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Jede Frau erzählt ihre eigene Geschichte – entdecken Sie ihr Vermächtnis.

Tonndorfer Friedhof

    Ursula Preuhs

    Bürgerschaftsabgeordnete

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    30.9.1931
    Hamburg
    -
    4.11.2024
    Hamburg
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    bestattet auf dem Tonndorfer Friedhof, Grablage: O-UG1-142 „Ursel Preuhs wuchs in sozialdemokratischem Umfeld zunächst im Arbeiterviertel Hamburg-Barmbek auf, später unter anderem in Jenfeld. Ihr Vater Paul Preuhs, gelernter Klempner, engagierter Sozialdemokrat, war von 1928 bis 1933 als Gewerkschaftssekretär tätig“, 1) heißt es auf Wikipedia. Ursel Preuhs erlernte den Beruf der Krankenschwester. Sie arbeitete als Verwaltungsassistentin, war als Personalratsvorsitzende tätig und aktives Mitglied in der Gewerkschaft Öffentliche Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV). Sie war Mitglied im Bundesabteilungsvorstand der ÖTV und dort für die Rentenversicherungsträger (Landesversicherungsanstalt Hamburg) zuständig. Im Alter von 22 Jahren trat Ursula Preuhs 1953 der SPD bei. „Ihre politische Heimat war der Distrikt (Ortsverein) Mühlenkamp. Neben verschiedenen Funktionen gehörte sie dem Kreisvorstand Hamburg-Nord an. Von 1966 bis 1986 war sie für ihre Partei Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Nord.“ 2) 1973 wurde sie Vorsitzenden der Bezirksversammlung Hamburg-Nord. Damit war sie die erste Frau, die in Hamburg solch einen Posten bekam. 1986 wurde Ursula Preuhs Mitglied (SPD) der Hamburgischen Bürgerschaft, was sie bis 1997 blieb. Ihre politischen Schwerpunkte lagen hier im Gesundheits- und Sozialbereich. „Von 2001 bis 2009 war sie Mitglied im Landesseniorenbeirat Hamburg und bis 2017 Vorsitzende des Bezirksseniorenrates Hamburg-Nord.“ 3) Besonders lag ihr daran, dass Seniorinnen und Senioren in „Alteneinrichtungen“ ein Einzelzimmer erhalten konnten. Dafür hat sie sehr gekämpft. Ursula Preuhs war ledig und hatte keine Kinder. „In meinem ganzen Leben habe ich mir zu allen Gelegenheiten, ob Geburtstag, Silvester oder Weihnachten nur eines gewünscht: Frieden – nicht Gesundheit, nicht Wohlstand, sondern immer Frieden.“ (Ursula Preuhs)  
    Trauerrede, gehalten von Inka Damerau Liebe Ulla, lieber Heinz, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Trauergemeinschaft, Eine herzliche und kluge, streitbare Sozialdemokratin durch und durch – eine beeindruckende Politikerin - eine politische Freundin. Ursel Preuhs ist tot. Ihr 93-jähriges langes Leben war geprägt von ihrer grundständigen Haltung, dass diese Gesellschaft Freiheit, Demokratie und Frieden braucht. Dafür ist Ursel ihr Leben lang politisch und gesellschaftlich aktiv geblieben. Ihre politische Heimat war die Sozialdemokratie, der sie 1953 beitrat – in dem Jahr, in dem Paul Nevermann als Vorsitzender die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft anführte (nach der verlorenen Wahl gegen den vereinigten Bürgerblock). Ihre Erlebnisse in den Kriegsjahren und die permanente Bedrohung der Familie durch die Nazis (Ihr Vater Paul war ein engagierter Gewerkschafter und Sozialdemokrat) in ihrer Kindheit und Jugend – die Erfahrungen in der Nachkriegszeit mit Hunger und Kälte sind bestimmt eine lebenslange Prägung für Ursel gewesen und erkennbar die Triebfeder aus der heraus sie ihre  grundsätzliche Haltung immer wieder betont hat, Frieden und Demokratie als  unabdingbare Voraussetzung für die Gestaltung der Gesellschaft. Dies bis hinunter in kommunale und soziale Fragen. Das war sozusagen ihr Credo – ihr Handlungsleitfaden. Von 1966 bis 1986 war Ursel Bezirksabgeordnete danach bis 1997 Bürgerschaftsabgeordnete. Sie war über viele Jahre hinweg Mitglied des Kreisvorstands Hamburg-Nord. Im Anschluss an ihre Abgeordnetenzeit in der Bürgerschaft 1997 hat sie weitere 20 Jahre als Vorsitzende des Bezirksseniorenbeirates und parallel auch zeitweise als Mitglied im Landesseniorenbeirates