp (geb. 1955). 1965 erste keramische Arbeiten, 1973 Schülerin des österr. Bildhauers Max Rieder in Salzburg. 1975-1981 Besuch der Sommerakad. Für Bild. Künste bei Wander Bertoni, Genot Rumpf, Michael Schönholtz. 1975 Beitritt zur GeDok, 1988 zum BBK. 1982 Kunstpreis der Stiftung "Kinder in Hamburg" (…)."
    1) Werke von ihr wurden z. B. 2004 in der HSH Nordbank in Hamburg und Kiel gezeigt. Maren Lipp schuf meist Kleinplastiken und Figurengruppen mit Motiven aus dem häuslich ländlichen Bereich und meist wurden Frauen dargestellt. 1983 erhielt sie den Auftrag für den Botanischen Garten eine Plastik zu schaffen: Mensch und Tier. 1985 wurde am Anita-Rée- und Ebner-Eschenbach-Weg vierzehn Tierkeramiken von Maren Lipp aufgestellt.
    2) Einzelausstellungen hatte Maren Lipp z. B. :" 1979 Salzburg Gal. Unter der Burg (mit Rieder). In Hbg.: 1981 Anwaltsverein. Gal. Kühling. 1982 Wellingsbüttel Torhaus (…) 1992: ‚Hbg. Abendblatt' Kunsttreppe."
    3) Quelle:
    1) Maike Bruhns: Maren Lipp, in Der Neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs. Überarbeitete Neuauflage des Lexikons von Ernst Rump (1912). Hrsg. Von Familie Rump. Ergänzt, überarbeitet und auf den heutigen Wissensstand gebracht von Maike Bruhns. 2. Aufl Neumünster, Hamburg 2013, S. 270.
    2) Vgl. Maike Bruhns, a. a. O. S. 270.
    3) Ebenda

    Maria Pirwitz

    Bildhauerin

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    29.4.1926
    Hamburg
    -
    19.12.1984
    Hamburg
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    Grablage: Aufgegeben

    Der Grabstein war ein heller, breiter Stein mit grauer Schrift und Kreuz in der Mitte sowie einem biblischen Spruch
    Das 1981 von Maria Pirwitz geschaffene bronzener Brahms-Denkmal "zeigt einen strömenden Fluß von Linien, die sich durchdringen, sich dynamisch verbreitern und verengen und wieder sanft ausklingen, die zu vollem dunklen Ton in die Tiefe gehen - wie die Gefühlsschwere in der Musik von Johannes Brahms - und in den senkrecht aufragenden gebündelten Formen und ihrer räumlichen Dimension die ganze Fülle eines Orchesterklanges darstellen. Die senkrechte Gliederung, die den Fluß der Linien durchdringt, taucht als rythmisch skandierende Gegenbewegung im Ablauf der Plastik wieder auf. Und aus der ganzen Fülle löst sich eine gleichsam schwebende, sanfte Melodienlinie. Durch die Musik von Johannes Brahms inspiriert, wurde nach den Raumgesetzen der Skulptur eine Umsetzung von Musik in plastische Form gestaltet, die sich im Grunde nicht beschreiben, sondern nur sehend erfahren läßt. Wie auch Musiker - zum Beispiel Mussorgski in ‚Bilder einer Ausstellung" - Werke der bildenden Kunst und der Literatur in Musik transportiert haben. Hier frei vor der Musikhalle auf dem neuen ruhigen, offenen Platz, aber auch dicht an dem eilig vorbeifließenden Verkehr, möge die Plastik ein Wahrzeichen für die symphonische Musik sein, die in diesem Haus aufgeführt wird: Hommage à Johannes Brahms, einen ihrer größten Komponisten." [1] So beschrieb Maria Pirwitz den Abschluss und Höhepunkt ihres Schaffens, die breitgelagerte, wogenförmige Bronzeplastik auf dem 1981 zur Brahms-Gedenkstätte neu gestalteten oktogonalen Platz vor der Musikhalle. Mit dem Architekten Jörn Rau zusammen hatte sie den ersten Preis eines 1979 von der Körber-Stiftung im Zusammenwirken mit der Freien und Hansestadt Hamburg ausgeschriebenen Wettbewerbs gewonnen. Man wollte dem ganz in der Nähe, in der Speckstraße im Gängeviertel geborenen Johannes Brahms ein Denkmal setzen, da sein Geburtshaus im Krieg zerstört worden war. In einer Gemeinschaftsarbeit mit den Trägern des dritten Preises, dem Bildhauer Thomas Darboven und dem Architekten Rainer Steffen gestalteten Maria Pirwitz und Jörn Rau die Anlage Johannes-Brahms-Platz/ Dragonerstall neu.
    Auch wenn Maria Pirwitz als Schülerin von Edwin Scharff an der Landeskunstschule aus der Tradition der figürlichen Plastik kam und immer wieder dorthin zurück fand, schuf sie auch abstrakte Werke und beschäftigte sich mit Problemen der abstrakten Gestaltung. Zwei Jahre vor ihrem Tod formulierte sie: "Die gestaltete Form ist wichtig, sie ist das Primäre bei der Idee und Durchführung meiner Plastiken. Form und Inhalt müssen eine Einheit bilden. Durch die Form ergibt sich der Ausdruck, der Gehalt eines Werkes. Bei den abstrakten Plastiken wird das am deutlichsten. Das Zueinander der Form, ihre Bewegung, ihre Linien, die Spannkraft des Volumens geben die Einheit und schaffen den geistigen Bezug, die Aussage. Anregungen dazu gaben oft Naturformen, Felsen, Pflanzen, Mondsichel. Daneben interessiert mich der Mensch in seiner einfachen Daseinsweise, als Stehender, Sitzender, Liegender oder in Beziehung zu einem anderen, ‚im Gespräch"". [1] Damit hat Maria Pirwitz ihren Themenkreis selbst benannt. Bei Aufträgen für Kunst am Bau waren ihre Werkstoffe Ton und Wachs für Bronze. Bei kirchlichen Aufträgen verwendete sie Holz, ein Material, das sie sehr faszinierte und das sie so einwandfrei handhabte, dass ein Tischler-Innungsmeister seinen Lehrlingen ihre Arbeiten als vorbildlich pries. Ihre Sehnsucht aber galt der Bearbeitung eines anderen Materials: "Ich wollte / daß meine Hände stark wären / einen Niethammer zu halten / Zeichen zu hämmern / in Stahlplatten. Aber meine Kraft / ist nicht von dieser Art / hin und wieder / gelingt es mir / einen schwarzen Stein zu wandeln / in einen Vogel / der fliegt."
    Text: Brita Reimers
    Zitat:
    1 Zit. nach: Hanns Theodor Flemming: Maria Pierwitz mit bisher unveröffentlichten Gedichten der Künstlerin und einem Beitrag von Tatiana Ahlers-Hestermann . Hamburg 1987.

    Eva Rühmkorf

    geb. Titze

    Psychologin, Staatsrätin, Gleichstellungsbeauftragte, Ministerin; linke Sozialdemokratin, Pazifistin und Feministin

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    6.3.1935
    Breslau
    -
    21.1.2013
    Ratzeburg
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    Grablage: Abt. 13, J 1-2 Namensgeberin für Eva-Rühmkorf-Straße , benannt 2016 in Altona-Nord Diplompsychologin; von 1968-1978 Grundsatzreferentin für Strafvollzug in der Justizbehörde, dann Direktorin der Jugendstrafanstalt Vierlande; wurde 1979 Leiterin der neu gegründeten Hamburger "Leitstelle Gleichstellung der Frau", seit 1983 in dieser Funktion als Staatsrätin tätig; wurde 1988-1992 Mitglied der Landesregierung Schleswig-Holsteins; war von 1999-2001 Vorsitzende von Pro Familia; hochverdient um die Gleichberechtigung und die Gleichstellung von Frauen und Männern "Der Mensch, der mich in meiner Kindheit und Jugend am stärksten beeindruckt hat, war meine Großmutter mütterlicherseits, Elfriede Schramm". Mit diesem Einstieg begann Eva Rühmkorf ihre Autobiographie "Hinter Mauern und Fassaden" (Stuttgart 1996). Über ihre politische Prägung durch ihre Familie erfahren wir: "Die Großeltern Schramm waren Sozialdemokraten, der Großvater seit 1905 - und ab 1923 Gewerkschaftssekretär des Zentralverbandes der Angestellten (ZDA). Als sich 1931 die Sozialistische Arbeiter-Partei (SAP) abspaltete, schlossen sie sich ihr an. Ihre Kinder engagierten sich bei den Jungsozialisten, unsere Mutter bei den Naturfreunden, wo sie auch unseren Vater kennenlernte." [1] Ihr Vater wurde 1944 als Soldat im Krieg getötet. Ihre Mutter starb drei Jahre später an Brustkrebs. Mit zwölf Jahren wurden Eva und ihre jüngere Schwester Rosemarie Vollwaisen. Nach der Vertreibung aus Breslau-Neukirch, am Rande der Hauptstadt des ehemaligen Schlesien (Eva flüchtete mit ihrer Katze Minni), besuchte sie ein Internat in Bensheim an der Bergstraße in Südhessen. "Schon in meiner Kindheit war es für mich selbstverständlich, dass ich später einmal einen Beruf haben würde." [2] Ihre Berufswünsche als Jugendliche reichten von Technischer Zeichnerin (diesen Beruf hatte ihr Vater ausgeübt) über Missionarin (in ihrer "frommen Phase" während der Zeit des Konfirmandenunterrichts schwärmte sie für Albert Schweitzer) bis zum dem einer Internatsleiterin. 1954, ein Jahr vor Eva Rühmkorfs Abitur, starb auch die strenge, aber verehrte "Großel". Eva und ihre jüngere Schwester Rosemarie blieben zurück. "Während meiner Kindheit und Jugend waren es vor allem Frauen, die mein Leben prägten. Die Hochschullehrer, bei denen ich studierte und arbeitete, waren ausschließlich Männer." [3] Aus Interesse an Statistik wechselte sie ins Hauptfach Psychologie, einer Ihrer Professoren war Reinhard Tausch. 1961 schloss sie das Studium mit dem Diplom ab. In Marburg wurde sie 1956 Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund SDS. Ein Jahr später trat sie in die SPD ein. Damals wurde ihr klar, dass ihre Großmutter Politikerin gewesen war; sie hatte Rosa Luxemburg und Clara Zetkin gekannt, beide Großeltern mit Paul Löbe, dem Alterspräsidenten des ersten Bundestages, zusammen gearbeitet. Während der Nazizeit war der Großvater einige Wochen im KZ Groß-Rosen interniert. Seinem ältesten Sohn, der Frontsoldat war, gelang es jedoch, ihn wieder frei zu bekommen. [4] 1961 zog Eva Titze nach Hamburg. Dort arbeitete sie sieben Jahre lang als Marktforscherin bei internationalen Werbeagenturen, u. a. bei der LINTAS. Den Schriftsteller und Lyriker Peter Rühmkorf hatte sie schon 1959 bei einem Semesterferien-Job kennengelernt. Für die damalige Studentenzeitschrift "konkret" richtete sie ein Archiv ein. Gemeinsames Interesse an Kultur und Politik und die Übereinstimmung in der Einschätzung gesellschaftlicher Themen nannte sie später als lebenslang verbindende Elemente: Fünf Jahre später heiratete sie den "roten Rühmkorf". Sie wechselte in den Öffentlichen Dienst, als sie die Einsicht nicht länger verdrängen wollte, dass sie als Werbepsychologin - zwischen Hundefeinkost in Dosen, Trockenrasierern und "Wasser & CD" - von den hehren Idealen ihrer Studienzeit um Lichtjahre entfernt war. Zwischen 1968 und 1973 wagte sie einen großen Sprung: Nach einem Justizskandal sollte in der Hamburger Gefängnisbehörde ein "Grundsatzreferat für die Reform des Strafvollzugs" neu eingerichtet werden. Eva Rühmkorf stellte sich darunter so etwas wie "Marktforschung im Dienste der Humanität vor". Nach vielen Umwegen bekam sie schließlich den Job ohne Juristin zu sein (obwohl das damalige Referentinnengehalt A 13 rund 1000 DM weniger betrug als ihr Einkommen als Marktforscherin !). [5] Sie setzte sich durch und avancierte zur Wissenschaftlichen Rätin als erste und lange Zeit einzige Frau im "höheren Dienst" im Strafvollzugsamt. Zunächst beargwöhnt, setzte sie Maßstäbe - nicht nur durch grundlegende Reformen: Erstmals stellte sie zum Beispiel Frauen aus der "Allgemeinen Verwaltung" als Sachbearbeiterinnen ein, forderte Gleitzeit im Öffentlichen Dienst. 1973 wurde sie zur ersten weiblichen Direktorin der Hamburger Jugendstrafanstalt Vierlande ernannt. Obwohl Hamburg Ende der sechziger Jahre vorbildlich im modernen Strafvollzug gewesen sei, so erinnerte sie sich, tingelte ich "wie eine Missionarin" durch die Lande, um "für unser Vollzugskonzept und die Humanisierung des Strafvollzugs zu werben". [6] Gemeinsam mit dem von ihr ausgewählten Frauenteam und einem Mann, baute sie 1979 die erste "Leitstelle zur Gleichstellung der Frau" auf - ein nicht nur in Deutschland anerkanntes Modell staatlicher Frauenpolitik - und blieb ihre Leiterin bis 1987, ab 1983 im Rang der ersten Hamburger Staatsrätin. Unterstützt von einflussreichen Persönlichkeiten wie Christa Randzio-Plath war die Diplomatin auf Transparenz und vitale Vernetzung mit allen anderen Dienststellen bedacht: "Vormittags suchte ich die Staatsräte der Fachbehörden auf, abends die Vorsitzenden der Hamburger Frauenverbände." [7] Und sie vernetzte bundesweit die Frauen-Gleichstellungs-Initiativen, studierte internationale Vorbilder. Die Leitstelle widmete sich fünf Arbeitsgebieten: 1. Frau in öffentlichen Dienst 2. Frau im Arbeitsleben 3. Frau in der Familie und im sozialen Umfeld 4. Planung und Koordination von Untersuchungen/Frauenstudien und Frauenforschung im Hochschulbereich/Frau und Gesundheit/Integration von Ausländerinnen 5. Anlaufstelle für Anregungen, Fragen und Beschwerden aus der Bevölkerung/Dokumentation/Informations- und Lesezimmer. [8] Ihren noch einmal neuen Lebensabschnitt, als Politikerin im Kabinett von Ministerpräsident Björn Engholm, formulierte die Traueranzeige in den Lübecker Nachrichten (26.1.2013), unterzeichnet vom Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein, Torsten Albig: "(...) Ministerin a. D. Eva Rühmkorf gehörte von 1988 bis 1992 der Landesregierung an. Frau Rühmkorf hat sich in diesen Jahren zunächst als Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur (1988-1990) und dann als Ministerin für Bundesangelegenheiten und stellvertretende Ministerpräsidentin (1990-1992) in den Dienst des Landes gestellt. Sie hat die Gesamtschule als Regelschule eingeführt sowie die Chancengleichheit von Kindern und die Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen mit großem Engagement vorangetrieben. Sie war stets Ansprechpartnerin für die Bürgerinnen und Bürger des Landes und hat große Verdienste durch ihr fachliches und politisches Wirken erworben. Mit Frau Rühmkorf verliert das Land Schleswig-Holstein eine Persönlichkeit, die von ihren Wegbegleitern, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie von den Bürgerinnen und Bürgern innerhalb und außerhalb des Landes hoch geschätzt war." Nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik war Eva Rühmkorf viel gefragte Referentin. Sie engagierte sich bei Pro Familia Hamburg und wirkte als Gastprofessorin am Dartmouth College in New Hampshire, USA. Bis zu seinem Tod pflegte sie ihren kranken Mann, kümmerte sich um ein Archiv für seinen Nachlass und besorgte eine Werkschau, die das Museum für Kunst und Gewerbe 2004 zeigte. Ihre Lebenserinnerungen - spannend, kurzweilig und humorvoll geschrieben - schloss Eva Rühmkorf mit einem Zitat der St. Petersburger Exil-Lyrikerin Nina Berberova: "Ich habe, so scheint es mir, aus jeglichem Ballast irgendetwas gemacht, etwas Trauriges oder etwas Freudiges. In jedem Fall etwas Lebendiges. Wenn ich mich betrachte, sehe ich, dass mir, wie man so sagt, alles zum Vorteil gereicht hat, und wenn der Preis dafür manchmal übermäßig hoch war, so war es doch der Preis für das Leben." Text: Dr. Cornelia Göksu Quellen: 1 Eva Rühmkorf: Hinter Mauern und Fassaden. Stuttgart 1996, S.19. 2 Eva Rühmkorf, a. a. O., S. 14. 3 Eva Rühmkorf, a. a. O., S. 16. 4 Vgl.: Eva Rühmkorf, a. a. O., S. 20. 5 Vgl.: Eva Rühmkorf., a. a. O., S. 28. 6 Eva Rühmkorf, a. a. O., S. 79. 7 Eva Rühmkorf, a. a. O., S. 131. 8 Eva Rühmkorf, a. a. O., S. 141.

    Alma Wartenberg

    geb. Stähr

    Frauenrechtlerin, sozialdemokratische Politikerin aus Ottensen, Vorkämpferin für Geburtenregelung und Mutterschutz

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    22.12.1871
    in Ottensen
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    25.12.1928
    in Altona
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    Grablage: Abt. 22. I01.05 Namensgeberin für: Alma-Wartenberg-Platz, benannt 1996 in Hamburg-Ottensen Geboren wurde Alma Wartenberg in "Mottenburg", dem ärmeren Teil von Ottensen, als eines von zwölf Kindern einer traditionell sozialdemokratischen Zigarrenmacherfamilie. Schon ihre Mutter Maria Stähr betätigte sich unter dem Sozialistengesetz in getarnten Frauenbildungsorganisationen. Als junge Frau arbeitete Alma Wartenberg als Dienstmädchen, bis sie den Schlosser Ferdinand Wartenberg heiratete, mit dem sie vier Kinder hatte. Politisch trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter und baute vor Ort die proletarische Frauenbewegung maßgeblich mit auf. Von 1902 bis 1906 wurde sie auf Frauenversammlungen jährlich wieder zur sozialdemokratischen Vertrauensfrau im Wahlkeis Ottensen/Pinneberg gewählt. Um das politische Engagement von Arbeiterfrauen zu fördern - auch gegen den Widerstand vieler männlicher Parteigenossen - bereiste sie als Agitatorin schleswig-holsteinische Wahlkreise und erweiterte zu einer Zeit, als Frauen per Reichsgesetz die Mitgliedschaft in politischen Organisationen noch verboten war, das Netz weiblicher Vertrauenspersonen und Frauenversammlungen - parallel zur Parteistruktur aber mit relativer Autonomie. Als Delegierte nahm sie an Frauenkonferenzen und Parteitagen teil. 1905 gehörte sie mit zu den Initiatorinnen einer Protestkampagne gegen ein skandalöses Urteil des Altonaer Schwurgerichtshofes, als vier junge Männer aus bürgerlichen Kreisen wegen Vergewaltigung eines Dienstmädchens überführt, aber dennoch freigesprochen wurden. Entgegen der sozialdemokratischen Parteilinie und auch im Widerspruch zur Führung der proletarischen Frauenbewegung befürwortete Alma Wartenberg eine Zusammenarbeit mit den "Radikalen" innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung. Ausgestattet mit einer gehörigen Portion Eigensinn und einem starken Willen, die Interessen der Frauen nicht denen der Partei unterzuordnen, geriet Alma Wartenberg schon 1906 in Konfrontation mit führenden Funktionären: Ein Parteiausschlussverfahren gegen sie musste zwar eingestellt werden, aber als Vertrauensfrau wurde sie trotz Unterstützung ihrer Genossinnen abgesetzt. Von nun an legte Alma Wartenberg den Schwerpunkt ihres politischen Engagements auf das Thema Mutterschutz und Geburtenkontrolle. Ihr lag an der Verbesserung der Lebensverhältnisse und der Gesundheit von Frauen. Die hohe Säuglingssterblichkeit, die weite Verbreitung der "Frauenleiden" infolge der vielen Geburten und Fehlgeburten und auch der häufig praktizierten Abtreibungen sowie auch die erschreckende Unkenntnis der Arbeiterfrauen über körperliche und sexuelle Vorgänge hatten sie alarmiert. Sie forderte einen besseren Schutz der Mütter und der schwangeren Arbeiterinnen. Ihr Spezialgebiet wurde die Aufklärung der proletarischen Frauen. Dabei kamen ihr Kenntnisse zugute, die sie als Dienstmädchen in einer Arztfamilie beim Aushelfen in der Sprechstunde gesammelt hatte. Sie zog mit Lichtbilder-Vorträgen über den weiblichen Körperbau, über Empfängnisverhütung und Mutterschutz von Stadt zu Stadt. Im An-schluss an ihre stark besuchten Vorträge - mehrere Hundert Zuhörerinnen waren keine Seltenheit - verkaufte sie öffentlich Verhütungsmittel. Damit brachte sie die Justiz, die Beamtenärzteschaft und kirchliche Kreise im konservativen Kaiserreich gegen sich auf. Mehrfach drohten ihr Gefängnisstrafen wegen "Vergehens gegen das sittliche Empfinden". Auch innerhalb der Partei blieb Alma Wartenberg sehr umstritten. Als kurz vor dem ersten Weltkrieg die Gesetze gegen Verhütungsmittel und das Abtreibungsverbot verschärft werden sollten, erklärte Alma Wartenberg, dass allein die Frau das Recht habe, über ihren Körper und die Zahl ihrer Geburten zu bestimmen. Entgegen der offiziellen Parteilinie unterstützte sie innerhalb der Sozialdemokratie die heftig debattierte Idee eines "Gebärstreiks" als Protest gegen den staatlichen "Gebärzwang", eine Idee, die vor allem bei Arbeiterfrauen auf Zustimmung stieß. In der neuen Republik ließ sich Alma Wartenberg als Abgeordnete für die SPD in das Altonaer Stadtverordnetenkollegium wählen und saß seit 1925 als einzige Abgeordnete im schleswig-holsteinischen Provinziallandtag. 1927 legte sie nach einem Schlaganfall alle Ämter nieder und starb 1928 im Alter von nur 57 Jahren. Ihr unerschrockenes Engagement für das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung und freien Zugang zu Verhütungsmitteln war wegweisend und ist immer noch aktuell. Die Benennung des Alma-Wartenberg-Platz es (vorher als Friedenseichenplatz bekannt, aber ohne offizielle Bezeichnung) im November 1996 geht auf historische Forschung und Initiative der Frauengeschichtsgruppe im Stadtteilarchiv Ottensen zurück. Text: Birgit Gewehr von der Frauengeschichtsgruppe im Stadtteilarchiv Ottensen

    Hildegard Wohlgemuth

    Malerin

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    24.2.1933
    Pillkallen/ehem.
    Gebiet Königsberg/Ostpreußen;
    seit 1946
    Mosenskoje/Kaliningrad,
    seit 1992 Exklave Russ
    . Föderation
    -
    11.11.2003
    Hamburg
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    Grablage: 44.I.04.38, Laufzeit bis 2028

    "Von Hildegard Wohlgemuth gibt es viel zu erzählen: von den Schicksalsschlägen, die sie während der Kriegsjahre erlitten hat - Verlust der Heimat in Ostpreußen, Verlust der Familie, Bombenangriff in Leipzig und Verlust ihrer gesamten Kinderheimgruppe, drei Tage verschüttet unter den Trümmern des Hauses, in dem sie mit ihrer Gruppe Schutz gesucht hatte - von den Stimmen und Geistern, die sie danach hörte und sah, von ihrem bewegten Leben zwischen Psychiatrie und Obdachlosigkeit, von ihren Erfahrungen als Bettlerin in Paris und wie es ihr trotz allem schließlich gelungen ist, ihre Tochter Petra zur Welt zu bringen und mit ihr zusammen in einer kleinen Hamburger Sozialwohnung ein halbwegs normales Leben außerhalb der Psychiatrie zu führen. Das alles wäre schon spannend genug. Aber heute steht ihre Kunst im Mittelpunkt, ihre grell-bunten, teils naiv anmutenden, teils vielschichtig-hintergründigen Filzstiftzeichnungen, die in den nächsten vier Wochen hier zu sehen sein werden". So begann der Festvortrag, den die Psychotherapeutin und Sammlerin Dr. Heike Schulz zur Eröffnung einer Werkschau mit Bildern von Hildegard Wohlgemuth am 3. Dezember 2013 in Freiburg hielt.
    Frau Dr. Schulz hatte Hildegard auf einem Psychiatrie-Kongress 1997 kennengelernt [3]. Über das Ergebnis ihrer sorgfältigen biografischen Erkundungen läßt sich folgendes rekonstruieren: Hildegard Wohlgemuths Vater war Staatsförster in Pogegen, Kreis Tilsit /Ragnit gewesen [4]. Hildegard wuchs mit vier Geschwistern auf, drei Jungen und eine Schwester. Durch einen Unfall starb ihr Zwillingsbruder im Alter von drei oder vier Jahren, der erste Lebensschock. Dann folgte die Scheidung der Eltern, Hildegard bleibt zunächst beim Vater, das Schicksal der leiblichen Mutter ist unbekannt. Die Kinder wurden getrennt in verschiedenen Heimen untergebracht. Hildegard konnte 1939 nur ein Jahr eine Schule besuchen, denn danach wurden in den Schulgebäuden deutsche Soldaten einquartiert. 1942 - angesichts der bedrohlichen Lage an der Ostfront - wurden Kinder deutscher Eltern aus Ostpreußen in westlich gelegene Heime "verschickt"; Hildegard und ihre Gruppe kamen über die Kreisstädte Rastenburg und Lyck (beide ehem. Ostpreußen/Masuren, seit 1945 Polen) nach Leipzig.
    Es muss Ende 1943 oder Anfang 1944 gewesen sein: Alle 26 Kinder ihrer Gruppe und die Betreuerin kamen bei einem Bombenangriff ums Leben. Hildegard überlebte als einzige. Verschüttet unter Trümmern musste sie drei Tage allein im Dunkeln ausharren bis sie befreit wurde. Dies war der Beginn ihrer Erkrankung: Albträume, Angstzustände, veränderte Wahrnehmung. Hildegard hörte die Stimmen der toten Kinder und sah sie als kleine Geister, die mit ihr spielen wollten; die Stimme der Betreuerin verfolgte sie mit bedrohlichen Botschaften, die ihr - als einzig Überlebender - Schuldgefühle suggerierte.
    Nach Kriegsende blieb die Suche nach Eltern und Geschwistern in allen Flüchtlingslagern erfolglos: Hildegard mochte nirgends bleiben, sie schlug sich allein durch, wanderte durchs Land, schlief meistens im Freien, im Wald; dort fühlt sie sich sicher [5]. Bis sie schließlich 1948, mit 15 Jahren, in einem Kloster bei Bonn untergebracht wurde. Dort sollte sie Kenntnisse in der Hauswirtschaft erwerben. Mit den Nonnen kam sie jedoch nicht klar. Als sie auch noch von ihren Stimmen erzählte, wollten sie sie in die Psychiatrie bringen. Hildegard floh. Zwei Jahre später 1950, sie war 17, wurde Hildegard in Hamburg nach einem Suizidversuch in die Psychiatrie Ochsenzoll in Hamburg-Langenhorn gebracht. Dort wurde sie 17 Jahre lang unter der Diagnose Schizophrenie behandelt und verwahrt. Trotz der Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung gelang es ihr immer wieder fortzulaufen, manchmal reiste sie bis nach Paris. Aber wenn sie draußen nicht mehr zurechtkam, ließ sie sich freiwillig in die Klinik zurückbringen. - Durch Mitpatienten lernte sie dort rechnen, lesen und schreiben. Gegen den Rat einiger ihrer Ärzte brachte Hildegard 1966, mit 33 Jahren, eine Tochter zur Welt. Die Mutterschaft veränderte ihr Leben grundlegend: "War nun Mutter. Alles andere, auch meine Krankheit, war unwichtig", schrieb sie in einem selbst verfassten Lebenslauf. Da sie als Patientin der geschlossenen Psychiatrie "entmündigt" war und ihr Kind innerhalb der Einrichtung nicht hätte behalten dürfen, war die Aussicht auf eine Schwangerschaft im privaten Umfeld nur durch Vermittlung möglich. Ihr damaliger "Vormund", die Ärztin Frau Dr. Heuer, richtete ihr einen Wohnraum im eigenen Privathaus ein, um ihr zu ermöglichen, ihr Kind selbst zu versorgen und es in einer normalen Umgebung aufwachsen zu lassen. Der nächste, damals "revolutionäre" Schritt: Eine eigene Wohnung. Sechs Jahre später war es soweit: 1972 - nach einem längeren Kampf mit den Behörden - durfte Hildegard zusammen mit ihrer Tochter eine Sozialwohnung im Hamburger Stadtteil Lurup beziehen, die sie bis zu ihrem Tod bewohnte.
    Die kleinbürgerliche Umgebung einer eng bebauten Sozialsiedlung wird ihr zu schaffen gemacht haben, hin und wieder gönnte sie sich "Auszeiten bei den Clochards in Paris". Trotz eigener Wohnung, Tochter, einer wachsenden Anzahl von Enkeln (später insgesamt vier) und Freunden in Hamburg reiste Hildegard weiterhin - per Anhalter oder Bus - fast jedes Jahr nach Paris, zu den Clochards. In deren Gemeinschaft fühlte sie sich geborgen, anerkannt und zuhause. Sie wollte dort "zur Ruhe kommen", wie sie in ihren Tagebüchern schrieb. Erst als mit dem Älterwerden das Übernachten auf Bänken im Freien beschwerlicher wurde, verzichtete Hildegard auf solche "Ausflüge" [6].
    "Hildegard Wohlgemuth war bereits 52 Jahre alt, als sie als Bettlerin auf dem Hamburger Gänsemarkt stand und von einer Frau etwa gleichen Alters angesprochen wurde. Sie bewunderte den selbstgehäkelten Wollmantel, den Hildegard damals trug, und lud sie zu einem Kaffee ein. Das war der Beginn ihrer Freundschaft mit der Künstlerin Elisabeth Ediger, die für Hildegards eigene künstlerische Karriere so etwas wie eine Hebamme gewesen ist. Elisabeth lud Hildegard ein, einmal in der Woche zum Malen zu ihr ins Atelier zu kommen. Sie spürte eine große innere Nähe zu Hildegard, hatte sie doch selbst die Schrecken des Krieges erlebt, die Flucht aus Ostpreußen, den Verlust von Heimat und eines großen Teils ihrer Familie und Freunde. In der künstlerischen Arbeit hatte sie einen Weg gefunden, Vergangenes zu verarbeiten. Sie hoffte, Hildegard würde unter ihrer Obhut vielleicht einen ähnlichen Weg für sich finden. Dabei ging es ihr nicht um Therapie und auch nicht um Kunst. Sie wollte ihr nichts beibringen, sie nicht einengen mit Regeln oder Bewertungen, sie wollte ihr nur Mut machen, sich einzulassen auf das, was dabei entstand. Hildegard nahm dieses Angebot bereitwillig an. Sie kam jeden Dienstag, immer pünktlich und immer mit einer langen Rose als Geschenk für Elisabeth. Dann setzte sie sich vor eine Wand, die Elisabeth für sie mit grundiertem Packpapier beklebt hatte. Als Farben standen ihr Pigmente und Bindemittel zur Verfügung, die Hildegard selbst mischen musste.
    Wie Elisabeth berichtet, war es ein langer und mühsamer Prozess, bis Hildegard sich traute, von den Bildern, die sie in sich trug, etwas herauszulassen. Statt mit bunten Farben, die sie später nutzte, arbeitete sie zunächst fast nur mit Schwarz. Es waren trostlose Bilder von Ausweglosigkeit, Schmerz, Angst und Gefangensein. Aber ganz allmählich wurde ihre Bilderwelt heller und farbiger. Ihr Selbstvertrauen wuchs. Elisabeths Atelier wurde für sie zu dem, was man in der Traumatherapie einen "sicheren Ort" nennt, also zu dem Ort, an dem sie den nötigen Schutz fand, um den bedrohlichen Erinnerungen standzuhalten. Am Ende dieser ersten Jahre des Malens bei Elisabeth steht das Bild einer Frau, die aufrecht mit ausgebreiteten Armen in einer offenen Tür steht und ins Freie schaut. ‚Öffnung" hat Hildegard dieses Bild genannt. Das Motiv taucht in vielfachen Variationen später immer wieder in ihren Arbeiten auf.
    1990 zog Elisabeth Ediger nach Lübeck um, und die gemeinsamen Dienstage konnten nicht mehr wie gewohnt stattfinden. Die Kontakte wurden seltener und unregelmäßiger. Aber das Malen war für Hildegard bereits zu einer inneren Notwendigkeit geworden. Sie begann daher sofort, diese Arbeit auf eigene Faust fortzusetzen. Zuhause auf ihrem kleinen Wohnzimmertisch war es eng. Technik und Materialien musste sie entsprechend verändern. So entstanden zunächst nur kleinformatige Zeichnungen im Format A 4, für die sie fast ausschließlich Filzstifte nutze. Die praktischen Aspekte der Handhabung und der leichteren Verfügbarkeit waren aber nur äußere Gründe für den Stilwandel. Mit den Stiften war es ihr möglich, den starken Fluss von Bildern, der sie oft zu überschwemmen drohte, einzugrenzen, klare Konturen und Strukturen zu schaffen und damit mehr und mehr das Unfassbare ihrer traumatischen Erinnerungen zu bannen. Die Konturen geben Halt, schaffen Distanz und Kontrolle über eine im Wortsinne ‚verrückte" Erlebniswelt, der die Malerin bisher hilflos ausgeliefert war.
    Auch für die intensiv leuchtenden Farben gibt es Gründe, die nicht nur im Ästhetischen liegen. Das Trauma der Verschüttung verfolgte Hildegard zeitlebens wie ein schwarzer Schatten. Manchmal, in depressiven Phasen kam er ganz nahe und drohte, sie zu überwältigen. In ihrem Pariser Tagebuch hat sie diesen Zustand durch eine komplett mit einem schwarzen Stift zugekritzelte Seite dargestellt und am Rand notiert: ‚So schwarz ist es in mir - so schwer - drei Tage schon. Es ist so schwarz - der Tod. Ich muss da wieder raus." Es waren das Licht und die Farben, die Leben und Rettung bedeuteten, als man sie damals nach dem Bombenangriff aus dem dunklen Keller befreite. Mit den Farben der leuchtenden, grell bunten Filzstifte gelingt es ihr, dieses Erlebnis immer wieder hervorzuholen und dem diffusen bedrohlichen Schwarz etwas entgegenzusetzen, was buchstäblich Licht ins Dunkel ihrer Erinnerungen bringt, und zwar in einer nicht zu übersehenden Intensität.
    Später beim Betteln auf der Straße, inmitten von bunter Werbung und lauter Geschäftigkeit, waren die starken Farben ein wichtiges Mittel, um Aufmerksamkeit zu erlangen für ihre Anliegen und Botschaften. Auf ihren Bettelschürzen, den großformatigen Plakaten, die sie sich beim Betteln wie eine Schürze um den Bauch zu binden pflegte, formuliert sie diese auch mit Worten, aber das Bild im oberen rechten Drittel der Schürze ist immer der Blickfang, der das Interesse für den Text erst weckt und zugleich vielschichtig kommentiert [7]. Als Beispiel dafür, wie Hildegard Wohlgemuth das Ringen um Kontrolle über ‚Verrücktes" in ihrem Unterbewusstsein zur Darstellung bringt, möchte ich auf ein Bild hinweisen, in dem eine blaue Katze unter einem in hellen, warmen Farben leuchtenden Regenbogen (oder besser: Sonnenbogen) sitzt. Die Position der Katze drückt häufig etwas von der Befindlichkeit der Malerin selbst aus. Katzen, die von Natur aus viele Wesenszüge mit ihr teilen, spielen in ihren Bildern eine zentrale Rolle, man kann sagen, sie stellen so etwas wie ein Alter Ego dar. In diesem Bild thront die Katze im oberen Drittel direkt in der Mitte des Bildes. Unter ihr, durch kräftige waagerechte Linien begrenzt, zeigen sich ‚verrückte" Gestalten, Kopffüßler mit dünnen Beinen, der eine lächelt, der andere zeigt die Zähne, im oder über dem Kopf des einen ein grinsender Dämon, darunter eine zweite kleinere Katze, schreckhaft und sprungbereit. Die obere blaue Katze lässt sich von diesem Treiben nicht aus der Ruhe bringen. Mit wachsamen Augen scheint sie aufzupassen, dass die ‚verrückten" Gestalten nicht nach oben kommen und ihr den ‚Platz unter der Sonne" streitig machen.
    Kontrolle über ‚Verrücktes" zu gewinnen, es in eine Ordnung zu bringen, verfügbar zu machen, das ist nicht das einzige Thema, mit dem Hildegard Wohlgemuth sich in ihren Bildern auseinandersetzt. Auch die Erfahrungen mit äußeren Gegebenheiten und die Kommunikation mit bestimmten Personen oder Gruppen spiegeln sich in ihnen wider: das Eingeschlossensein unter Mauern und die Befreiung, vor allem in den frühen Bildern; die Erfahrungen in der Psychiatrie und im Obdachlosenmilieu; das Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit, speziell das Bemühen um Aufklärung über ‚schizophrenes" Erleben (Stimmenhören, Farbenrausch, übersteigerte Wahrnehmung u. a.); - die Natur mit Tieren, Pflanzen, den Elementen und Himmelskörpern - eine Welt, die ihr Kraft gab, in der sie sich geborgen fühlte; und schließlich auch die Rolle der Großmutter, die ihren Enkeln etwas Nettes erzählen möchte (z. B. in dem späten sehr heiteren Bild mit Blumenvase, Bienen, Fröschen, Hahn und lachender Sonne).
    Nachdem Hildegard in den Filzstiften ein Instrument der Befreiung entdeckt hatte, begann für sie eine Phase äußerster Produktivität. Unter großem inneren Druck malte sie oft bis zur Erschöpfung. Was dabei entstand, nahm sie häufig mit auf die Straße, um es für wenig Geld zu verkaufen oder auch zu verschenken." [8]. Ab 1993 fand sie Resonanz in der Welt der Medien, der Psychiatrie und der Kunst. Das reichte von Auftritten bei Psychiatrie-Kongressen bis zu Berichten in der Fachliteratur. Der NDR drehte einen Dokumentarfilm mit ihr (Titel: Meine Geister - die Kinder. Ein Leben in Schizophrenie, 1994), Alfred Biolek und Jürgen Fliege luden sie 2000 und 2001 in ihre Talkshows ein, die Presse berichtete über sie. Der Hamburger Psychologieprofessor Thomas Bock verfasste zusammen mit der Journalistin Irene Stratenwerth ein Kinderbuch, das auf ihrer authentischen Biografie basiert und von ihr selbst illustriert wurde (‚Die Bettelkönigin", Psychiatrie Verlag 1998). Das Museum Schloss Salder in Salzgitter präsentierte schon zu Lebzeiten 1998 ihre Werke in einer umfangreichen Einzelausstellung. Sie wurde berühmt, - reich allerdings wurde sie nicht" (Zitat Heike Schulz 2013). Zudem arbeitete die Malerin mit im Schulprojekt des Vereins "Irre menschlich Hamburg e.V. Weitere Ausstellungen waren überwiegend in sozialen Einrichtungen in Hamburg, Freiburg, Berlin und Bayreuth zu sehen" (Heike Schulz, Lebenslauf).
    Die Bilder, welche in der Werkschau in Freiburg/Breisgau 2013 zu sehen waren, "sind Teil einer Sammlung, die ich aus verschiedenen Quellen zusammengeführt habe und die seit kurzem Aufnahme in den Bestand des Bayreuther Kunstmuseums gefunden hat. Das ist schon etwas ganz Besonderes, dass diese Werke nun mit der gleichen Sorgfalt und Achtung wie die Arbeiten schon berühmter Künstler wie z. B. Picasso und Klee als Kulturgut bewahrt werden. Nun können wir mit Recht sagen, Hildegard Wohlgemuth ist angekommen in der Welt der Kunst. (...) Sie selbst hatte diesen Traum schon bald, nachdem sie Elisabeth Ediger kennengelernt und mit dem Malen begonnen hatte. Auf einer ihrer frühen Betteltafeln - den Vorläufern der Bettelschürzen - schreibt sie: ‚Mache Kultur. Kunst. Malen". Im Bildteil dieser Tafel eine Collage von Ausschnitten aus Illustrierten, die Welt der Reichen und Schönen, dazwischen wie von Kinderhand gezeichnet eine kleine Frauengestalt, die die Arme in den Himmel streckt, als wollte sie nach den Sternen greifen. Wie ein Wesen von einem anderen Stern, in der Welt der Zeitschriften die Außenseiterin, unverkennbar. Aber sie bleibt nicht im Abseits, sie stellt sich mitten hinein in diese Welt und sagt uns: ‚Hallo, ich bin da, ich gehöre zu euch, schaut hin, ich habe euch etwas mitzuteilen!"". Soweit Dr. Heike Schulz in ihrer Ansprache zur Werkschau mit Arbeiten von Hildegard Wohlgemuth im OFF Freiburg e.V. am 3. Dezember 2013 (Zitat wie Anm. [8]: Heike Schulz 2013, das pdf enthält auch viele der oben beschriebenen Bildmotive von Hildegard Wohlgemuth).
    Kurios aber wahr: Fast gleichzeitig mit Hildegard Wohlgemuth, der Malerin, lebte eine Schriftstellerin und Poetin mit exakt gleicher Namenschreibung in Hamburg. Einige der Gedichte der Schriftstellerin Hildegard Wohlgemuth sind wohl sogar in einem Sammelband erschienen, zu dessen Nachdruck die Malerin versehentlich ihr Placet gab. Wie es dazu kam? Dr. Heike Schulz erinnert sich: "Ob sie sich je in Hamburg begegnet sind? Wie ist Hildegard an die Gedichte gekommen? Sie selbst glaubte tatsächlich, dass die Texte von ihr seien und dass Redakteure, die sie in die Hände bekamen, daraus Gedichte gemacht hätten. Als ich die Verwechslung der beiden Frauen entdeckte und mit den Verlagen Kontakt aufnahm, erfuhr ich u. a. Folgendes: Der Lektor wollte mit der Dichterin klären, ob sie mit einer Neuauflage eines ihrer Gedichtbände einverstanden sei, und versuchte sie telefonisch zu erreichen. Die Nummer funktionierte nicht mehr, da die Dichterin H. W. inzwischen verstorben war - was der Lektor aber nicht erfahren hatte. So suchte er im Telefonbuch nach ihr - vielleicht war sie ja umgezogen - und fand dort die Nummer der Malerin H. W., die von der Anfrage gar nicht überrascht schien. Sie stimmte der Neuauflage zu und nahm sogar das Angebot, dass der Verlag ihr Belegexemplare schicken könne, dankend an. Sie erhielt diese Bücher, freute sich, ‚ihre" Texte in korrekter, schöner Schrift gedruckt und zu einem Buch gebunden in Händen zu haben - und der Verlag ahnte immer noch nichts! Aus Sicht der Malerin war das ganz sicher keine bewusste Täuschung. Sie schrieb tatsächlich auch eigene Texte. Manche verteilte sie z. B. beim Betteln an Passanten oder an vertraute Personen, wie Elisabeth Ediger, die Hildegards Tagebücher bearbeitet hat und dafür auch gern einen Verlag gefunden hätte. Es war für die Malerin also nicht ganz abwegig zu glauben, dass ihre eigenen Texte bearbeitet worden und in einem Gedichtband erschienen seien" [9].
    "Dank der vielfältigen Wertschätzung und ihres gewachsenen Selbstbewusstseins" gelang es Hildegard 1994, noch im Alter von bereits 61 Jahren, ihre amtliche ‚Wiederbemündigung" durchzusetzen. Am 11.11. 2003 starb Hildegard Wohlgemuth nach kurzer schwerer Erkrankung in einem Hamburger Krankenhaus; auf dem Hauptfriedhof Altona Volkspark ist sie begraben. Begräbnis und Grabstein finanzierte der Hamburger Psychiatrieprofessor Thomas Bock. Zum Schluss noch zum Grab von Hildegard: Es befindet sich auf dem Hauptfriedhof Altona. Vor ein paar Jahren wollte ich es besuchen und habe dabei gesehen, dass der Grabstein, der ebenerdig auf das Grab gelegt worden war, gar nicht mehr sichtbar ist, weil Gras darüber gewachsen ist. Die Beerdigung hatte Prof. Bock damals organisiert, danach hat sich aber offenbar niemand um die Grabpflege gekümmert". Die Laufzeit der Grabstelle endet erst 2028 (vgl. Anm. [1] + [2]).
    Text: Dr. Cornelia Göksu und Dr. Heike Schulz
    Quellen und Anmerkungen:
    1 Adresse und Hinweis auf Grabstelle und Organisation der Bestattung durch Prof. Dr. Thomas Bock dank freundlichem Hinweis von Dr. Heike Schulz, E-Mail an CG v. 22.2.2017. Die hier vorliegende Biografie komponierte CG in enger Anlehnung an die sorgfältig recherchierten Daten, welche Frau Dr. Heike Schulz, Bayreuth, freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Ihr Vortrag von 2013 ist als pdf im Netz herunterzulanden, erepro.de/info-und-diskussion/hildegard-wohlgemuth-und-ihre-kunst/
    Vielen Dank auch an Frau Dr. Marina von Assel, Museumsleiterin des Kunstmuseums Bayreuth, für ihre freundliche Vermittlung zu Frau Dr. Heike Schulz. 2013 ist eine Reihe von Arbeiten Hild. Wohlgemuths aus der Sammlung Dr. Heike Schulz in den Bestand des Museums aufgenommen worden.
    2 Grablage und Laufzeit dank freundlicher Information durch Clemens Jakubiec, Freie und Hansestadt Hamburg, Management des öffentlichen Raumes, MR 343, Hauptfriedhof Altona, Stadionstr. 5, 22525 Hamburg, vom E-Mail v. 3.3.2017)
    3 Zu ihrer ersten Begegnung mit H. Wohlgemuth schrieb Frau Dr. Heike Schulz in einer E-Mail v. 26.2.2017 an CG: "Hildegard habe ich 1997 auf einem Psychiatrie-Kongress in HH kennengelernt. Prof. Bock hatte sie eingeladen, dort Bilder zu präsentieren. Sie hatte mich begeistert, nicht nur mit ihren Bildern, sondern auch mit ihren Erzählungen und ihrer ganzen Art, und ich wollte sie noch besser kennenlernen. So besuchte ich sie regelmäßig, wenn ich in HH war. Auch Bilder kaufte ich von ihr, um sie zu unterstützen. Bis zu ihrem Tod 2003 hatten wir Kontakt. Im Rahmen meiner Arbeit als Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Diakonie gelang es mir 2002, Hildegards Kunst in einer Ausstellung zu zeigen. Nach ihrem Tod wuchs meine Bildersammlung vor allem durch Schenkungen kontinuierlich weiter. 2013 wurde sie vom Bayreuther Kunstmuseum übernommen. Seit Beginn meines Ruhestands 2008 widme ich mich einem Projekt, das sich unmittelbar aus meiner Begegnung mit Hildegard entwickelt hat. Näheres dazu unter rotekatze-ev.de".
    4 Die Stadt gehört heute zu Litauen, vgl. de.wikipedia.org/wiki/Landkreis_Pogegen)
    5 Vgl. hierzu z.B. den Werdegang der Malerin Erika Mintel in dieser Datenbank, Stichwort "Wolfskinder" für allein herum irrende Kinder in der Nachkriegszeit
    6 Fakten und Zitate sind entnommen dem "Lebenslauf Hildegard Wohlgemuth 1933-2003", recherchiert und abgefasst v. Dr. Heike Schulz, Bayreuth; erhalten mit einer E-Mail an CG v. 22.2.2017. Weitere Details und Erinnerungen schrieb Frau Dr. Schulz in ausführlichen E_Mails v. 26.2. sowie v. 3.3. 2017 an CG.
    7 Das Motiv "Bettelschürze" von 1993 sowie weitere Bilder, Porträtfotos und Buchcover etc. von Malerin wie Schriftstellerin finden Sie unter google.de -> Hildegard+Wohlgemuth; dann auf "Bilder" klicken
    8 Quelle: Dr. Heike Schulz: Hildegard Wohlgemuth und ihre Kunst. Vortrag zur Eröffnung einer Ausstellung anlässlich des 15-jährigen Bestehens des OFF-Freiburg/Breisgau e.V. , Obdach für Frauen, gehalten am 3.12.2013 in der Meckel-Halle der Freiburger Sparkasse = Heike Schulz 2013.
    9 Dr. Heike Schulz, E-Mail v. 27.2. s sowie v. 3.3. 2017. Frau Dr. Schulz verwahrt Abschriften aus Tagebüchern von Hildegard Wohlgemuth aus den Jahren 1985 und 86, redigiert von Elisabeth Ediger. Darin beschrieb sie Bruchstücke ihrer Parisreisen, wo sie - neben anderen Privateinladungen - u.a. auch von einem Deutsch sprechenden Psychiater/Neurologen und seiner Gattin für jeweils einige Tage in ihre Luxuswohnung mitgenommen und finanziell ausgestattet wurde. Hildegard ließ sich jedoch nach kurzen Aufenthalten von dem Ärztepaar immer wieder zu ihrem Freiluftplatz am Eiffelturm zurückbringen. Das Geld teilte sie für Essen und Trinken mit ihren Clochardfreund_innen und deren Tieren, wobei sie peinlich darauf bedacht war, dass zuerst gegessen und erst danach Wein getrunken werden durfte.
    Es wäre wünschenswert, eine Auswahl der Bilder aus dem Kunstmuseum Bayreuth, ergänzt um vorhandene Auszüge aus den Schriften, autobiografischen Notizen etc. der Malerin Hildegard Wohlgemuth in einer Ausstellung in Hamburg zu präsentieren (E-Mail mit Dokumentanhang v. Dr. Heike Schulz, 22.3.2017, an CG).