die Senior*innenpolitik im Bezirk und in Hamburg geprägt. Und natürlich war sie Gewerkschafterin. Egal wo: Wenn Ursel sich zu Wort meldete und anfing, mit „Ich sag mal …“, dann wussten alle: Das war nicht einfach daher gesagt, sondern in aller Regel ein kluger Gedanke, ein wichtiger Hinweis, eine gute Lösung, … Meine eigenen Begegnungen mit Ursel begannen, als ich 1991 als Juso-Vertreterin in den SPD Kreisvorstand Hamburg Nord gewählt wurde, später als Kreisvorsitzende und schließlich von 2008 bis 2021 als stellv. Landesvorsitzende. Kontakt und Zusammenarbeit mit Ursel war immer auf Augenhöhe, inspirierend, manchmal anstrengend, aber immer motivierend. Für Ursel lagen die politischen Themen, denen sie sich in der Bezirks- und Landespolitik gewidmet hat, auf der Hand: Bis weit in die 1960er Jahre hinein war der Wiederaufbau der zerstörten Stadt nach dem Krieg das zentrale Thema: Wohnungsbau, Schulbau und Schulversorgung, Kinderbetreuung, Schaffung von Jugendeinrichtungen, die Instandsetzung der Verkehrsinfrastruktur, das Gesundheitswesen und natürlich der Aufbau demokratischer Strukturen. Und weil es ja um die konkreten Lebensverhältnisse der Bürger*innen ging, war Ursel umfassend mit nahezu allen Themen beschäftigt. In ihren Funktionen und Mandaten hat Ursel in vielen dieser Fragen die politische Arbeit langfristig geprägt. Heute wissen wir das:  Politik, vor allem in Hamburg Nord war ohne Ursel Preuhs kaum vorstellbar und zeigt bis heute Wirkung. ein Beispiel: Heute wie damals ist der mangelnde Wohnraum – sozusagen als Dauerbrenner unterwegs. Wenn Politikerinnen heute in ihre Planungen gehen, dann können sie auf Standards zurückgreifen, die genau in den 1960 er Jahren und danach erstritten worden sind – dies oftmals auch nach schmerzhaften Lernerfahrungen: So führte der Bau von Großsiedlungen wie Steilshoop, Mümmelmannsberg und Osdorfer Born in der Folge zu sehr streitbaren Auseinandersetzungen innerhalb unserer SPD und in der Stadt: Wie müssen Stadtteile und Quartiere und somit eben auch das Bauen sich entwickeln, damit die Menschen gesund und sozial leben können? – im Kontakt mit anderen? -  damit sich Gemeinschaften entwickeln können. Das waren auch höchst streitbare Diskussionen unter den Bedingungen eines anhaltenden Wohnraummangels, dem mit hochverdichtetem Bauen begegnet werden sollte. Und trotz dieses Mangels, der selbstverständlich auch großen Druck erzeugte, hat es  Ursel und ihre damaligen Mitstreiter*innen nicht davon abgehalten, die notwendigen Auseinandersetzungen über qualitative Fragen des Wohnens und des Städtebaus zu führen. UND weil es Ursel stets um machbare Lösungen - auch im Sinne der Finanzierbarkeit für Menschen mit nicht so dickem Geldbeutel - ging, entstand nach nächtlichen Diskussionen an ihrem Esstisch u. a. die Idee von Kleingenossenschaften. Diese Idee wurde tatsächlich Wirklichkeit und konnte später am Brödermannsweg in Groß Borstel und mit der Wolfgang Borchert Siedlung verwirklicht werden. Viele von Euch wissen, dass an diesem Esstisch auch noch viele andere gute Gedanken ihren Ursprung hatten – nach langen Diskussionen natürlich. Themen, die Ursel während der ganzen Jahrzehnte ihres politischen Einsatzes fest im Blick hatte waren die Sozial-, Gesundheits- und Seniorenpolitik. Ein Bereich, in dem ich selbst beschäftigt war und bin und worüber wir sofort eine nicht aufhörende Verbindung herstellen konnten. Die Situation von Senior*innen, so u.a. die Lage in den Altenheimen, die bis weit in die 1980er Jahre hinein durch Mehrbettzimmer – gekennzeichnet waren, – teilweise bis zu 8 Personen in einem Zimmer – hat Ursel sehr umgetrieben. Das Fehlen jeglicher Privatsphäre für jeden einzelnen Menschen in seiner letzten Lebensphase  - DAS  kann und darf  so nicht sein! Und so begann sie sich für eine Veränderung dieser Situation einzusetzen. Dabei stieß sie auf die gesamte Komplexität, die für diese Veränderung entschlüsselt und geknackt werden musste
    • Wer soll Einzelzimmer bezahlen?