    Cäcilie Hübner

    geb. Framhein

    Germanistin, Niederlandistin, Lektorin und Lehrbeauftragte am Germanischen Seminar in Hamburg, Mitarbeiterin am "Mittelniederdeutschen Handwörterbuch", Vorstandsmitglied in der Deutsch-Niederländischen Gesellschaft in Hamburg (1958 - 1972)

    Ornament Image
    25.12.1908
    Genthin/Sachsen-Anhalt
    -
    7.1.1996
    Hamburg
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    Grablage: anonym bestattet auf dem Urnenfeld 45 Annemarie Hübner hatte einen Direktor eines Reformgymnasiums in Elmshorn zum Vater. 1928 schloss sie ihre Schulausbildung in Elmshorn mit dem Abitur ab. In Hamburg studierte sie Anglistik, Philosophie und Psychologie. Ihr Schwerpunkt lag auf der niederländischen Philologie. Ihre LehrerInnen waren Conrad Borchling (siehe seine Vita in der Datenbank "Die Dabeigewesenen") und Agathe Lasch (Erinnerungsstein im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof). "Ab 1940 arbeitete Hübner, anfangs unbesoldet, als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin am Mittelniederdeutschen Wörterbucharchiv. Zudem lehrte sie in den folgenden Jahren am Germanischen Seminar. Ihre Übungen beschäftigten sich mit der gotischen, altsächsischen, mittelhochdeutschen, frühneuhochdeutschen und mittelniederländischen Sprache. (…) Nach Ende des Zweiten Weltkriegs trat sie, wie andere Wissenschaftlerinnen, von ihrer Stelle zurück, damit diese von aus dem Krieg zurückgekehrten Kollegen besetzt werden konnten." [1] Laut ihrem Entnazifizierungsfragebogen war Annemarie Hübner von September 1938 bis Mai 1942 wissenschaftliche Hilfsarbeiterin am Germanischen Seminar der Universität Hamburg gewesen. Von Mai 1943 an war sie als "Vertreter einer wissenschaftlichen Assistenzstelle am Germanischen Seminar" tätig (Staatsarchiv Hamburg 221-11 Ed 3710). Diese Stelle hatte sie bis 1948 inne. Annemarie Hübner trat in der NS-Zeit nicht der NSDAP bei. Sie war Mitglied der NSV von März 1943 bis Juni 1943 und des Deutschen Frauenwerkes ebenfalls nur von März 1943 bis Juni 1943. (Staatsarchiv Hamburg 221-11 Ed 3710) Obwohl seit 1938 an der Universität Hamburg tätig, erhielt Annemarie Hübner erst 1956 "als Lektorin für niederländische Sprache und Afrikaans eine feste Anstellung". [2] Annemarie Hübner beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Mittelniederdeutschen Handwörterbuch, für das sie Artikel verfasste. "Wenig bekannt ist, dass Hübner 1959 in einem Aufsehen erregenden Verfahren vor dem Landgericht Lübeck ein vergleichendes Gutachten zur Quellenechtheit der deutschen Ausgabe des ‚Tagesbuchs" von Anne Frank erstattete. Hübners Expertise (…) trug damals zur Abwehr rechtsextremer Angriffe auf eines der zentralen Dokumente zur nationalsozialistischen Judenverfolgung bei." [3] "Von 1958 bis 1972 war Hübner Vorstandsmitglied der Deutsch-Niederländischen Gesellschaft in Hamburg, die Schülern zu Sprachreisen und Studienaufenthalte in den Niederlanden verhalf." [4] Außerdem war sie seit 1961 auswärtiges Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften und ab 1963 der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften. Text: Rita Bake Quellen: 1 Wikipedia: Annemarie Hübner (abgerufen: 8.1.2018) 2 Mirko Nottscheid: Cäcilie Margarete Annemarie Hübner, in: Hamburgische Biografie. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Bd. 4, Hamburg 2008, S. 164. 3 Mirko Nottscheid, a. a. O., S. 165. 4 Wikipedia: Annemarie Hübner (abgerufen: 8.1.2018)

Jüdischer Friedhof Königsstraße

    Fromet Gugenheim

    verh. Mendelssohn

    Hausfrau, Geschäftsfrau

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    6.10.1737
    Hamburg
    -
    5.3.1812
    Altona
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    Grablage:

    Fromet Gugenheim war die Tochter eines Kaufmanns. Sie war mit dem 14 Jahre älteren Philosophen Moses Mendelssohn verheiratet, den sie 26 Jahre als seine Witwe überlebte und den sie durch Vermittlung des Arztes Emmerich Gumpertz (1723-1769) kennengelernt hatte.
    Vor der Hochzeit urteilte Moses Mendelssohn über seine Zukünftige: "Das Frauenzimmer, das ich zu heiraten Willens bin, hat kein Vermögen, ist weder schön noch gelehrt; gleichwohl bin ich ein verliebter Geck so sehr von ihr eingenommen, dass ich glaube, glücklich mit ihr leben zu können." Diese Erkenntnis übermittelte er seinem Freund Lessing ein Jahr vor seiner Hochzeit. In Briefen, die sich das Paar zweimal in der Woche schrieb, sprachen die beiden auch über literarische und sprachliche Fragen - ganz so ungebildet kann Fromet also nicht gewesen sein. Aber Moses Mendelssohn hielt es für notwendig, dass sie ihre Bildung vervollkommnete und so vermittelte der zukünftige Gatte seiner zukünftigen Ehefrau Privatunterricht bei Johann Joachim Christoph Bode, einem Freund von Lessing und selbst Übersetzer, Journalist und Musiklehrer
    Die Ehe wurde 1762 in Berlin geschlossen, wo das Paar in Folge auch lebte. Der Historiker Arno Herzig schreibt in seinem Portrait über Fromet Mendelssohn, aus den
    Briefen, die sich die beiden schrieben, werde deutlich, "dass es sich um eine echte Liebesbeziehung handelte, die mit den jüdischen Konventionen brach. So verzichtete das Paar auf einen Ehevertrag."
    1) In den folgenden 19 Jahren bis 1782 gebar Fromet Mendelssohn zehn Kinder. Vier von ihnen starben früh. Fromet Mendelssohn war u.a. die Mutter des Bankiers Abraham Mendelssohn und Großmutter der Komponisten und Musiker Fanny und Felix Mendelssohn-Bartholdy.
    Fromet Gugenheim war mit der Haushaltsführung und der Mutterarbeit stark beschäftigt, obwohl sie sicherlich auch über Personal verfügte. Dennoch übernahm sie noch die geschäftliche Korrespondenz ihres Mannes, wenn dieser abwesend war.
    In Wikipedia heißt es über Fromet Mendelssohn: "Sie galt als leidenschaftliche Theaterbesucherin. Da sie Kontakte mit Gotthold Ephraim Lessing und Johann Jakob Engel pflegte, nahm sie auch Einfluss auf das kulturelle Leben in Berlin. Dies ist dokumentiert in den wenigen Briefen, die von ihr aus der Zeit zwischen 1773 und 1775 erhalten sind."
    2) Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1786 zog Fromet Mendelssohn zu einer ihrer Töchter nach Neustrelitz. Nachdem sich diese von ihrem Ehemann hatte scheiden lassen, zogen beide nach Hamburg zurück zu Fromets Söhnen Joseph und Abraham.
    "Aus der Zeit in Berlin hatte sie einen 1774/75 von ihr und ihrem Gatten in Auftrag gegebenen Toravorhang mitgebracht, der vermutlich aus ihrem Brautkleid angefertigt worden war. Dieser Toravorhang wurde im Jahr 1805 der großen Altonaer Synagoge geschenkt. Heute kann er im Jüdischen Museum Berlin im Sammlungsbereich "Angewandte Kunst" besichtigt werden."
    3) Nachdem Fromet Mendelssohn gestorben war, wurde auf ihrem Grabstein in hebräischer Sprache die Inschrift eingemeißelt, sie sei die Tochter des Kaufmanns Abraham Guggenheim gewesen und die Witwe "unseres Lehrers, des Meisters Herrn Moshe Mendelssohn". Matthias Gretschel kommentierte dies 2009 in seinem Artikel über Fromet Gugenheim, den er anlässlich des Restaurierungsschlusses ihres Grabes im Hamburger Abendblatt veröffentlichte: "-- einen Hinweis auf die eigene Lebensleistung hielt man, wie bei Frauen damals allgemein üblich, für verzichtbar. Sie wurde lediglich als "züchtig" und "fromm" charakterisiert. Dabei war die am 6. Oktober 1737 geborene Hamburger Jüdin offenbar eine eindrucksvolle Persönlichkeit. "
    4) Text: Rita Bake
    Quellen:
    1) Arno Herzig, in: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Personenlexikon. Bd 1. Hamburg 2001, S. 114.
    2) Wikipedia: Fromet Gugenheim, abgerufen 8.1.2018.
    3) Ebenda.
    4) Matthias Gretschel: Fromet-Mendelssohns grab wurde restauriert, in :_ Hamburger Abendblatt vom 6.5.2009. Unter: https://www.abendblatt.de/kultur-live/article107506536/Fromet-Mendelssohns-Grab-wurde-restauriert.html

Friedhof Diebsteich

    Margareta Hunck-Jastram

    geb. Stalmann, geschiedene Jastram

    Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (CDU) von 1961 bis 1970

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    30.11.1913
    Altona
    -
    2.3.1998
    Hamburg
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    Grablage: H 1094/1098

    Margareta Hunck-Jastram ist bestattet bei ihren Eltern, wo auch ihr erster Mann begraben ist. 1955 trat die Pastorentochter Margareta Hunck-Jastram in die CDU ein und war bis 1993 Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. In erster Ehe war sie mit Friedrich Jastram (1907-1989), einem Pastor, verheiratet gewesen, mit dem sie drei Kinder hatte. 1968 heiratete sie den Bürgerschaftsabgeordneten (CDU) Heinrich Hunck. Er wurde nach seinem Tod bei seiner ersten Ehefrau auf dem katholischen Teil des Ohlsdorfer Friedhofes bestattet.
    1961 wurde Margareta Hunck-Jastram CDU-Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. Ihre drei Kinder waren damals vierundzwanzig, vierzehn und elf Jahre alt. Bis 1970 engagierte sie sich als Abgeordnete der Bürgerschaft in den Bereichen Schule, Soziales und Eingaben. Als besonderes Erfolgserlebnis ihrer politischen Arbeit bezeichnete sie die Durchsetzung der Verlängerung der Verjährungsfrist für NS-
    Verbrechen: Unrecht in dieser Dimension kann und darf nie verjähren. Nach ihrem Ausscheiden aus der Bürgerschaft wurde sie Geschäftsführerin der Staatspolitischen Gesellschaft und war auch als Geschäftsführerin in einem Abgeordnetenbüro tätig. Außerdem war sie Mitglied der Vereinigung ehemaliger Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft.
    Text: Dr. Rita Bake

    Luise Auguste Henriette Schenck

    Schriftstellerin

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    14.6.1839
    Elmshorn
    -
    25.10.1918
    Hamburg
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    Grablage: BA- 01, 000-032 Der Grabstein liegt unmittelbar am Hauptweg des Friedhofes Diebsteich, ca. 150 Meter von der Kapelle entfernt, auf der rechten Seite. "Ihr Neffe Ernst Barlach - seine Mutter war eine Cousine Luise Schencks - hinterließ mit seinem für sie und ihre Schwester Bertha gefertigten Grabstein auf dem Friedhof Diebsteich eine sichtbare Spur ihres Wirkens: ein aufgeschlagenes Buch auf einem angedeuteten Lesepult." (Alexandra Lübcke)

    Alexandra Lübcke verfasste und veröffentlichte im 4. Band der Hamburgischen Biografie von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke ein Kurzprofil über Luise Auguste Henriette Schenck. Darin schreibt sie über die Schriftstellerin: "Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zu ihrem Tode wartete Luise Schenck mit zahlreichen literarischen Publlikationen auf, gleichwohl blieb ihr der große literarische wie auch finanzielle Erfolg versagt. (...)
    Als literarisch tätige, alleinstehende Frau konnte Luise Schenck nicht von ihrem künstlerischen Schaffen leben und arbeitete zusätzlich als Sprachlehrerin und Übersetzerin. Auch die Bekanntschaft mit prominenten zeitgenössischen Schriftstellern wie Otto Ernst und Timm Kröger (Hamburger Kreis) schützte sie nicht davor, dass ihr die erhoffte literarische und finanzielle Anerkennung von Verlegern versagt blieb. Dieses Schicksal teilte sie mit anderen zeitgenössischen Dichterinnen, die öffentlich präsent sein wollten."
    1) Luise Scheck war, wie Alexandra Lübcke schreibt, eine "höhere Tochter": der Vater ein Rechtsanwalt, über die Mutter wird nichts berichtet.
    "Engere Kontakte hatte Luise Schenck zu ihrem Patenonkel August, einem in London und Paris erfolgreichen Kunstmaler. Mit ihm unternahm sie als junge Frau (...) umfangreiche Reisen innerhalb Europas, bevor sie später nach Südamerika aufbrach. (...) in den 1870er Jahren ging sie als Sprachlehrerin und Erzieherin nach Brasilien.
    Nach ihrer Rückkehr betrat sie in Hamburg 1885 die literarische Bühne mit ihren Reiseerzählungen "Lose Blätter aus Brasilien" und verortete sich mit dem Buch im zeithistorischen Kontext bildungsbürgerlicher Reisekultur, die vor allem bürgerlichen Frauen nicht nur literarische Türen öffnete. Die ihr Werk kennzeichnende ungewöhnliche Textur aus unterhaltsamen Reiseberichten, Tagebucheinträgen, Novellen und - teils übersetzten - romantischen Gedichten brachte sie in freundschaftlichen Kontakt mit dem Schrifststeller Gustav Freytag. Es folgten weitere Erzählungen, wobei sie sich (...) mit ihren Geschichten thematisch fast ausschließlich der schlewig-holsteinischen Heimat verschrieb und historische Sujets ihrer näheren Umgebung verarbeitete. (...) mehrere Jahre musste Luise Schenck das Schreiben aufgrund der intensiven Pflege ihrer Mutter und mehrerer Schwestern unterbrechen."
    1) Quelle:
    1) Alexandra Lübcke, in: Hamburgische Biografie. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Bd. 4, Hamburg 2008, S. 300-301.

Friedhof Bornkamp

    Olga Essig

    Berufsschul-Pädagogin, Frauenrechtlerin Grabstelle aufgelöst

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    15.7.1884
    Bromberg
    -
    14.12.1965
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Olga Essig stammte aus einer jüdischen Familie, die auf einem Bauernhof in Bromberg lebte. Olga Essig hatte sechs Geschwister und die Eltern konnten es sich finanziell nicht leisten, ihrer Tochter eine höhere Schulbildung zu ermöglichen. Gleich nach dem Abschluss der Volksschule musste Olga Essig einen Beruf ergreifen. Doch sie war sehr ehrgeizig und wollte weiter lernen. Deshalb nahm sie neben ihrer Tätigkeit als Kontoristin noch Privatunterricht, um das Abitur machen zu können. Nachdem sie dies geschafft hatte, wurde sie 1908 Lehrerin an der staatlichen kaufmännischen Fortbildungsschule in
    Bromberg. Doch auch damit gab sie sich nicht zufrieden. 1914 machte sie ihre Diplom-Handelslehrerprüfung und eine Zusatzprüfung in Technologie. Dann studierte sie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Pädagogik. 1918 promovierte sie zum Dr. rer. pol.. Von nun an war eine ihrer Ziele, das Berufsschulwesen zu reformieren. Dabei ging es ihr besonders auch darum, den berufstätigen Frauen eine Gleichstellung im Beruf und in der Gesellschaft zu ermöglichen. So forderte sie z. B. uneingeschränkt Fortbildungsschulen für alle Frauenberufe.
    Ab 1921 wurde Olga Essig Leiterin der Städtischen Frauenarbeitsschule in Mainz. Ein Jahr später legte sie wegen Auseinandersetzungen um ihren Führungsstil das Amt nieder. 1922 folgte "eine Berufung als ‚Vortragender Rat" für das Referat "Mädchen-Berufsschulwesen" [im] thüringischen Volksbildungsministerium in Weimar. Dort erwartete sie Pionierarbeit, wie sie sie liebte. Es ging um Aufbau und Leitung des weiblichen Berufs- und Fachschulwesens und um einheitliche Gesetzesgrundlagen für die neue Einheitsschule. Doch war all dies nur von kurzer Dauer. 1924 wurde in Thüringen nach dem Einmarsch der Reichswehr und einem monatelangen Ausnahmezustand eine Rechtsregierung gebildet. Olga Essig, eine überzeugte Sozialistin und seit der Novemberrevolution Mitglied der SPD, wurde daraufhin entlassen." 1)
    Da sie jedoch inzwischen durch ihre Vorträge und Arbeit so bekannt geworden war, holte der Hamburger Senat sie nach Hamburg und gab ihr 1924 die Stelle als Direktorin der Allgemeinen Gewerbeschule für das weibliche Geschlecht. 1929 wurde sie als erste Frau in Hamburg Oberschulrätin für das gesamte Hamburgische Berufsschulwesen. Olga Essig baute das Hamburger Berufsschulwesen für Mädchen auf und war maßgeblich daran beteiligt, dass die selbstständig arbeitende Berufsschulbehörde mit der Schulbehörde zusammengelegt wurde.
    1933 wurde sie aus politischen Gründen entlassen. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie wieder in ihr Amt als Oberschulrätin für die Berufsschulbehörde eingesetzt, das sie bis zu ihrer Pensionierung 1950 innehatte.
    Gleichzeitig war sie auch in der Hamburger Frauenbewegung aktiv. So war sie 1946 Mitbegründerin des Hamburger Frauenrings. 1959 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse überreicht. Text: Rita Bake
    Quelle:
    1) Traute Hoffmann: Der erste deutsche ZONTA-Club. Auf den Spuren außergewöhnlicher Frauen. Hamburg 2002, S. 147f.

Friedhof der Christianskirche Hamburg Ottensen

    Therese Halle

    geb. Heine

    Kunstsammlerin und Stifterin

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    17.12.1807
    Hamburg
    -
    22.4.1880
    Baden-Baden
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    Bestattet auf dem Friedhof der Christianskirche, nördlich hinter der Kirche in Hamburg Ottensen

    Gegenüber dem Museum für Hamburgische Geschichte steht das Heine'sche Wohnstift, dem Bruchsaler Schloss nachempfunden. So ist denn auch der Vorgarten wie ein kleiner Schlossgarten des 18. Jahrhunderts angelegt, in den man durch ein großes Gittertor gelangt. Vor dem Haus braust der Verkehr ohne Unterlass, und so haftet dieser Idylle etwas leicht Unwirkliches an.
    1866 richtete Therese Halle, Tochter des Bankiers Salomon Heine und seiner Frau Betti, Cousine des Dichters Heinrich Heine, zum Gedenken an ihre verstorbenen Eltern im ehemaligen elterlichen Wohnhaus am Jungfernstieg 34 das Heine'sche Asyl ein. Es war ein Wohnstift mit Freiwohnungen für 45 hilfsbedürftige ältere Frauen, die von "einwandfreiem Ruf" sein mussten. Verheiratet war Therese Halle, die der Bankiersfamilie Heine entstammte und in die auch ihr Cousin, der Dichter Heinrich Heine, verliebt gewesen war, mit dem Juristen und Präsidenten des Hamburger Handelsgerichts Adolph Halle (1798-1866) Er war wohl auch der Wunschkandidat ihres Vaters Salomon Heine - und nicht der "missratene" Neffe Heinrich Heine. Das Ehepaar blieb kinderlos.
    Über Therese Haller hat die Historikerin Sylvia Steckmest einen beachtenswerten Aufsatz verfasst, der auf einen Vortrag
    basiert, den sie 2016 zum 20jährigen Bestehen der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie hielt. 1). Sylvia Steckmest schreibt über die Hochzeit: "Therese ließ sich im März 1828 in der Nicolaikirche taufen, nachdem der Bräutigam sich bereits im Alter von 18 Jahren hatte taufen lassen. Inzwischen war er 30 Jahre alt. Die Hochzeit fand am 15. Mai 1828 in der Petrikirche statt. Als Hochzeitsgeschenk erhielt das Paar vom Onkel des Bräutigams, Hartwig Hesse, dem Kunstsammler, ein Haus in der ABC-Straße, (…). Auf dem großen Grundstück am Elbhang in Ottensen ließ Salomon für seine Tochter und ihren Gatten bald nach der Hochzeit eine neue Villa bauen, dicht neben der eigenen. Dieses Gebäude wurde vermutlich von Joseph Ramée entworfen und steht mit der schmalen Front zur Elbe. Inzwischen renoviert, wird es zu Luxus-Appartements umgebaut, (…)." 2). Als Salomon Heine starb, erbte Therese neben einer großen Summe Bargelds auch das Haus am Jungfernstieg 34, (an seinen Standort erinnert heute die Aufschrift "Heine Haus" am sich dort befindenden Haus). Es war beim Großen Brand auf Hamburg zerstört und kurz danach wiederaufgebaut worden. Thereses Halle, die mit ihrem Mann nach Dresden gezogen war, wo ihr Mann, der an einer psychischen Erkrankung litt, 1866 starb, ließ nach dem Tod ihres Mannes das bereits oben beschriebene Heine'sche Asyl "für ‚unbescholtene alleinstehende und mittellose Witwen und Jungfrauen ab 50 Jahren (…) gründen. (…) Außer einer Freiwohnung erhielt jede Dame eine Geldunterstützung von 120 Courant Mark jährlich, dazu Heizmaterial, Beleuchtung und ärztliche Versorgung sowie freie Medikamente (…). Im Herbst wurde den Bewohnerinnen Obst aus dem Garten an der Elbe zum Jungfernstieg gebracht. Therese übernahm die Auszahlungen an ihre Asylbewohnerinnen selbst, um sich nach dem Befinden ihrer Schützlinge zu erkundigen. Sehr Bedürftige, besonders solche Bewohnerinnen, die früher in Diensten der Stifterin gestanden hatten, erhielten von ihr zusätzlich eine wöchentliche Unterstützung. Es lebten dort überwiegend christliche Frauen, aber auch einige Jüdinnen."3) In dem Stift wohnte auch Louise Fröbel, die Witwe von Friedrich Fröbel. 4)
    1901 wurde das Haus abgerissen und als "Heine'sches Wohnstift" für ca. 100 ältere Frauen am Holstenwall 18 neu errichtet. Im Eingangsbereich ist der Stifterin mit dem 1872 gefertigten Marmorrelief des Bildhauers Heinrich Möller ein Denkmal gesetzt worden. Dort ist sie in der Mitte als junges Mädchen zu betrachten, wie sie den armen und alten Frauen hilft. Küchen- und Stubenmädchen rechts und links von ihr am Bildrand sind mit ihren Arbeiten beschäftigt.
    Im Treppenhaus hängt auch eine restaurierte Marmortafel, auf der an die Gründung des Stiftes erinnert wird, das 1939 "arisiert" wurde. Heute ist das modernisierte Stift mit 48 Ein- und Zweizimmerwohnungen für ältere Damen, Herren und Ehepaare ausgestattet.
    Therese Halle vermachte der Hamburger Kunsthalle 48 Gemälde und zwei Skulpturen. Viele von ihnen kaufte sie auf ihren Reisen durch Deutschland und Europa. Trotzdem wurde sie nicht in der Kunsthalle "verewigt", dieses Privileg erhielt nur ihr Mann. 2008 widmete die Kunsthalle dieser Sammlerin schließlich eine Ausstellung. 5)

    Literatur:
    1) Sylvia Steckmest: Drei Stifter für Hamburg. Salomon Heine und das Israelitische Krankenhaus - Carl Heine und die Kunsthalle -Therese Halle geb. Heine und das Wohnstift, in: Liskor - Erinnern. Jahrgang, September 2016, Magazin der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V., S. 14-21.
    2) Sylvia Steckmest, a. a. O., S. 15.
    3) Sylvia Steckmest, a. a. O., S. 18.
    4) vgl ebenda.
    5) Vgl.: Hamburger Kunsthalle: Therese Halle, geb. Heine. Eine Hamburger Sammlerin und Stifterin, unter: www.hamburger-kunsthalle.de/ausstellungen/therese-halle-geb-heine

    Meta (Margareta) Klopstock

    geb. Moller

    Schriftstellerin, Ehefrau des Dichters Gottlieb Klopstock

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    16.3.1728
    Hamburg
    -
    28.11.1758
    Hamburg
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    Grablage:

    Seit 2001 Namens-Mitgeberin für die 1846 nur nach Friedrich Gottlieb benannte Klopstockstraße in Hamburg-Ottensen Meta Moller war eine Tochter aus "gutem Haus". Ihr Vater, ein Kaufmann, starb, als Meta acht Jahre alt war. Die Mutter heiratete ein zweites Mal. Doch das Verhältnis zu dem Stiefvater war so schlecht, dass Meta zu ihrer Schwester Elisabeth Schmidt zog.
    Meta Moller war "eine sprachenkundige und literarisch interessierte junge Frau, die im Kreise von Hagedorn verkehrte und eine Reihe der Mitarbeiter der "Bremer Beiträge" auch persönlich kannte. Für die 1744 gegründeten "Neuen Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes", die wegen ihres Erscheinungsortes kurz die "Bremer Beiträge" genannt wurden, war Klopstock eine Zentralfigur, zumal seitdem er dort 1748 die ersten drei Gesänge des "Messias" veröffentlicht hatte. Um dieses Zentralgestirn herum kreisten Namen wie Nikolaus Dietrich Giseke, Karl Christian Gärtner oder Johann Andreas Cramer, mit denen Meta Moller in Kontakt war.
    Eben jene ersten drei Gesänge des "Messias" aber sollten der jungen 23jährigen Frau gewissermaßen zum Schicksal werden. Von einer Schwester Metas ist ein Bericht erhalten, der auf eindrückliche Weise die Vorgeschichte ihrer Begegnung mit Klopstock darstellt.
    Elisabeth Schmidt, so der Name der Schwester, hält im Rückblick eine Geschichte fest, die uns auch einen Eindruck in gelegentlich seltsame Zugangswege von Frauen zur Literatur verschaffen kann: "Meta hat den Messias dadurch zuerst kennen lernen, daß sie etwas von den 3 ersten Gesängen, in Papillotten (Haarwickler) zerschnitten auf der Toilette einer ihrer Freundinnen gefunden, welches sie zusammen geklebt, und mit großem Beyfall gelesen; Giseke vielem Feuer gefragt: Ist mehr von diesen (!) göttlichen Gedicht zu haben und wo? Und wer ist der Verfasser. Gisekens Antwort war: Es sind erst 3 Gesänge heraus in den Beyträgen ich will sie mitbringen; und der Verfasser heißt Klopstock - ja wen sie den kennen lernten, so würde ich ganz ausgethan das wäre ganz der Freund für die Mollern (...)." (F. u. H. Tiemann (Hrsg.): Meta Klopstocks Briefwechsel 1980, S. 15.)
    Giseke vermittelte auch die Begegnung, nach der Meta verlangte. Bei seinem nächsten Zusammentreffen mit Klopstock in Braunschweig sagte er: "Höre Klopstock du must in Hamburg: ein Mädchen besuchen die heist Mollern. Ich gehe nicht nach Hamburg: um Mädchen zu sehen, nur Hagedorn will ich sehen; ach Klopstock das Mädchen must du sehen daß ist so ein ganz ander Mädchen als andere, sie ließt den Messias mit Entzücken, sie kent dich schon, sie erwartet dich, nun noch lang und breit Meta beschrieben Klopstock: geräth dabey in tiefes Nachsinnen." (Ebenda, S. 13.) Über ihre erste Begegnung mit Klopstock im April 1751 schrieb Meta: "Nun mache ich die Thür auf, nun sehe ich ihn - Ja hier mußte ich Empfindungen malen können. - Ich hatte schon so viele Fremde gesehen, aber niemals hatte ich einen solchen Schrecken, einen solchen Schauer empfunden. Auch hatte gar nicht die Meynung, daß ein ernsthafter Dichter finster und mürrisch aussehen, schlecht gekleidet seyn und keine Manieren haben müsse aber ich stellte mir doch auch nicht vor daß der Verfasser des Messias so süß aussehe, und so bis zur Vollkommenheit schön wäre (Denn das ist Klopstock in meinen Augen, ich kanns nicht helfen, daß ichs sage)." (Ebenda, S. 9.)
    Nach dieser Begegnung fuhr Klopstock nach Kopenhagen, wohin ihn der dänische König Friedrich V. eingeladen hatte, um dort den "Messias zu vollenden". Dafür erhielt Klopstock eine Pension von 400 Reichstalern.
    Im Sommer 1752 verlobten sich Meta Moller und Klopstock, allerdings gegen den Willen von Metas Familie. Zwei Jahre später fand die Hochzeit statt. Das Paar zog nach Dänemark, wo es in Lyngby bei Kopenhagen lebte.
    Meta unterstützte ihren Mann bei seiner schriftstellerischen Tätigkeit, war seine erste Kritikerin. Da sie mehrere Sprachen sprach, vermittelte sie ihm auch englische Literatur. Selbst war auch sie schriftstellerisch tätig. Ihre Briefe sind später veröffentlicht worden. So schrieb sie z. B. das Drama "Abels Tod". Als Meta, die bereits zwei Fehlgeburten durchlitten hatte, erneut schwanger wurde, zog sie nach Hamburg, um dort zu entbinden. Sie starb 1758 nach der Entbindung ihres ersten Kindes, das tot geboren wurde. Beide wurden auf dem Kirchhof von Ottensen an der Christianskirche beerdigt. Das Grab befindet sich heute noch dort.
    Text: Dr. Rita Bake
    Quellen:
    F. u. H. Tiemann (Hrsg.): Meta Klopstocks Briefwechsel 1980.
    Hamburgische Biografie: Personenlexikon. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke. Bd. 1. Hamburg 2001 - hier Autor: Horst Gronemeyer.

    Johanna Elisabeth Klopstock, verwitwete von Winthem

    geb. Dimpfel

    Sängerin, Ehefrau von Friedrich Gottlieb Klopstock

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    26.7.1747
    Hamburg
    -
    19.1.1821
    Hamburg
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    Grablage: Johanna war die Tochter des Hamburger Kaufmanns Johann Heinrich Dimpfel und der Hamburger Kaufmannstochter Catharina Margaretha Moller und die Nichte von Meta Klopstock, geb. Moller. 1765, im Alter von 18 Jahren heiratete Johanna den neun Jahre älteren Hamburger Kaufmann Johann Martin von Winthem. 24 Jahre später, 1789, wurde Johanna im Alter von 42 Jahren Witwe. Zwei Jahre später, am 30.10.1791 heiratete sie den 23 Jahre älteren Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, der 1758 Witwer geworden war. Der Tod Metas war für Klopstock eine Katastrophe gewesen, an dem er noch Jahre zu tragen hatte. "Das Gefühl für Meta blieb in Klopstock, auch nach ihrem Tod offensichtlich unvermindert lebendig, sie blieb der Maßstab für eine neue Beziehung. Die Überlieferungen geben Auskunft, dass er diese neue Beziehung gesucht hat, sie ihm aber nicht gelungen ist." (Heidi Ritter: Klopstocks (Ver)Bindungen zu Frauen, in: Klopstocks (Ver) Bindungen zu Frauen "... wenn man von liebenswürdigen Leserinnen verehrt wird." Sonderausstellung im Klopstockhaus Quedlinburg vom 14. März 2003 bis 31. Dezember 2003. Hrsg. Städtisches Museum Quedlinburg. Quedlinburg 2003, S. 12. (Bd. VII: Schriftenreihe des Klopstockhauses.) Klopstock kannte Johanna Elisabeth seit ihrer Kindheit im Alter von fünf Jahren. 1770 war er zu ihr und ihrem Mann gezogen. Johanna war damals Mitte zwanzig, Mutter von vier Kindern, und führte einen aufwendigen Lebensstil. Als Johann Winthem 1773 Bankrott machte, fühlte sich Klopstock verpflichtet, seiner Nichte mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Er teilte mit ihr sein Geld und zog auch mit der Familie, die sich nun räumlich verkleinern musste, in die Königstraße (heute Poststraße in der Hamburger Innenstadt). Hier war Klopstock der eigentliche Hausherr (die Ehe der von Winthem"s verlief nicht glücklich). Er empfing viele Besuche, und hier wurde seine legendäre Lesegesellschaft (Klopstock-Büsch"sche Lesegesellschaft) abgehalten, die er kurz nach seiner Ankunft in Hamburg 1770 gegründet hatte. Johanna von Winthem stand an der Spitze dieses schöngeistigen Kreises. Sie und ihre älteste Tochter Meta wurden die Sängerinnen der Klopstock Oden, die die Hamburgerin Luise Reichardt in Musik umgesetzt hatte. Klopstock widmete der damals 23-jährigen Johanna von Winthem das Lied "Ich bin ein deutsches Mädchen". Beide übersetzten es auch ins Plattdeutsche. Johanna besuchte mit Klopstock auch die Hamburger Gesellschaften und übernahm seine Korrespondenz. Nachdem Johannas Mann 1789 gestorben war, wartete Klopstock noch zwei Jahre, bis er 1791 im Alter von 67 Jahren seine "Windeme", wie er Johanna zärtlich nannte, heiratete. Sie und ihre Tochter Meta wurden Klopstocks treueste Pflegerinnen, als er in seinen letzten Lebensjahren zunehmend an Kraft verlor und von Fieberschüben geplagt wurde. Johanna Klopstock überlebte ihren zweiten Mann um achtzehn Jahre. Sie starb am 19. Januar 1821 und wurde neben Klopstock beigesetzt. Auf ihrem Grabstein steht: "Klopstocks zweite Gattin Johanna Elisabeth - Seine geliebte Gefährtin und Trösterin auf dem letzten Lebenswege. Metas Liebling. An Herz und Geist ihr ähnlich." Quellen: - Gisela Jaacks: Gesichter und Persönlichkeiten. Die Hamburger im Bildnis. Katalog, Hamburg 1992. - Klopstock-Arbeitsstelle an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, vgl.: www.sub.uni-hamburg.de/sammlungen/nachlass-und-autographensammlung/klopstock-arbeitsstelle/leben-und-werk/winthem.html - Schönes Porträtgemälde unter: de.wikipedia.org/wiki/Datei:Johanna_Elisabeth_von_Winthem.jpg - Foto des historischen Grabmals, dem sog. Klopstock-Denkmal, an der Christianskirche, Hamburg-Altona, unter: http://grabsteine.genealogy.net/tomb.php?cem=2526&tomb=290&b=a

    Auguste Baur Auguste Caecilie Baur

    Wohltäterin und Stifterin

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    14.6.1821
    Hamburg
    -
    20.4.1895
    Hamburg
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    Auguste Baur war das jüngste Kind von elf Kindern des Konferenzrates Georg Friedrich Baur und dessen Ehefrau Marianne, geborene Heise. Sie blieb ledig und übernahm nach dem Tod der Mutter die Haushaltung und Pflege ihres Vaters. Auguste Baur lebte, um andere zu erfreuen. „Immer hatte sie für alle Leute Überraschungen bereit. Aber gleichzeitig war sie dermaßen in Vorurteilen und schiefen Begriffen befangen, wie eine Prinzessin, der niemand die Wahrheit sagt.“ [1] Seit ihrer frühen Kindheit hatte sie eine Verbiegung des Rückens und litt unter Wachstumsstörungen. „Als Kind kränkelte sie stets, als Erwachsene kam sie wegen ihrer Verwachsung niemals auf Bälle und hatte nur Verkehr in der Familie, aber da war sie sehr beliebt und von den Eltern vergöttert. Hier fand sie auch ihren Wirkungskreis. Sie liebte und pflegte ihre Eltern und wurde zum Segen für ihre Geschwister und für deren Kinder. (..)“ Sie „war musikalisch und spielte hübsch (…) sie hatte ständigen Unterricht (…). Ungeachtet dessen, daß sie so wenig unter Menschen kam, hatte sie viele Freier. Unter diesen war jedoch einer, den sie wirklich liebte, aber den durfte sie nicht haben. (…) Es wurde gesagt, daß er sich aus ihr nichts mache, daß es nur eine Finanzspekulation sei (…). Da – gerade als sein Konkurs vor der Tür steht – bringt er seinen Antrag an und wird natürlich von ihrem Vater abgewiesen, zu ihrem großen Kummer. Man suchte ihr begreiflich zu machen, der junge Mann habe deutlich gezeigt, daß er sie nur als Kapital ansehe (…). Sie gab dem ganzen eine andere Deutung: ihrer Meinung nach hatte er mit seinem Antrag gezeigt, daß er das Zutrauen zu ihr habe, sie werde ihm helfen, und das sei nett von ihm. (…) Als Tante Guste etwa vierzig Jahre alt war, hatte sie wieder Herzenskummer: sie gewann einen Mann lieb, dem, (…) auch sie gefiel und der jedenfalls um sie freite. Ihr Vater war damals hoch in den Achtzigern und sehr hinfällig, so daß man beständig mit seinem Ableben rechnete, und die Tochter konnte ihn unmöglich verlassen. Das erklärte sie dem Geliebten und bat ihn zu warten, bis der Vater tot sei, was er auch versprach. (…) Sie bat ihn nur, mit seinen fast wöchentlichen Teebesuchen fortzufahren, und dafür lebte sie und war viele Jahre glücklich – ihr Vater lebte ja noch immer. Plötzlich kam der Liebhaber [ein Witwer mit Kindern, R. B.] immer seltener, zuletzt blieb er ganz weg – sie litt sehr darunter – und eines Tages las sie in der Zeitung, daß er jemand anderes geheiratet hatte. (…) Diese Geschichte hatte Tante Gustes Charakter völlig verändert, machte sie reizbar, launisch und schwierig. Sie war verschlossener denn je. (…) Sie brauchte viele Jahre, um zur Ruhe zu kommen, dann wurde sie ihren Mitmenschen gegenüber wieder zugänglich. Sie war schon immer religiös, nun verstärkte sich dies noch; sie tat viel Gutes. (…) Reiche Leute machen übrigens den Fehler zu glauben, daß die armen Leute von fast gar nichts existieren können (…). Ich weiß, z. B., daß sie bisweilen kleine Aufmerksamkeiten von der Art, wie die Reichen sie sich untereinander machen, verschenkte und das in Fällen, wo große Gaben erwartet wurden. Ihr Unglück war, daß sie niemals andere um Rat fragte, sondern nur nach ihrem eigenen Gutdünken handelte und keine Ahnung davon hatte, wie wenig sie die Welt und die Menschen kannte. Daher kam es oft, daß sie Leute vor den Kopf stieß und es war nicht immer leicht, mit ihr zusammenzuleben.“ [2] Nach dem Tod des Vaters ging der Baur’sche Besitz in Blankenese (heute Baurs Park) an den ältesten Sohn. Auguste sollte eine Art Mitbesitzerin sein. „(…) aber nun, auf den zweiten Platz geschoben zu werden in einem Haus, in dem sie immer die erste Rolle gespielt hatte, das behagte ihr gar nicht. Deshalb zog sie es vor, sich auf dem Grundstück (…) eine eigene Villa zu bauen (…). Als Winterwohnung bezog sie eines der zehn Häuser des Großvaters in der Palmaille. Sie hatte einen großen Troß dienstbarer Geister, Kutscher und Diener, Kammerzofe und natürlich eine Gesellschafterin.“ [3] Auguste Baur gab zum Bau der Blankeneser Kirche eine namhafte Summe, spendete Geld zur Errichtung einer Siechenanstalt, die als Tochteranstalt der Diakonissenanstalt in Altona 1884 eingeweiht und nach ihr „Augustenstift“ benannt wurde. Seit vor 1903 gibt es im Stadtteil Blankenese die Auguste-Baur-Straße.

    Quellen: [1] Julie Grüner geb. Raeder: Erinnerungen an das Haus meiner Grosseltern Baur im Dänischen Altona. Hamburg 1965, S. 62f. [2] a. a. O.; S. 132ff. [3] a. a. O., S. 134f.

Friedhof Holstenkamp in Hamburg-Bahrenfeld

    Louise Schroeder

    Bürgermeisterin von Berlin, Präsidentin des Deutschen Städtetages, Stadtverordnete in Altona

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    2.4.1887
    Altona
    -
    4.6.1957
    Berlin
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    Grablage: F 10-31/32

    Namensgeberin für: Louise-Schroeder-Straße, benannt 1960 in Altona
    1910 trat Louise Schroeder der SPD bei und wurde schon bald als glänzende Diskussions- und Versammlungsrednerin geschätzt. 1916 erhilet sie einen Sitz im Vorstand der Altonaer SPD. Von 1919 bis 1933 fungierte sie als Stadtverordnete in Altona. Zwischen 1919 und 1920 war sie Mitglied der Deutschen Nationalversammlung in Weimar. 1919 wurde sie Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt. Von 1920 bis 1933 war sie Mitglied des Deutschen Reichstags, von 1946 bis 1951 Bürgermeisterin und Stellvertreterin des Oberbürgermeisters von Berlin, von 1947 bis 1948 amtierende Oberbürgermeisterin von Berlin, von 1951 bis 1952 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und von 1949 bis zu ihrem Tod im Jahre 1957 Mitglied des Deutschen Bundestages.
    Louise Schroeder entstammte einer Proletarierfamilie - der Vater war Bauarbeiter und Funktionär in der Sozialdemokratischen Partei. Louise Schroeder besuchte bis zu ihrem 14. Lebensjahr die Mittelschule in Altona, ging dann anderthalb Jahre zur Gewerbeschule für Mädchen in Hamburg. Sie wurde Büroangestellte, später war sie 16 Jahre lang Privatsekretärin einer großen Versicherungsfirma. 1919 gehörte sie in Weimar zu den ersten 41 weiblichen Abgeordneten der Verfassung gebenden Nationalversammlung. Ihr Arbeitsgebiet war die Sozialpolitik. Ehrenamtlich engagierte sie
    sich bis März 1925 als Vorsteherin des Pflegeamtes Altona. Am 23. März 1933 verweigerte sie ihre Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz. Die Folgen waren: Verbot des politischen Wirkens, unter Polizeiaufsicht gestellt, tägliche Meldepflicht auf dem Revier, keine Arbeitslosenunterstützung.
    Louise Schroeder zog daraufhin von Altona nach Hamburg, versuchte, sich dort eine bescheidene Existenz mit einem Bäckerladen aufzubauen. Aber auch dort war sie Schikanen, Verhören und Verhaftungen ausgesetzt. 1938 suchte sie in Berlin Zuflucht. Hier mietete sie sich eine Hinterhofwohnung, wurde arbeitslos, arbeitete später als Sekretärin und dann als Sozialbetreuerin in einem Bauunternehmen. Gleich nach Kriegsende wurde sie wieder politisch für die SPD aktiv und sogleich in den Vorstand der Berliner SPD und 1946 in die Stadtverordnetenversammlung von Berlin gewählt. Im Dezember 1946 wurde sie Bürgermeisterin und 3. Stellvertreterin des Oberbürgermeisters von Berlin, Dr. Ostrowski. Nachdem dieser im Mai 1947 zurückgetreten war, wurde Louise Schroeder stellvertretende Oberbürgermeisterin. Als im Juni 1947 die Stadtverordnetenversammlung den SPD-Politiker Ernst Reuter zum Oberbürgermeister wählte, versagten die Sowjets dieser Wahl ihre Zustimmung. Louise Schroeder blieb also weiterhin Regierungsoberhaupt. "In dieser Stellung ist sie dann im Jahre 1948 in den Tagen der internationalen Hochspannung im Zeichen der ,Blockade Berlins" weltbekannt geworden, als ihr infolge der Mitte August 1948 auf russisches Verlangen erfolgten Ablehnung des zum Oberbürgermeister gewählten Prof. Ernst Reuter durch die Alliierten die alleinige Verantwortung zufiel. Nach der abermaligen Wahl Reuters zum Oberbürgermeister Anfang Dezember 1948 fungierte sie als amtierende Oberbürgermeisterin weiter, legte dann aber ihre Berliner Ämter Mitte September 1949 nieder, nachdem sie als Vertreterin Berlins in den Deutschen Bundestag gewählt worden war. Ihm gehörte sie bis zu ihrem Tod an. Der Stadtrat von Paris verlieh Louise Schroeder Mitte Juni 1949 die Plakette der Stadt Paris. Sie gehörte auch im gleichen Jahr der deutschen Delegation des Vorbereitenden Europarates in Brüssel an und war bis Januar 1957 im Europarat in Straßburg als deutsches Mitglied tätig." (Ruth Schüler zum 10. Todestag Louise Schroeders. In: Die Jarrestadt, Kommunales Mitteilungsblatt der SPD, Juni 1967.) Louise Schroeder erhielt das Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband und als erste Frau in der Geschichte Berlins deren Ehrenbürgerwürde. Ihr Engagement galt besonders den Frauen. Sie stritt für eine Liberalisierung des Pharagraphen 218, für die soziale Besserstellung lediger Mütter, Landfrauen etc. und war Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holsteins.
    Text: Rita Bake

Mennoniten-Friedhof Hamburg-Altona

    Annelie Kümpers-Greve

    geb. Greve

    Dr. h.c.
    Unternehmerin, Mäzenin, Ökumenikerin

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    16.1.1946
    Ellerau/Nähe Quickborn
    -
    11.3.2017
    Hamburg
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    Grablage: Feld 12, 590

    Annelie Kümpers-Greve wurde 1946 in Ellerau bei Hamburg geboren. Sie ist eine direkte Nachkommin der Mennonitenfamilie Van der Smissen, einer aus Brabant eingewanderten Kaufmannsfamilie [1]. Verheiratet war sie mit dem Unternehmer Rainer Kümpers, der aus einer westfälischen Textilindustriellenfamilie stammt. Das Paar hat drei Töchter. Die Unternehmerin vereinte auch zahlreiche Ehrenämter auf sich. So gehörte Annelie Kümpers-Greve seit 1988 dem Kirchenrat der Hamburger Mennonitengemeinde an [2]. Ihre Eltern sind die Mäzene und Ehrenbürger Hamburgs, Prof. Dr. hc. Hannelore Greve (geb. 1926) und ihr verstorbener Gatte, der Bauunternehmer und
    Völkerrechtler sowie seit 1991 Honorarkonsul Ungarns, Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Greve (1922-2016; seine Tochter Eva-Maria folgte ihm in dieses Ehrenamt). Gemeinsam gründeten sie die "Hamburgische Stiftung für Wissenschaften, Entwicklung und Kultur Helmut und Hannelore Greve", mit deren Mitteln sie in Hamburg Bauprojekte u.a. an der Universität, der Hochschule für Musik und Theater HfMT oder die Elbphilharmonie förderten [3].
    In solcher Tradition groß geworden, unterstützte seit 1980 ihre älteste Tochter Annelie Kümpers-Greve "die "Internationale Mennonitische Organisation" (IMO) sowie ein europäisches Hilfswerk mennonitischer Gemeinden mit dem Schwerpunkt Südamerika. Außerdem gehörte sie seit 1995 zu den Gründungsmitgliedern des Hilfswerks "Liebe deinen Nächsten" e.V., eines der Trägerhilfswerke der IMO. Seit 1992 war Annelie Kümpers-Greve Fördermitglied des Mennonitischen Geschichtsvereins und seit 2000 Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Salzburg, innerhalb derer sie besonders den Standpunkt des Täufertums vertrat" [4].
    In dieser Konstellation zeichnete sie auch mit verantwortlich für die Jubiläumsausstellung "400 Jahre Mennoniten" im Altonaer Museum 2001 (vgl. Katalog unter Publikationen) und stellte deren Finanzierung sicher (Menno-Kat AM, S.7). Zusammen mit den Kulturhistorikern Dr. Hajo Brandenburg und Dr. Matthias H. Rauert gestaltete sie Ausstellung und Katalog. Dazu schrieb die Kulturjournalistin Isabelle Hofmann im Juni 2001: " Paul-Roosen-Straße , De-Voß-Straße , Große Freiheit . Man kennt diese Hamburger Straßennamen. Und manch einer weiß vielleicht, dass Roosen und de Voß berühmte Reeder und Bierbrauer waren und die Große Freiheit ihren Namen trägt, weil Kaufleute im 17. Jahrhundert dort Gewerbefreiheit hatten. Doch welches Schicksal die Straßennamen mit einander verbindet, weiß sicher kaum jemand. Roosen und de Voß gehörten, wie auch die Linnichs und Van der Smissens, zu den ältesten Mennonitenfamilien in Hamburg. Eine Glaubensgemeinschaft, die auf den Niederländer Menno Simons zurückgeht und die auf der Flucht vor Verfolgung durch Herzog Alba in Norddeutschland eine neue Heimat fand. In Altona erhielten die Mennoniten schon 1601 religiöse und wirtschaftliche Freiheiten. (...) Das Begrüßungskomitee in der stadtgeschichtlichen Abteilung besteht aus einer ländlich-altmodisch gekleideten Puppenfamilie. Es sind zeitgenössische Trachten der Amish-People und Hutterer, ebenfalls in der Reformationszeit entstandene Glaubensgemeinschaften, die heute in Amerika und Kanada leben. Doch anders als diese technikfeindlichen Glaubensbrüder waren die europäischen Mennoniten, die sich durch ein fundamentales Demokratieverständnis, Erwachsenentaufe und bedingungslosen Pazifismus auszeichnen, fortschrittliche und wirtschaftlich orientierte Geister. Ihren ökonomischen Aufstieg im 18. Jahrhundert verdanken sie einer gelungenen Gratwanderung zwischen Assimilation und Isolation.
    Für die Gemeinde, die an der Elbe durch vielfach verflochtene Familienbande eng zusammenhielt, war Reichtum die einzige Möglichkeit, Macht und Einfluss in der Stadt zu gewinnen. Wie gut ihnen das gelungen ist, zeigt die Ausstellung anhand zahlreicher Exponate aus allen Lebensbereichen: Schriften, Stiche, Schiffsmodelle, Seekarten, Landschaften, Stillleben, Möbel und Silber zeugen von der Blütezeit der Täufer. Heute zählt die Mennonitenkirche (...) nur noch 468 Gemeindemitglieder, unter denen die im Zweiten Weltkrieg aus Westpreußen Vertriebenen die Mehrheit bilden. Mit dieser Ausstellung führt das Altonaer Museum einmal mehr die Weltoffenheit und Toleranz des historischen Altona vor Augen. Eine Offenheit fremden Minderheiten gegenüber, die nichts an ihrem Vorbildcharakter verloren hat." [5].
    In Ihrem Gedenken schrieb das Hamburger Abendblatt in der Ausgabe vom 15. März 2017 unter der Überschrift: "Mäzenin Annelie Kümpers-Greve aus Blankenese ist tot. Erst verstarb ihr Mann, nun muss Hamburgs Ehrenbürgerin Hannelore Greve ihre Tochter zu Grabe tragen. Denn am Sonnabend ist Annelie Kümpers-Greve im Alter von 71 Jahren nach langer und schwerer Krankheit im Altonaer Krankenhaus verstorben. Helmut Paul Greve starb 2016.
    Wie ihr Vater engagierte sich Kümpers-Greve für ihre Heimatstadt Hamburg als Mäzenin. Unter anderem setzte sie sich für die Schaffung einer Stelle an der Universität Hamburg zur Erforschung einer Theologie der Friedenskirchen [6] ein. Seit 2006 gibt es die Stelle, die die ersten fünf Jahre von der Greve-Stiftung finanziert wurde. Zudem initiierte sie die Falkensteiner Gespräche am Hamburger Friedensinstitut.
    In Blankenese lebte die Unternehmertochter, die selbst im Immobiliensektor tätig war. Von Wegbegleitern wird sie als bodenständig, geradlinig und tapfer beschrieben. Kümpers-Greve hinterlässt ihren Mann Rainer, mit dem sie seit mehr als 50 Jahren verheiratet war, ihre drei Kinder und sechs Enkelkinder. Beigesetzt wird sie auf dem Mennoniten-Friedhof in Bahrenfeld gegenüber vom Grab ihres Vaters. Beide waren Mitglieder der Altonaer Freikirche." (Autor_in mit Kürzel "krk").
    Viel über ihr Lebenswerk und ihr Wesen sagte auch diese Traueranzeige aus dem Hamburger Abendblatt vom 18. März 2017: "Sie ist aufgebrochen, hat Menschen eingeladen, mitgenommen auf ihren ganz eigenen Weg - auf einen gemeinsamen Weg, der alle mitriss, etwas Großartiges schaffen zu wollen". Wir verneigen uns in tiefer Trauer gegenüber einer Unternehmerin und Visionärin, die nun im Alter von 71 Jahren von uns gegangen ist. Frau Dr. h.c. Annelie Ku?mpers-Greve, unsere Senior-Chefin, hat mit Weitblick, großem sozialen Engagement und Leidenschaft die Lebensqualität von Seniorinnen und Senioren verbessert. Sie hat die Entwicklung neuer Wohnformen in der Seniorenbetreuung seit nunmehr fast 40 Jahren in Hamburg vorangetrieben und umgesetzt - u.a. in den Anfangsjahren mit dem Haus Annelie. später mit der Parkresidenz Poppenbu?ttel und nun seit 1998 mit dem Service-Wohnen im FORUM Alstertal. Zusammen mit ihrem Mann hat Frau Dr. h.c. Annelie Kümpers-Greve darüber hinaus aber auch viele weitere innovative Immobilienprojekte entwickelt und umgesetzt. Wir haben sie als kluge und kämpferische Frau kennen- und vor allem schätzen gelernt, die sich immer auch für die Gleichstellung der Frau einsetzte. Ihr langjähriger Kampf gegen ihre Erkrankung und ihre positive Lebenseinstellung werden für uns immer Vorbild, Triebfeder und Motivation zugleich sein.
    In Dankbarkeit verabschieden wir uns mit diesem letzten stillen Gruß von einer großartigen Frau und Chefin und drücken hiermit sogleich unser tief empfundenes Mitgefühl gegenüber der gesamten Familie aus. In Trauer, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FORUM Alstertal Betreuungsservice und Veranstaltungszentrum GmbH, VHH Verwaltung Hamburgischen Hausbesitzes GmbH & Co. Erste KG, GETUMA Vermietungs- und Hausverwaltungs-GmbH".
    Publikationen:
    - Rauert, Matthias H. und Kümpers-Greve, Annelie: Van der Smissen. Eine mennonitische Familie vor dem Hintergrund der Geschichte Altonas und Schleswig-Holsteins. Hamburg 1992. - 400 Jahre Mennoniten zu Altona und Hamburg. Hg. v., Hajo Brandenburg im Auftrag der Mennonitengemeinde zu Hamburg und Altona. Begleitheft zur Ausstellung. Ausstellung: Annelie Kümpers-Greve, Matthias H. Rauert, Thomas Schamp, Altonaer Museum, Hamburg 2001. Mitarbeit: Silvia Jodat, Hajo Brandenburg (verantwortlich), Astrid und Ulrich von Beckerath, Peter J. Foth, Elisabeth Harding, Sebastian Harms, Sylvia Jodath, Sandra Maurel, Martje Postma, Ascan Roosen und Schiemann Harms Medien = Menno-Kat. AM
    Text: Dr. Cornelia Göksu
    Quellen und Anmerkungen:
    1 Hinrich I. van der Smissen (1662 Glückstadt - 1737 Altona) hatte es als Bäcker, Transport-Unternehmer, Investor und Bauunternehmer, als Gründer eines der größten Handelshäuser Altonas, zu bedeutendem Ansehen und Wohlstand gebracht. Er galt als Wiedererbauer Altonas nach der Zerstörung in den Schwedenkriegen 1713. Hinrich I. van der Smissen war verheiratet mit Marie de Voß (1674-1732); vgl. die Straßennamen Van-der-Smissen-Straße und De-Voß-Straße (1674-1732) (vgl. gameo.org/index.php?title=Smissen,_Hinrich_I_van_der_%281662-1737%29).
    2 Die Bezeichnung Mennoniten bezieht sich auf den Gründer der Bewegung, den Holländer Menno Simons (1496 Wirmarsum/Friesland/NL - 1561 Wüstenfelde bei Bad Oldesloe, dort auch Museum Mennokate). Der Bauernsohn Menno Simons war zunächst Priester und Vikar. Ab 1536 schloss er sich der friedlichen Täuferbewegung aktiv an und wurde als solcher verfolgt. Vielfältige Reisen führten ihn in den niederländischen und norddeutschen Raum. Er fand Anhänger in Köln und schließlich auf dem zu Oldesloe gehörenden Gut Fresenburg Zuflucht. "Etwas generalisierend" könnte man die Täufer, Frauen, Männer, Familien "als die "Radikalen" des 16. Jahrhunderts bezeichnen, und es flossen in diese Protest- und Erneuerungsbewegung auch soziale Aspekte und generell die aufkommende Vorstellung von der Mündigkeit des Einzelnen ein. Historiker haben als Triebfeder hinter den täuferischen Reformvorstellungen einen starken "antiklerikalen Impuls" (Hans-Jürgen Goertz) ausgemacht, der auch vor der Vorstellung einer Unabhängigkeit der christlichen Gemeinde von staatlicher Obrigkeit nicht zurückschreckte. Dieses Konzept einer (modern gesprochen)‚ "Trennung von Staat und Kirche" war für die große Mehrheit der damals lebenden Menschen und vor allem für alle herrschenden Obrigkeiten unakzeptabel, unabhängig davon, welcher Vorstellung von kirchlichem Leben sie ansonsten anhingen. Daher ist aus historischem Abstand verständlich, dass das Täufertum (...) von den Herrschenden als Bedrohung, ja als Gotteslästerung empfunden und überall aufs Schärfste verfolgt wurde. Es haben sich nur Nachfahren der sogenannten "Schweizer Brüder" und der Anhänger Menno Simons" (daher im weiteren Verlauf für alle diese Gruppen der kollektive Name "Mennoniten") sowie die Gruppe der sogenannten "Hutterer" erhalten, die alle eine strikt gewaltlose Haltung als für Christen unabdingbar ansahen. Die Hutterer haben darüber hinaus einen christlich begründeten Kommunismus etabliert und diese Lebensform bis in die Gegenwart durchgehalten. Diese Gruppen konnten nur durch Rückzug und durch eine Wendung "nach innen", zu einer "Theologie der Weltverneinung" in solchen Gebieten überleben, meist am Rande damals besiedelter Gebiete, wo die Obrigkeiten sie als inzwischen ungefährliche, aber fleißige Arbeiter schätzten. Daher bekam die ursprünglich überwiegend in den Städten beheimatete täuferische Bewegung einen weitgehend ländlichen Charakter; nur in den Niederlanden und in einigen Städten Norddeutschlands wie etwa Emden, Hamburg, Lübeck oder Danzig konnten sich Mennoniten auch in handwerklichen oder kaufmännischen Berufen halten und Gemeinden bilden" (Quelle: mennoniten.de/geschichte; abgerufen März 2017 CG).
    3 de.wikipedia.org/wiki/Hannelore_Greve und de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Greve
    4 www.in-cultura.com/autoren-herausgeber/kümpers-greve-annelie
    5 Isabell Hofmann: 400 Jahre Mennoniten In Hamburg. Ausstellung im Altonaer Museum - Durchaus fortschrittliche Geister. In: Hamburger Morgenpost v.7.6.2001; LINK: mopo.de/400-jahre-mennoniten-in-hamburg
    6 Gemeint ist die "Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen" am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg, mennoniten.de/atf-hamburg Zum Stichwort Friedenskirchen: In den mennonitischen Gemeinden war die selbstgewählte und bewusste Entscheidung zur Nachfolge Jesu Christi entscheidend wichtig. Dies schließt ein, sich am Leben Jesu in der eigenen Lebensgestaltung auszurichten. Der Bergpredigt (Matthäus 5-7) kommt dabei von Anfang an eine herausragende Bedeutung zu: Frieden zu stiften und von Gewalt befreit zu leben gilt daher früh als Identifikationsmerkmal. In der Verweigerung des Kriegsdienstes meinten staatliche wie kirchliche Autoritäten den Verrat und die Illoyalität zu erkennen, die es auszumerzen galt.
    Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden mennonitische Gemeinden als "historische Friedenskirchen" bezeichnet. Sie lehnen in weiten Teilen den Kriegsdienst ab und erinnern sich an ihre Glaubensvorfahren, die in den vergangenen Jahrhunderten so oft in Regionen auswichen, wo ihnen das Recht, den Dienst an der Waffe nicht übernehmen zu müssen, als Privileg zugesichert wurde. Zum Ende des 19. Jahrhunderts und dann im Ersten und Zweiten Weltkrieg war in den deutschen Mennonitengemeinden die Verweigerung des Kriegsdienstes allerdings weitgehend aufgegeben worden. Schon zu Beginn des Dritten Reiches hatte sich die "Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden" in ihrer Verfassung vom Prinzip der Wehrlosigkeit gelöst. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann unter dem Einfluss nordamerikanischer Mennoniten (vor allem Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistender) ein Bewusstsein zu wachsen, sich wieder verstärkt für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung mitten in der Gesellschaft einzusetzen und die Haltung der Gewaltfreiheit in den Beratungen ökumenischer Organisationen zu vertreten. Auf mennonitische Initiative ging die Anregung zurück, in den Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen eine "Dekade zur Überwindung von Gewalt" (2001 bis 2010) auszurufen und die Diskussionen um einen aktiven, zivilen Friedensdienst weltweit zu beleben" = Zitat aus Absatz zu "Friedenskirchen" auf mennoniten.de/ueber-mennoniten---ausstellung-im-altonaer-museum-durchaus-fortschrittliche-geister-22871766; abgerufen März 2017 CG.