    • Wie müssen Heimstrukturen umgebaut/neu gebaut werden?
    • Wie müssen sich die Arbeitsprozesse in den Heimen verändern UND wer macht das?
    Mehr als 20 Jahre Durchhaltevermögen und Dranbleiben waren erforderlich, bis schließlich der Anspruch auf ein Einzelzimmer auch gesetzlich verankert war. Ein langer, harter und sehr erfolgreicher Kampf, von dem heute so viele pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen profitieren. Wohnen und Pflege - mit diesen zwei Beispielen haben wir Ursel im Auge und im Ohr. Stets ist sie von den Menschen ausgegangen. Oberste Priorität war, die Lebensverhältnis zu verbessern und eben entsprechende Strukturen zu entwickeln.  Dicke Bretter. Als Ursel Preuhs in den 1960-er Jahren ihre parlamentarische Arbeit in der Bezirksversammlung Hamburg Nord begann, war es in der Gesellschaft und auch in der SPD nicht selbstverständlich, dass Frauen sich politisch engagierten oder gar wichtige Ämter übernahmen. Auch hier war Ursel eine Vorreiterin: 1973 wurde sie Vorsitzende der BV in HH Nord – als erste Frau in Hamburg überhaupt in dieser Position. Und 1983 wurde sie ebenfalls als erste Frau Vorsitzende des Personalrates der Landesversicherungsanstalt. Das hat vielen Frauen Mut gemacht, sich selbst zu engagieren – sich etwas zu trauen. Ein großes Herzensanliegen war Ursel der unmittelbare Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern, mit ihrer Partei und den Genossinnen und Genossen. So war eine ihrer ersten Amtshandlungen als Präsidentin die Einführung einer aktuellen Stunde bei den Sitzungen der Bezirksversammlung – sehr zur Verärgerung der Verwaltung, denn damals durften Bürger*innen zwar zuhören, aber Fragen zu stellen (auf die es dann auch noch eine Antwort geben sollte), das war nicht üblich. Aber Ursel nahm die Menschen ernst und wollte ihnen Gehör verschaffen. Und noch Jahrzehnte später hat sie bis zum Beginn der Pandemie über viele Jahre hinweg Menschen im SPD-Bürgerbüro des Kurt-Schumacher-Hauses zu ihren vielfältigen Anliegen beraten und ihnen oft helfen können. Darin – im Gespräch mit anderen zu bleiben - war sie unermüdlich. Bis in das hohe Alter hinein hat sie ihre Kraft dazu genutzt, zu motivieren und zu ermutigen, sich zu engagieren, dranzubleiben, nicht nachzulassen, die Gesellschaft im Sinne von Demokratie und Frieden und sozialer Gerechtigkeit weiter voranzutreiben und auch zu verteidigen. Aktuell müssen wir erkennen, wie äußerst fragil und angreifbar unsere Demokratie ist. Das hat Ursel in den letzten vielen Jahren sehr umgetrieben und ihr große Sorge bereitet. Im persönlichen Gespräch mit ihr hat die Formulierung dieser Sorge nie gefehlt. Viele von euch werden sich erinnern, dass ein Gespräch mit Ursel nicht selten mit der sehr konkreten Aufforderung beendet wurde, dranzubleiben, sich einzusetzen. „Wir dürfen nicht nachlassen, es uns nicht bequem machen“ – so erinnere ich Gespräche mit Ursel. Und in etwa so weiter: „Wie wirst Du das jetzt angehen?“ Das hat Ursel Preuhs geschafft – sich selbst ein Leben lang der Verantwortung zu stellen – das politische Anliegen zu ihrem persönlichen zu machen und mit der größtmöglichen Authentizität in den Kampf zu gehen. Für mich und viele andere Frauen und Männer war und ist Ursel ein überzeugendes und ermutigendes Vorbild. Ursel war eine große Sozialdemokratin, eine beispielgebende Politikerin, die sich unermüdlich für das Gelingen unserer Demokratie eingesetzt hat. Nicht leichten Herzens, aber mit großer Dankbarkeit nehmen wir heute Abschied von Ursel Preuhs, von ihrer Herzlichkeit und von ihrer Überzeugungskraft – sie wird uns fehlen. „Wie wirst Du das jetzt angehen?“ Ursel – mit Entschlossenheit Du hast uns gezeigt, wie man das macht Mit Entschlossenheit müssen wir ihre Arbeit fortsetzen! Sie hat uns gezeigt, wie man das macht!
    Trauerrede von Prof. Heinz Lohmann Als Ursel Preuhs 1931 im AK Barmbek geboren wurde, war die Weimarer Republik schon in ihrer Endphase. Die wirtschaftliche Situation war bedrückend, nicht zuletzt in der Folge der unversöhnlichen Auseinandersetzungen der vorausgegangenen Jahre. Ursels Vater verlor als Gewerkschaftssekretär 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten seinen Arbeitsplatz und musste um seine Unversehrtheit fürchten. Diese besonderen Lebensumstände und die Folgen des Krieges haben ihre Jugend unauslöschlich geprägt. Die Familie hat diese Zeit in der Nordheide überlebt. Nie vergessen hat Ursel, wie sie als Kind auf der Fahrt von ihrem Wohnort Wenzendorf nach Buchholz zur Schule bei Tieffliegerangriffen mit den anderen Reisenden unter dem Zug Schutz suchen musste. Erst vor kurzem hat Ursel berichtet, wie unendlich schwer es ihr gefallen ist, ihrer Mutter die Zustimmung dazu zu geben, in den dramatischen letzten Kriegsjahren, in denen Armut und Hunger herrschten, den wunderbaren Puppenwagen und später sogar die geliebte Puppe Rosemarie gegen Lebensmittel bei der Krämerfrau im Dorf einzutauschen. „Man musste ja essen,“ hat sie dazu gesagt. All‘ die Erlebnisse in dieser Zeit haben sie dazu gebracht, sich später zu Geburtstagen, Silvester und Weihnachten immer nur eines wünschen: Frieden. Die Eltern hatten sie zu ihrem Ärger immer um spätestens viertel vor Zehn ins Bett geschickt. Aller Protest half nichts. Erst nach dem Krieg hat sie den Grund erfahren. Um 22 Uhr haben ihr Vater und ihre Mutter unter drei Decken die deutschsprachigen Nachrichten von BBC London im Radio gehört. Sie wollten verhindern, dass sich die keine Ursel in der Schule verplappert. Ursel Preuhs wollte eigentlich immer schon Krankenschwester werden. Und selbst die Einwände ihres Vaters, da wäre sie doch viel zu abhängig von den Ärzten hat sie nicht von ihrem Berufswunsch abgebracht. Ihr ging es um den direkten Kontakt zu den Menschen. Auch später in der Diabetikerzentrale der LVA war das für sie der wichtigste Antrieb. Die Situation während ihrer Ausbildung zur Krankenschwester mit dem kasernenähnlichen Reglement im 6-Bett-Zimmer hat ihre Begeisterung für den ersehnten Beruf auf eine harte Probe gestellt, aber sie hat durchgehalten. Wie bei vielen anderen Herausforderungen in ihrem Leben später auch. Ursel war ein durch und durch politischer Mensch. Deshalb gab es nicht hier ein öffentliches und dort ein privates Leben. Aber ihre ersten Urlaubsreisen hat sie mit ihren Freundinnen unternommen, die in ihren politischen Alltag nicht involviert waren. In Hamburg war sie im gesellschaftlichen Dauereinsatz. Wenn man sie anrief und der Anrufbeantworter sprang an, wusste man, es geht ihr gut. Sie ist aktiv. Und selbst abends traf man sich gerne zu strategischen Endlosgesprächen bei ihr. Da gab es auch immer etwas zu Essen. Wer bei ihr nicht satt geworden ist, dem war nicht zu helfen. Ursel selbst war durchaus krüsch, wie man in Hamburg sagt. Sie aß das, was auch ihr Vater gegessen hat und das nicht, was auch ihr Vater nicht aß. Und das war doch so einiges. Aber das, was sie aß, aß sie mit großem Appetit. Bis zuletzt – bis wenige Wochen vor ihrem Tod – hat sie sich auch immer ein gutes Glas Wein oder, wenn es besser passte, ein Glas Bier gegönnt. Sie konnte selbst genießen und anderen etwas gönnen. Unser Hund Lovis – Ursel sagte konsequent Lovi – ist immer, wenn wir sie besuchten, den langen Gang zu ihrer Wohnung entlang geflitzt. Wusste er doch, dass sie an ihrer Wohnungstür nicht mit einem Leckerli, wie zu Hause, sondern mit einer ganzen Hand voll auf ihn wartete. Den strafenden Blick von Ulla hat Ursel dann hinterher weggelächelt. Der „arme Hund“, wie sie öfter