Friedhof Bernadottestraße

    Dr. Elisabeth von Dücker

    Museumskuratorin im Museum der Arbeit

    Ornament Image
    25.2.1946
    -
    9.7.2020
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    Grablage: 1B 132 AB 7 - 04024 Die Historikerin und Journalistin Juliane Brumberg hat noch im Januar 2020 ein Interview mit Dr. Elisabeth von Dücker führen können. Es ist abgedruckt auf der Website "beziehungsweise-weiterdenken, Forum für Philosophie und Politik" unter: www.bzw-weiterdenken.de/2020/01/liebe-zur-arbeit-der-frauen-die-museumskuratorin-elisabeth-von-duecker/ Juliane Brumberg gab uns die Erlaubnis dies Interview aufzunehmen. Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Juliane Brumberg. Liebe zur Arbeit der Frauen: Die Museumskuratorin Elisabeth von Dücker Bei Hamburger Schmuddelwetter laufe ich den Elbhang hinunter von der Bushaltestelle zum Gebäude Altonaer Seemannsmission in unmittelbarer Nähe des Hafens. Lissi - so wird sie von Freundinnen, Kolleginnen und Mitstreiterinnen genannt - hat es als Treffpunkt für unser Gespräch vorgeschlagen. Klingt merkwürdig bei einer Frau, die immer wieder den Fokus auf die Arbeitsplätze von Frauen gelegt hat. Schon auf dem Weg dorthin muss ich mehrmals den Fotoapparat zur Hand nehmen. Denn immer wieder leuchten mir die farbenfrohen Wandgemälde der Hamburger FrauenFreiluftGalerien entgegen. Das ist ein lebendiges Langzeitprojekt, das auf die Initiative von Elisabeth von Dücker hin 1994 ins Leben gerufen wurde und sich seitdem immer wieder verändert und weiterentwickelt hat. "Wir wollten und wollen die Arbeitswelt von Frauen im Hamburger Hafen sichtbar machen", berichtet Lissi. Dafür nutzen sie und ihre Malerin-Kollegin Hildegund Schuster die grauen Flächen alter Gebäude oder Mauern von Treppenanlagen. Sie zeigen darauf zum Beispiel auch noch die Fischarbeiterin aus Portugal, die Fahrerin eines Gabelstablers im Containerhafen, die Kaffeeverleserinnen, die beim großen Hamburger Hafenstreik 1896 neben höheren Löhnen auch erstritten haben, dass das Verbot von Singen und Reden am Arbeitsplatz aufgehoben wurde - und auch die Zwangsarbeiterinnen, die 1944 unter unmenschlichen Bedingungen die Trümmer der Bombenangriffe im Hafengebiet beseitigen mussten. "Wir wollen eine andere Erzählung des Hamburger Hafens anbieten. Mit unseren Gemälden rückt die Vielfalt der von Frauen getätigten Jobs in den Blick. Der Hafen galt und gilt bis heute als Männerdomäne. Jedoch ohne die Frauen läuft hier nichts rund", erklärt Lissi. "Hildegund und ich haben in unserem Uwo-ladies-project´ eine Art Arbeitsteilung; hauptsächlich ist sie für die künstlerische Gestaltung der Wandgemälde zuständig. Und alles, was nicht mit dem Malen zu tun hat, mache ich, also die kuratorische Tätigkeit: Neben Kommunikation und Pressearbeit sind das zentral die Recherchen zu den Hafenjobs, die Interviews mit den Hafenfrauen, quasi unsere lebenden Quellen. Wir führen Gespräche nach der Pral-history-Methode'. Häufig im Arbeitsambiente. Und falls das ungünstig ist, auch mal am Küchentisch der Interviewpartnerin. Die meisten Frauen freuen sich, dass da mal nachgefragt wird, ob wirklich nur Männer im Hafen arbeiten; so dekonstruieren wir vermeintliche Gewissheiten oder langlebige Stereotypien. Und immer gibt es die Frage, wie sich die Arbeit im Hafen mit der Familien-Arbeit, den vielfältigen, meist als Frauensache angesehenen Sorge- und Care-Tätigkeiten unter einen Hut bringen lässt, oder nach Themen, die sich nur schwer visuell darstellen lassen wie Heimweh, Verliebt-Sein oder Lärmbelastung beim Job". Lissi spricht von sich selbst als Long-Runnerin: "Wenn Du erst mal Feuer gefangen hast, gehen die Projekte immer weiter. Ich habe so viel erfahren dürfen, aber ich hadere noch, ob ich es schaffe, ein Buch aus dem zu machen, womit die Frauen uns beschenkt haben. Bislang steckt das in diesem zwei Kilometer langen Spaziergang entlang der Wandbilder vom Holzhafen bis nach Övelgönne - und im Internet. "Der Internetauftritt ist tatsächlich eine Fundgrube. Sehr genau werden da die einzelnen Bilder, ihre Entstehung und ihre aktuellen und historischen Hintergründe beschrieben. Beeindruckend auch die Quellenangaben, der Pressespiegel und der Hinweis auf die Dokumentationen sowie Film- und Buchprojekte, in denen die FrauenFreiluftGalerie vorgestellt wird. Denn auch wenn Lissis eigenes Buch noch wartet, andere haben sehr wohl darüber geschrieben. Mit dem bloßen Anfertigen der Wandbilder ist es nicht getan. Nach einigen Jahren müssen sie ausgebessert werden, dafür wird Geld gebraucht. Oder Häuser werden abgerissen und damit gehen auch die Wandgemälde verloren. "Durch die moderne Fassadengestaltung aus Glas und Metall ist es mittlerweile fast schwieriger, Wände zu finden als die Finanzakquise zu organisieren". Sie freut sich sehr, dass "neben privaten Sponsoren und der Kulturbehörde mittlerweile der Bezirk Altona auch die Restaurierung finanziell unterstützt." Und: "So ein autonomes Non-Profit-Projekt einer open-air-Galerie zur hafenbezogenen Frauenarbeit findest du in der ganzen Republik nicht noch einmal. Getreu dem feministischen Ansatz nehmen wir uns Raum in der Stadt und an gesellschaftlich genutzten Orten, tun Aufklärungs-, Vermittlungsarbeit." Diese geschieht durch Führungen oder Lesungen mit zündenden Aussprüchen aus den Interviews, organisiert und durchgeführt von Dr. Elisabeth von Dücker persönlich. Beim genauen Hinsehen fällt auf: Die bislang 15 Gemälde der open-air-Galerie tragen künstlerisch unterschiedliche Handschriften. Denn neben Malerinnen aus Hamburg waren auch Künstlerinnen aus London, New York und aus Argentinien am Werk. Andere Stilrichtungen und Blickweisen bringen somit Vielfalt ins Projekt. Bevor ich die Frage stellen kann, greift Lissi sie selber auf: "Was ist das Feministische an dem Wandbildprojekt? Wir meinen: Es sind nicht Bilder über die, sondern mit den Zeitzeuginnen, aus dezentraler Perspektive, partizipatorisch, emanzipatorisch. Eben Bilder, die den Stereotypen zuwiderlaufen." Begeisterung für das Museum Wer ist nun diese Frau, die so voller Ideen steckt? Als allererstes ist sie eine leidenschaftliche Museumsfrau. "Nach einem Museumspraktikum während des Studiums war sofort klar: "Ich will ins Museum!" Geboren wurde sie kurz nach dem Krieg, 1946, und hat, bedingt durch den Beruf ihres Vaters, eine unruhige Schulkarriere "einmal durch die Republik" hinter sich und dabei acht verschiedene Schulen besucht. "Dadurch habe ich wohl gelernt, mich auf neue Situationen einzustellen." Studiert hat sie, zunächst in West-Berlin und Frankfurt/Main, "mein Lieblingsfach Kunstgeschichte", seinerzeit als Studiengang für Iöhere Töchter' bekannt, sowie Volkskunde und Klassische Archäologie. Zwischendrin absolvierte sie noch eine Buchhändlerinnen-Ausbildung mit Kaufmannsgehilfenbrief. "Das wähnte ich als ein gewisses finanzielles Standbein." 1970 hat sie in Hamburg eine Heimat gefunden, "der Liebe wegen", schloss dort ihr Studium ab und legt Wert darauf, dass sie seitdem Wahl-Altonaerin ist. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass sie 1975 ein wissenschaftliches Volontariat am Altonaer Museum begann. Altona war bis zur Eingemeindung nach Hamburg 1938 eine zu Dänemark gehörende selbstständige Großstadt und hat deshalb auch eine ganz eigene Geschichte. Das Altonaer Museum war für die junge, engagierte Kunsthistorikerin der richtige Ort zur richtigen Zeit. "Stadtgeschichte ist eine wunderbare Sache. Vor allem in einem solchen Viel-Sparten-Museum mit umfangreicher kulturgeschichtlicher Palette. Hier lag die Idee, Stadtgeschichte von unten zu versuchen, quasi auf dem Pflaster des Quartiers, in dem das Museum beheimatet ist." Noch als Volontärin entwarf sie das Konzept zu einer großen Ottensen-Ausstellung. Immer noch begeistert erzählt sie: "Ende der 1970er Jahre gab es in dem zu Altona gehörenden ehemaligen Industriequartier Ottensen eine bunte Mischung von Alteingesessenen, Handwerksbetrieben, Industriearbeiterschaft und 'Gastarbeiter_innen´. Mit seinen historischen Industriebauten entwickelte es sich zu einem brodelnden Meltingpott-Stadtteil. Es gab in den 1970/80ern an die 100 Bürgerinitiativen sowie alle Schattierungen von Friedens-, Frauen- und politischen Bewegungen. Anliegen der Ausstellung war es, Ottensens Geschichte vom Dorf zur Industriestadt und als Migrationsort zu erzählen, und zwar in enger Kooperation mit den Menschen, den Akteur_innen vor Ort. In diesem Rahmen wurde 1980 Hamburgs erste Geschichtswerkstatt, das Stadtteilarchiv Ottensen, gegründet, beflügelt von unserer Ausstellungsgruppe. So kam ein Mitspieler als eine autonome Partnerorganisation für das Ausstellungsprojekt im Museum hinzu, übrigens durchaus kritisch beäugt von der damaligen Museumsleitung, galt diese Methode zu jener Zeit als eher unüblich. Die Anwohner_innen waren aufgerufen, sich mit Fotos, Dokumenten und Erinnerungen an der Ausstellung zu beteiligen. Die Geschichtswerkstatt diente damals als Anlaufstelle ohne Hemmschwelle für die persönlichen Erinnerungsstücke." Idee und Umsetzung waren museales Neuland: Alltagsgeschichte eines Quartiers unter Beteiligung der Anwohnerschaft. 1982 eröffnet, war sie mit über 70 000 Besucherinnen ein Publikumsrenner. Ganz Museumsfrau, hebt sie hervor: "Außerdem gewann das Haus einen Zuwachs an Sammlungsstücken aus gut 100 Jahren Arbeits- und Alltagsleben im proletarisch geprägten Ottensen. Und neue Freunde." Und: die Kuratorin Elisabeth von Dücker durfte im Museum bleiben - festangestellt. Feministische Fragestellungen ins Museum transferiert In diese Zeit fallen auch die Anfänge ihrer Politisierung, die schon um 1975 begann, "als ich gegen den frauenfeindlichen § 218 auf die Straße ging und mich einer Frauengruppe anschloss. Und auf der grünen Frauenliste bei der Rathauswahl kandidierte. Doch schon vorher hatte ich Augen und Ohren offen, nicht zuletzt durch meine Promotion über Thomas Theodor Heine, einen der Gründer der Münchner Karikaturenzeitschrift 'Simplicissimus', der nicht nur die wilhelminische Politik und das deutsche Spießertum kritisierte, sondern sich auch in seiner Malerei ironisch mit den Geschlechterverhältnissen beschäftigt hat." Die feministischen Fragestellungen nahm Elisabeth von Dücker mit in die Museumsarbeit, kuratierte am Altonaer Museum weitere Ausstellungen und wurde dort Abteilungsleiterin. "In den Jahren lernte ich Museum von der Pieke auf." Was ihr nicht gelang, war jedoch, die neuen Methoden der oral history mit dem Blick auf Klasse, Gender, Ethnie und Generation dauerhaft am Altonaer Museum zu etablieren. Insofern reizte sie eine neue Herausforderung: Das in der Gründungsphase befindliche Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek. 1986 wechselte sie als Museumswissenschaftlerin in ein Museum, das noch gar nicht bestand. "Das war eine eher diffizile Sache. Die endgültige Museumseröffnung in dem Gebäude einer ehemaligen Gummiwaren-Company zog sich aus politischen und finanziellen Gründen bis 1997 hin. Konzepte für ein auf Partizipativität ausgerichtetes sozialgeschichtliches Museum mit zu erarbeiten, Sammlungen anlegen, Dauerausstellungen konzipieren und bestücken, einen Museumsalltag organisieren. Und gleichzeitig erschien uns die Anschubfinanzierung für eine Kulturgeschichte von Arbeit eher mager." Elisabeth von Dücker war zuständig für den Bereich Alltags- und Frauengeschichte und den ehrenamtlich tätigen 'Arbeitskreis Frauen im Museum'. "Dieser Arbeitskreis war für mich wie für das entstehende Museum eine wichtige Ressource mit einer politischen Komponente, war doch der Grundtenor dezidiert frauenbewegt und feministisch. Hauptmotiv war, die Konzeption des Museums mitzubestimmen, da es nicht nur ein Museum der männlichen Arbeiter werden sollte. Die Debatten drehten sich um die Erweiterung des traditionellen Arbeitsbegriffs, um die unbezahlte, gesellschaftlich wenig gewertete Hausarbeit, um Geschlechterrollen und Sammlungsstrategien." Und dann holt Lissi noch ein bisschen weiter aus und erklärt den theoretischen Hintergrund ihrer Tätigkeit in der Museumslandschaft: "Die Konfliktlinie hieß damals: Autonomie versus Integration, also autonomes Frauenmuseum gegenüber der Integration von Frauen- und Geschlechterperspektiven in bestehende Häuser. Mich haben der Mut und die Vielfalt fasziniert, wie das Begehren der Frauen nach Repräsentanz im Museum formuliert und strategisch durchgesetzt werden könnte. Mir persönlich war klar, dass mein Weg derjenige durch die Institutionen war, mit dem Anliegen, versuchsweise die Grenzen der Institution zu verschieben. Dazu gehörte auch die wichtige Forderung, die im Arbeitskreis Frauen entstanden war: eine Quotierung der Quadratmeter. Das meinte, nicht nur eine 'Frauenecke' im Museum, sondern mindestens die Hälfte für Frauen- und Geschlechtergeschichte." Das gelang zwar nicht, aber immerhin wurde mit der Eröffnung des Museums der Arbeit im Jahr 1997 auch die Dauerausstellung 'Frauen und Männer - Arbeitswelten und Bilderwelten' im Museum der Arbeit auf 400 qm installiert. In einem wissenschaftlichen Aufsatz erläutert Elisabeth von Dücker: "Ich und das Team haben den Versuch unternommen, die Befunde in den Arbeits- und Geschlechterverhältnissen nicht nur zu zeigen, sondern auf ihre Konstruktionsmuster hin zu befragen: Warum gibt es geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, warum ökonomische Privilegierung und Diskriminierung, wie wird mit den Bildern von Weiblichkeit und Männlichkeit soziales Geschlecht konstruiert, wie gestaltet sich Wandel in gesellschaftlicher und individueller Hinsicht." Das ist jetzt mehr als 20 Jahre her, ein Zeitraum, in dem Ausstellungen erneuert werden müssen und Strategien sich ändern. Diese Abteilung musste weichen, ist Frauenarbeit im Museum der Arbeit heute immer noch adäquat präsentiert? Lissi antwortet etwas ausweichend: "Eine schöne Frage und eine schwierige. Mir schwebt eine work-in-progress-Abteilung vor, durchlässig für aktuelle, auch historische Debatten über den Wandel von lokaler und globaler Arbeit, der sich wandelnden Geschlechterrollen im Dialog unterschiedlicher Kulturen und Herkünfte. Und das alles in einem inspirierenden Ort im Museum, der zu einem individuellen Mitwirken verlockt - so etwa, wie sich die Abteilung Frankfurt jetzt im Historischen Museum Frankfurt präsentiert. Dort sind die Stadtbewohner_innen eingeladen, ihre Expertise mit dem Leben hier und ihren Zukunftswünschen einzubringen - ihnen ist diese Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche gewidmet, wo jetzt, im Jahr 2019 eine große Schrifttafel zum Mittun aufruft." Viel zu tun, "manchmal ein bisschen mehr ..." Wenn Lissi sich an die Gründungsjahre des Museums der Arbeit erinnert, fällt ihr als Erstes ein: "Mein Tag hatte nicht unselten immer mindestens 25 Stunden." Neben der Berufstätigkeit engagierte sie sich im Stadtteilarchiv Ottensen, war fast von Anfang an im bundesweiten Frauengeschichtsnetzwerks Miss Marples Schwestern dabei und seit 1986 "gab es ja auch noch den Arbeitsplatz 'Laura', meine kleine Tochter, die in der Anfangszeit im Laufgitter im Büro dabei war. Das war ganz schön anstrengend. In der Folge habe ich außerdem in unserem Stadtviertel Ottensen den bilingualen deutsch-türkischen Kinderladen mitgegründet." Gleichzeitig wuchs die Ungeduld. "Ich kam von einem seit 1860 etablierten Museum und wollte meine Erkenntnisse und Ideen in die Museumsarbeit einbringen, aber es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, mehr als 10 Jahre. Da das Museum der Arbeit immer noch nicht eröffnet war, wir aber mit neuem Blick auf geschlechtsspezifische Arbeit loslegen wollten, entstand die Idee zu dem ersten Wandbild, und dann gleich ein richtig Großes mit 1000 Quadratmetern! Zum 800. Hafengeburtstag am 1. Mai 1989 gelang es dem Arbeitskreis Frauen im Museum, mir als Kuratorin und in Kooperation mit dem Museum, an einem alten Getreidespeicher das Wandgemälde "100 Jahre Frauenarbeit im Hamburger Hafen" zu präsentieren. Quasi eine unübersehbare Außenstelle für das Museum der Arbeit. Leider musste nach vier Jahren der industriehistorische Getreidespeicher umgebaut werden, die Wand erhielt Fenster und damit war das Bild dahin. Wir sind zum Investor gegangen und haben tatsächlich sozusagen als "Wiedergutmachung" eine fünfstellige Summe erhalten. Damit machten wir, Hildegund Schuster und ich und damals noch für einige Jahre die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic einen Neustart, es war der Anfang der späteren FrauenFreiluftGalerie." Bevor Lissi mit dem nächsten großen Projekt begann, hat sie sich mit 53 Jahren ein Jahr Auszeit genommen. "Mein Vater ist mit 53 Jahren gestorben, er hat immer nur gearbeitet, das war mir eine Warnung." Prostitution als Arbeitsplatz Hafenarbeit, Frauenarbeit, Arbeitsplatz Kind - Elisabeth von Dücker interessierte sich nicht nur für herkömmliche Erwerbsarbeitswelten, sondern auch für Themen, die nicht sofort ins Auge fallen: "Mir lag am Herzen, daran mitzuarbeiten, dass Museum nicht als traditioneller Musentempel funktioniert, sondern dass dort auch Neuland betreten, Perspektivwechsel erprobt wird, ein Dialog zwischen Jetzt und Zukünftigem stattfindet." Also traute sie sich an das Thema Sexarbeit heran. Ausgangspunkt war das 2002 in Kraft getretene neue Prostitutionsgesetz, das die rechtliche Stellung von Prostitution als Dienstleistung regelt, um die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten zu verbessern. Wie bei jeder anderen Arbeit ist es ihnen dadurch möglich, sozialversichert zu sein. "'SEXARBEIT - Prostitution - Lebenswelten und Mythen' war wohl eine meiner zentralen Ausstellungen, habe ich doch unendlich viel dabei gelernt. Wir hatten eine ausgetüftelte Ausstellungsarchitektur in 14 Räumen auf 700 Quadratmetern. Man stand Schlange, um die Eröffnung im November 2005 zu erleben. Und auch bei der Finissage nach zweimaliger Verlängerung. Die Hafenstadt Hamburg, als Hauptstadt der Prostitution geltend, war schlichtweg der richtige Ort für das Thema." Anschließend war die Ausstellung in Bern zu sehen. Das von Lissi als verantwortlicher Kuratorin herausgegebene Katalog-Buch umfasst 346 Seiten. Sie vergisst nicht zu erwähnen, dass es von der Stiftung Buchkunst 2006 als schönstes deutsches Sachbuch ausgezeichnet wurde. Nicht nur der Erfolg des Buches und der Ausstellung hat sie als Kuratorin glücklich gemacht, sondern auch die Art und Weise, wie sie über zwei Jahre hinweg und mit unterschiedlichen Kooperateur_innen erarbeitet wurde. Ein sehr großer Kreis hat daran mitgewirkt, fachkompetente Soziologinnen, Historiker_innen, Beratungsstellen über ganz Deutschland verteilt und natürlich Frauen und Männer, die im Sexgewerbe arbeiteten und sich auf Interviews eingelassen haben. "Wir haben viele persönliche Materialien bekommen und konnten Protagonist_innen gewinnen, die ihre Arbeitskleidung und -utensilien zur Verfügung stellten. Es war das erste Mal in Deutschland, dass ein Museum solche Artefakte, jeweils mit authentischer Nutzungsgeschichte, gesammelt und gezeigt hat. Das Thema stand bzw. steht nicht unbedingt im Fokus musealen Interesses, doch wir wollten diese vermeintlich 'dunkle Ecke´ der Gesellschaft ausleuchten. Immerhin spricht man von schätzungungsweise 1,2 Millionen Kunden_innen. Ziel war, das Thema nicht aus der Schlüssellochperspektive zu betrachten." Vielmehr sollte die Präsentation eine Einladung sein, sich mit eigenen und fremden (Vor-) Urteilen auseinanderzusetzen. Besonders gefreut hat die Ausstellungsmacherin sich über die positive Resonanz aus dem Milieu: "Aus Stuttgart, Berlin und St. Pauli waren die Akteur_innen gekommen, zufrieden, dass ihre Arbeit in einem gesellschaftlich anerkannten Rahmen wertschätzend repräsentiert wurde. Wir hätten den Job gezeigt, wie er ist, war ihr Urteil." Wie gründlich die Ausstellung vorbereitet wurde, zeigen auch die Themen des Buches, an dem 130 Autoren und Autorinnen mitgewirkt haben. Es geht los mit der Frage: 'Wer arbeitet warum als Prostituierte?' Dann folgen Oberkapitel wie 'Jobs im Sexgewerbe', 'Das große schnelle Geld?', 'Arbeitsmigration', 'Kunden, Freier, Gäste', 'Prostitution und Gesundheit', 'Moral, Sexualität Gesellschaft', und selbstverständlich auch 'Frauenhandel - Menschenhandel'. Interessant ist, wie Elisabeth von Dücker in der Einleitung schreibt, dass die Spendenbereitschaft bei diesem Projekt nicht überschäumend war und sie sich deshalb umso mehr über die Zeit- und Wissensspenden freute. Wertschätzende Anerkennung Lissis feministisch geprägte Arbeit wurde wahrgenommen und anerkannt. Seit 2008 ehrt der Hamburger Landesfrauenrat alljährlich eine Frau, die sich Verdienste um die Gleichberechtigung von Frau und Mann erworben hat. Allererste Preisträgerin war Elisabeth von Dücker, weil "sie bei ihrer Tätigkeit als Kustodin im Museum auf geschlechtsspezifische Unterschiede aufmerksam gemacht hat, bei dem großen Wandbild zur Frauenarbeit im Hamburger Hafen unsichtbare Frauengeschichte in den öffentlichen Raum gebracht hat und weil sie mit der SEXARBEITs-Ausstellung zur Enttabuisierung des Themas Prostitution beigetragen hat", heißt es in der Presseerklärung. Seit 2007 ist Lissi im Ruhestand, was nicht heißt, dass sie nicht mehr arbeitet. Für das Stadtteilarchiv Ottensen ist sie nach wie vor aktiv und als 2010 das Altonaer Museum geschlossen werden sollte, war sie eine der Sprecherinnen der Bürgerinitiative 'Altonaer Museum bleibt'; mit Erfolg übrigens, denn der Hamburger Senat revidierte aufgrund der vielen Proteste seine Entscheidung. Ansonsten genießt sie es als über 70jährige, "lustvoll die Museumsentwicklung hier und andernorts zu verfolgen und mich kulturgeschichtlich auf den neuesten Stand zu bringen". Und jetzt im Januar, zur Hamburger Schmuddelwetterzeit, flieht sie auf eine warme Insel und ist ganz glücklich "dort in einem kleinen Cafè in Ruhe die dicken Bücher zu lesen, zu denen ich hier in Hamburg kaum komme". Zur Zukunft des Feminismus meint sie: "Ich glaube, das könnte wohl ganz gedeihlich werden, wenn zunehmend mehr Männer sich als Feministen verstehen. Dann haben sie erkannt, wie wichtig es ist, gemeinsam am Strang der Geschlechtergerechtigkeit zu ziehen, denn Feminismus umfasst das ganze Leben und ist für alle gut." Und natürlich die FrauenFreiluftGalerie. Da gibt es immer was zu tun. Die nächste Führung ist für den 11. März im Rahmen des Internationalen Frauentages und am 8. Mai 2020 im Rahmen des Hafengeburtstags geplant. Abgesehen davon ist sie ja rund um die Uhr geöffnet. Über den Internetauftritt können auch private Rundgänge gebucht werden. Außerdem betreut Lissi seit Neustem auch eine Wanderausstellung mit Fotos und Texten über Hafenarbeiterinnen. Sie ist ausleihbar. Derzeit hängt sie im Speisesaal der Altonaer Seemannsmission; damit ist auch das Geheimnis unseres Treffpunkts gelüftet. Gemütlich im Warmen konnte ich mir dort auf den Text-Foto-Tafeln die Details des großen Wandgemäldes an der Außenfassade der Seemannsmission anschauen, auch das wieder eines von Lissis kreativen Projekten, in diesem Fall sogar bi-kulturell. Auf zwei gegenüberliegenden Wänden ist ein Brückenschlag zwischen Hamburg und New York abgebildet: moderne Frauenarbeitsplätze in den Häfen hier und dort - auf der Basis aktueller Interviews. Wer zu weit entfernt wohnt, um sich selbst vor Ort umzusehen, kann die Details und den Entstehungsprozess des Brückenschlags auf der Homepage nachvollziehen, ohne nach Hamburg oder nach New York reisen zu müssen Text: Juliane Brumberg

    Jutta Heinrich

    Jutta Heinrich-Rosemann

    Schriftstellerin

    Ornament Image
    4.4.1937
    Berlin
    -
    23.7.2021
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage 1A 280 AB 2-04

    In ihrem Wikipedia Eintrag heißt es über die Herkunft von Jutta Heinrich: Sie "war die Tochter eines Juristen und Unternehmers und einer ausgebildeten Kunstmalerin. Sie wuchs in Bayern auf, besuchte die Schule bis zur mittleren Reife und übte anschließend verschiedene Tätigkeiten im Groß- und Einzelhandel aus; u. a. leitete sie zeitweise die väterliche Funier- und Sperrholzfabrik."
    1) Jutta Heinrich arbeitete als "Sekretärin, Handelsvertreterin und Inhaberin eines Großhandels für Gardinen sowie mehrerer Einzelhandelsgeschäfte".
    2) "Nachdem sie ihr Abitur nachgeholt hatte, studierte sie ab 1972 Sozialpädagogik an der Fachhochschule Hamburg und ab 1975 Literaturwissenschaft und Germanistik an der Universität Hamburg. Parallel zu ihrem Studium begann sie mit der Veröffentlichung literarischer Werke. 1987 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Ab 1988 war sie Lehrbeauftragte für Literatur, Politik und Geschichte an Universitäten in Bremen, Hamburg und Berlin; 2005 hatte sie eine Gastdozentur [für szenisches Schreiben] an der Universität der Künste in Berlin. (…)" 1) 1999 wurde sie in den P.E.N. gewählt. "Sie erhielt neben diversen Arbeitsstipendien 1989 den Würzburger Literaturpreis und 2017 die Biermann-Ratjen-Medaille" 1) in Hamburg. Bei dieser Verleihung sagte der amtierende Kultursenator Carsten Brosda: "Jutta Heinrich hat mit ihrer Literatur den feministischen Diskurs vorangetrieben. Ihr Hauptwerk ‚Das Geschlecht der Gedanken' ist ein hoch moderner Text, der an Aktualität nicht verliert. In den vergangenen Jahren hat sich Jutta Heinrich vor allem um die Literaturvermittlung verdient gemacht, unter anderem mit dem von ihr 2009 ins Leben gerufenen Schulschreibprojekt ‚LIT. Junge Köpfe, im Literaturzentrum'. Jutta Heinrich lehrt Jungen und Mädchen in allen Teilen der Stadt die Schönheit der Literatur und die Kraft der Worte. Dafür gebührt ihr unser Respekt und Dank.'"
    3) Jutta Heinrich war auch Vorstandsvorsitzende des Literaturzentrums im Literaturhaus Hamburg und Kuratoriumsmitglied der Kulturstiftung Schloss Agathenburg, Niedersachsen. "Ihre Werke: ‚Mit meinem Mörder Zeit bin ich allein', München 1981, ‚Alles ist Körper', Frankfurt am Main 1991 und das in mehrere Sprachen übersetzte und von Wolfgang Emck verfilmte Buch ‚Das Geschlecht der Gedanken', München 1977, wurden 2015 bei S. Fischer neu aufgelegt. Weitere Veröffentlichungen waren: ‚Unterwegs', Berlin 1978, ‚Eingegangen', Berlin 1987, ‚Männerdämmerung', Köln 1989, der Essayband, ‚Im Revier der Worte', Frankfurt am Main 1994, ‚Sturm und Zwang', Hamburg 1995 (zusammen mit Elfriede Jelinek und Adolf Ernst-Meyer), ‚Unheimliche Reise', Hamburg 1998", 3) heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller anlässlich des 80. Geburtstages von Jutta Heinrich.
    Die Journalistin der taz, Petra Schellen, schrieb einen Nachruf auf Jutta Heinrich. Darin heißt es: "Da war einmal die 14-Jährige, die sich nach dem Weggang der Mutter auch um die jüngeren Schwestern kümmerte und im väterlichen Unternehmen mitarbeitete. Da war später die selbstständige Handelsvertreterin und Unternehmerin, die zwar der bürgerlichen Enge entkommen war, aber oft männliche Dominanz erlebte. Erfolgreich war sie trotzdem, die Geschäfte florierten.
    Ausschließlich aufs Materielle fixiert war Jutta Heinrich dabei nie, hat schon als Kind geschrieben. Dafür habe sie sogar manchmal die Schule geschwänzt, erzählt ihre langjährige Weg- und Lebensgefährtin Heidemarie Ott. (…). Früh hat Jutta Heinrich auch die strukturelle und individuelle Unterdrückung der Frau gespürt und sie 1966 in ihrem Debütroman ‚Das Geschlecht der Gedanken' beschrieben.
    In dem Buch rebelliert ein Mädchen gegen die beengende Erziehung zur Frau im kleinbürgerlichen Milieu, gegen männliche Dominanz und den Chauvinismus der deutschen Nachkriegsgesellschaft überhaupt. Der Roman ist analytisch scharf, erbarmungslos, bissig. Er hätte sofort erscheinen können - wenn sich Jutta Heinrich ein männliches Pseudonym zugelegt hätte. Denn die Verlage wollten ein so radikales, nicht larmoyantes Buch nur einem Mann zuschreiben - zynischer Beleg für den im Buch verhandelten Herrschaftsanspruch. Aber Jutta Heinrich wollte sich nicht verleugnen und genau jene Strukturen stärken, gegen die sie schrieb. Also wartete sie, bis auch die Verlags- und Feuilletonbranche so weit war, und brachte das Buch 1977 heraus.
    Das Echo: furios. Statt der bis dato Frauen zugeschriebenen Leidensliteratur sei dies die ‚Rache des Opfers', schrieb die Zeit. (…). ‚Eines der aufregendsten, poetischsten und genauesten Bücher über die Wechselwirkung von Unterdrückung und Gewalt', schrieb Prof. Renate Möhrmann im ‚Kritischen Lexikon der Gegenwartsliteratur'. (…) Doch so radikal Jutta Heinrich auch war: Sie hatte auch eine zarte, ängstliche Seite, ja: eine Ur-Angst, die nach dem Fast-Atom-GAU von Harrisburg 1979 viel Raum bekam: ‚Mit meinem Mörder Zeit bin ich allein' heißt die Sammlung von Briefen, Romanfragmenten, Traumprotokollen, Tagebuchaufzeichnungen und Gedichten, mit denen sie gegen das Verdrängen der atomaren Bedrohung anschrieb. ‚Diese Texte sind Ausdruck meiner körperlichen und seelischen Reaktionen auf ein Leben unter dem Atompilz, es ist die rebellische, irrende Suche nach einer Heimat meines Lebens, unser aller Leben, in einer Zeit, die immer zeitloser wird, in einer Zukunft, die explodiert', hat die Autorin laut Homepage des Fischer-Verlags einmal über ihr Buch gesagt. Schreiben war für Jutta Heinrich Verarbeitung, Politikum und Botschaft zugleich, und auch in ihrem Habitus war sie absolut: Ihre Wut und Hoffnungslosigkeit über die gesellschaftlichen Verhältnisse sei frisch wie eh und je, aber sie wolle sich nicht wiederholen, hat sie der taz 2016 anlässlich der Neuauflage einiger ihrer Werke gesagt. Deshalb schreibe sie nicht mehr - weder Literatur noch Radiobeiträge.
    Stattdessen produzierte Jutta Heinrich in den letzten Jahren spitze, spritzige Kabarett-Texte und betrieb vor allem die transgenerationelle Weitergabe durch Schreibwerkstätten für die Jüngeren. Für diejenigen, die ihren literarischen Ausdruck noch nicht gefunden hatten. (…)
    Jutta Heinrich liebte Männer und Frauen, lebte die letzten 24 Jahre mit Heidemarie Ott in einer Wohnung am Hamburger Hafen. (…)
    So ganz zum Zeitgeist gepasst hat Jutta Heinrich allerdings nie: ‚Ohne meinen Chauvi-Geist wäre ich längst tot', hat sie der taz einmal gesagt. ‚Ihre punktuelle ,Über-Heblichkeit' bezog sich auf Einverleibungsversuche und identitäre Zuschreibungen', erklärt Heidemarie Ott. ‚Meine Sexualität ist ja an und für sich in Ordnung, nur nicht im Verhältnis zur Welt', fand Jutta Heinrich selbst. (…)."
    4) Quellen:
    1. Wikipedia: Jutta Heinrich, unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Jutta_Heinrich abgerufen 20.11.2021
    2. Munzinger archiv, unter: www.munzinger.de/search/portrait/jutta+heinrich/0/17876.html
    3. Pressemitteilungen des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller; Jutta Heinrich wird 80, unter: https://vs.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++2535f312-7642-11ea-8e3a-001a4a160100
    4. Petra Schellen: Feministische Kämpferin gestorben: Rebellin wider den Zeitgeist. Die feministische Autorin Jutta Heinrich ist vorige Woche in Hamburg gestorben. Aufgefallen war sie durch klare Analysen der Geschlechterverhältnisse, in: taz vom 31.7.2021, unter: https://taz.de/Feministische-Kaempferin-gestorben/!5788734/

    Charlotte Niese

    Schriftstellerin, Heimatdichterin, Lehrerin

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    7.6.1851
    Burg/Fehmarn
    -
    8.11.1935
    Hamburg Altona
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    Grablage: I A 687 abc

    Namensgeberin für Charlotte Niese-Straße in Hamburg-Osdorf seit 1929
    Unter sechs Söhnen war Charlotte Niese zunächst die einzige Tochter eines Pastors und seiner Frau - später wurde noch eine weitere Tochter geboren. Charlotte Niese erhielt eine "Spezialausbildung", sprich, eine andere als ihre Brüder. Dazu wurde sie zu ihren Großeltern geschickt, wo sie viele Jahre lebte. Charlotte Niese bemerkte schon früh, dass die Brüder weitaus mehr durften als sie. Sie litt darunter, klagte aber nicht öffentlich darüber, sondern schwieg, wie es sich für ein wohlerzogenes Mädchen gehörte. Die Brüder erhielten Latein- und Griechischunterricht und schlugen eine wissenschaftliche Laufbahn ein. Charlotte Niese besuchte das Lehrerinnenseminar und unterrichtete nach dem Examen in mehreren Familien in Nordschleswig, in der Rheinprovinz und in Ascheberg. Als der Vater 1881 starb, kehrte Charlotte zu ihrer Mutter zurück, gab ihren Beruf auf und lebte mit ihr bis zu deren Tod im Jahre 1907 zusammen. Nicht mehr als Lehrerin tätig, schaffte sich Charlotte Niese den Freiraum, um ihrem lang gehegten Wunsch zu schreiben nachzugehen. Ihre ersten Prosatexte veröffentlichte sie unter dem männlichen Pseudonym "Lucian Bürger" in der Kieler Zeitung. Nachdem Charlotte Niese mit ihrer Mutter ein Jahr bei einem Bruder in New York verbracht hatte, zogen die beiden Frauen auf Rat eines Bruders nach Altona, denn dort wohnte ein Teil der
    Verwandtschaft. Dort lebte Charlotte Niese bis 1900 zusammen mit ihrer Mutter und der jüngeren Schwester im Philosophenweg. Dort begann auch der schriftstellerische Erfolg. Charlotte Niese wurde eine der bekanntesten Holsteinischen Heimatdichterinnen, sogar in Schulbüchern wurden ihre Erzählungen abgedruckt.
    Charlotte Niese befasste sich auch mit der Frauenfrage. So war sie eine Zeitlang erste Vorsitzende der Altonaer Ortsgruppe des Verbandes Norddeutscher Frauenvereine. Ziel dieses konservativen Vereins waren bessere Bildungs- und Berufschancen für Frauen. Auch in ihren Romanen setzte sich Charlotte Niese mit der Rolle der Frau auseinander. Sie zeigte immer wieder die gesellschaftspolitischen Grenzen auf, an die Frauen stießen. Jedoch trat sie, die selbst unter diesen Gegebenheiten litt, nicht für eine Überwindung dieser Verhältnisse ein. Charlotte Niese akzeptierte den status quo. Die traditionellen Geschlechtsrollenmuster zu durchbrechen, entsprach nicht ihrem Temperament und Weltbild.
    Text: Rita Bake

    Lieselotte Pongratz

    Soziologin und Kriminologin

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    24.12.1923
    Harburg
    -
    5.9.2001
    Hamburg
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    Grablage: anonyme Grabstelle