spaßeshalber sagte, hat es ihr mit größter Zuneigung gedankt und ist ihr, auch als sie dann im Rollstuhl saß, nicht von der Seite gewichen. Natürlich haben wir in der Hamburgischen Staatsoper Nabucco erlebt. Aber Ursel war durchaus mehr zuzumuten. War sie doch wegen unserer Passion für die experimentelle Gegenwartskunst schon einiges gewohnt. So hat sie eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstlern persönlich kennen gelernt und sich sogar mit einigen von ihnen angefreundet. Deshalb haben wir gemeinsam in der Elbphilharmonie den Disharmonien von Hans Werner Henzes „Floß der Medusa“ gelauscht und Ursel war begeistert. Über „Die Nase“ von Dimitri Schostakowitsch haben wir lange Zeit diskutiert. Sie hat das dramatische Leben dieses begnadeten Musikers erschüttert, aber gleichzeitig seine geniale Schaffenskraft bewundert. Wir hören deshalb zum Abschluss der Trauerfeier sein Prélude Nr. 1. Ulla und ich sind heute sehr froh, dass wir mit Ursel immer wieder gemeinsam in den Urlaub gefahren sind. Das erste Mal hat vor vielen Jahren der Zufall dafür gesorgt, dass wir wunderschöne Tage im bayerischen Krün erlebt haben. Ursel hatte sich zum Urlaub in der Nähe von Mittenwald und wir uns in der Nähe von Garmisch voneinander verabschiedet, ohne zu realisieren, dass wir auf dem Weg in dieselbe Region unterwegs waren. Gleich am ersten Abend trauten Ulla und ich unseren Augen nicht, als wir bei einem kleinen Erkundungsspaziergang erst ihr uns gut bekanntes Auto und dann sie selbst in einem Hotelrestaurant hinter der Fensterscheibe beim Essen sitzen sahen. Die Besuche an den folgenden Tagen von Museen, Schlössern und Konzerten haben dann Lust auf mehr geweckt. Die Flensburger Förde, Heiligendamm, meine alte Heimat Ostfriesland und Sylt waren Ziele, die wir in den nachfolgenden Jahren, teils mehrfach, besucht haben. Ich sehe mich heute noch mit ihr auf dem Roten Kliff in Kampen stehen und auf das Meer blicken. Sie war schon vorher mehrfach auf der Insel gewesen, aber immer nur beruflich – morgens Anreise, nachmittags Abreise und abends natürlich in Hamburg wieder ein wichtiger politischer Termin. Jetzt hatte sie Zeit und wir konnten über die Urgewalt der Natur philosophieren. Zwar lag die Nordsee völlig ruhig da, aber die Abbruchkante des Kliffs zeigte deutlich, welche Kräfte im Orkan wirksam werden können. Ruhe vor dem Sturm. War das ein Sinnbild unserer Zukunft? Ein verlängertes Wochenende auf Schloss Liebenberg in der oberen Havelniederung nördlich von Berlin hat uns viel Stoff zum Nachdenken geliefert. Von der Kaiserzeit mit politischen Intrigen, über die krisenhaften Jahre der Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus mit Anpassung und Widerstand, den Niedergang der DDR bis hin zum Aufblühen nach der Wiedervereinigung, wird an diesem Ort mehr als 150 Jahre deutsche Geschichte, wie in einem Brennglas erlebbar. Wir haben lange und intensiv darüber diskutiert, warum viele Menschen in Ostdeutschland sich als abgehängt empfinden und was da im Umgang miteinander schiefgegangen ist. „Ich bin völlig unwichtig“, erwiderte Ursel, als wir sie mit der Idee konfrontierten, eine Biografie über sie herauszugeben. Später sagte sie zu Isabel Lenuck, die ihr in langen Sitzungen zuhörte und dann das Buch über Ursels Leben schrieb: „Der einzige Grund, weshalb ich an dieser Biografie überhaupt mitwirke, ist meine Hoffnung, dass die Menschen niemals vergessen mögen, wie wertvoll Freiheit und Demokratie sind. In einem freien Land zu leben, ist keine Selbstverständlichkeit, das habe ich am eigenen Leib erfahren. Nie wieder darf es so etwas Furchtbares wie 1933 geben.