    Für Liselotte Pongratz gibt es einen Wikipedia-Eintrag. Darin heißt es über ihren Lebensweg: "Sie war ab 1973 Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg. 1975 wurde sie auf den dortigen Lehrstuhl für Kriminologie berufen und war die dritte Frau in der Bundesrepublik, die einen solchen Lehrstuhl innehatte.
    Als Tochter eines Kommunisten war Pongratz der Besuch einer höheren Schule aus politischen Gründen während des Nationalsozialismus versagt. Sie besuchte die Volksschule und leistete ein Pflichtjahr in der Landwirtschaft ab. Anschließend machte sie eine kaufmännische Lehre, die sie mit der Gehilfenprüfung abschloss.
    Es folgten eine Kriegdienstverpflichtung und bis 1945 der Einsatz im Reichsarbeitsdienst in Ostpreußen. Nach dem Krieg begann sie 1946 eine Ausbildung zur Fürsorgerin am Sozialpädagogischen Institut Hamburg, machte dort 1949 das Examen und arbeitete danach als Sozialarbeiterin bei der Jugendbehörde Hamburg.
    1953 wurde Pongratz für eine wissenschaftliche Studie über Jugendliche in Heimen von der Jugendbehörde freigestellt. Im Rahmen dieser Arbeit entwickelten sich Kontakte zu einer Gruppe von Soziologen um Helmut Schelsky, insbesondere zu dem späteren Soziologieprofessor Heinz Kluth, der sie unterstützte, das Begabtenabitur zu machen. 1954 begann Pongratz mit dem Studium der Soziologie, Kriminologie, des Jugendstrafrechts und der Psychologie in Hamburg und an der London School of Economics and Political Science. Sie wurde 1963 im Rahmen eines Stipendiums bei Heinz Kluth an der Universität Hamburg promoviert. Ihr Dissertationsthema war die Sozialisation und das soziale Lebensschicksal von Prostituiertenkindern.
    Von 1963 bis 1966 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Kriminologie der Universität Hamburg. In Zusammenarbeit mit den beiden Senatsbeauftragten Curt Bondy und Rudolf Sieverts war sie mit dem Aufbau des Sozialpädagogischen Zusatzstudiums für Sozialwissenschaftler, Juristen, Mediziner und andere Fachrichtungen an der Universität befasst. 1966 wurde Lieselotte Pongratz Wissenschaftliche Rätin am Seminar für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. Hier führte sie eine methodologische Ausbildung ein und setzte den Schwerpunkt auf abweichendes Verhaltens in der Jugend und Familie. Aus dieser Tätigkeit heraus war sie mit im Aktionsforschungsprojekt in der Hamburger Übergangsstrafanstalt für Strafgefangene in der Alsenstraße.
    Nachdem sie mehrere Rufe an andere Universitäten abgelehnt hatte, wurde sie 1973 Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg und baute den Bereich ‚Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle" weiter aus. 1975 nahm sie den Ruf auf eine Professur für Kriminologie am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg an. Nach Anne-Eva Brauneck und Hilde Kaufmann war sie die dritte Professorin für Kriminologie in der Bundesrepublik.
    Von 1979 an war Pongratz maßgeblich an der Gründung des Aufbau- und Kontaktstudiums für Kriminologie beteiligt, dessen Lehrbetrieb 1984 aufgenommen wurde. Diese Modelleinrichtung (…) war die erste Diplom-Ausbildung für Kriminologie in der Bundesrepublik. Zum Wintersemester 1985/1986 wurde Pongratz emeritiert.
    2000 gründete sie die nach ihr benannte Lieselotte-Pongratz-Stiftung, deren Vorsitz sie bis zu ihrem Tode innehatte. Ziel der Stiftung ist es, Studierenden und Promovierenden der Kriminologie und der sozialen Arbeit zu ermöglichen, Forschungsprojekte erfolgreich zu beendigen. (…)
    Lieselotte Pongratz war Mitbegründerin des Arbeitskreises Junger Kriminologen (AJK), die sich am 12. Juni 1969 zu einer interdisziplinären Arbeitsgruppe mit dem Ziel zusammenschloss, ein Diskussionsforum für Nachwuchswissenschaftler über neue Forschungsarbeiten und Forschungskonzepte zu bieten. Ebenfalls 1969 war sie Mitbegründerin und -autorin des Kirminologischen Journals (KrimJ). (…) 1972 war sie an der Gründung des Moritz-Liepmann-Hauses beteiligt.
    1973 war sie Mitbegründerin der European Group for the study of deviance and social control, der sie bis zu ihrem Tode angehörte. Seit 1969 war sie zusammen mit Fritz Sack, Klaus Sessar und Bernhard Villmow Mitherausgeberin der Hamburger Studien zur Kriminologie. Zu Beginn der 1970er Jahre war Pongratz Mitglied und später für vier Jahre Vorsitzende des Bundesjugendkuratoriums. Der kriminologische Forschungsansatz von Pongratz war stark geprägt von ihrem sozialpädagogischen Praxisbezug und ihrer methodischen Ausbildung. Sie initiierte Projekte auf der Grundlage der empirischen Sozialforschung. (…) Ihre Aufgabe als Kriminologin sah sie vor allem darin, mit kriminologischem Wissen die Situation der von der Kriminalpolitik Betroffenen tatsächlich zu verändern. Es ging ihr wesentlich um die Herausarbeitung belastender Lebensumstände, die auf Menschen einwirken und die durch deren Handeln wiederum reproduziert werden. Sie zeigte auf, wie Menschen mit gleichen Umständen unterschiedlich umgehen, sie bewältigen oder an ihnen scheitern. (…)
    Aufgrund der Kombination aus Wissenschaftlerin und Kriminalpolitikerin unterschied Pongratz sich von der rein wissenschaftlichen, theorieorientierten wie auch von der üblichen kriminalpolitischen Betrachtungsweise ab. Ihr Engagement war maßgeblich auf eine zielorientierte Umsetzung von Maßnahmen für die Betroffenen ausgerichtet. Kennzeichnend für ihren wissenschaftlichen Ansatz war die Integration von Rechts- und Sozialwissenschaften auf den Gebieten des Strafrechts und der Kriminologie, insbesondere durch interdisziplinäre Forschungsaktivitäten." 1)
    Quelle:
    Wikipedia: Liselotte Pongratz (abgerufen: 21.7.2017)

    Martina Severin-Kaiser

    geb. Severin

    Ökumenebeauftragte der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland, Geschäftsführerin der ACK Hamburg, Hauptpastorin St. Petri, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag

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    21.2.1959
    Eutin
    -
    8.7.2016
    Hamburg
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    Grablage: IB 231

    Unter dem Titel "Tiefe Anteilnahme - Hauptpastorin Martina Severin-Kaiser ist plötzlich gestorben", meldete die Website der Hauptkirche St. Nikolai am 11. Juli 2016: "Wir sind erschüttert und fassungslos - am Freitag, den 8. Juli, ist Martina Severin-Kaiser plötzlich gestorben. Erst im Dezember wurde sie in ihr Amt als Hauptpastorin von St. Petri eingeführt und konnte bereits in diesem ersten halben Jahr ihres Wirkens viel Vertrauen erwerben und für Aufbruchsstimmung sorgen.
    Geboren 1959 in Eutin, verbrachte Martina Severin Kaiser ihre Schulzeit in Lübeck. Nach dem Theologie- und Geschichtsstudium in Münster, Tübingen, Jerusalem und Hamburg arbeitete sie in Jerusalem in interreligiösen und christlich ökumenischen Initiativen. Für acht Jahre war sie im Anschluss Pastorin im multikulturellen Stadtteil Hamburg-Steilshoop. Dort war sie u. a. in der Frauenarbeit tätig, stellte die Arbeit mit Seniorinnen und Senioren auf neue Beine und war in der Entwicklung des Stadtteils engagiert.
    Von 1996 - 2004 leitete sie die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Brüssel und in der Wallonie. Sie öffnete in Stellenteilung mit ihrem Mann die Gemeinde im internationalen Umfeld als Diskussionsforum im vorpolitischen Raum und als offenen Ort für junge Menschen und Familien. Während dieser Zeit war sie als Delegierte der Konferenz europäischer Kirchen (KEK/CEC) an gemeinsamen Projekten der internationalen Ökumene und in Gremien der Europäischen Institutionen im interreligiösen Gespräch beteiligt.
    Seit 2004 hat Martina Severin-Kaiser als Ökumenebeauftragte der Nordkirche besonders die Zusammenarbeit mit den vielen Gemeinden anderer Sprache und Herkunft im Bereich der Nordkirche gestaltet. Sie leitete bis Ende letzten Jahres die Arbeit der regionalen Hamburger Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACKH), einem Zusammenschluss von derzeit 36 verschiedenen Kirchen und Gemeinden. Sie gehört außerdem zum Vorstand des Trägervereins ‚Ökumenisches Forum HafenCity" und war dessen Sprecherin [1]. Ihre Themenschwerpunkte der letzten Jahre waren u.a. die Entwicklung einer alltagstauglichen interkulturellen Theologie. Unser tiefes Mitgefühl gilt der Familie von Martina Severin-Kaiser" [2].
    Ihr Engagement im Rahmen des christliche-jüdischen Dialoges umschreibt der Nachruf des Deutschen Evangelischen Kirchentages mit dem Titel: Kirchentag trauert um Martina Severin-Kaiser. "Die Hauptpastorin der City-Kirche St. Petri in Hamburg war seit über 20 Jahren bei Kirchentagen aktiv und seit 2009 christliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen. Generalsekretärin Ellen Ueberschär: ‚Martina Severin-Kaiser war in den letzten Jahren gewissermaßen das Herz der Arbeitsgemeinschaft. Sie hat mit ihrer fachlichen Kompetenz immer wieder neue Akzente im jüdisch-christlichen Gespräch gesetzt und mit ihrer offenen und herzlichen Art Menschen für diese Arbeit begeistern können. (...)
    Mit Martina Severin-Kaiser verliert der Kirchentag eine engagierte Persönlichkeit des christlich-jüdischen Dialogs. In Bibelarbeiten hat die AG-Vorsitzende immer wieder theologische Impulse gesetzt und als Ökumenebeauftragte der Nordkirche das ökumenische und interreligiöse Profil des Hamburger Kirchentages 2013 entscheidend geprägt.
    Die Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Kirchentag besteht seit 1961. Die Arbeit der AG ist geprägt vom gemeinsamen theologischen Nachdenken und hat entscheidende Beiträge zur Annäherung, zur Verständigung und zum Verständnis zwischen Juden in Christen in Deutschland nach der Schoa geleistet." [3]
    Ihr Vorgänger im Amt eines Hauptpastors an St. Petri von 2002 bis 2015 war Christoph Störmer. "Verkehrte Welt" betiteltet er seinen Nachruf: "Am vergangenen Sonntag wollte Severin-Kaiser zum Thema ‚Verkehrte Welt" predigen, im Rahmen einer Predigtreihe der Hauptkirchen anlässlich der gleichnamigen Hieronymus-Bosch-Ausstellung im Bucerius Kunst Forum. Stattdessen wurde es ein bewegender Trauergottesdienst mit großer Anteilnahme. Verkehrte Welt. Die Citykirche steht kopf und trägt Trauer, die Pastorin hinterlässt eine große Lücke. Auch mich wühlt dieser Tod auf, er geht mir unter die Haut. Das spüre ich körperlich. Wie gern hatte ich im November 2015 den Staffelstab an die neun Jahre jüngere Kollegin übergeben! Ich hatte sie bereits in meiner ersten Pfarrstelle in den achtziger Jahren kennen und schätzen gelernt. Sie kam damals, als ich von dort wegging, nach Hamburg-Steilshoop in die Martin-Luther-King-Kirchengemeinde. Auch für sie war es die erste Pfarrstelle, die sie sich mit ihrem Mann teilte.
    Im vergangenen Jahr (2015) wurde Martina Severin-Kaiser von der Kirchenkreissynode Hamburg-Ost in ihr neues Amt in St. Petri gewählt, davor war sie ein Jahrzehnt lang die Ökumene-Beauftragte der Nordkirche. Aus meiner Sicht war das eine ideale Besetzung. Denn St. Petri steht seit Jahrzehnten für die christliche Ökumene Hamburgs und hat sich in Zusammenarbeit mit der Akademie der Weltreligionen und dem Rathaus zu einem Ort des interreligiösen Gesprächs und internationaler Begegnungen entwickelt - unter engagierter Beteiligung von Frau Severin-Kaiser. Es gab in Hamburg kaum eine erfahrenere und kompetentere Person für diese Aufgabe.
    Martina Severin-Kaiser vereinte Bodenhaftung mit Weltoffenheit. Sie kannte und liebte die Schätze anderer Kulturen, Konfessionen, Religionen, sie pflegte den Diskurs und zeigte zugleich ein eigenes theologisches Profil. Längere Zeit hielt sie sich in Jerusalem auf, später lebte sie mit ihrer Familie jahrelang in Brüssel. Sie sprach die alten und die neuen Sprachen fließend. Martina Severin-Kaiser war mit Herz und Seele angekommen in St. Petri. Man schätzte ihre Klarheit, ihre Offenheit, die positive und zupackende Art. Sie hatte eine große Neugier und Begabung, Traditionen weiterzuentwickeln und dabei die Menschen mitzunehmen Persönlich mochte ich ihre erfrischende Nüchternheit, ihren trockenen Humor, ihre warme Präsenz und ihre ganz und gar unprätentiöse, uneitle Art." [4].
    Der Trostgottesdienst fand am 20. Juli 2016 in der Hauptkirche St. Petri statt. Pastorin Martina Severin-Kaiser hinterließ drei Kinder, für die nun ihr Gatte Matthias Kaiser, Pastor an der nahe gelegenen Ev.-Luth. Tabita-Kirchengemeinde, zuständig ist. Eine Kranzspende wurde für das Qualifizierungsprojekt "Interkulturelles Lernhaus für Frauen in Hamburg" (Leitung: Irene Pabst) erbeten, dessen Trägerin die ACKH und das Frauenwerk der Nordkirche ist [5].
    Quellen:
    1 Ökumenisches Forum Hafencity und Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg ACKH: Trauer um Martina Severin-Kaiser. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg und Ökumenisches Forum Hafencity erschüttert über den Tod einer ökumenisch engagierten Frau. Von Vikar Walter Jungbauer (Pressemitteilung ohne Datum)
    2 www.hauptkirche-stnikolai.de/2016/07/11/tiefe-anteilnahme-hauptpastorin-martina-severin-kaiser-ist-ploetzlich-gestorben
    3 www.kirchentag.de/no_cache/service/meldungen/berlin/juli_2016/ kirchentag_trauert_um_martina_severin_kaiser.html
    4 www.zeit.de/2016/30/nachruf-martina-severin-kaiser-st-petri-hamburg; Erstdruck in: DIE Zeit, Nr. 30, 14.7.2016, Hamburg-Teil, Seite 4
    5 Fünf Traueranzeigen im Hamburger Abendblatt, 16./17.7.2016, S. 28

    Doris Waschk-Balz

    Bildhauerin, Medailleurin
    Övelgönne 23 (Wohnadresse)
    Atelier in Ottensen
    Bestattet auf dem Friedhof Bernadottestraße

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    26.11.1942
    Berlin
    -
    8.3.2025
    Hamburg
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    Doris Waschk-Balz entstammte einem Künstlerhaushalt. Sowohl ein Großvater als auch ihr Vater waren Bildhauer, die Ehefrau – ihre Großmutter – des als Bildhauer tätigen Großvaters war die Bremer Malerin Mili Plump (1879-1947), die in Worpswede gemalt hatte.

    Nach dem Abitur, welches sie in Heilbronn absolviert hatte, war der Berufswunsch noch nicht klar ausgeprägt. Doris Waschk-Balz wollte Kunsterzieherin oder Architektin werden. Sie begann 1964 an der staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart zu studieren und besuchte für zwei bis drei Semester die Keramikklasse von Ulrich Günther. Doch dann zog es sich mehr zur Bildhauerei und begann dieses Fach bei Rudolf Daudert zu studieren.

    1964 ging sie nach Hamburg und setzte ihr Studium der Bildhauerei bei Gustav Seitz an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bis 1968 fort. Seitz Kunstwerke kannte sie schon lange, da er ein ehemaliger Studienkollege ihres Vaters und ehemaliger Schüler ihres Großvaters Wilhelm Gerstel (1879-1963) gewesen war.

    An der HfbK lernte sie auch ihren späteren Ehemann, den Zeichner und Buchillustrator Klaus Waschk (geboren 1941) kennen. Das Paar heiratete 1968, 1971 kam der Sohn Kolja auf die Welt.

    Während Klaus Waschk 1989 eine Professur im Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Hamburg (später umbenannt in Hochschule für angewandten Wissenschaften Hamburg) annahm und daneben freischaffend Arbeiten in Kunst und Illustration schuf, war Doris Waschk-Balz ab 1968 als freischaffende Künstlerin mit eigenem Atelier tätig.

    Im „Der neue Rump“ steht über Doris Waschk-Balz Kunst: „Ihr Generalthema ist der Mensch in seinen Zuständen, äußeren Situationen u. Beziehungen. Oft ist die menschl. Figur in Verbindung zu architektonischen Elementen gebracht, Wänden, Treppen, Rahmen, Kästen als Ausdruck für das menschliche Umfeld. Seit 1989 entstanden Ensembles, ‚Landschaften‘, in denen aus welligem Grund Figurengruppen herauswachsen. Arbeiten in Ton, Gips, Bronze, Terrakotta, Holz, Jute, Wachs, Vollplastik, Büsten und Relief. Der Weg führt von der Geschlossenheit der frühen Arbeiten mit umspannender Oberfläche zu einer offeneren Auffassung von Einzelfiguren bis zu Gruppierungen.“ 1)

    Viele ihrer Arbeiten sind in Hamburg und anderen umliegenden Städten im öffentlichen Raum zu sehen. „Am Großneumarkt in Hamburg steht ein aus Bronze gefertigter Brunnen mit einer Wendeltreppe, auf deren Stufen die Künstlerin unterschiedlich große Figuren platzierte. Der ‚Ottenser Torbogen‘ am Spritzenplatz in Hamburg-Ottensen, eine Bronzeplastik, in der sich eine sitzende und eine schreitende Frau einen Torbogen teilen, prägt seit 1980 das Stadtteilbild. 1985 konzipierte sie das umfangreiche Projekt der künstlerischen Gestaltung der Wohnsiedlung Essener Straße in Hamburg-Langenhorn mit 12 Einzelskulpturen und einer großen Skulpturengruppe. Außerdem sind u. a. das Amtsgericht Ahrensburg, die Fachhochschule Lüneburg, das Fernmeldeamt Heide und die Landeszentralbank Uelzen mit Kunstwerken von Doris Waschk-Balz geschmückt.

    Als Denkmal zeigt das Synagogenmahnmal (1982) an der Oberstraße in Hamburg einen zerrissenen Toraschreinvorhang mit Tora-Rolle und soll daran erinnern, dass die Tempelsynagoge von 1931 (erbaut von den Architekten Felix Ascher und Robert Friedman; heute Rolf-Liebermann-Studio des NDR) geschändet, aber nicht zerstört wurde. (…).“2)

    Im Auftrag des Vereins Garten der Frauen e. V. schuf Doris Waschk-Balz 2026 eine Terrakottaskulptur, die auf dem Ohlsdorfer Friedhof im Garten der Frauen im Rosenpavillon auf einem Sockel aufgestellt wurde. Mit dieser Skulptur erinnert der Verein Garten der Frauen an diejenigen Frauen, deren Grabsteine aus unterschiedlichen Gründen nicht in den Garten der Frauen verlegt werden. Im Sockel, auf dem die Skulptur steht, sind zwei Tafeln zum Ausziehen eingelassen. Auf ihnen sind die Namen und die Grablagen dieser Frauen, die auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet sind, aufgelistet. Ihre Biografien sind auf der Website des Gartens der Frauen nachzulesen.

    Die Skulptur besteht aus zwei Terrakottafiguren. Die eine ist eine Büste, die andere eine kleine, aufrechtstehende Person. Beide schauen in unterschiedliche Richtungen. Getrennt sind sie durch ein wandartiges Element. Sie können sich deshalb nicht sehen, sind aber durch die Erinnerung miteinander verbunden und sich nahe.

    Doris Waschk-Balz wurde auch für Münzgestaltungen angefragt. So gestaltete sie Sonder- und Gedenkmünzen, zum Beispiel die vierte von fünf Sondermünzen, die die Bundesrepublik Deutschland für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München prägen ließ.

    Quellen:

    1. Der Neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs. Überarb. Neuauflage des Lexikons von Ernst Rump (1912). Hrsg. von Familie Rump. Ergänzt, überarbeitet und auf den heutigen Wissensstand gebracht von Maike Bruhns. 2. Aufl. Neumünster 2013, S.496.
    2. https://de.wikipedia.org/wiki/Doris_Waschk-Balz, abgerufen 6.4.2025.

Friedhof Nienstedten

    Mathilde Arnemann

    geb. Stammann

    Patriotin, Mäzenin, Wohltäterin, Ehrenbürgerin von Karlsbad

    Ornament Image
    26.3.1809
    Hamburg
    -
    21.8.1896
    Hamburg
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    Grablage: A 1

    Arnemannweg, seit 1930, Barmbek-Nord
    Mathilde Stammann wuchs mit vielen Geschwistern am Neuen Wall Nr. 50 als Tochter des Zimmermeisters und Architekten Johann Christoph Stammann und seiner Ehefrau Sophia Margarethe, geb. Paetz. Der Vater starb früh.
    In der Privatschule des Lehrers Unbehagen an der Langen Reihe wurde Mathilde gemeinsam mit Jungen unterrichtet. Möglicherweise hat diese Koedukation das "knabenhafte" Wesen Mathildes mitgeprägt; mit den Schulkameraden blieb sie lebenslang in Kontakt.
    In die Zwanzigjährige verliebte sich der vier Jahre ältere hochtalentierte Altonaer Kaufmann und schwedische Konsul Carl Theodor Arnemann; als Witwer und Vater einer kleinen Tochter war er auf der Suche nach einer zweiten Frau. Seine Eltern waren jedoch gegen eine Verbindung mit Mathilde Stammann und verboten ihm den Umgang mit ihr. Als Sohn und Mitinhaber der Firma war er von ihnen abhängig. Um sie günstiger zu stimmen, maß er ihnen gegenüber den Charakter seiner Erwählten an dem Klischee der züchtigen Hausfrau und wies auf ihre inneren Werte hin: "Daß Mathilde im Äußeren oft knabenhaft munter ist, tadele ich sehr und wünsche es anders - im Innern sieht es viel, viel schöner aus. - Ein liebes, treues Herz, ein offener Kopf, den besten Willen und regsten Trieb, recht gut zu werden - dabei gesund, lebensfroh und mit,
    ganz gewiß, der tiefsten Liebe zu mir und dem lieben Kinde zugetan - kann ich mehr verlangen?" 1)
    Im Dezember 1829 konnte die Ehe doch geschlossen werden, und Mathilde löste die in sie gesetzten Erwartungen, "recht gut zu werden", im Lauf eines langen Lebens ein; zu der Tochter aus erster Ehe kamen sechs Söhne aus der zweiten. Den ungewöhnlichen Reichtum, den ihr Mann durch Erwerb riesiger Ländereien in Norwegen mit ausgedehntem Holzhandel erwarb, nutzte sie für großzügige Wohltätigkeit. Sie gestaltete das Arnemannsche Haus an der Palmaille zum geselligen Mittelpunkt und das ländliche Anwesen in Nienstedten zum "anmutigen Tusculum" für Künstler aller Art. Doch war es nicht der Glanz des Reichtums allein, der Frau Arnemann bekannt machte. Er war beim Tod Carl Theodors 1866 längst verflogen; die Witwe bezog danach in Hamburg an der Fruchtallee eine kleine Wohnung, in der sie nicht mehr "Hof halten" konnte. Es muss der Charme ihrer Persönlichkeit gewesen sein, ihre natürliche Unmittelbarkeit, schlichte Menschenliebe und unprätentiöse Bescheidenheit und nicht zuletzt die bis ins Alter bewahrte Lebendigkeit des Geistes und Herzens, was Hamburgs Zeitgenossen faszinierte und in Mathilde Arnemann eine vorbildliche Frau verehren ließ.
    Obwohl Mathilde Arnemann im Umgang mit Menschen so unkonventionell war, mit den Leuten Platt sprach und gesellschaftliche Etikette ablehnte, gibt es doch kein Zeichen dafür, dass sie die bestehende Gesellschaft verändern und die Rolle der Frau neu bestimmen wollte wie die Freisinnigen. "Sie hat in Hamburg kein Werk hinterlassen, das ihren Namen trägt, hat sich keiner politischen, religiösen, frauenemanzipatorischen Richtung, keinem Verein ganz verschrieben, sondern mit spontanem individuellem Handeln auf jeweilige Situationen reagiert.
    Dabei zeichnen sich drei Bereiche ab: Als Patriotin war sie in Kriegszeiten immer zur Stelle, um Hilfsdienste für Verwundete und Hinterbliebene zu organisieren und selbst zu leisten. Als Mäzenin ermunterte und unterstützte sie junge Künstler und vermittelte Kontakte zwischen ihnen. Als Wohltäterin half sie in unzähligen Einzelfällen gegen dringendste Not; außerdem entstanden auf ihre Initiative hin einige wohltätige Stiftungen. (…)
    Mathilde Arnemann war eine glühende Patriotin. (…) Sie widmete sich im ersten und noch umfassender im zweiten dänischen Krieg auf ihre Weise der patriotischen Sache, nämlich der Pflege von Verwundeten. (…) Spontan fanden sich überall in Deutschland Frauen zusammen, bildeten Ausschüsse, organisierten Unterstützungsaktionen für die notleidende schleswig-holsteinische Bevölkerung (…). Mathilde Arnemann schloss sich dem Vaterländischen Frauenverein (…) an. (…) Sie richtete zwei Lazarette ein. (…) Im sogenannten deutschen Krieg von 1866 kümmerte sie sich um die österreichischen Verwundeten. (…) Es ist nicht ersichtlich, wie stark die ‚große Patriotin" von den politischen Hintergründen tangiert war. Sie griff ein, wo Hilfe not tat. Ihr Patriotismus umfasste sowohl die kriegerisch-nationale als auch die friedlich-gemeinnützige Seite. Während einer Überschwemmung organisierte sie ebenso spontan wie im Kriege eine Hilfsaktion für die Opfer. Sie verstand sich als hamburgische Republikanerin und lehnte deshalb den Adelstitel ab, der ihr von Kaiser Wilhelm I. als ‚Kriegsauszeichnung" angeboten wurde. Statt dessen nahm sie gerne den selten verliehenen preußischen Louisenorden I. Klasse entgegen, denn er ehrte auf augenfällige Weise ihren weiblichen Patriotismus.
    Den Ruf als Wohltäterin verdankte Frau Arnemann noch einer ganz anderen Seite ihres Wesens und ihrer Möglichkeiten. Der Reichtum gestattete ihr und ihrem Mann den Erwerb von Kunstschätzen. Mit dem Sammeln von Kunst verband das Ehepaar die Förderung junger Künstler. (…) Ihre Kunstliebe und -förderung bezog sich auch auf Musik und Dichtung. Wie der Dichter Thorwaldsen logierten bei Arnemanns Felix Mendelssohn Bartholdy, die ‚schwedische Nachtigall" Jenny Lind und viele andere (…), gelegentlich auch Politiker wie der spätere Reichskanzler v. Bülow (…). Mathilde Arnemanns Ansprechpartner in Hamburg bei Hilfs- und Unterstützungsaktionen war Senator Versmann, die Familien waren verwandtschaftlich und als Nachbarn miteinander verbunden.
    Bei ihren alljährlichen Kuren in Karlsbad fasste Mathilde Arnemann den Plan, eine solche Erholung auch Menschen zu ermöglichen, die sich das finanziell nicht leisten konnten und initiierte eine Stiftung. Diese erhielt den klingenden Namen ‚Elisabeth-Rosen-Stiftung" nach der Legende von der heiligen Elisabeth, wonach sich die Gaben in deren Korb, die sie den Armen bringen wollten, in Rosen verwandelten, als ihr über die Wohltätigkeit erzürnter Gatte den Deckel hob. Bei der Einweihung 1866 und so auch in den kommenden Jahren verkauften junge Mädchen Rosen an die begüterten Kurgäste, die sich zum eifrigen Spenden angeregt fühlten. (…)
    Mathilde Arnemann erschloss finanzielle Ressourcen für die Unterstützung ärmerer Menschen, verstand dies jedoch nicht als Almosen. Es schien ihr wichtig, die Hausfrauen zur Selbsthilfe anzuleiten.
    In Altona richtete sie deshalb eine Nähstube ein, freilich ohne großen Erfolg. (…)
    In jungen Jahren entwarf sie einen Kleiderschnitt, um von der beengenden Mode loszukommen. Sie hat selbst bis ins Alter Kleider dieser Art getragen. Durch ihre eigene Haltung propagierte sie eine Lebensreform, jedoch ohne diese zum verbindlichen Prinzip zu erheben. Von Frauenemanzipation hielt sie nichts, wenn diese dazu führte, ‚daß die jungen Damen zu Juristen etc. werden". Dagegen ermunterte sie dazu, ‚daß wir wieder ordentliche Weiber bekommen, die nähen, stopfen und flicken können" ". 2)
    An einer Säule in der Hamburger Rathausdiele befindet sich ihr Medaillon-Portrait.
    Quellen:
    Auszüge aus dem Text von Inge Grolle über Mathilde Arnemann, in: Rita Bake, Birgit Kiupel (Hrsg.): Auf den zweiten Blick. Streifzüge durch das Hamburger Rathaus. Hamburg 1997, 101-106.
    1) Paul Theodor Hoffmann: Der Altonaer Kaufmann und Patriot Carl Theodor Arnemann. Ein Lebensbild. Hamburg 1935, S. 30.
    2) Staatsarchiv Hamburg: Nachlass Eilse Davids 622-1, Briefe von Mathilde Arnemann, Brief vom 11. Juni 1883.

    Marie-Luise Bechert

    geb. Ostersetzer

    Organistin, Cembalistin, Chorleiterin

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    25.5. 1908
    Grünberg (Schlesien)
    -
    16.12.1953
    Hamburg
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    Grab aufgelassen

    Marie-Luise Bechert studierte an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin. 1930 schloss die das Studium mit dem großen Kirchenexamen ab und schloss sich der Orgelbewegung an. Sie erhielt eine Stelle als Organistin und Kantorin an der Berliner Lazaruskirche.
    Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialilisten galt sie als "Mischling ersten Grades", da ihr Vater Dr. Oskar Ostersetzer bis zu seiner Heirat jüdischen Glaubens gewesen war. Nach seiner Heirat war er zum Protestantismus übergetreten.
    Marie-Luise Ostersetzer wurde 1935 aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. "Ihre Anstellung an der Lazaruskirche hatte sie schon vor diesem Berufsverbot verloren und war mit dem Tischlermeister Julius Bechert, den sie 1932 kennen gelernt hatte, nach Ladbergen im Münsteland gezogen. Sie heirateten am 13. Apr. 1935 in Münster (Westfalen). Julius Bechert war nicht jüdischer Herkunft, so dass die Ehe mit ihm einen gewissen Schutz bot."
    1) 1939 und 1940 wurden der Sohn und die Tochter geboren. Zwischen 1941 und 1945 hatte sie noch eine Vertretungsstelle als Organistin und trat auch noch öffentlich in Konzerten des Kammermusikkreises (Scheck-Wenzinger) auf. Ende April 1945 verließ sie mit ihren Kindern Berlin und kam zunächst nach Lübeck und später dann nach Hamburg.
    "In Hamburg versuchte Marie-Luise Bechert unter schwierigen Verhältnissen zunächst ohne feste Anstellung und ohne die Unterstützung ihres Mannes, von dem sie sich inzwischen gelöst hatte, einen Neuanfang. (…) Sie begann wieder zu musizieren und trat ab Herbst 1945 beispielsweise in den Kirchen in Nienstedten und Neuenfelde in Abendmusiken auf. Auch nahm sie die Gelegenheit wahr, nachts im NWDR auf dem Cembalo zu üben, und wurde nach einem Vorspiel von Albert Karsch an der musikalischen Gestaltung von Programmen mit Kirchenmusik und alter Kammermusik beteiligt. (…) Erst 1949 erhielt sie als Organistin und Kantorin eine feste Anstellung an St. Katharinen. (…). Offiziell weiterhin an St. Katharinen angestellt, arbeitete sie anschließend in gleicher Stellung in der Kirche St. Pauli-Süd am Pinnasberg. (…) 1950 wurde sie vom NWDR in die Gestaltung des Orgelprogramms zum Bachjahr einbezogen und spielte bzw. leitete aus diesem Anlass auch selbst einige Konzerte mit Orgelmusik (…). 1951 zog sie mit ihren Kindern und der Sängerin Margot Guilleaume (1910-2004), [siehe unter Eintrag: Friedhof Aumühle] die sie beim NWDR kennen gelernt hatte und die ab 1950 an der Hamburger Hochschule für Musik unterrichtete, in eine gemeinsame Wohnung in Othmarschen. Etwa Mitte 1953 erkrankte sie an Krebs. Nach ihrem Tod (…) übernahm Margot Guilleaume die Verantwortung für die Kinder. (…)"
    3) Quelle:
    Siehe ausführliche Vita im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, unter: https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002119 1 bis
    3) Sophie Fetthauer: Marie-Luise Bechert, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen (Hg.), Hamburg: Universität Hamburg, 2007 (https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002119). Abgerufen 3.6.2018.

    Dr. phil. Astrid von Beckerath

    geb. Framhein

    Vorsitzende der Heinrich Schmilinsky Stiftung Gudrunstraße 108

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    11.9.1938
    Hamburg
    -
    23.2.2023
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    Bestattet auf dem Nienstedtener Friedhof, Abt. 16 E, Nr. 82 und 82a

    Astrid von Beckerath wuchs in Hamburg Harvestehude auf, machte an der Heilwigschule ihr Abitur und heiratete 1959. Zwischen 1960 und 1964 wurden zwei Töchter und ein Sohn geboren. Anfang der 1970er Jahre wurde sie gefragt, ob sie dem Vorstand des Schmilinsky Stiftes beitreten wolle. Schon ihr Vater hatte soziales Engagement gezeigt und war im Johannis Stift in Hamburg Eppendorf aktiv gewesen. Und so war es für Astrid von Beckerath eine Selbstverständlichkeit sich ebenso sozial zu engagieren.
    In der Zeitschrift "Klönschnack" vom Juli 2004 heißt es dazu unter dem Titel: "Mensch des Monats": "Heinrich Schmilinsky hatte vor allem junge, mittellose aber doch aus guten Verhältnissen stammende Hamburgerinnen im Sinn, als er sein Testament schrieb. Sie vor allem sollten es sein, die Asyl und eine gute Ausbildung finden - erst danach nannte Schmilisky die Unterkunft von Frauen, die altersbedingt nicht mehr berufstätig sein konnten. Getreu diesem Vermächtnis fanden auch in dem 1954 in Blankenese neu errichteten Stift selbst in den siebziger Jahren noch Wohnungen, in denen junge Studentinnen für wenig Geld unterkommen konnten. Gerade in dieser Zeit fand allerdings ein rasanter Umbruch der Lebenseinstellungen statt und so funktionierte das Zusammenleben mit den älteren Bewohnerinnen in der Frahmstraße 22 nicht mehr so recht. Astrid von Beckerath, damals noch ‚Nur-Hausfrau und Mutter', sollte vermitteln. Schnell erkannte sie: Die Idee Heinrich Schmilinskys ist überholt. Der Staat selbst sorgte durch Bafög und andere Maßnahmen für die jungen Auszubildenden. So überzeugte sie den Vorstand, die Wohnungen auslaufen zu lassen und sich ganz auf die Unterbringung von älteren Damen zu konzentrieren."
    Zur Schmilinsky Stiftung siehe in der Frauenbiografiendatenben unter: https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=4360 Allerdings war es nicht Heinrich Schmilinsky allein, der das Stift gründete Deshalb wurde die 1899 in St. Georg benannte Schmilinskystraße auch 2017 mitbenannt nach seiner Ehefrau Amalie Cäcilie Schmilinsky, geb. Tanner (1833-1916, die gemeinsam mit ihrem Gatten das Stift gründete. Damit wurde erstmals nach knapp 120 Jahren ein Fehler korrigiert, der bei der damaligen Straßenbenennung entstanden war, weil damals nur Carl Heinrich S. als alleiniger Gründer des Stiftes gesehen wurde.
    1979 wurde Adstrid von Beckerath Vorsitzende der Heinrich Schmilisky Stiftung und hatte dieses Amt 36 Jahre inne bis sie es abgab und in den Vorstand wechselte. Bis zuletzt war sie dann Ehrenvorsitzende der Stiftung. Für ihr Engagement erhielt sie die Goldene Ehrennadel des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes verliehen.
    In ihrer Zeit als Vorsitzende rief sie für die Bewohnerinnen auch ein Kultur- und Freizeitprogramm ins Leben. Außerdem begann sie, als ihre Kinder erwachsen waren, ein Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Pädagogik. 1992 promovierte sie im Fach Kunstgeschichte. Sie verfasste mehrere Bücher mit kunsthistorischen Inhalten. So gab sie z. B. 1998 mit Marc Antoni Nay das Buch "Spätgotische Flügelaltäre in Graubünden und im Fürstentum Liechtenstein" heraus und schrieb das Buch "Der Hochaltar in der Kathedrale von Chur: Meister und Auftraggeber am Vorabend der Reformation (1994).

    Gisela Bührmann

    Malerin, Grafikerin

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    11.1.1925
    Hamburg
    -
    7.4.2011
    Hamburg
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    Grablage: Abt. 20 Nr. 95

    Geboren als Tochter des Hamburger Holzhändlers Ernst Bührmann und seiner Frau Erna, geborene Umlauff, verbringt Gisela Bührmann ihre ersten Lebensjahre zunächst im Hamburg-Stellingen bei den Großeltern im Lokstedter Weg 46. Heinrich Umlauff, der Großvater mütterlicherseits, war Sohn und Inhaber des "Weltmuseums". (Die Firma Umlauff war 1869 als Naturalienhandlung und Muschelwarenfabrik gegründet worden und bezeichnete sich später u. a. als "Naturalienhandlung und Museum". In zweiter Ehe mit einer Schwester des Tierhändlers Carl Hagenbeck verheiratet, pflegte der Firmengründer Johann Friedrich Gustav Umlauff Geschäftsbeziehungen mit den Firmen der Familie Hagenbeck. Das Unternehmen war zunächst u. a. am Spielbudenplatz angesiedelt und seit den 1930er Jahren im Privathaus Hamburg-Stellingen. Heinrich Umlauff, der Großvater, ließ sammeln und ersteigerte Stücke auf Auktionen, wirkte an der Gestaltung von Völkerschauen mit, erwarb aber auch Ethnografica aus den Hagenbeckschen Völkerschauen. Die Firma stattete z. B. die Filmindustrie der Weimarer Republik mit exotischen Gegenständen aus.)
    1932 - mit sieben Jahren - zog Gisela Bührmann zusammen mit ihrem Zwillingsbruder und ihren Eltern in eine Villa in Othmarschen um, erbaut von dem modernen Architekten Karl Schneider. Während des Zweiten Weltkrieges übersiedelte Gisela Bührmann wieder zu ihrer Großmutter ins "Museumshaus" nach Stellingen. So stehen ihre ersten entscheidenden Lebensjahre unter dem tiefen Eindruck der Sammlung des großväterlichen Museums: "Nach eigenem Bekunden begann Gisela Bührmann das Zeichnen inmitten der ethnologischen Exponate im großelterlichen Privathaus, zunächst autodidaktisch. Der eindringliche Blick auf die stillen Dinge, die gesammelt und bewahrt werden, wurde prägend für ihr späteres künstlerisches Werk"
    1) Sie wurde zeitweise als Hilfsarbeiterin in einer Elektrofabrik verpflichtet. 1943 besuchte sie die "Meisterschule für Mode" mit dem offiziellen Untertitel "Fachschule der Hansestadt Hamburg für Damenschneiderei, Berufsfachschule für Modegraphik, Theaterkostümentwurf und textile Handarbeit" in der Armgartstraße 22 (gegründet 1921 als "Staatliche Schule für Frauenberufe", gehört heute zur Hochschule für Angewandte Wissenschaften).
    Nachdem das Haus in Stellingen 1943 zerstört worden war, zog sie mit ihrer Mutter in eine Behelfswohnung in Waldmünchen im Bayerischen Wald. 1945 bestand sie im benachbarten Cham ihr Abitur und nahm im darauf folgenden Jahr ein Studium an der Landeskunstschule in Hamburg auf, der späteren Hochschule für Bildende Künste am Lerchenfeld. Sie war Schülerin von Willem Grimm (Hamburger Sezession). Zu ihren Kommilitonen zählten Jutta Metzger, Harald Duwe und Klaus Frank; in Freundschaft verbunden war sie Künstlern wie Paul Wunderlich, Ursula Lefkes, Horst Janssen und Siegfried Jonas.
    Mit ihrem 1952 erworbenen Examen als Kunsterzieherin konnte sie als Lehrerin an Hamburger Gymnasien arbeiten. Sie war weiterhin als freie Künstlerin tätig. In einer Dachwohnung in der Sierichstraße 52 lebte sie in Ateliergemeinschaft mit den beiden Grimm-Schülern Kai Sudeck sowie ihrem Lebensgefährten, dem Maler Reinhard Drenkhahn. "Die lebensfrohe, junge Studentin Willem Grimms, deren überragendes Talent sich früh zeigte, musste erleben, dass ihr gleichaltriger Freund und Gefährte Rainer Drenkhahn, der engste Kumpan Horst Janssens, mit 33 Jahren freiwillig aus dem Leben schied. Dieses Ende blieb die entscheidende Zäsur ihres Lebens, war die Ursache ihrer Schwermut, wurde aber auch zu ihrem künstlerischen Stimulans."
    2) Sie bewahrte Drenkhahns künstlerischen Nachlass und sorgte für sein Andenken. 1963 mit 41 Jahren erhielt sie das renommierte Stipendium für einen Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom. Ein Jahr darauf lernte sie den Kinderarzt und Sammler Dr. Martin Sudeck kennen, mit dem sie bis zu dessen Tod 1992 in Hamburg lebte. Ihre gemeinsame Wohnung am Harvestehuder Weg 63 wurde zu einer nach wissenschaftlichen Prinzipien geordneten Naturaliensammlung, die sie von Sommerurlauben mitbrachten - dies scheint einen Kreis zu schließen zur frühen Prägung Bührmanns im großelterlichen "Weltmuseum".
    1968 erhielt Gisela Bührmann den Edwin-Scharff-Preis der Stadt Hamburg. Bis zu ihrem Tod arbeitete sie als freie Künstlerin zurückgezogen im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst. Zu ihrem Oeuvre schrieb der Kunsthistoriker Heinz Spielmann: "1959 entstanden ihre ersten Radierungen, zwei Jahre später ihre, wie sie sagte, ersten für sie selbst gültigen Zeichnungen, und abermals zwei Jahre später folgten während eines Rom-Stipendiums in der Villa Massimo ihre ersten Gemälde. Wenn sie in ihren Zeichnungen und druckgrafischen Blättern bislang Figuren und Szenen, Häuser und Landschaften beschäftigten, so von jetzt an fast ausschließlich das Stillleben, das sie als Thema vier Jahrzehnte lang fesselte und das sie meisterlich beherrschte. Ihre Bilder sind weniger ‚Stillleben" als ‚Nature morte"; sie zeigen tote Lebewesen wie Vögel oder Muscheln, Tier- und Menschenschädel, oft auch verbrauchte Dinge und Gegenstände, die jemand hinterließ. Später malte sie Trümmerfragmente einer Villa, die der Feuerwehr als Brandschutzübung gedient hatte. Vergänglichkeit und Memento mori, immer schon das Thema der Stillleben schlechthin, blieben für sie eine ständige Lebenserfahrung. Aus ihr heraus machte sie aus Trivialem Preziosen.
    Ihre Malerei, die anfangs der Zeichnung und ihrem Schwarz-Weiß nahestand, wurde im Laufe von zwei, drei Jahrzehnten farbiger und zugleich reduzierter. Zum Schluss genügten ihr Pflastersteine als Thema. Je länger sie malte, umso sparsamer nutzte sie dafür eine Handvoll Gegenstände, umso subtiler und nuancierter wurde ihre Malerei. Sie fand dafür das Verständnis of the happy few, zu denen Günter Busch, der langjährige Direktor der Bremer Kunsthalle, der Hamburger Galerist Michael Hauptmann, einige private Sammler sowie Horst Janssen und Paul Wunderlich gehörten. Janssen schrieb über sie und ihre Arbeiten: ‚Hätte einer ... noch Wohlgefallen am Maß und am Angemessenen - hier hätte er die Kabinettstücke der Gisela Bührmann ... Und es käme ihm bei aufmerksamer Betrachtung ... womöglich die Erkenntnis: Melancholie kann durchaus die Wurzel einer gemessenen Heiterkeit sein - einer Heiterkeit, weg von der Straße ...
    Die wichtigsten norddeutschen Museen bewahren ihre Bilder und Blätter; Schloss Gottorf besitzt ihr gesamtes druckgrafisches Werk. Hamburg ehrte Gisela Bührmann mit dem Edwin-Scharff-Preis und (1970) mit der Aufnahme in die Freie Akademie der Künste, wo ihr Wort den Freunden auch dann - und gerade dann - etwas galt, wenn sie sich abseits aller Konformität äußerte. Anpassung war ihr zuwider, aber welcher Künstler, der dem Zeitgeist Reverenz erweist, verdient sich Respekt und Zukunft - ? "
    3) Text: Dr. Cornelia Göksu
    Quellen:
    1) Dagmar Lott-Reschke: Gisela Bührmann, in: Hamburgische Biografie. Personenlexikon. Hrsg. v. Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke. Band 6. Göttingen 2012, S. 52.
    2) Julika Pohle in "Die Welt" v. 20.09.2012.
    3) Heinz Spielmann: Nature morte. Zum Gedächtnis. Kunsthistoriker Heinz Spielmann würdigt die Künstlerin Gisela Bührmann, in: Die Welt vom 12. 5.2011. Einzelausstellungen:
    1972 Kunsthalle Bremen; 1983 Kunstverein Hamburg; 1998 im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf und 2002 im Altonaer Museum Hamburg.

    Rosemarie Fiedler-Winter

    (Wirtschafts-)Journalistin und ehrenamtlich Gründungs- und Ehrenvorsitzende der Hamburger Autorenvereinigung (HAV)

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    5.9.1922
    Dresden
    -
    19.11.2012
    Hamburg
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    Grablage: UR21, 24: Urnenreihegrab. Bestattungsplatz in der 3. Reihe, Platz 7

    Als "Glücksfall für die Hamburger Autorenvereinigung" und als ihren Inbegriff bezeichnete Ehrenmitglied Siegfried Lenz die Kämpferin für das literarische Leben.
    "Rosemarie Fiedler-Winter ging es von Anfang an darum, die Literaturszene Hamburgs als ein zu damaliger Zeit nicht gerade besonders unterstützter Arm der Kulturlandschaft, zu stärken und langfristig zu einem Leuchtturmprojekt zu machen. Ihrem beharrlichen Werben ist es zu verdanken, dass Schriftsteller wie Siegfried Lenz, Walter Kempowski, Günter Kunert, Arno Surminski und Gabriel Laub den Weg in den Hamburger Verband fanden. In hartnäckigen Verhandlungen suchte sie um Unterstützung in den Hamburger Behörden nach. Auf diesem Fundament konnten ihre Nachfolger mit dem Hannelore Greve Literaturpreis einen der höchst dotierten Literaturpreise Deutschlands etablieren." [1]
    Es gelang ihr sogar, Walter Kempowski zu werben, "den eine komplexe Persönlichkeit auszeichnete, der erst spät die Anerkennung fand und dann in einem letzten Akt vor seinem Tod der HAV die Erlaubnis erteilte, den Förderpreis, ein Wettbewerbspreis für Kurzgeschichten, mit seinem Namen auszuzeichnen. Dass es Rosemarie Fiedler-Winter gelang den großen Autor in den Schriftstellerverband einer Stadt zu holen, die ihn nach der Entlassung aus der Haft in Bautzen alles andere als willkommen hieß, wird als eine ihrer großen Leistungen im Gedächtnis bleiben" (Zitat wie Anm.
    1). Mit Gabriel Laub und seiner Lebensgefährtin, der Autorin Gerlinde Fischer-Diehl, "etablierte sie die Literatur Salons und konnte dafür Schriftsteller wie die Kanadierin Margaret Atwood, den Italiener Alberto Moravia und deutsche Autoren wie Martin Walser und Hans-Olaf Henkel gewinnen [2]. Zu Gästen und Sponsoren zählten aber auch Ida Ehre [bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof] oder Dr. Elsbeth Weichmann, den Otto-Versand oder Alfred C. Toepfer. Im Alter von 90 Jahren verstarb sie 2012 in Hamburg - kurz bevor die Hamburger Autorenvereinigung ihr eine Geburtstagsfeier hatte ausrichten können.
    So beschreibt der Nachruf auf dem Internetportal der Hamburger Autorenvereinigung HAV ihr Wirken: "Rosemarie Fiedler-Winter wurde in Dresden geboren, studierte in Köln und unternahm nach dem Studium im Auftrag großer Verlage (Frankfurter Sozietät; Burda, München) ausgedehnte Reportagereisen nach Südamerika und in den Mittelmeerraum. Viele Jahre arbeitete sie als freie Wirtschaftsjournalistin in Hamburg. Sie veröffentlichte mehrere Bücher und schrieb mehr als 200 Features, die vom Deutschlandfunk, dem NDR und dem Bayerischen Rundfunk gesendet wurden, sowie etwa 50 Magazinfilme für plusminus und NDR-Wirtschaft. Ihre Spezialgebiete waren Management und Personalpolitik. Sie war Mitbegründerin des Clubs der Hamburger Wirtschaftsjournalisten, dessen Vorstand sie mehrere Jahre angehörte, und war von 1977-2003 Vorsitzende der "Hamburger Autorenvereinigung e.v.", deren Ehrenvorsitzende sie bis zu ihrem Tode war" [3].
    "Gino Leineweber, Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung, äußerte sich tief betroffen über den Tod seiner Vorgängerin: "Allein der Tatsache, dass sie nach der Gründungsversammlung zu einem dringenden Termin aufbrechen musste, ist es zuzuschreiben, dass sie, da alle anderen partout ablehnten, auf fünf Monate begrenzt den Vorsitz der neuen Literaturorganisation Hamburgs übernahm". Aus fünf Monaten wurden 26 Jahre" [4]. In Anerkennung ihres umfangreichen ehrenamtlichen Engagements wurde Rosemarie Fiedler-Winter im Mai 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und von der Hamburger Autorenvereinigung als Ehrenvorsitzende ausgezeichnet [5]. ""Ein Studium der Wirtschaftswissenschaften ist sicher nicht unbedingt eine Voraussetzung, aber schaden kann es sicher nicht, wenn man eine Bande von Autoren zusammen zu halten hat", sagte Siegfried Lenz im Hinblick auf Fiedler-Winters Herkunft" (zitiert nach Anm.
    4). Bestattet wurde Rosemarie Fiedler-Winter am 6. Dezember 2012 auf dem Friedhof Nienstedten. Als Hinterbliebene setzten ihr Sohn Hans-Peter Fiedler und Neffe Johannes Blume mit einer Traueranzeige im Hamburger Abendblatt ein Denkmal: "Nach einem langen, erfüllten und erfolgreichen Leben, sowie zum Schluss schrecklich qualvoller Krankheit, bist Du in eine andere Welt gegangen. In eine Welt ohne Leid und körperliche Lasten. Mit stets bis in die schwersten Stunden wachem Geist hast Du die Menschen um Dich herum und mich immer wieder aufs Neue verzaubert. Du warst etwas mehr als ganz Besonderes für mich und wirst für immer in meinem und unseren Herzen bleiben! Ich danke Dir !!!". Und die HAV schrieb: "Wir verlieren mit ihr (...) einen Menschen, der seine Liebe zur Literatur zu seinem Lebensinhalt gemacht und damit die Hamburger Literaturszene entscheidend geprägt hat" [6].
    Veröffentlichungen von Rosemarie Fiedler-Winter:
    - Der Zeitungsjunge von Rio
    - Engel brauchen harte Hände. Vom Wirken bedeutender Frauen. Düsseldorf 1973.
    - Ach, ja, die Liebe. Anthologie, hg. v. R. Fiedler-Winter, o. J.
    - Überall kann Heimat sein, München 1997.
    - Frei sein für andere
    - Die Managementschulen, Düsseldorf 1973.
    - Die Moral der Manager. Dokumentation und Analyse, Stuttgart 1977.
    - Flexible Arbeitszeiten. Beispiele aus der Praxis, Landsberg/Lech 1995.
    - Innovative Mitarbeiterbeteiligung. Der Königsweg für die Wirtschaft. Beispiele aus der Praxis, 2000.
    - Ideenmanagement. Mitarbeitervorschläge als Schlüssel zum Erfolg, 2001.
    - "... denk" ich an Hamburg: Geschichten von gestern und heute, Anthologie, hg. v. R. Fiedler-Winter, München 2004.
    - Kinderhospiz Sternenbrücke. Beiträge v. R. Fiedler-Winter, Hamburg, ca. 2005.
    Text: Dr. Cornelia Göksu (CG)
    Quellen (alle abgerufen am 24.1.2017 CG):
    1 hh-av.de/greve-literaturpreis/ Preisträger_innen: 2004: Siegfried Lenz / 2006 : Hans Pleschinski / 2008: Arno Surminski / 2010 : Lea Singer / 2012: Gerhard Henschel / 2014: Herta Müller / 2016: Hanns-Josef Ortheil
    2 kultur-port.de/index.php/kunst-kultur-news/6021-rosemarie-fiedler-winter-gruendungs-und-ehrenvorsitzende-der-hamburger-autorenvereinigung-verstarb-gestern
    3 - hh-av.de/mitglieder/rosemarie-fiedler-winter/ - Ginny G. v. Bülow: Worte zum Abschied für unser Mitglied Rosemarie Fiedler-Winter, auf der Website der "Auswärtigen Presse", 30.11.2012; die-auswaertige-presse.de/2012/11/worte-zum-abschied-fur-unser-mitglied-rosemarie-fiedler-winter/#more-18442
    4 Zitat aus Artikel "Beförderin des literarischen Lebens", gezeichnet mit dem Pseudonym (tha) in: Hamburger Abendblatt v. 22.11.2012, S. Rosemarie Fiedler-Winter
    5 Nachruf von Dr. Lázló Kova unter die-auswaertige-presse.de/tag/fiedler-winter-rosemarie/
    6 Zwei Traueranzeigen in: Hamburger Abendblatt v. 1./2.12.2012 von ihrem Sohn Jens-Peter Fiedler sowie dem Neffen Johannes Blume als Hinterbliebenen; die zweite Anzeige von der HAV c/o Zeitform Kunst-Büro, Maren Schönfeld, Eulenstraße 51, 22765 Hamburg.

    Dr.rer.pol. Elisabeth Flitner

    geb. Czapski

    Nationalökonomin und Sozialwissenschaftlerin

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    25.10.1894
    Jena
    -
    21.5.1988
    Tübingen
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    Elisabeth Flitner war das fünfte von acht KIndern von Margarete Czapski, geb. Koch und des Physikers Siegfried Czapski, der starb, als Elisabeth 13 Jahre alt war.
    1915 gehörte Elisabeth Flitner zum ersten Jahrgang von Abiturientinnen in Thüringen.
    Elisabeth Flitner studierte Nationalökonomie und Sozialwissenschaften in Berlin, München und Heidelberg. 1925 promovierte sie in Jena mit der Arbeit über das Problem der Bedürftigkeit in der Kriegsfamilienfürsorge.
    Schon während ihres Studiums hatte die damals 23-Jährige den Pädagogen Wilhelm Flitner (1889-1990) geheiratet. Die beiden hatten sich im Serakreis um den Verleger Eugen Diederichs kennengelernt. Bei diesem Kreis handelte es sich um eine freistudentische Gruppierung innerhalb der frühen Jugendbewegung und der Lebensreformbewegung.
    Das Paar lebte bis 1926 in Jena, dann wurde Wilhelm Flitner als außerordentlicher Professor für Philosophie und Pädagogik an die Universität Kiel berufen und war dort bis 1929 tätig. Danach kam er als ordentlicher Professor an die Universität Hamburg. Dort leitete er das Seminar für Erziehungswissenschaft sowie das Pädagogische Institut. Elisabeth Flitner zog mit den gemeinsamen Kindern - das Paar bekam vier Kinder - immer mit.
    Elisabeth Flitner war als Volkshochschuldozentin tätig. 1933 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft aus dem Dienst entlassen.
    Während der Kriegszeit wurde ihr Haus zu einer Begegnungsstätte für Menschen, die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus arbeitete Elisabeth Flitner ab 1945 als Dozentin an der Fachschule für Sozialberufe in Hamburg und organisierte Selbsthilfeeinrichtungen für notleidende Frauen. Außerdem war Elisabeth Flitner langjährige Vizepräsidentin und zuletzt Ehrenvorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes.
    Elisabeth Flitner war nicht die Ehefrau, die hinter ihrem Mann stand. Sie hatten als Wissenschaftlerin und Erwachsenenbildnerin Einfluss auf ihren Mann und nahm teil an den Diskussionen um die gesellschaftliche "soziale Frage".
    Text: Rita Bake
    Quelle:
    de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Flitner abgerufen 13.1.2018.

    Johanna Harry

    Brotfabrikantin

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    9.7.1864
    -
    8.2.1934
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    Grablage: 16 D

    Heute ist die Harry-Brot GmbH eine Großbäckerei mit Sitz in Schenefeld. Begonnen hatte alles mit der Gründung einer Bäckerei in Altona im Jahre 1688. Damals war Johan Hinrich Harie von Bremerhaven nach Altona gezogen. Nachdem Andreas Harry - in siebter Generation der Gründerfamilie - verstorben war, führte seine Witwe Johanna das Geschäft 37 Jahre lang weiter. 1929 übernahm ihr Sohn Franz Harry die Hannoversche Brotfabrik.

    Lotte Herrlich

    Fotografin, Luftbildnerin

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    11.12.1883
    Chemnitz
    -
    1956
    Eutin
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    Lotte Herrlich wurde als Fotografin besonders in den 1920er Jahren bekannt und zwar mit Aufnahmen aus der Nudistenbewegung (Freikörperkultur in der Lebensreformbewegung). In Wikipedia steht über sie: „. Sie begann mit dem Fotografieren nach der Geburt ihres Sohnes. Autodidaktisch bildete sie sich weiter und fand über Landschaftsaufnahmen und Porträtstudien zum Akt. Ihre Fotos wurden in Publikationen verschiedener (meist kurzlebiger) Verlage, insbesondere dem Lichtkamp-Verlag (Herausgeber: Hanns Altermann) und Organisationen dieser Bewegung verwendet. Daneben veröffentlichte sie zahlreiche Bücher zum Thema Aktfotografie und Naturismus.“ [1] In einem anderen Interneteintrag heißt es: „Das Hauptinteresse an der Aktstudie erwuchs bei Lotte Herrlich nach der Geburt ihres Sohnes Rolf, den sie in allen Stufen des Erwachsenenwerdens im Bild festhielt.“ [2] Lotte Herrlich soll rund 1000 Kinderbilder und 900 Aktphotographien hergestellt haben. Neben Aktphotographien schuf sie auch Photos mit Landschafts- und Tiermotiven. Sie selbst schrieb 1921 an ihren Herausgeber Giesecke: „ … und als ich auch in die Geheimnisse der bildmäßigen Landschaftsphotographie eingedrungen war und einige kleine Erfolge zu verzeichnen hatte, wagte ich mich an das Höchste und Schwerste: den Akt. Gleich meine ersten Versuche, die Halbsilhouetten ‚Flötenbläser‘ und ‚Eitelkeit‘ – erwarb die ‚Schönheit‘ [Zeitschrift]. Weitere folgten und bald war ich in der Lage, drei Sammelmappen mit Akten erscheinen zu lassen und drei Postkartenserien mit Kinderakten …In erster Linie ist die Gestalt des reifen Menschen in ihrer vielseitigen interessanten Schönheit, die mich zu ernsterer Arbeit anregt … an Modellen hat es mir dazu nie gefehlt, man brachte mir viel Vertrauen entgegen, und seltsamerweise gerade in gebildeten, vornehmen Kreisen weit mehr als von Seiten der Berufsmodelle, die ich aber auch bald ganz ausschalten konnte …. Und wenn es auch nicht immer leicht ist, sich in Stellungen und Beleuchtungen nicht zu wiederholen, besonders, da ich nicht über ein Atelier verfüge, sondern die längste Zeit des Jahres nur auf zwei wenig große Zimmer angewiesen bin, so werde ich doch nicht müde werden, die liebliche, keusche Anmut des Mädchenkörpers, die kraftvolle, interessante Schönheit des muskolösen Männerkörpers mit Hilfe meiner Kamera dazustellen.“ [3] Auf dem Grabstein – ein Kissenstein- stehen ihr und der Name ihres Sohnes Rolf. Die Zeitschrift „Die Schönheit“ war die bekannteste Publikation der Körperkulturbewegung und erschien zwischen 1902 und 1932. „Die Beilage enthielt neben Anzeigen für lebensreformerische Produkte, einem „Büchermarkt“ und Regionalinformationen auch Kontaktanzeigen, die über die Leserschaft der Schönheit Auskunft geben. Fast ausschließlich bestand sie aus dem mittelständischen, bürgerlichen Milieu. Die Zeitschrift sah sich für „freie und vornehme Frauen und Männer“ bestimmt, die das „gesunde und sinnliche Denken veredeln und verfeinern“ sollten. Weiterhin ist es auffällig, dass nur ausgesprochen selten Männer und Frauen über vierzig Jahren in den Anzeigen zu entdecken waren. Die Themen Jugend, Kunst und Literatur zeigten aber auch erste rassenhygienische Ansichten zu Nacktheit und Schönheit (...). So erschien eine der letzten Ausgaben 1932 mit dem Aufmacher: ‚Gesunde Frau - gesundes Volk!‘“[4] Ab 1933 betrieb Lotte Herrlich ein eigenes Photoatelier. In der NS-Zeit trat sie nicht der NSDAP bei. Sie war bis 1945 Mitglied in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV).[5] Die NSV war mit „17 Mio. Mitgliedern (1943) nach der Dt. Arbeitsfront die größte (…)NS-Massenorganisation.(…) Ihren Anspruch auf Monopolisierung der gesamten freien und öffentlichen Wohlfahrt konnte die N. zwar nicht realisieren, doch gelang es ihr, die in der freien Wohlfahrtspflege tätigen Verbände zurückzudrängen bzw. gleichzuschalten (…).   Angesichts der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (Mitgliedsbeiträge, Spenden, staatliche Zuwendungen) war es ihr n möglich, in alle Bereiche der Wohlfahrt zu expandieren (…). Aufgrund ihrer scheinbaren Ideologieferne war die Arbeit der N. populär und die Mitgliedschaft erschien auch für diejenigen, die dem Regime eher zögernd oder kritisch gegenüberstanden, aber aus Opportunitätsgründen in eine Parteiorganisation eintreten wollten, akzeptabel.Tatsächlich war die Arbeit der N. von rasse- und erbbiologischen Selektionskriterien bestimmt (…).“[6] Lotte Herrlich ist auf dem Nienstedtener Friedhof bestattet. Text: Rita Bake
    Quelle: [1] Wikipedia: Lotte Herrlich https://de.wikipedia.org/wiki/Lotte_Herrlich (abgerufen am 7.1.2018) [2] Michael G, unter: www.michis-seiten.de/seite080.html [3] Zit. nach: Michael G. a.a.O. [4] Wikipedia: „Die Schönheit“ https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Sch%C3%B6nheit abgerufen: 8.1.2018 [5] Staatsarchiv Hamburg 221-11 C 17312 [6] Marie- Luise Recker: NS-Volkswohlfahrt, in: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Aufl. , München 1998, S. 619.

Friedhof Blankenese

    Elke Dorothea Acimovic

    geb. Finger

    Photographin

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    11.6.1936
    Harburg-Wilhelmsburg
    -
    10.12.2009
    Hamburg
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    Bestattet auf dem Blankeneser Friedhof in einem Baumgrab WG 11

    Elke Dorothea Acimovic, geb. Finger wurde am 11.6.1936 am Eißendorfer Pferdeweg in Harburg - Wilhelmsburg als Tochter von Helga Finger, geb. Illies und Werner Eduard Finger geboren. Nach der Mittleren Reife absolvierte sie eine Fotografenlehre bei verschiedenen Lehrherren, unter anderem Foto - Schreiber in Wilhelmsburg, die sie mit einer Gesellenprüfung abschloss. Sie arbeitete anschließend für verschiedene Fotografen als Laborantin, unter anderem für Hanno Wohlfahrt. Nach Stationen in Marktredwitz und Frankfurt am Main kehrte sie Mitte der sechziger Jahre nach Hamburg zurück. Hier arbeitete sie zunächst in einer Werbeagentur am Millerntor, bevor sie sich Ende der sechziger Jahre selbstständig machte. Fortan arbeitete sie unter anderem mit einer Berliner Agentur zusammen, wodurch sie wiederholt im Studio der ZDF - Hitparade fotografierte. Unter anderem entstanden in dieser Zeit mehrere Plattencoverfotos bekannter Musikgrößen, etwa für Juliane Werding, Marianne Rosenberg, Bernhard Brink und Severine. Parallel fotografierte sie Sedcards und Bilder für
    Autogrammkarten für Fotomodelle und Schauspieler, wie Gisela Trowe und Sieglinde Flügge, sowie für Agenturen. Wohnhaft war sie in dieser Zeit in der Elbgaustraße 77.
    In den 1980er Jahren erfolgte ein Umzug in den Bockhorst 22a, wo sie ein kleines Studio und eine Dunkelkammer betrieb. Im Zuge der digitalen Revolution zur Jahrtausendwende wurde es beständig schwieriger als Fotografin zu arbeiten. So erwarb sie einen Taxifahrerschein, den sie bis ins hohe Alter nutzte, um die Einnahmen aufzubessern. Auch als sie das Rentenalter erreichte, musste sie nebenher noch fotografieren und Taxe fahren, damit sie über die Runden kam.
    Elke Acimovic blieb kinderlos, eine Ehe, Ende der 1960er Jahre, wurde nach ein paar Jahren wieder geschieden.
    Sie verstarb in der Nacht des 10.12.2009 im Krankenhaus Altona an einem Krebsleiden.
    Text: Minya Backenköhler

    Charitas Bischoff

    geb. Dietrich

    Schriftstellerin

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    7.3.1848
    Siebenlehn / Sachsen
    -
    24.2.1925
    Blankenese
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    Charitas-Bischoff-Treppe, Blankenese, seit 1928

    Charitas Bischoff war die Tochter der Botanikerin und Forschungsreisenden Amalie Dietrich. Sie erlebte in ihrer Kindheit viel Strenge. Während ihre Eltern auf Forschungsreisen gingen, blieb Charitas bei Verwandten oder auch Fremden und litt unsäglich unter der Trennung von ihrer Mutter, der die häufigen Trennungen ebenso schwerfielen. Kehrten die Eltern nach Hause zurück, musste Charitas beim Präparieren von Pflanzen und Insekten helfen. Dazu schreibt Charitas Bischoff in ihren Lebenserinnerungen: "Wenn ich mein Leben mit dem Leben anderer Kinder verglich, so sah ich schon früh,
    daß ich andere Pflichten, aber auch andere Freuden und Genüsse hatte als meine Gefährtinnen. Äußerlich und innerlich war ein großer Unterschied. Fast alle waren besser gekleidet als ich. Wenn die anderen die Schule und die Schularbeiten hinter sich hatten, so waren sie frei (…) und konnten nach Herzenslust herumspielen. Sie brauchten nicht wie ich zu anderen Leuten, sie durften Kinder mit in ihr Heim bringen, sie bekamen gelegentlich kleine Geldgeschenke, die sie in Lakritzen oder Süßholz anlegten. Bei mir kam das nicht vor. Kinder durfte ich nur mit nach Hause bringen, wenn wir alle Gefäße voller Pflanzen hatten und viele Hände brauchten, die das Gesammelte in Papier legten. Zu dieser eigentümlichen Art ‚Kindergesellschaft" drängten sich meine Gefährtinnen, obgleich sie still sitzen und stundenlang unter der strengen Aufsicht des Vaters arbeiten mußten. Die Bewirtung fiel nur mager aus, denn sie bekamen nach der Arbeit eine Sirupsbemme von der Mutter. Was lockte sie? Vielleicht das Außergewöhnliche, was ihnen durch die Eltern und die ganze Umgebung geboten wurde, vielleicht aber auch mehr das Erzähltalent des Vaters. Um die Kinder willig zu machen, erzählte der Vater an solchen Tagen Märchen aus dem Tier- und Pflanzenleben, und er erzählte so spannend, so lebendig, daß wir jede Störung wie einen häßlichen Mißton empfanden, und doch musste dann und wann neues Arbeitsmaterial und Anweisungen gegeben werden. Wie gern hörte ich es, und wie stolz war ich, wenn die Kinder beim Nachhausegehen zu mir sagten: ‚O du, aber die Vater kann scheen derzählen!""
    1) Der Vater stellte höchste Ansprüche an das Können seiner Tochter und wenn sie ihm nicht gut genug arbeitete, wurde er zornig. "Wie lange saß ich da oft an einer einzigen Pflanze. Ich beschwerte die einzelnen Zweige mit rechteckigen Eisenstücken, bis ich der ganzen Pflanze die Form gab, die sie im frischen Zustand hatte. Wenn sie am nächsten Tage aus der ersten Presse kamen und sie trugen Spuren oberflächlichen Einlegens, so nahm der Vater die betreffende Pflanze, riß sie mitten durch und warf sie mir zornig vor die Füße. ‚Untersteh dich und bring mir solche schlampige Arbeit unter die Augen", rief er entrüstet. O, wie ich unter seinen Worten zitterte, was für Angst ich hatte, wie ich mich nach solchem Zornausbruch bemühte, die Pflanzen gut einzulegen! Diese Strenge ließ keine Vertraulichkeit meinerseits aufkommen. Ich konnte ihn bewundern, ich konnte stolz auf ihn sein, aber ich konnte mich nicht unbefangen hingeben. Meine kindlichen Angelegenheiten waren seiner Beachtung nicht wichtig genug, ich wagte mich ihm gegenüber gar nicht damit hervor."
    2) Mit ihrer Mutter Amalie Dietrich ging Charitas oft zum Pflanzensammeln und Insektenfangen in die Natur. "Den wohltuendsten Gegensatz zu den Stunden stiller Arbeit bildeten die botanischen Wanderungen mit der Mutter. Meine Ausrüstung war ebenso vollständig wie die ihrige. Ich hatte eine Botanikerkapsel, ein Schmetterlingsnetz, ein Käferglas mit Spiritus und eine Schachtel mit durchlöchertem Deckel für Raupen. So ausgerüstet wanderte ich an der Seite der Mutter weit herum im sächsischen Lande. Wie reich und glücklich fühlte ich mich an solchen Tagen! Mir war zumute, als würde mir durch die Mutter die ganze Welt mit ihren Schätzen und Freuden erschlossen. Daß auch sie herb und streng sein konnte, das vergaß ich an solchen Tagen, da entfaltete sie eine Fülle reichen, sonnigen Innenlebens. Sie ging auf alles ein, was mich beschäftigte, sie ermunterte mich zum Singen, sie lobte mein tapferes Wandern, sie rezitierte lange Balladen, die sich der Stimmung der Gegend einfügten, sie hatte Bewunderung für Wolkenbildung und den feurigen Sonnenuntergang. Mit wie vielerlei Menschen kamen wir zusammen, und mit allen wußte die Mutter den rechten Ton zu treffen. Mir prägte sie ein, mich von niemand und vor nichts zu fürchten. Wo sich nur Gelegenheit bot, sollte ich hilfreich zufassen."
    3) Als die Mutter einmal sehr lange auf Reisen war, kein Geld schickte und sich auch nicht meldete - sie lag schwer erkrankt in einem holländischen Krankenhaus -, schickte der Vater, der zu Hause geblieben war, seine Tochter zu fremden Menschen und nahm eine Hauslehrerstelle in einem anderen Ort an. Charitas lebte nun bei einem fremden Ehepaar und musste nach der Schule für dieses arbeiten. Da sie nicht gut behandelt wurde, wechselte sie die Stelle. Als ihre Mutter zurückkehrte, fand sie in ihrem Haus fremde Menschen vor. Sie kannte weder den Aufenthaltsort ihrer Tochter noch den des Ehemannes. Nachdem sie ihre Tochter dennoch wiedergefunden hatte, kam Charitas abermals zu fremden Leuten, denn die Mutter musste Geld verdienen. Ihre Arbeit ließ es nicht zu, ihre Tochter bei sich zu haben. Als Amalie Dietrich nach Hamburg fuhr, um dort Geld mit ihren Pflanzen zu verdienen, konnte sie vorerst ihre Tochter nicht mitnehmen. Erst als sie dort einen neuen Arbeitgeber fand - den Kaufmann Cäsar Godeffroy - und der Elfenbeinimporteur/kaufmann Heinrich Adolph Meyer, der Godeffroy Amalie Dietrich empfohlen hatte, sich bereit erklärte, gemeinsam mit seiner Ehefrau Marie die Aufsicht über die damals 15-jährige Charitas zu übernehmen, wenn Amalie Dietrich für zehn Jahre nach Australien ginge, konnte Amalie Dietrich ihre Tochter nach Hamburg nachholen. Nun lebte Charitas bei dem kinderlosen Ehepaar Meyer, das in einem hochherrschaftlichen Haus in der Straße "An der Alster" 24a wohnte. Als Amalie Dietrich ihre Tochter zu den Meyers brachte und ihr mitteilte, dass sie einen Vertrag mit Cäsar Godeffroy hätte, wonach sie sich verpflichtet habe, zehn Jahre lang als Botanikerin nach Australien zu gehen, fragte Charitas ihre Mutter, ob sie mitkönne. Darauf Amalie Dietrich: "Nein, ich nehme dich nicht mit! (…) jede Reise hast du mir durch dein Jammern extra schwer gemacht! Glaubst du etwa, daß nur du leidest? Du bist ja noch zu jung, als daß du einen Begriff haben könntest von Kämpfen, die mir auferlegt sind. Ich konnte ja nicht zu Hause bleiben, und das was mich immer so niederdrückte, das war, daß ich trotz der größten Anstrengung nichts für deine Erziehung tun konnte. Das ist von nun an anders! Ich bin fest angestellt, habe eine bestimmte Einnahme, und das kommt in erster Linie jetzt dir zugute. Du hast immer den Wunsch gehabt, etwas zu lernen, ich biete dir jetzt die Möglichkeit! Leichter wäre es mir, dich mitzunehmen, richtiger ist es auf alle Fälle, daß du hier bleibst."
    4) Charitas, die von Kind an weder eine äußere noch eine innere Heimat hatte, wohnte nun bei den Meyers und verbrachte die Sommer mit ihnen in deren Villa "Haus Forsteck" am Kieler Fördeufer. Später wurde sie von den Meyers zur Ausbildung nach Eisenach und Wolfenbüttel geschickt. In Wolfenbüttel arbeitete Charitas einige Jahre als Lehrerin, ging dann für zwei Jahre nach London und kehrte im Alter von 23 Jahren nach Deutschland zu den Meyers, die in der Zwischenzeit nach Kiel gezogen waren, zurück. Charitas lernte den Kandidaten der Theologie, Christian Bischoff, kennen. Als ihre Mutter aus Australien zurückkehrte, war Charitas bereits verlobt. Die Mutter war sehr enttäuscht darüber, hatte sie sich doch vorgestellt, dass ihre Tochter ihr nun wieder beim Präparieren der Pflanzen und Insekten helfen würde. Doch Charitas heiratete ihren Pastor (Hochzeit 1873), zog mit ihm nach Roagger in Nordschleswig und bekam drei Kinder (1874, 1876, 1886). Aber auch in der Ehe fand Charitas keine Heimat, die ihr das Gefühl gab, sich aufgehoben und zugehörig zu fühlen; Charitas litt an Vereinsamung. Als verheiratete Frau begann Charitas schriftstellerisch zu wirken. Durch ihre 1886 in den Kieler Nachrichten veröffentlichten Skizzen aus Nordschleswig wurde sie so bekannt, dass von nun an selbstständige Veröffentlichungen möglich waren. Charitas Bischoff arbeitete als Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin aus dem Dänischen. 1890 zog das Ehepaar Bischoff mit seinen Kindern nach Rendsburg. Ein Jahr später starb Amalie Dietrich, die ihre Tochter in den letzten Jahren immer mal wieder für längere Zeit besucht hatte. 1884 verunglückte Charitas" Mann tödlich. Charitas Bischoff begab sich wieder auf die Suche nach Heimat und reiste eine Zeitlang mit ihren Kindern durch Sachsen, die Heimat ihrer Kindheit, kehrte aber schließlich in die Großstadt Hamburg zurück, wo sie mit ihrem jüngsten Kind - das Älteste, eine Tochter, hatte geheiratet, die Mittlere hatte eine Stelle in einem Landpastorat angenommen - in einem Etagenhaus lebte. Aber auch dort fühlte sich Charitas Bischoff einsam und verlassen. "Es waren soviel Menschen, daß der eine sich vor dem andern wehrte, daß er sich abschloss. Man legte die eiserne Kette vor die Tür - vielleicht auch ums Herz!"
    5) Charitas Bischoffs bekanntesten Bücher sind ihre Biographie über ihre Mutter "Amalie Dietrich" und ihre Autobiographie "Bilder aus meinem Leben" (1914). Text: Rita Bake Quellen:
    1) Charitas Bischoff: Bilder aus meinem Leben. Berlin 1922, Kapitel 8. http://gutenberg-spiegel.de/buch/bilder-aus-meinem-leben-2298/8
    2) Ebenda.
    3) Ebenda.
    4) Ebenda.
    5) Ebenda.