“ Unwichtig war Ursel für ihre Freundinnen und Freunde ganz und gar nicht. Einige von ihnen haben sie auch in den letzten Wochen immer wieder im Krankenhaus und ganz zuletzt in den allerletzten Tagen im Pflegeheim besucht, als sie schon nicht mehr sprechen konnte. Sie haben ihr einzelne Abschnitte aus der Biografie vorgelesen oder aus dem Gedächtnis Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse erzählt. Hin und wieder hatten wir den Eindruck, dass sie da ein ganz klein wenig genickt und gelächelt hat. Nachdem es in der Nachkriegszeit in ihrem Leben eigentlich immer bergauf gegangen ist, hat Ursel in letzter Zeit doch gelegentlich das Gefühl beschlichen, es könnte vorbei sein mit den positiven Entwicklungen. Ja, sie machte sich Sorgen, dass unsere Gesellschaft schon an vielen Punkten, kulturell, sozial und politisch, in der falschen Richtung unterwegs ist. Ursel war keine große Strategin. Aber sie hat die Angst der Menschen gespürt, Opfer der Umwälzungen unserer Zeit zu werden. Sie hat mit ihren Mitteln versucht, sich dagegen zu stemmen und eine individuelle Perspektive für den Einzelnen zu eröffnen. Deswegen war sie immer, bis zum Schluss, unterwegs für ein lebenswertes Leben. Danke, Ursel, für alles! Zitate: Literatur: Inge Grolle, Rita Bake: „Ich habe jonglieren mit drei Bällen geübt“. Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft 1946 bis 1993. Hamburg 1995, S. 381. Mit herzlichen Grüßen, für den Vorstand
      Quellen: Inge Grolle, Rita Bake: „Ich habe jonglieren mit drei Bällen geübt“. Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft 1946 bis 1993. Hamburg 1995, S. 381. 1) Seite „Ursula Preuhs“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. November 2024, 01:20 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ursula_Preuhs&oldid=250383110 (Abgerufen: 17. November 2024, 15:23 UTC) 2) Ebenda 3) Ebenda      

Rahlstedter Friedhof

    Wiltrud Rehlen

    Diplomvolkswirtin, Politikerin

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    6. Juli 1930
    in Regensburg
    -
    8. Mai 1984
    in Hamburg
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    Grablage: War auf dem Rahlstedter Freidhof bestattet. Grabstelle wurde aufgegeben

    Wiltrud Rehlen gehörte zu den wenigen Frauen, die Anfang der 50er-Jahre - unter anderem in Harvard - studierten. Als promovierte Diplomvolkswirtin war sie von 1958 bis 1960 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands in Bonn, nach weiteren Stationen beim Bundesministerium der Finanzen und bei der Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften wurde sie Referentin im Amt für Wirtschaftspolitik der Behörde für Wirtschaft und Verkehr in Hamburg.
    1963 trat Wiltrud Rehlen in die SPD ein und kandidierte 1965 auf der Landesliste Hamburg der SPD erfolglos für den Deutschen Bundestag. 1972 wurde sie Vorsitzende der Hamburger Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF).
    Wiltrud Rehlen, fleißig, intelligent, gut ausgebildet und ehrgeizig, hatte es in der SPD schwer. Sie war eine Frau, die eher leise Töne anschlug und die es vermied, die "Waffen der Frauen" einzusetzen. Die AsF-Frauen stützten sie, aber sie war ohne Hausmacht in der Partei und "blockiert von Leuten mit Ellenbogen". [1] Das ging so weit, dass in ihrer Anwesenheit ein Landesvorstandsmitglied erklärte, er wolle ja gern eine Frau unterstützten, aber dies sei ja wohl nicht die ideale Bewerberin. [2]
    Wiltrud Rehlen erhielt einen Nachrückerplatz auf der Kandidatenliste und als Werner Staak Senator wurde, rückte sie von 1974 bis 1976 in den Bundestag nach. Sie engagierte sich weiter für Frauen, wurde (bis 1980) Vorsitzende des Hamburger Frauenrats - des überparteilichen Zusammenschlusses der Hamburger Frauenverbände und war Mitglied des Verwaltungsrats des NDR.
    Die Debatte über die Gleichstellung von Frauen hatte 1978 ihren Höhepunkt erreicht und Wiltrud Rehlen machte keinen Hehl daraus, dass ihr sehnlichster Wunsch war, die Leitung der neugegründeten Leitstelle zur Gleichstellung der Frau zu übernehmen. Allerdings wurde ihr die dynamischere Sozialdemokratin und Feministin Eva Rühmkorf vorgezogen und Wiltrud Rehlen erhielt als Kompensation die Leitung der Landeszentrale für politische Bildung. Damit war sie die erste Frau in der Leitung einer Landeszentrale. Von ihren Kollegen, den Leitern der Landeszentralen aus anderen Bundesländern, wurde sie bei den Konferenzen nicht sonderlich freundlich behandelt. "Ich bin denen nicht schön genug," vertraute sie bedrückt ihren Mitarbeiterinnen an. Dass die politische Bildung alles andere als frauenfreundlich war, kam erst Jahre später auf die Tagesordnung. [3]
    Wiltrud Rehlen heiratete erst spät, ihren langjährigen Freund und ehemaligen Vorgesetzten im Amt für Wirtschaftspolitik. Es war ihr nicht vergönnt, dieses späte Glück lange zu genießen, sie starb mit 54 Jahren an Krebs.
    Text: Helga Kutz-Bauer
    1 Die Zeit 13.8.1976: Tragen Sie BH?
    2 ebenda
    3 Kutz-Bauer, Helga, Was heißt frauenspezifisches Lernen und Handeln? Politische Bildung als Männerdiskurs und Männerdomäne. Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung das Parlament. B 25-26/1992. S. 19-31

Waldfriedhof Wohldorf/Ohlstedt

    Christa Hoffmann-Riem

    Professorin für Soziologie

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    31.8.1937
    Duisburg
    -
    19.8.1990
    Hamburg
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    Bestattet auf dem Wohldorfer Friedhof, Ohle Boomgaarden, Grablage: Xc 34

    Christa Hoffmann-Riem wurde am 31.08.1937 in Duisburg geboren, studierte an der Kölner Universität Soziologie und schloss ihre Studien bei Prof René König - einem politisch Verfolgten des NS-Regimes und nach Rückkehr aus der schweizerischen Emigration einem der namhaftesten Vertreter der Soziologie Nachkriegsdeutschlands - ab. Sie arbeitete zwei Jahre lang an dem unter Königs Leitung stehendem Kölner Institut für Selbsthilfe und Sozialforschung und promovierte 1964 mit einer Forschungsarbeit über die Kommunikation einer Gewerkschaft mittels deren Zeitschrift. Nach einem Aufenthalt als Research Follow an der California-Universität von Berkeley lehrte sie seit 1966 Soziologie an der Universität Hamburg, seit 1977 als Professorin.
    Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit waren vor allem die Familien- und Sprachsoziologie. Ihr methodischer Fokus lag auf der qualitativen Sozialforschung, besonders der Erzähl- und Biographieforschung Theoretisch orientierte sich Christa Hoffmann-Riem an dem Symbolischen Interaktionismus (eine soziologische Theorie, die sich mit der Interaktion zwischen Personen beschäftigt und auf dem Grundgedanken fußt, dass die Bedeutung von sozialen Objekten, Situationen und Beziehungen im symbolisch vermittelten Prozess der Interaktion/Kommunikation entsteht [1]) und der Phänomenologischen Soziologie (eine am genauen Beobachten und intuitiven Zusammenfügen von sozialen Tatsachen orientierte Sozialwissenschaft, die nicht von übergeordneten Theorien her ableitet oder empirisch auf Datenerhebungen und Statistiken beruht [2]). Ihre Prinzipien der qualitativen Sozialforschung Offenheit und Kommunikation fasste Christa Hoffmann-Riem 1980 in einem Aufsatz zusammen, der auch außerhalb der Soziologie starke Beachtung fand. [3]