    Sabine Boehlich

    Bürgerschaftsabgeordnete (GAL) und Jiddistin

    Ornament Image
    28.4.1950
    Hamburg
    -
    8.8.2016
    Hamburg
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    Grablage: C 318 BC

    Sabine Boehlich trat 1985 der GAL (Grüne) ein. Ein Jahr lang, von 1986 bis 1987, fungierte sie als Fraktionsvorsitzende der GAL in der Bezirksversammlung Hamburg-Altona. Von 1991 bis 1993 war sie Mitglied des Landesvorstandes der GAL und von 1992 bis 1993 Landesschatzmeisterin ihrer Partei, sowie von 1991 bis 1994 Mitglied des "Grünen Länderrats" (kleiner Parteitag). 1993 wurde sie als Abgeordnete in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt, der sie sie 1997 angehörte.
    Ihre politischen Schwerpunkte während ihrer Zeit in der Bürgerschaft lagen im Bereich Kultur. So war sie Mitglied des bürgerschaftlichen Kulturausschusses. Als sie Abgeordnete war, lebte sie getrennt von ihrem Mann und ihre beiden Kinder waren damals zwischen fünfzehn und siebzehn Jahre alt. Befragt nach Vereinbarkeit von Privatleben und Bürgerschaftsarbeit antwortete sie, dass Privatleben und Bürgerschaftsarbeit befriedigend unter einen Hut zu bekommen schwierig sei und manchmal sogar fast unmöglich. "Dann muß der eine bzw. andere Bereich einfach durchgezogen werden".
    1) Sabine Boehlich hatte Jüdische Studien, Religions- und Literaturwissenschaften in Potsdam studiert. Ihre Magisterarbeit "Nay-Gayst" : Mystische Traditionen in einer symbolistischen Erzählung des jiddischen Autors " Der Nister" (Pinkhas Kahanovitsh) erschien 2008 im Harrassowitz Verlag. Ihre Urgroßmutter war die Schriftstellerin Sophie Jansen (1862-Freitod 1942), die sich sozial stark engagierte und - wie auch Sabine Boehlich - in Hamburg-Blankenese gelebt hat. In der NS-Zeit wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft drangsaliert. Als sie 1942 den Deportationsbefehl für das KZ Theresienstadt erhielt, nahm sie sich das Leben.
    2) Sabine Boehlich lebte später mit dem ehemaligen GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Martin Schmidt (1933-20011) zusammen. Ihr Onkel, der Literaturkritiker, Herausgeber, Übersetzer und Lektor Walther Boehlich (1921-2006), lebte in seinen letzten Lebensjahren in ihrem Haus.
    3) Quelle:
    1) Inge Grolle, Rita Bake: "Ich habe Jonglieren mit drei Bällen geübt". Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft 1946 bis 1993. Hamburg 1995, S. 324.
    2) Vgl.: Wikipedia: Sabine Boehlich, abgerufen 15.6.2018.
    3) Siehe mehr zu Sophie Jansen unter www.stolpersteine-hamburg.de

    Betty Gosau

    geb. Kiemer

    Verkäuferin, Hausfrau, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (CDU) in der Zeit der Ernannten Bürgerschaft: Februar 1946-Oktober 1946

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    16.2.1909
    Blankenese
    -
    29.12.1999
    Hamburg
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    Betty Gosau war in der Zeit des Nationalsozialismus von Ende 1944 bis Ende April 1945 wegen "Wehrkraftzersetzung" inhaftiert.

    Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus stellte der englische Stadtkommandant Brigadier Armytage sie für die von Februar bis Oktober 1946 amtierende Ernannte Bürgerschaft auf. Betty Gosau vertrat in der Bürgerschaft zunächst als Parteilose, später als CDU-Mitglied, die Interessen der berufstätigen Frauen in den Zeiten des Wiederaufbaus. Betty Gosau war zur Zeit ihrer Bürgerschaftstätigkeit verheiratet und kinderlos.
    Text: Rita Bake

    Emilie Kalbitzer

    Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (SPD) von 1965 bis 1970

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    17.2.1912
    Obernkirchen
    -
    16.12.1999
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    Grablage: Quartier K Nr. 106-107

    "Jeder Erwachsene wisse über die Möglichkeit von Verhütung Bescheid, vielen fehle es nur an Disziplin", ließ in den 1960-er Jahren der damalige Gesundheitssenator Emmi Kalbitzer wissen, die damals Deputierte der Schulbehörde war und sich für die Einrichtung des Sexualkundeunterrichts in den Schulen einsetzte. "Im Jahre 1963 hatte die Frauenzeitschrift ‚Constanze" auf Intitiative von zwei Journalistinnen eine Beratungsstelle für Geburtenregelung gegründet, die der Herausgeber finanzierte. Als ihm nach einiger Zeit zuviel Schwierigkeiten gemacht wurden - z. B. verbot die Gesundheitsbehörde den Ärzten, dort mitzuarbeiten; außerdem wurden die Journalistinnen verdächtigt, die Namen der Patientinnen für sensationelle Berichte zu benutzen -, gab er die Beratungsstelle auf. Daraufhin übernahm das Referat ‚Frau und Familie" in der Jugendbehörde diese Beratungsstelle. Marta Damkowski [bestatte auf dem Ohlsdorfer Friedhof, grabfläche Geschwister-Scholl-Stiftung], die diese Abteilung leitete, setzte sich tatkräftig für die Finanzierung durch die Stadt ein", schrieb Emmi Kalbitzer 1989 in der Grünen Reihe 21 "Lebensbilder von Frauen in Hamburg nach 1945" des Deutschen Frauenrings.
    Tochter eines Glasbläsers und Sozialdemokraten trat auch Emilie Kalbitzer, die mit ihren Eltern und Geschwistern in Bochum lebte, mit achtzehn Jahren der Sozialdemokratie bei und wurde Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbunds (ISK). Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ging die Sekretärin in die Illegalität. 1933 folgte sie dem Hamburger Gerd Kumleben nach Paris, der dort als Korrespondent für den "Funken", die Tageszeitung des ISK, tätig war. Sie wollte für ihn arbeiten, doch daraus wurde nichts, denn alle linken Zeitungen wurden in Deutschland verboten. Zurück in Hamburg, half sie, die Vegetarische Gaststätte an der Börsenbrücke 4 mitaufzubauen - eine Anlaufstelle für politische Flüchtlinge und konspirativer Treffpunkt des ISK. Zwischen 1938 und 1940 war sie wegen Vorbereitung zum Hochverrat im Berliner Frauengefängnis inhaftiert, davon ein Jahr in Einzelhaft. 1940 heiratete sie ihren Kameraden Hellmut Kalbitzer und bekam drei Kinder. 1945 trat sie der SPD bei und wurde für die Frauenarbeit im Ortsverein verantwortlich. 1949 avancierte ihr Mann Hellmut zum Bundestagsabgeordneten. Emmi Kalbitzer wurde Mitte der 1960-er Jahre Deputierte der Schulbehörde, gehörte der Hamburgischen Bürgerschaft vom 9.4.1965 bis 1970 an und war im Schulausschuss tätig. In den 1970-er Jahren war sie Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Rissen-Sülldorf.
    Text: Rita Bake

    Annemarie Klutmann

    geb. Heß

    Geigerin, Geigenlehrerin

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    27.1.1898
    Hamburg
    -
    14.12.1993
    Hamburg
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    Grablage: C 457

    Annemarie Heß bekam privaten Geigenunterricht und besuchte das Krüss-Färber-Konservatorium. Auch nahm sie Gesangsunterricht. Daneben absolvierte sie eine Ausbildung als Hilfsschwester in einem Krankenhaus in Blankenese.
    Vor ihrer Heirat 1926 mit dem Schriftsteller Rudolf Klutmann, der auch Libretti für zwei Opern von Arnold Winternitz (siehe: Eintrag Martha Winternitz-Dorda, Erinnerungsstein für sie im Garten der Frauen) geschrieben hatte, hatte Annemarie Heß Geigenstunden gegeben und an der Stormarnschule in Ahrensburg Chorgesang unterrichtet.
    Nach der Heirat unterrichtete sie nicht mehr, weil sie die vier Kinder aus der ersten Ehe ihres Mannes betreuen musste. 1928 gebar sie dann selbst ein Kind.
    Nachdem die Kinder ein wenig größer waren, gab Annemarie Klutmann wieder Geigenunterricht und trat als Geigerin in Musikvereinen und in Kirchen auf.
    "Nach dem Machtantritt der Nazis 1933 wurde sie, obwohl sie väterlicherseits jüdischer Herkunft war, zunächst als Mitglied in die Reichsmusikkammer aufgenommen (…).
    Im Zuge der Massenausschlüsse von Musikern jüdischer Herkunft wurde sie 1935 allerdings wieder ausgeschlossen und verlor aufgrund dieses Berufsverbots jegliche Möglichkeit zu unterrichten und zu konzertieren.
    (…) In den folgenden Jahren erhielten die Klutmanns vermutlich auch von Freunden Unterstützung. Außerdem veranstalteten sie in ihrem Haus in der Mörikestraße Vortragsabende, für die sie auch Eintritt nahmen. (…)
    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelang es Klutmann nicht, wieder als Geigerin tätig zu werden, und auch ihre Unterrichtstätigkeit konnte sie nur in beschränktem Maße wieder aufnehmen."
    1) Quelle:
    1) Sophie Fetthauer: Annemarie Klutmann, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen (Hg.), Hamburg: Universität Hamburg, 2012 (https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00004011).
    Abgerufen 3.6.2018

    Felicitas Kukuck

    geb. Cohnheim, seit 1917 Kestner

    Komponistin, Trägerin der Biermann-Ratjen-Medaille und der Johannes-Brahms-Medaille der Freien und Hansestadt Hamburg

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    2.11.1914
    Hamburg
    -
    4.6.2001
    Hamburg
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    Grablage: A 1, 718

    Namensgeberin für Felicitas-Kuckuck-Straße, benannt 2016 in Altona-Nord Margret Johannsen hat eine Biografie über Felicitas Kukuck verfasst. Sie schreibt: "Als Komponistin eines umfangreichen Werkes geistlicher und weltlicher Musik leistete Felicitas Kukuck in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Beitrag zum hamburgischen Musikleben." [1]
    Felicitas Kukuck stammte, so Magret Johannsen " aus einem Elternhaus namens Cohnheim und wurde im ‚Dritten Reich" als ‚Vierteljüdin" eingestuft, weil ihr Vater trotz seiner drei jüdischen Großeltern Benjamin Cohnheim, Dorothea Cohnheim, geb. Salomon und des zum Protestantismus konvertierten Otto Lewald offiziell als ‚Halbjude" galt - wahrscheinlich auf Betreiben seines Sohnes Theodor Lewald, Gründer des Nationalen Olympischen Komitees und bis 1938 dessen Präsident. 1917 erhielt sie auf Grund einer elterlichen Namensänderung den Nachnamen Kestner Erst nach der ‚Machtergreifung" 1933 erfuhr die Neunzehnjährige von ihrer jüdischen Herkunft. Dass es möglicherweise von lebenswichtiger Bedeutung sein könne, über den dritten jüdischen Vorfahren Otto Lewald Stillschweigen zu bewahren, war ihr wie allen anderen Familienmitgliedern bewusst."
    Ihr Vater war von Beruf Physiologe und ihre Mutter Sängerin. Sie "förderten die künstlerische Entwicklung ihrer Tochter von Kindheit an und ermöglichten ihr den Besuch von Schulen, in deren Curriculum Musik einen hohen Stellenwert hatte, insbesondere der reformpädagogischen Lichtwark-Schule und - nach der ‚Machtergreifung" bzw. der Ersetzung des Schulleiters Heinrich Landahl durch das NSDAP-Mitglied Erwin Zindler im März 1933 - der Schule am Meer auf Juist unter Leitung von Martin Luserke. Zu ihren Lehrern gehörten (…) [auch], Edith Weiß-Mann [ihr Grabstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof] (Klavier) (…). Als Mitglied der Kommunistischen Jugend textete und komponierte sie Agit-Prop-Lieder, die sie zusammen mit ihren Genossen und Genossinnen in Hamburg-Eimsbüttel auf einem Lastwagen stehend und in Hamburg-Hoheluft in einem Kino aufführte.
    1935 legte sie ihr Abitur an der Odenwaldschule ab. Ihr Vorhaben, an der Staatlichen Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik in Berlin zu studieren, um Schulmusikerin zu werden, musste sie wegen ihrer ‚nicht-arischen" Herkunft aufgeben. Sie nahm stattdessen das Musikstudium an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin auf. Von Oktober 1935 bis März 1937 studierte sie Klavier bei Carl-Adolf Martienssen, dann bis Juli 1939 Flöte bei Gustav Scheck und Klavier bei Rudolf Schmidt. Bei Paul Hindemith (…) studierte sie Komposition. (…) Im März 1937 bestand sie die Staatliche Privatmusiklehrerprüfung mit der Lehrbefähigung für Klavier, erhielt aber als ‚Nicht-Arierin" keinen Unterrichtserlaubnisschein. Sie gab dennoch Klavierstunden und Blockflötenkurse in der Jutta-Klamt-Schule für Tanz in Berlin. Am 30. Juni 1939 bestand sie an der Musikhochschule die Abschlussprüfung in Klavier bei Rudolf Schmid und erhielt das Zeugnis der Reife. (…)
    Am 3. Juli 1939 heiratete sie ihren Freund Dietrich Kukuck, den sie aus der Lichtwark-Schule kannte und mit dem sie in Berlin seit 1936 zusammenlebte. Sie trat im Herbst 1939 mit einer Sondergenehmigung als Komponistin in die Reichsmusikkammer ein, nachdem das mehrfach befragte Gau-Personalamt der NSDAP keine politischen Bedenken erhoben hatte, ‚sofern sie bei Veranstaltungen der NSDAP sowie deren Organisationen nicht auftritt und auch nicht im schöpferischen Sinne tätig wird." 1940 kam ihr erster Sohn zur Welt. Im Winter 1940/1941 gab sie einen Kompositionsabend, der sehr positive Kritiken erhielt. 1942 wirkte sie als Blockflötistin in der ‚Spielgemeinschaft Emil Seiler" für dessen Radio-Sendung ‚Schatzkästlein" mit und bestritt Hausmusikabende in den Tanzschulen von Jutta Klamt und Ingeborg Pröhl. (…) Während des Krieges bot sie einer untergetauchten Jüdin namens Elisabeth (Jakobus) Feilchenfeld, vormalig Lehrerin an der Hamburger Talmud-Tora-Schule, Zuflucht und Hilfe bei der Lebensmittelbeschaffung.
    (…) Im November 1945 kehrte sie mit einem Flüchtlingstreck nach Hamburg zurück. 1946 kamen ihre Zwillingstöchter und 1948 ihr zweiter Sohn zur Welt. 1947 machte sie die Bekanntschaft von Gottfried Wolters, Lektor des Möseler-Verlages. Unter seinem Einfluss wandte Kukuck sich verstärkt der Vokalmusik zu. (…). Mit seinem Norddeutschen Singkreis führte Wolters eine Reihe ihrer Werke auf, darunter die Motette ‚Mariae Verkündigung" (…).
    Kukuck engagierte sich seit den 1950er Jahren stark in der Laienmusik. Sie machte Schulfunksendungen für Radio Bremen, (…), spielte in einem Fidelquartett und gab beim Möseler-Verlag die Reihe ‚Der Fidelbogen" heraus. Sie führte Musikwochen mit Laien durch und leitete 1960-1965 einen Volkshochschulchor. (…) Einem Ruf an die 1958 gegründete Musische Bildungsstätte in Remscheid (seit 1968 Akademie Remscheid für musische Bildung und Medienerziehung e. V.) für das Referat Musik folgte sie nicht, weil sich dies nicht mit ihrer Rolle als Mutter von vier Kindern vereinbaren ließ.
    1967 wurde ihre Ehe geschieden. Sie gründete im gleichen Jahr den Kammerchor Blankenese, mit dem sie viele ihrer Kompositionen (ur)aufführte. 1971-1981 unterrichtete sie an der Lola-Rogge-Schule [Lola Rogges Grab befindet sich im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof] für Tanz und tänzerische Gymnastik. (…) In den 1980er Jahren war sie in einer Friedensgruppe aktiv. 1982-1991 regte die Zusammenarbeit mit dem Pastor der Kirchengemeinde Blankenese sie zu Kompositionen wie der Kantate ‚Klagelieder Jeremias", dem ‚Worpsweder Hirtenspiel" nach Manfred Hausmann sowie kleiner Stücke für den Gottesdienstgebrauch an. 1983-1997 arbeitete sie mit ihrer Tochter Margret Johannsen zusammen, die für sie Texte schrieb, unter anderem für die Kirchenoper ‚Der Mann Mose" und das Oratorium ‚Ecce Homo", für die Kantaten ‚Und es ward: Hiroshima", (…).
    Felicitas Kukuck war bis zu ihrem Lebensende eine ungewöhnlich produktive Komponistin, deren Œuvre neben Instrumentalstücken zahlreiche Werke geistlicher und weltlicher Vokalmusik enthält, vom Kanon bis zum Oratorium. Sie blieb zeitlebens der Tonalität verpflichtet, aber sie war offen für Erweiterungen des Tonalitätsbegriffs und entwickelte einen als ‚freimodal" bezeichneten Kompositionsstil. Neuere Kompositionstechniken setzte sie stets als Mittel zur Intensivierung der Textaussage ein. Intervallstrukturen schrieb sie eine symbolische Bedeutung zu; zuweilen setzte sie in semantischer Absicht bei der Verwendung von Zwölftonreihen das Verfahren der Zahlensymbolik ein. Oft waren Sprechrhythmus und Sprachmelodie Ausgangspunkt ihrer Kompositionen. Sie berücksichtigte beim Komponieren zudem äußere Bedingungen, vor allem den Zweck der Komposition und das Können der Musizierenden. Für einige ihrer Kompositionen schrieb sie auch die Texte und verfasste überdies einige dramatische Werke. Ihre jüdische Herkunft hinderte sie daran, Schulmusikerin zu werden, was ihr die Chance eröffnete, als Komponistin schöpferisch tätig zu sein. (…) Am 4. Juni 2001 starb Kukuck in Hamburg. Ihr Nachlass wird vom Archiv Frau und Musik in Frankfurt verwaltet. Einige ihrer Werke sind auf Schallplatten erschienen. Nach ihrem Tod erschienen die CD ‚Felicitas Kukuck.Von den Anfängen bis zum Spätwerk" und die CD ‚Gespräche mit Felicitas Kukuck über die Musik" als Privateditionen sowie die Website www.felicitaskukuck.de.." [2] Quellen:
    1 Margret Johannsen: Felicitas Kukuck, in: Hamburgische Biografie: Personenlexikon. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke. Bd. 4. Hamburg 2008, S. 203ff.
    2 Margret Johannsen über Felicitas Kukuck unter www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001443

    Nanette Lehmann

    Malerin, Bildhauerin, Keramikerin

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    31.12.1920
    Colbitz bei Magdeburg
    -
    27.12.1999
    Hamburg
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    Bestattet auf dem Blankeneser Friedhof, dort anonym beim Jona

    Sigrunweg 18 (Wohnadresse und Atelier)
    Nanette Lehmann begann ihre künstlerische Laufbahn mit einer Töpferlehre bei Otto Beyer in Thüringen. Von 1939 bis 1941 war sie Schülerin der Staatlichen Keramischen Fachschule in Bunzlau. Die Kunsthistorikerin Maike Bruhn schreibt über Nanette Lehmann: "Ursprünglich ausgebildete Keramikerin, die sich mit keram. Arbeiten einen Namen nachte. 1948 Niederlassung in Hamburg. Von 1950 Aufträge für ‚Kunst am Bau'. Ende der 1950er Jahre Bau eines eigenen Hauses in Hamburg-Rissen, Sigrunweg, wo sie seit Anfang der 1960er Jahre mit H. Spangenberg zusammenlebte und -arbeitete."
    1) Herbert Spangenberg (1907-1984) war ebenfalls Maler und in erster Ehe verheiratet gewesen mit Hilmar Wüstfeld, mit der eine Tochter hatte. Die Trennung des Paares erfolgte 1966. Zwei Jahre zuvor war er zu Nanette Lehmann in den Sigrunweg gezogen.
    2) Nanette Lehmann erhielt auch Aufträge für Schulen, so z. B. 1957 für die "Schule Hinter der Lieht": Drachensteigen. 1963 übernahm sie für die Schule Hirtenweg die Wandgestaltung. 1965 schuf sie für das Einkaufszentrum Försterweg einen Rieselbrunnen, 1990 in Ottensen Am Born 17: eine Stele mit Schiffsschrauben und für die Flussschifferkirche das Altarbild. 3) In der Heynemannstraße 5 in Hamburg-Langenhorn steht eine von Nanette Lehmann aus Bronze gefertigte Katze. Für die Cornelius-Kirche in Hamburg Fischbek schuf sie 1964 das einzigartige Taufbecken, ein massiver Kubus aus Acrylglas, in dem die Taufschale kugelförmig eingeschliffen ist.
    Ausstellungen hatte sie z. B. 1989 im Schloss Reinbek, 1957 bei der Internationalen Gartenausstellung.
    3) Im Museum für Kunst und Gewerbe befinden sich ihr Nachlass und Möbel. 4) Ebenso sind Werke von ihr in der Sammlung Thiemann, im Düsseldorfer Hetjen-Museum und in einem Museum in Tokio zu finden.
    1955 erhielt Nanette Lehmann den Förderpreis der Deutschen Keramischen Gesellschaft.
    Über Nanette Lehmanns Werke schreibt Maike Bruhns: "Keramische Werke mit glatter Oberfläche und harmonischen Flächenverläufen (Katze, Kuh u. a.). Werke in Beton, Bronze, Glas. Zeichnerische Bildflächengestaltungen in Schwarz-Weiß, durch die sie zur Monotypie fand (…). Bildwerke eigener Prägung, Entwicklung zur Spezialistin. Motiv und Gestaltung verschmelzen zu untrennbarer Einheit. Malerisch-graph. Reichtum in zahlr. Abstufungen und Strukturen bei Integration expressionistischer, surrealer u. kubistischer Stilelemente. Stilleben, Personen, Tiere, Zirkus, Musik, Literatur, Mythologie der Antike (…)." 5) Zusammengestellt von Rita Bake
    Quelle:
    1) Maike Bruhns: Nanette Lehmann, in: Der Neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs. Überarbeitete Neuauflage des Lexikons von Ernst Rump (1912). Hrsg. Von Familie Rump. Ergänzt, überarbeitet und auf den heutigen Wissensstand gebracht von Maike Bruhns. 2. Aufl. Neumünster/Hamburg 2013, S. 263.
    2) Maike Bruhns: Herbert Spangenberg, in: Der Neue Rump, a. a. O., S. 433.
    3) Vgl. Maike Bruhns: Nanette Lehmann, a. a. O., S. 263f.
    4) Vgl. Maike Bruhns, a. a. O., S. 264.
    5) Maike Bruhns, a. a. O. S. 263

Jüdischer Friedhof Bornkampsweg

    Käthe Starke

    geb. Goldschmidt

    Dramaturgin, deportiert ins KZ Theresienstadt

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    27.9.1905
    Altona
    -
    10.8.1990
    Hamburg
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    Dramaturgin, deportiert ins KZ Theresienstadt, nach der Befreiung Rückkehr nach Hamburg, 1975 Veröffentlichung ihrer Erinnerungen an ihre Deportation und an das KZ Theresienstadt unter dem Titel "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" Grablage: 2 m neben dem von Pius Warburg (Grab 902) Käthe Goldschmidt und ihre Schwester Erna wuchsen in Altona als Töchter des Bankiers Iska Goldschmidt und seiner Frau Hulda, geborene Schönberg, auf. Die Familie gehörte zur Oberschicht der jüdischen Altonaer Gemeinde. Sie lebte in Altona-Ottensen in der Ohlendorffsallee 4, der heutigen Susettestraße. Erna Goldschmidt arbeitete nach einer entsprechenden Ausbildung in der Bank ihres Vaters, der "Firma Louis Goldschmidt" in Hamburg in der Pelzerstraße 9. Seit April 1927 führte die Jüdische Gemeinde Erna Goldschmidt als Mitglied. Ab 1938 war sie als Mitarbeiterin im Jüdischen Religionsverband Hamburg unter dem Geschäftsführer Max Plaut tätig. Käthe Goldschmidt, später verheiratete Goldschmidt-Starke, begann 1927 an der Universität Heidelberg das Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte und setzte es an der Universität München fort, erweitert um die Fächer Theater- und Literaturwissenschaften. In der Absicht, die Theaterlaufbahn einzuschlagen, wirkte sie als Schauspielerin und Regisseurin, vor allem bei der Akademischen Spielschar in München, die von Helmut Käutner geleitet wurde. Sie rechnete mit einem Engagement beim Theater. Doch die nationalsozialistische Machtübernahme machte ihre Berufspläne zunichte. 1934 wurde die Spielschar aufgelöst und 1935 wurden alle Jüdinnen und Juden aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Am 18. November 1935 bekam Käthe Goldschmidt von ihrem Freund Martin Starke einen Sohn, Pit Goldschmidt. Um sie und ihren unehelichen Sohn vor nationalsozialistischer Verfolgung zu bewahren, erklärte sich ein nichtjüdischer Kommilitone bereit, sie zu heiraten. Doch der Plan schlug fehl. Die Nürnberger Gesetze vom September 1935 verboten die Eheschließung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partnern. Im November 1936 wurde Käthe Goldschmidt von der Politischen Polizei München wegen "Rassenschande" verhört und bekam die Auflage, sich von dem vermeintlichen Kindsvater zu trennen. Sie kehrte nach Hamburg zurück. Ihren Sohn ließ sie getarnt als "arisches" Waisenkind in der Obhut des katholischen Blauen Kreuzes in München zurück. Bis zum Verbot aller jüdischen Kulturunternehmungen wirkte sie als Dramaturgin beim Theater des Jüdischen Kulturbundes in Hamburg. Ihr Sohn vermutet, dass sie zu ihrem Schutz wie ihre Schwester als Mitarbeiterin bei der Bezirksstelle Hamburg des Jüdischen Religionsverbandes geführt wurde, seines Wissens war sie dort nicht selbst aktiv. Als Iska Goldschmidt 1938 starb, führten die Witwe Hulda Goldschmidt und ihre Töchter Erna und Käthe das Geschäft in Erbengemeinschaft weiter. Doch der nationalsozialistische Staat plünderte die wohlhabenden Juden aus. Erst musste die Familie eine Judenvermögensabgabe von 4750 Reichsmark zahlen. Dann erfolgte die Liquidation der Bankfirma Louis Goldschmidt. Wie alle Juden hatten auch die Goldschmidts persönliche Wertgegenstände wie Pelzsachen, Fotoapparate, elektrische Geräte abzuliefern, durften keine Haustiere mehr halten, und ihre Konten wurden unter Sicherungsanordnung gestellt und damit gesperrt. Anfang Oktober 1940 erhielten Mutter und Töchter, wie in den Akten des Amtes für Wiedergutmachung vermerkt, Anweisung, in ein "jüdisches Haus" zu ziehen. Erst bewohnten die Schwestern zwei Zimmer in der Hindenburgstraße 111, dann nahmen sie die inzwischen schwerkranke Mutter dort in einem Mansardenzimmer zu sich. Am 25. Oktober 1941 fand die erste Deportation Hamburger Juden nach Lodz statt. "Für eventuelle Ausfälle" hatte die Gestapo eine zusätzliche Liste von 200 Namen aufgestellt, auf der auch Käthe, Erna und Hulda Goldschmidt zum Abtransport vorgesehen waren. Dazu kam es nicht. Einen Monat später starb die Mutter. Im Zuge der Gettoisierung der Juden wurden die Schwestern im September 1942 zwangsweise in dem eng belegten "Judenhaus" Beneckestraße 2 einquartiert, das dem Religionsverband Hamburg gehörte. Käthe und Erna Goldschmidt teilten sich im zweiten Stock eine mit einem Wandschirm abgetrennte Korridorecke. Laut Akten des Amtes für Wiedergutmachung standen die Hausbewohner unter besonderem Druck, denn unten im Haus befand sich das Büro der Gestapo. Ab Sommer 1942 wurden die jüdischen Heime und Anstalten geräumt und Transporte mit den Gebrechlichen und Alten zusammengestellt. Als nicht mehr so viele jüdische Gemeindeangestellte gebraucht wurden, bekamen auch immer mehr Mitarbeiter der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland den Deportationsbefehl. Schließlich erhielt die Reichsvereinigung den Befehl zur Auflösung. Käthe Goldschmidt wurde am 10. Juni 1943 auf Anordnung der Gestapo, Staatspolizeileitstelle Hamburg, verhaftet. Ab dem 11. Juni 1943 standen die Bewohner des Komplexes Beneckestraße 2-6 unter Hausarrest. Die Büros der Gemeinde im Parterre von Nr. 2 waren geschlossen und versiegelt. Nun sollten auch die letzten dreißig besoldeten Mitarbeiter der Hamburger Bezirksstelle zusammen mit über siebzig anderen Juden, die zunächst zurückgestellt worden waren, nach Theresienstadt gebracht werden. Die "Judenhäuser" Beneckestraße 2, 4 und 6 dienten als Sammelstelle für die sieben Deportationen im Jahre 1943. Am 23. Juni 1943 wurden Erna Goldschmidt aus Haus Nr. 4 und Käthe Goldschmidt aus Haus Nr. 2 abgeholt und nach Theresienstadt deportiert. In ihren 1975 veröffentlichten Erinnerungen beschreibt Käthe Goldschmidt-Starke die Deportation vom Hannöverschen Bahnhof: "Nein - auf unserem Transport nach Theresienstadt fing niemand an zu schreien. Uns trat auch keiner in den Rücken, wie ich es elf Monate zuvor noch im Hof der Schule an der Sternschanze gesehen hatte [...] Der Chef des Judendezernats der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Hamburg, "Herr" Göttsche, der uns mit seinem Stab das Abschiedsgeleit gab, zeigte sich mehrere Nuancen undienstlicher als gewöhnlich. Keine Filmkameras surrten, keine umgehängten Photoapparate machten Privataufnahmen von hübschen Helferinnen, von Elendsgestalten auf dem Bahnsteig oder von Tragebahren mit sterbenden Greisen. Es war ja vergleichsweise auch gar nichts los heute. Ein kleiner Transport von 108 Seelen nur. Aber mit diesem kleinen Transport, der die letzten Mitarbeiter der Gemeinde und auch die letzten Betreuten entführte, sahen die Beamten vom Judendezernat ihr Arbeitsgebiet in der Heimat entschwinden und die Front für sich in gefährliche Nahe rücken. Und das war es, was sie erweichte. [...] Beim Registrieren für die Transportliste herrschte ein ungewöhnlich konzilianter Ton. Keine Schläge, nicht einmal laute Kommandos, niemandem wurde aus Spaß der Kopf unter die Wasserleitung gehalten. Die Sekretärinnen der Gestapo, zwei attraktive Mädchen, reichten uns mit spitzen Fingern unsere Judenkennkarten zurück, in die sie gestempelt hatten, daß die Inhaber dieses mit dem Heutigen evakuiert seien und hakten uns auf ihrer Liste ab. Solcherart ausgestrichen aus dem Buch der Lebenden wurde uns gegen allen Brauch gestattet, noch einmal in unser Zimmer zurückzukehren und die restliche Wartezeit dort zu verbringen. Diese Galgenfrist nutzten wir, um Notsignale zu geben an Freunde im neutralen Ausland, flüchtige Zeilen, deren Tenor lautete: Ich verlege meinen Wohnsitz heute nach Theresienstadt, Protektorat ... Auf dem abgelegenen Güterbahnhof, dem Hannöverschen, der schon Schauplatz vieler Judentransporte gewesen war, begann für uns das Abenteuer, aus dem noch niemand zurückgekehrt war. [...] Unbarmherzig in der klaren Luft bot sich der Zug der Träger dar, die über den leeren Bahnsteig unsere bettlägerigen Kranken, unsere ältesten und nicht Transportfähigen zu den notdürftig als Liegewagen hergerichteten Waggons trugen. Sauber hergerichtet, wie vom Leichenwäscher, ein letztes Mal pfleglich betreut, verschwanden sie hinter den Schiebetüren, entschwanden sie ihren "arisch versippten" Verwandten, die sie hilflos begleiteten, und waren einem Schicksal ausgeliefert, das "Verhungern" heißen sollte ... Die Türen wurden zugeschoben. Der Transport war abgefertigt. Wir merkten, daß wir fuhren. - In diesem Augenblick endete die altehrwürdige Tradition der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde zu Altona, und die der hochangesehenen und reichen Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg." In Theresienstadt bekam Käthe Goldschmidt über den Putzdienst Kontakt zu den "Prominenten" des Lagers. Später war sie in der Zentralbibliothek beschäftigt. Erna Goldschmidt arbeitete in Theresienstadt im Judenrat des Gettos mit. Am 8. Mai 1945 wurden die Schwestern in Theresienstadt von der Roten Armee befreit. Wegen Fleckfieberquarantäne durften sie das Lager erst am 28. Juli 1945 verlassen und traten den Heimweg nach Hamburg an. Zurück in Hamburg engagierte sich Erna Goldschmidt für den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde. Auch arbeitete sie für die Jewish Trust Cooperation for Germany und in leitender Funktion für den jüdischen Gemeindefonds Nordwestdeutschland, der die Restbestände jüdischen Eigentums in der britischen Zone übernahm. Sie war in verschiedenen jüdischen Dachorganisationen tätig und engagierte sich ehrenamtlich in nichtjüdischen Organisationen. Käthe Goldschmidt und ihre Schwester zogen im September 1945 in die Grottenstraße 9 nach Othmarschen. 1947 nahm Käthe Goldschmidt ihren Sohn Pit aus München wieder zu sich. Ihre Promotion als Theaterwissenschaftlerin konnte sie 1948 in München abschließen. Ende der 40er Jahre heiratete sie Martin Starke, den Vater ihres Sohnes, der das KZ Auschwitz überlebt hatte. 1975 veröffentlichte sie ihre Erinnerungen an das Getto Theresienstadt unter dem einem Propagandafilm der Nazis entliehenen Titel: "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt." Sie hatte eine Sammlung von Zeichnungen und Dokumenten aus Theresienstadt nach Hamburg mitgebracht - ein von der jüdischen Selbstverwaltung des Gettos Ende 1943 zusammengestelltes Album mit Biografien und Fotos von dort internierten jüdischen Prominenten, außerdem 62 Aquarelle und Zeichnungen von zwanzig professionellen und Laienkünstlern sowie den Rechenschaftsbericht der Gettozentralbücherei bis November 1943. Dieses so genannte Theresienstadt-Konvolut wurde 2002 in einer Ausstellung des Altonaer Museums gezeigt. Erna Goldschmidt starb am 8. Mai 1977. Käthe Goldschmidt-Starke lebte noch bis zum 10. August 1990 in Hamburg, ihr Ehemann war schon 1957 verstorben. Text: Birgit Gewehr Quellen: 1; Gabriela Fenyes, Goldschmidt, Erna, und Starke, Käthe, in: Das jüdische Hamburg, hg. vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Göttingen 2006; AfW, Akte 221299, Starke, Käthe; StaHH 5221-Jüdische Gemeinden, 992e 2, Band 1, Deportationsliste Lodz 25.10.1941; Käthe Starke, Der Führer schenkt den Juden eine Stadt. Bilder, Impressionen, Reportagen, Dokumente, Berlin 1975; Beate Meyer (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933 bis 1945. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung, hg. v. Landeszentrale für Politische Bildung, Hamburg 2006; Eine verschwundene Welt. Jüdisches Leben am Grindel, hg. v. Ursula Wamser und Wilfried Weinke, Springe 2006; Gespräch mit Pit Goldschmidt, 7.10.2007

    Charlotte Embden

    geb. Heine

    Schwester von Heinrich Heine und seine Zuarbeiterin

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    18.10.1800/1804
    Düsseldorf
    -
    14.10.1899
    Hamburg
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    Grablage: 03-18 Charlotte Embden wohnte mit ihrem Mann Moritz (1790-1866), einem reichen Textilkaufmann und ihren gemeinsamen vier Kindern in einem Haus an der Esplanade 39, das 1958 abgerissen wurde. Anstelle des hochherrschaftlichen Embden-Palais' mit seiner antiken Tempelfront wurden zweckmäßige Hochhäuser gebaut. "Aufgewachsen in ihrer Geburtsstadt als Tochter des Tuch- und Manufakturkaufmanns Samson Heine (1764-1828) und seiner Ehefrau Betty (ursprünglich Peira), geborene van Geldern (1771-1859), [ihr Grabstein befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel] erhielt sie wie ihre drei Brüder Heinrich, Gustav und Maximilian eine an liberalen und aufklärerischen Werten orientierte Erziehung, die den Weg der Assimilierung ebnen sollte. In Düsseldorf besuchte sie eine von Nonnen geleitete Klosterschule. Die Erziehung des Mädchens lag wesentlich in der Hand der Mutter." 1) Im März 1820, nachdem ihr kranker Vater 1819 in Düsseldorf bankrott gemacht hatte, zog sie mit ihrer Mutter und den beiden Brüdern Gustav und Maximilian nach Hamburg, wo Verwandte wohnten. Ihr Vater war schon nach Hamburg vorausgereist. Die Familie wurde vom Bruder des Vaters, dem Bankier Salomon Heine finanziell unterstützt. "Dauerhaft wurde die Familie, die sich zwischenzeitlich zunächst in Oldesloe, dann ab Juli 1822 in Lüneburg aufhielt, erst ab 1828 in Hamburg ansässig. In diesem Jahr starb Charlottes Vater." 2) In Hamburg lernte Charlotte Heine ihren zukünftigen Mann kennen, den sie 1823 heiratete. Bevor das Paar, das fünf Kinder bekam (Maria, geb. 1824; Ludwig, geb. 1826; Anna, geb. 1829; Helene, geb. 1832; Liese, geb. 1834), an die Esplanade zog, hatte es am Neuen Wall 167, dann am Jungfernstieg, an der Großen Theaterstraße und später am Gänsemarkt gewohnt. In den 1840er Jahren fungierte Charlotte Embden als Salonière. Der Embden'sche Salon wurde zu einem Treffpunkt für viele Persönlichkeiten des kulturellen Lebens. Heinrich Heine war oft Gast im Hause Embden. Charlotte Embden arbeitete ihrem Bruder zu, beschaffte ihm aus Hamburger Bibliotheken notwendige Bücher und führte häufig die Verhandlungen mit Heines Verleger Julius Campe. Sie selbst schrieb viele Briefe, aus denen ihr Lebenswandel erfahrbar wird. Ihre Erinnerungen an ihren Bruder liegen als unveröffentlichtes Manuskript vor. Heinrich Heine erwähnt seine Schwester in seinen Schriften. 1824 schrieb er für sie das Gedicht "Mein Kind wir waren Kinder." "Dass Heine seiner Schwester darüber hinaus etliche weitere Gedichte widmete, deutet auf das besonders enge und vertraute Verhältnis zwischen den Geschwistern hin. Aus einer Vielzahl von überlieferten Briefen spricht die besondere Wertschätzung Heines für Charlotte, die ihm zur engsten familiären Vertrauten wurde. Bisweilen changiert sein Verhältnis zur Schwester zwischen fürsorglicher Zugewandtheit und schwärmerischer, erotisch getönter Liebe", schreibt Dirk Brietzke in seinem Portrait über Charlotte Embden. 3) Nach Heinrich Heines Tod (1856) besuchten viele Schriftsteller und Literaturhistoriker und 1887 sogar Kaiserin Elisabeth von Österreich Charlotte Embden, um mehr über den Bruder zu erfahren. Text: Dr. Rita Bake Quelle: 1-3) Dirk Brietzke: Charlotte Embden, in: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Personenlexikon. Bd. 4. Göttingen 2008, S. 93-94.

Friedhof Groß Flottbek

    Liselotte Lenz

    geb. Lindau

    Malerin und Zeichnerin

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    4.8.1918
    Hamburg
    -
    5.2.2006
    Hamburg
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    Grablage: Quartier AA, Reihe 15, Nummer 4, Gemeinschaftsgrab der Eheleute Siegfried und Liselotte Lenz, Nutzungsrecht bis: 27.10.2039

    Ihre erste Begegnung umrankt eine paradiesische Legende: "Lilo", wie Liselotte Lenz von ihrem Mann und den Freunden genannt wurde, war für ihn nicht nur die Lebensgefährtin. Sie war zugleich seine unentbehrliche Ratgeberin und, im unmittelbaren Wortsinn, seine erste Leserin, denn sie diskutierte die Manuskripte mit ihm, und sie tippte seine mit der Hand geschriebenen Texte, "und zwar in eine Schreibmaschine, die aus den Beständen der untergegangenen deutschen Kriegsmarine stammte"
    1). "Das tat sie, die Hamburgerin
    und Malerin, schon in den ersten Nachkriegsjahren als Redaktionssekretärin bei der WELT. Damals, 1948, begegnete ihr ein junger Volontär mit Namen Siegfried Lenz, dem es zeitbedingt nicht gut ging. Er hatte den Krieg als blutjunger Marinesoldat nur knapp überlebt, er hatte im Katastrophenwinter 1946/47 ein Gastspiel beim Nordwestdeutschen Rundfunk gegeben, und nun wollte er eine ordentliche journalistische Ausbildung in dieser Zeitung absolvieren. Aber, wie gesagt, es ging ihm nicht gut, und so fiel der Volontär Lenz eines Tages um. Die Redaktionssekretärin Lilo sorgte dafür, dass er auf eine Liege gebracht wurde, und gab ihm einen Apfel. So begann diese Partnerschaft, aus der im Jahr darauf eine Ehe wurde, die länger als ein halbes Jahrhundert gehalten hat"
    2). In anderen Versionen sei Siegfried Lenz seiner Muse zuerst begegnet, habe dann sein Studium abgebrochen und sich bei der WELT um ein Volontariat bemüht. Sie schrieb alle Manuskripte und Korrekturen ihres Mannes, des Nobelpreisträgers Siegfried Lenz, auf der manuellen Schreibmaschine eigenhändig ab: "Das - wie gewöhnlich und bis zum Schluss - handschriftliche Manuskript wird von Lilo Lenz mit mehreren Durchschlägen getippt"
    3). Sie führte auch große Teile seiner (offiziellen) Korrespondenz. Somit liegt der unschätzbare Ertrag ihres Lebenswerkes, die Roman-Typoskripte - neben den von ihrem Gatten säuberlich und Papier-ökonomisch von Hand geschriebenen Heften als Vorlage - heute im Deutschen Literaturarchiv Marbach (Bericht unter LINK: zeit.de/2017/21/siegfried-lenz-literaturarchiv-marbach: "Er benutzte liniertes Papier, das er ausfüllte, ohne auch nur den kleinsten Rand zu lassen"). So bescheiden das Ehepaar lebte, so ist nur spärlich Verstreutes zu finden von den Spuren der Frau, die 56 Ehejahre an der Seite von Siegfried Lenz gewiss auch mitverantwortlich war für seinen Erfolg, schriftstellerisch wie als Managerin. Über ihr Leben vor der Begegnung mit ihrem Gatten erfahren wir: "Liselotte Lenz hätte gern eine Kunstschule besucht, doch die Verhältnisse erlaubten es nicht, und so begann sie auf Geheiß des Vaters, der in Hamburg mit Tabakwaren handelte, eine kaufmännische Ausbildung. Nebenher hat sie stets gezeichnet und gemalt (...) und während Siegfried Lenz über die unauffälligen Dinge der Welt schrieb, hielt seine Frau mit dem Zeichenstift fest, was sie mit gesenktem Blick an Unscheinbarem am Strand und am Waldboden entdeckte: Vertrocknete Blätter, eine zerbrochene Flasche, Reste einer Fahrradkette, einen toten Vogel"
    4). Und was die künstlerische Symbiose von "Philemon und Baucis" anbetrifft: Die Geschichte der von Liselotte Lenz gemalten Fundstücke, etwa die Reste einer Reuse, sind beispielsweise in den Roman "Arnes Nachlass" (1999) eingeflossen. Charakteristisches über ihre Mentalität skizzierte eine Art sentimentaler Nachruf, in dem Dr. Reinhard Tschapke, Leiter der Kulturredaktion der Nordwestzeitung, unter dem harmlosen Titel "Kaffeeklatsch mit Siegfried Lenz" seine Begegnung mit dem Künstler-Ehepaar nachvollzog. Dort taucht auch das Motiv "Apfel" wieder auf. Die Episode erinnert an Lenz" berühmte Schilderung der "Jütländischen Kaffeetafel". Redakteur Reinhard Tschapke war im Begriff, "seinen alten Bekannten Siegfried Lenz in Hamburg nur zu einer Lesung nach Oldenburg" abzuholen: ""Wir müssen noch Kaffee trinken!" Lenz winkte mit der Pfeife ins Wohnzimmer. Seine Frau (...) lächelte herzlich. Widerspruch war zwecklos. Wenn einer der größten Dichter einlädt, einer, der in seinen Romanen und Erzählungen immer ein Herz für die Zarten, Freundlichen hatte, lehnt man nicht ab. Der Tisch bog sich unter gekauften Tortenstücken der größten Art. Eingeschenkt wurde dem Besucher, einem passionierten Teetrinker, der schwärzeste Kaffee, den es je gab. Lenz und Frau qualmten ohne Unterlass. Schmeckt"s? Beide lächelten (...) Schwarzer Kaffee wurde in riesige Tassen nachgeschenkt. Wir waren extra beim Bäcker, sagte Liselotte Lenz, die eine wunderbare Zeichnerin und Künstlerin war und sich selbst in den Schatten immer zugunsten ihres Mannes zurücknahm. Es gibt einen Band, der Zeichnungen von ihr sammelt, und zu dem Lenz einen wunderbaren Text geschrieben hat.
    Aber dieses Wissen half jetzt nicht im wunderschönen Altbau der Familie Lenz in Hamburg. Ein zweites Teil war fällig. Kuchen ohne Ende. Es versteht sich fast von selbst, dass Herr und Frau Lenz keinen Kuchen nahmen. Wir haben schon gegessen. Der ist extra für Sie gekauft! Wir haben extra für Sie Kuchen gekauft, betonte Frau Lenz noch einmal, wie man etwas so betont, das Folgen haben muss. Die Folge war ein weiteres, dickes großes Stück auf dem Teller. (...) Und der Kaffee wurde schwarz und schwärzer. Die Szene löste sich absurderweise erst bei der Debatte um Regenwürmer auf. Da könnte man en passant den Aufbruch einleiten, noch einmal viel zu ausführlich durch den großen Garten gehen (ich schäle Ihnen schnell noch einen Apfel von unserem Baum - was dann gar nicht schnell war) und schließlich und endlich völlig befreit losfahren - um gleich um die Ecke in Othmarschen schon bei der Auffahrt auf die Autobahn in einen Megastau zu gelangen. Lenz lächelte, Frau Lenz saß ruhig da. Sie waren das liebste Ehepaar der Welt"
    5). Auf dem rückwärtigen Klappentext einer ihrer raren Veröffentlichungen "Waldboden" mit sechsunddreißig Farbstiftzeichnungen zum Text von Siegfried Lenz (Albrecht Knaus, Hamburg 1979) lesen wir: "Liselotte Lenz lebt in Hamburg. Sie ist seit 1949 mit Siegfried Lenz verheiratet. 1958 wurde sie auf der "Ausstellung Hamburger Laienkünstler" mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Soweit Familie und Arbeit es zulassen, pflegt sie ihr Hobby, Zeichnen und Malen". Das war Ende der 1970er Jahre.
    Acht Jahre später, 1986 (im Jahr des 60. Geburtstags von S. Lenz) legte der Verlag Hoffmann & Campe nach mit einem größerformatigen Künstlerbuch "Kleines Strandgut": 48 Farbstiftzeichnungen von Liselotte Lenz, umrahmt mit Betrachtungen aus der Feder ihres Schriftstellergatten. Die Motive für diese Veröffentlichungen fanden die beiden auf ihren Feriensitzen, die sie zu Sommer-Aufenthalten nutzten, einem Bungalow in Tetenhusen zwischen Rendsburg und Schleswig sowie auf der Ostsee-Insel Als(en) im Süden Dänemarks. Der fehlende Text über die Künstlerin findet sich auf dem Internetportal des Hoffmann & Campe Verlages unter einem Porträt-Ausschnitt der älteren Dame: "Liselotte Lenz war Malerin und Illustratorin und mehr als ein halbes Jahrhundert mit Siegfried Lenz verheiratet. Sie war seine Ratgeberin und erste Leserin. Ihre Zeichnungen entstanden bei gemeinsamen Aufenthalten in ihrem Strandhaus am Meer. Liselotte Lenz starb 2006 in Hamburg. (hoffmann-und-campe.de/autoren-info/liselotte-lenz)
    Nach zwei Schlaganfällen verstarb Liselotte Lenz 2014. Sie hinterließ viele Zeichnungen, ein Großteil dieses Oevres ist im Besitz der Siegfried-Lenz-Stiftung
    6). Die bescheidene schöne Grabstätte des Ehepaares Liselotte und Siegfried Lenz liegt nicht etwa auf dem Friedhof Nienstedten, sondern auf dem volkstümlicheren Friedhof Groß Flottbek. Ihr Name Lilo Lenz ist auf dem glatt polierten, unbehauenen herzförmigen Granit mit Geburts- und Sterbejahr über dem Namen ihres Mannes eingraviert.
    Text: Dr. Cornelia Göksu
    Quellen:
    1) Michael Jürgs: Hausbesuch bei einem zeitlosen Erzähler. Zum Tod von Siegfried Lenz. In: Cicero,. Magazin für politische Kultur, Berlin, 8.10. 2014 = Jürgs 2014; Online-Version unter LINK: cicero.de/kultur/tod-von-schriftsteller-meine-erinnerung-siegfried-lenz/58322
    2) Zitat aus: "Liselotte Lenz stirbt im Alter von 87 Jahren". Nachruf in DIE WELT unter Autorenkürzel U.B., v. 11.2.2006, online unter LINK: cicero.de/kultur/tod-von-schriftsteller-meine-erinnerung-siegfried-lenz/58322; abgerufen 30.11.2017 CG
    3) Berg 2016, S. 342
    4) Erich Maletzke: Siegfried Lenz. Eine autobiographische Annäherung. Springe 2006; kleinen Text-Ausschnitt gefunden online unter books.google.de, nach Eingabe Stichwort "1958 Ausstellung Hamburger Laienkünstler" in der Volltextsuche, November 2017 CG.
    5) Reinhard Tschapke: Nachruf. Auf einen Kaffeeklatsch mit Siegfried Lenz. In: Nordwest Zeitung, 8.10.2014, online unter LINK: nwzonline.de/kultur/auf-einen-kaffeeklatsch-mit-siegfried-lenz_a_19,0,1409489692
    6) Freundliche tel. Info durch Frau Katharina Muders, Büro Siegfried Lenz, Mittelweg 117, 22./23.3.2017, die auch Geburtsdaten und Geburtsnamen mitteilte, an CG.).

    Dr. Erika Mühlbauer

    geb. Schneider

    Langjährige Vorsitzende des Vorstands des Sozialdienstes katholischer Frauen Hamburg-Altona

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    Fotos: © kulturkarte.de /

    23.2.1937
    Frankfurt a. M.
    -
    22.5.2017
    Hamburg
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    Grablage: LM-4A, Nutzungsrecht bis: 01.06.2042 Erika Mühlbauer wurde als drittes von vier Kindern des Ehepaares Elisabeth und Dr. Carl Schneider geboren. Nach dem Abitur studierte sie in Graz Staatswissenschaften und promovierte zum Dr. rer pol. Beruflich arbeitete sie dann in einer Sanitärtechnikfirma. 1961 heiratete sie den Diplom-Kaufmann Ernst Mühlbauer und lebte seitdem in Hamburg. 1962 wurde das erste, 1963 das zweite und 1964 das dritte Kind geboren. In dieser Zeit arbeitete Erika Mühlbauer von 1963 bis 1968 in der neu gegründeten Firma DMG und EMKA ihres Mannes in Teilzeit mit. Später widmete sie sich der Erziehung der Kinder und hielt ihrem Mann den "Rücken frei". 1980 wurde Erika Mühlbauer Mitglied im Verein "Sozialdienst katholischer Frauen Hamburg-Altona" (SkF Hamburg-Altona). Zu ihrer Motivation, sich in diesem Bereich zu engagieren, sagt ihre Tochter Petra: " Meine Mutter wollte mit ihrer Mitgliedschaft im SkF, Menschen Gutes tun, die in unserer Gesellschaft mehr Hilfe und Unterstützung benötigen als staatliche Stellen alleine leisten können. Sie selber war sich der Tatsache bewusst, dass es ihr und der Familie durch glückliche Umstände und viel Fleiß meines Vaters gesundheitlich und materiell nach den ersten mühevollen Jahren immer gut ging. Auf diesem Weg konnte sie etwas "zurückgeben". Katholisch sozialisiert, brachte sich meine Mutter gerne mit ihren Fähigkeiten bei SkF ein, knüpfte zahlreiche neue Kontakte und freute sich, mit kleinen aber beständigen Schritten die Projekte voranzubringen." Der Sozialdienst katholischer Frauen ist, so die Selbstdarstellung des Verbandes: "ein Frauen- und Fachverband der sozialen Arbeit in der Caritas, wurde 1899 von Agnes Neuhaus in Dortmund als ‚Verein zum guten Hirten" gegründet. Agnes Neuhaus war geprägt von ihrem starken sozialen Engagement. Sie war Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und Reichstagsabgeordnete. Ihre heute noch aktuelle Gründungsidee war, dass es Not- und Konfliktsituationen gibt, die Frauen in besonderer Weise erleben und in denen Frauen anderen Frauen, Kindern und Familien wirksam helfen können. Der SkF arbeitet auf der Grundlage eines christlichen Menschenbildes. Er setzt sich, unabhängig von Nationalität und Konfession, für sozial benachteiligte Menschen ein." 1) Der Ortsverein des Verbandes in Hamburg-Altona, in dem Erika Mühlbauer aktiv war, bietet u. a. neben Beratung für Frauen, Familien und Schwangere, Hilfe bei Wohnungslosigkeit und einen Wohngruppenbereich für junge Mädchen und Frauen im Alter von 16 bis 27 Jahren nach einer psychischen Erkrankung an. Er wendet sich politisch zum Beispiel gegen Frauenarmut und Frauenwohnungsnot sowie gegen Gewalt gegen Frauen. Der Sozialdienst katholischer Frauen Hamburg-Altona hatte sich 1924 in Altona gegründet und damals das "Marienheim" eröffnet. "(1994 umbenannt in ‚Wohnhaus für Frauen"). Betreuung lediger Mütter und ihrer Kinder durch Ordensschwestern und Ehrenamtliche." 1959 folgte die "Einrichtung der Sozialen Beratungsstelle, heute Beratungsstelle für Frauen, Familien und Schwangere in der Schomburgstraße. 1986, als Erika Mühlbauer bereits Mitglied des Vereins war, wurde die "Beratungsstelle für wohnungslose Frauen und Männer in Kooperation mit Herz As Hamburg" gegründet. 1996 begann der Verein mit der "Ambulanten und Flexiblen Betreuung" für Frauen in schwierigen Lebenssituationen. 2002 eröffnete die "Kleiderkiste", bei der es kostenlose Kleidung gibt und 2014, zwei Jahre vor Erika Mühlbauer Tod, wurde die Erweiterung des Wohnhauses für Frauen eröffnet, das seitdem JOHANNA heißt und seit 2014 auch Mädchen ab 16 Jahren aufnimmt. 2) Diese Einrichtung unterstützt junge Frauen ab 16 Jahren sowie Mütter und ihre Kinder mit einer psychischen Erkrankung oder Belastung durch unterschiedliche Angebote. Erika Mühlbauer hatte 22 Jahre von 1984 bis 2006 den Vorsitz des Vorstandes dieses Vereins. Außerdem war sie von 1995 bis 1999 Vorsitzende der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der SkF-Ortsvereine im Erzbistum Hamburg und solange sie Vorsitzende des SkF Hamburg-Altona war, auch geschäftsführende Ansprechpartnerin im Vorstand für die jetzige Einrichtung "JOHANNA - psychosoziale Unterstützung für Frauen und Kinder". Als Mitglied des Zentralvorstandes des SkF Gesamtvereins wirkte sie von 1993 bis 2001 über die Bistumsgrenzen hinaus. So knüpfte sie in dieser Zeit für das Projekt Auslandsadoptionen Kontakte in Bolivien. Als Zentralvorstandsmitglied führte Erika Mühlbauer 1994 eine SkF-Delegation nach Bolivien an. Diese Reise hatte das Ziel, die Auslandsadoptionsarbeit des SkF weiter zu etablieren, indem sich der Verband dort durch persönliche Begegnungen und Veranstaltungen bekannt machte. Die verbandliche Arbeit und insbesondere die fachliche Arbeit im Bereich der Auslandsadoption wurden über Gespräche mit zuständigen Behörden, Fachveranstaltungen mit Fachkräften, Besuchen von Heimen sowie Hilfsprojekten und insbesondere in Gesprächen mit Vertretern und Vertreterinnen der Kirche wie der Caritas präsentiert. Erika Mühlbauer war in der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit im Zentralvorstand für den Fachbereich Auslandsadoption eine wichtige Ansprechpartnerin. Sie erhielt für ihr langjähriges Engagement die höchste Auszeichnung des SkFs: die goldene Ehrennadel. Darüber hinaus wurde ihr 2004 die Ansgar-Medaille des Erzsbistums Hamburg verliehen. Quellen: 1) http://www.skf-altona.de/index.php/geschichte 2) Ebenda und siehe auch: http://www.psag-hamburg.de/unsere_mitglieder/details/johanna_psychosoziale_ unterst%C3%BCtzung_f%C3%BCr_frauen_und_kinder_-des_skf_e.v._hh-altona.html

    Ursula Randt

    geb. Klebe

    Sprachheilpädagogin, Autorin z. B. des Buches über die Schulgeschichte der Israelitischen Töchterschule Karolinestraße 35, Erforscherin der jüdischen Schulgeschichte und der Schicksale der Schülerinnen, hatte großen Anteil an der Entstehung und Gestaltung der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule Karlonenstraße 35

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    25.5.1929
    Hamburg
    -
    20.5.2007
    Hamburg
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    Grablage: LQ Reihe 1, Nr. 13, Nutzungsrecht bis: 30.05.2032

    Ursula Randt war eine Tochter des jüdischen Arztes Egon Klebe und dessen nichtjüdischer Frau Johanna. "Von 1935 bis 1939 besuchte sie eine Volksschule am Voßberg, ab 1940 die Heilwig-Oberschule für Mädchen. Randt, deren Vater 1939 ohne die Familie in die USA emigrieren musste, [die Familie konnte aus finanziellen Gründen nicht mitkommen] galt während der Zeit des Nationalsozialismus als "Jüdischer Mischling""
    1), so heißt es in dem Wikipedia Eintrag zu Ursula Randt. Aus gesundheitlichen Gründen war sie von 1939 bis 1940 vom Schulbesuch freigestellt. Danach besuchte sie von 1940 bis 1944 die Heilwig Oberschule für Mädchen, wurde aber 1944 vom Unterricht ausgeschlossen und durfte erst nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wieder den Schulunterricht besuchen. 1949 machte sie an der Heilwig Oberschule ihr Abitur.
    Zwischen 1950 und 1952 studierte sie an der Universität Hamburg auf Lehramt, welches sie 1953 mit dem Ersten Staatsexamen abschloss und Referendarin an der Schule am Vossberg wurde. In selben Jahr heiratete sie und bekam ein Jahr später einen Sohn. 1957 absolvierte sie ihr Zweites Staatsexamen. 1958 wurde sie verbeamtet und ging zwei Jahre später in "Familienzeit". In dieser Zeit wurde 1963 ihr zweiter Sohn geboren. 1969 war es dann soweit, dass Ursula Randt wieder in den Beruf einsteigen wollte. Damals suchte die Stadt Hamburg dringend Logopäden, deshalb wurden Studierende dieser Studiengänge auch von der Stadt Hamburg unterstützt. Ursula Randt begann nun wieder an der Hamburger Universität zu studieren und zwar Sprachheilpädagogik und Hörgeschädigtenpädagogik für das Lehramt an Sonderschulen. Nach dem Abschluss dieses Studiums im Jahre 1971 arbeitete sie als Sprachheilpädagogin an der Sprachheilschule in der Karolinenstraße 35.
    "Im November 1977 wurde sie bei einem Schulfest in der Schule Carolinenstraße durch eine ehemalige Schülerin darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hier um eine ehemals jüdische Mädchenschule handelte. Die Trauer der Gesprächspartnerin darüber, dass auf die Vergangenheit der Schule nirgends hingewiesen wurde, wurde zum Ausgangspunkt für Ursula Randts Forschungsarbeiten zu jüdischen Schulen in Hamburg. 1984 wurde ihr erstes Buch "Carolinenstraße 35" vom Verein für Hamburgische Geschichte veröffentlicht. Im Mai 1989 eröffnete die "Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule" mit der Ausstellung "Ehemals in Hamburg zu Hause. Jüdisches Leben am Grindel im Gebäude Carolinenstr. 35". 1989 verlieh der Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg Ursula Randt die Ehrendoktorwürde."
    2) 1994 trat Ursula Randt in den "Ruhestand" und forschte weiter zu den Schicksalen von ehemaligen jüdischen Bewohnerinnen und Bewohnern Hamburgs sowie zur jüdischen Schulgeschichte. "Da sie über weltweite Kontakte zu ehemaligen Hamburgern verfügte und wichtige historische Materialien sammelte, wurde sie von vielen Forschern konsultiert. Sie entwickelte sich zu einer Vertrauensperson für Personen, die aus der Hansestadt vertrieben worden waren."
    3) Ursula Randt, die zahlreiche Publikationen und Aufsätze verfasste, wurde wenige Tage vor ihrem Tod durch den Verein für Hamburgische Geschichte mit der Lappenberg-Medaille ausgezeichnet. Quellen:
    1) Wikipedia: Ursula Randt, aberufen 7.1.2018.
    2) http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/UrsulaRandt/UrsulaRandt_Biographie.pdf
    3) Wikipedia: Ursula Randt, aberufen 7.1.2018.

    Karin Stilke

    geb. Lahl

    Deutschlands erstes Fotomodell; Stifterin

    Ornament Image
    1.3.1914
    Bremen
    -
    2.5.2013
    Hamburg
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    Grablage: GW-12, Nutzungsrecht bis: 13.05.2038

    "Lernt erst mal was Anständiges, macht einen Schulabschluss. Modeln ist ein Spaß, das sollte man so nebenbei machen. Euren Beruf könnt Ihr erst an den Nagel hängen, wenn ihr soviel verdient wie die Schiffer", riet sie Anfängerinnen im Modeljob. Karin Stilke war früher einmal in Deutschland das, was sich heute Topmodel nennt - als an Magersucht- und High-Heel-Zirkus aber noch nicht zu denken war. "Man zog sich an, trug noch etwas Lippenstift auf und machte viele Bilder. Vormittags Dolmetscherschule, nachmittags drei bis vier Kleider - fertig". So lakonisch beschrieb die 97-Jährige in einem Interview rückblickend ihren Tagesablauf.
    In den 1930/40er und 1950er Jahren wurde sie zur Stilikone. Statuarisch posierte sie in strengen grauen Kostümen, präsentierte "Straßenanzüge" mit dreiviertellangen (Hosen-)Röcken aus englischem Tuch mit tiefen Kellerfalten, im Jackett mit raffiniertem Pelzbesatz, darunter Schalkragenbluse aus Seidenbrokat. In den frühen fünfziger Jahren strahlte sie der jungen Bundesrepublik von Litfaßsäulen entgegen und warb in Badeeinteilern für die "schlanke Linie", wurde mit Hamburger Kosmetikmarken und amerikanischen Zigarettensorten zum stilbildenden Frauentyp der Nachkriegsära.
    Entdeckt wurde die Schülerin 1936 in Berlin: "Ich spazierte auf dem Kurfürstendamm, als mich die Fotografin Yva ansprach und fragte, ob sie Aufnahmen von mir machen könne", erzählte sie in einem Interview. "Zwei Tage später wurden die Fotos gemacht, das Geld gab es hinterher gleich auf die Hand ... Ich schminkte mich selbst, wobei es damals nur Theaterschminke und Nivea gab". (Mode und Fotografie fanden sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts; der bürgerliche Name der Mode- und Aktfotografin Yva lautete Else Ernestine Neuländer-Simon, 1990 Berlin - 1942 Vernichtungslager Sobibor. Helmut Neutädter, später als Helmut Newton weltberühmt, begann 1936 in ihrem Atelier seine Fotografenlehre). 1937 folgten Karins erste Bademoden-Shootings, "danach stand mein Telefon nicht mehr still". Ihre Bilder zierten die Titel und Modestrecken in den stilbildenden Modeblättern wie "Elegante Welt" oder "Die Dame" aus dem Ullstein Verlag. Der Zeitschrift "Film und Frau" verlieh sie in den 1950er Jahren ihr Gepräge zwischen Etuikleid, Wasserfall-Robe und Trenchlook.
    In scherenschnittartiger Körpersilhouette und natürlich-anmutigem Mienenspiel eine inszenierte Geschichte zur sprechenden Momentaufnahme zu machen: Das wurde ihre Spezialität! Mit ihren Bildern lässt Karin Stilke uns eintauchen in versunkene Modeepochen und Layout-Stile: Puristisch, naturalistisch, à l"oriental, die Kulissen als Zitate von Kunstgeschichte bis film noir; isolierte Szenen aus Modesport und Zeitgeschehen, gefroren zu abstraktem Kammerspiel und nature morte - perfekt komponiert in der unendlichen Dramaturgie von Schwarz-Weiss. Ganz anders die Welt der gedruckten Anzeigen-Kampagnen: Sie bewarb, ja verkörperte Kosmetik wie Kaloderma, Stora - Sonnenschutz ohne Fett und Öl oder elegante Damenblusen von JORA; verhalf per Exklusivvertrag der Synthetikfaser "Ninoflex" zur Alltagspopularität. Nach ihrer Entdeckerin Yva machten so berühmte FotokünsterlerInnen wie Imre v. Santho, Sonja Georgi, Ilse Flöter, Elisabeth von Stengel, Martin Munkàcsi (für Harper"s Bazaar), Charlotte Rohrbach (bewarb mit ihr den Karman Ghia von VW) oder der Hamburger Modefotograf und Sammler F.C. Gundlach sie zu einer Marke.
    1938 lernte das schon berühmte Mannequin ihren Gatten, den Buchhändler Georg Stilke, auf einer Party in Berlin kennen. Stilkes Großvater hatte die glänzende Idee gehabt, in Bahnhöfen Buchhandlungen einzurichten. An seiner Seite erlebte sie zwischen 1941 bis 1978 die mondäne Welt. Aus der Berliner Intellektuellenszene war sie mit Künstlern wie Erich Kästner, Josef von Sternberg oder Vladimir Nabokov vertraut. In Venedig kochte und posierte Marlene Dietrich mit ihr. Erich Maria Remarque war ein langjähriger Weggefährte. Als prominente Gattin eines ebenso gesellschaftsbekannten "Vierteljuden" in Berlin erinnert sich Karin Stilke: "Das Dritte Reich war eine fürchterliche Zeit. Man wusste nie, wem man vertrauen kann, was die Nazis sich als nächstes ausdenken. Ich hatte zuvor Leni Riefenstahl kennengelernt und an ihr gesehen, wie schwer es ist, wieder rauszukommen, wenn man den Nazi-Größen einmal nahe ist". (SZ v. 15.9.2008). Anfang der 1950er Jahre ließ sich das Ehepaar Stilke in Hamburg nieder. 1991 gründete Karin Stilke die "Georg und Karin Stilke Stiftung für Kunst und Senioren", aus deren Mitteln auch das historische Schloss Ringelsdorf, bei Genthien/Magdeburg (aus dem Besitz der Familie Stilke) in der damaligen DDR erhalten wurde. Mit diesem "Märchenschloss" verbanden sie schicksalhafte Erinnerungen. Das von Architekt Christian Pütz entworfene Stilke Haus in der Heimhuder Straße 92 beherbergt die Diakonie- und Sozialstation der Kirchengemeinde St. Johannes. Im Mai 2013 verstarb die mittlerweile erblindete Karin Stilke mit 99 Jahren. 100 duftende Rosen schickte Karl Lagerfeld als langjähriger Bewunderer der Grande Dame als letzten Gruß. Eine bildschöne ausführliche Autobiografie im Plauderton hatte sie für ihre 2008/2009 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe gezeigte Retrospektive verfasst. Getreu dem Titel "Ich bin ein Sonntagskind" steht ihr Werdegang exemplarisch für ein Jahrhundert und die Anfänge ihres Berufes.
    Text: Dr. Cornelia Göksu
    Hauptsächlich benutzte Quellen:
    - Karin Stilke. Fotomodell. Katalog zur Retrospektive Hamburg. Hamburg 2007.
    - Silke Lode: Lernt erst mal was Anständiges. In: Süddeutsche Zeitung vom 18.9.2008 = sueddeutsche.de vom 17. Mai 2010

    Prof Dr. Hedwig Wallis

    geb. von Häfen

    Kinderärztin, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (CDU) von 1970 bis 1974

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    20.5.1921
    Hamburg
    -
    21.10. 1997
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    Grablage: LC 3, Nutzungsrecht bis: 24.05.2037

    1941 begann Hedwig Wallis in Hamburg mit ihrem Medizinstudium. Über ihre Ersteinschreibung im Januar 1941 äußerte sie: "Wir standen in Schlagen (…), vor der Quästur. Bevor wir den Schalter erreichten, wurden wir zwangsweise an einigen Tischen vorbeigelenkt. Am ersten musste man nachweisen, welchen Gliederungen der NSDAP man angehörte. Am zweiten wurde uns ein Eintrittsgesuch in den Nationalsozialistischen Studentenbund unter die Nase gehalten: ‚Ohne Beitritt keine Einschreibung", hieß es. Am dritten Tisch wurde man in gleicher Weise gezwungen, eine nazistische Studentenzeitschrift zu abonnieren. (…) Erst dann durfte man sich einschreiben. Ob diese Verfahren in irgendeiner Weise rechtens waren, (…) fragten wir nicht. Zu viele Leute in den typischen Ledermänteln der geheimen Staatspolizei standen in der Vorhalle herum, als daß man sich zu widersetzen wagte. Ich bin allerdings mit Hilfe konsequenter Lügerei und Bummelei über den erzwungenen Anwärterstatus im Studentenbund nicht hinausgekommen."
    1) Im dritten Semester heiratete sie einen Kommilitonen und bekam eine Tochter. Zwei Jahre später, 1944, ließ sie sich scheiden und "beendete ihr Studium als alleinerziehende Mutter und legte 1946 das Staatsexamen ab".
    2) Nach ihrem Medizinstudium, der Fachausbildung in Psychiatrie und der anschließenden Fachausbildung in Kinderheilkunde wurde Dr. Hedwig Wallis an der Universitäts- Kinder- und Poliklinik Hamburg Eppendorf tätig. 1959 habilitierte sie sich (als zweite Frau in der Medizinischen Fakultät) und wurde 1965 zum apl. Professor ernannt. Sie arbeitete nun als Abteilungsdirektorin und Professorin an der Universität Hamburg.
    Hedwig Wallis unterstützte auch Eltern mit autistischen Kindern. So gewann Anfang der 1970er Jahre die Selbsthilfeinitiative betroffener Eltern - später wurde daraus der Autismus Landesverband Hamburg e.V. - Hedwig Wallis, die damals Leiterin der psychosomatischen Abteilung der Universitätsklinik in Hamburg-Eppendorf war, als Unterstützerin und Beraterin. Sie stellte der Elterngruppe für ihre Treffen einen kleinen Hörsaal zur Verfügung. 1987 wurde Hedwig Wallis pensioniert.
    Zu Ihrem 65. Geburtstag schrieb Manfred Müller-Küppers: "(…)Ihre Mitarbeit in den verschiedensten wissenschaftlichen und berufspolitischen Gremien hat Maßstäbe gesetzt und ist unvergessen. Mit der Ihnen eigenen - als Hamburger wage ich zu sagen norddeutschen Unbekümmertheit - haben Sie Tabus unterlaufen, heiße Eisen angepackt und auch gewagt, sich unbeliebt zu machen, wie man dies nicht von allen ‚gestandenen Mannsbildern" sagen kann.
    Es gibt aber auch noch eine andere Seite der Hedwig Wallis, die in den letzten Jahren persönliches Leid erfahren mußte: Sie haben Ihre Tochter verloren und damit Ihre Enkel ihre Mutter. (…) Sie haben sich um die Entwicklung der deutschen Kinder- und Jugendpsychiatrie verdient gemacht und dafür sei Ihnen (…) ausdrücklich gedankt (…)."
    3) "Ihr zu Ehren gab der Freundes- und Förderkreis des UKE e. V. einem jährlich zu vergebenden Stipendium den Namen Hedwig Wallis-Promotionspreis für Psychosoziale Medizin. Der Preis wurde erstmals im Jahr 2008 ausgelobt und wird an Studenten und junge Ärzte für die beste Dissertation des Jahres vergeben."
    4) Neben ihrer Erwerbsarbeit betätigte sich Hedwig Wallis auch parteipolitisch. Von 1970 bis 1974 war sie CDU-Bürgerschaftsabgeordnete.
    Sie wohnte in der Parkstraße 22.
    Text: Dr. Rita Bake
    Quellen:
    1) Petra Umlauf: Die Studentinnen an der Universität München 1926 bis 1945. München 2015.
    2) Doris Fischer-Radizi: Gruppenbild mit Ärztin, In: http://www.aerztekammer-hamburg.org/funktionen/aebonline/haeb_08_2014/page39.html
    3) http://psydok.psycharchives.de/jspui/bitstream/20.500.11780/1784/1/ 35.19864_6_31644.pdf_new.pdf
    4) Wikipedia: Hedwig Wallis (abgerufen: 21.7.2017)