    Ihr bekanntestes wissenschaftliches Werk ist "Das adoptierte Kind. Familienleben mit doppelter Elternschaft." aus dem Jahre 1984. Es beruht auf narrativen Interviews von 30 Adoptiv-Elternpaaren, um die Lebenswirklichkeit des adoptierten Kindes zu konstruieren - seinerzeit eine neue methodische Technik in der Soziologie In dem Nachruf ihres Soziologie-Kollegen Prof. Gerhard Kleining von der Hamburger Universität wird Christa Hoffmann-Riems Persönlichkeit und berufliches Wirken wie folgt beschrieben: "Offenheit und Gesprächsbereitschaft, ihre methodologischen Forderungen für Soziologieforschung, waren auch markante Kennzeichen ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie war frei von Dogmatismus, offen für das Wagnis wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie war gleichermaßen offen für das Gespräch mit Kollegen, die ihren Rat suchten. In besonderem Maße davon profitiert haben Studierende. Ihre Veranstaltungen, glänzend vorbereitet, waren sehr gut besucht, ihre Praktika hoch geschätzt. Als Betreuerin von Examensarbeiten und Dissertationen war sie stark gefragt. Dabei hat sie eine erhebliche Arbeitslast auf sich genommen in der behutsamen Hilfe für Studierende auf ihrem Weg zur Wissenschaft." [4]
    Ihr Bruder und ebenfalls Soziologe, Gerhard Riemann, und ihre Doktorandin und spätere Soziologie-Professorin in Hamburg, Marianne Pieper, charakterisieren einen "unprätentiösen und bescheidenen Praxisstil" und beschreiben "…ein ganz selbstverständliches Bemühen, mit denen im Gespräch zu bleiben, um die es in ihrer Forschung geht, zu ihrer Selbstverständigung beizutragen und - darüber hinaus - ihre soziologischen Einsichten gegenüber einem nichtsoziologischen Publikum zu vermitteln, um auf bestimmte Risiken oder Gefahren aufmerksam zu machen oder Handlungsspielräume auszuloten. Sie war weit davon entfernt, viel Aufhebens um diesen Praxisstil zu machen, er gehörte einfach zu ihrer Person. … Es handelt sich um ihre Antwort auf Fragen, denen sie nie ausgewichen ist - Fragen nach den forschungsethischen Grundlagen und der Praxisrelevanz des eigenen Forschungshandelns, die häufig in den Alltagsroutinen von Sozialwissenschaftlern in Vergessenheit geraten oder verdrängt werden." [5]
    Deshalb setzte sich Christa Hoffmann-Riem 1984 auch energisch gegen die Pläne des Hamburger Jugendamtes ein, die Aufbewahrungsfristen der Adoptionsakten auf drei Jahre zu verkürzen. Dadurch würde es adoptierten Kindern unmöglich gemacht, an Informationen über ihre eigene Herkunft zu gelangen In zahlreichen Eingaben an Hamburger Behörden und Politikern setzte sie sich tatkräftig und unter Ausweis ihrer nachgewiesenen Kompetenz - sie hatte gerade ihre Arbeit über das adoptierte Kind abgeschlossen - für die Erhaltung der Adoptionsakte als eines "biographisch wichtigen Dokuments der Adoptierten" ein. Gemeinsam mit Adoptiveltern, einer Interessengruppe von Adoptierten und in diesem Bereich tätigen Sozialarbeiterinnen konnte Christa Hoffman-Riem die Vernichtung der Adoptionsakten verhindern. [6]
    Schon 1984 hatte Christa Hoffmann-Riem durch einen bösartigen Tumor ein Auge verloren und darüber einen beeindruckenden autobiographischen Bericht auf Englisch verfasst.
    [7] Christa Hoffmann-Riem starb am 19.08.1990 an einer Krebserkrankung. Sie wurde mitten aus ihrem akademischen Leben gerissen - sie arbeitete an einer Studie zur lebensgeschichtlichen Erfahrungen von Arbeitsimmigrantinnen in Deutschland, an einem Projekt über Chancen und Risiken gentechnisch gestützter pränataler Diagnostik und wollte den Stellenwert der reproduktionsmedizinischen Behandlung in den Biographieverläufen der betroffenen Paare untersuchen. "Im Mai [1990] erfährt sie dann von ihrer Diagnose, es verändert sich alles. Sie kämpft gegen die Krankheit, sie nimmt ihr Sterben an. Dann kommt sehr schnell der 19. August." [8]
    Die Christa-Hoffmann-Riem-Stiftung vergibt seit 1998 den "Preis für Recht und Gesellschaft", mit welchem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgezeichnet werden, die sich durch ihr Werk insgesamt oder durch herausragende einzelne Arbeiten um die Forschung an den interdisziplinären Grenzbereichen des Rechts besonders verdient gemacht haben. Das Hans-Bredow-Institut der Universität Hamburg (heute Leibniz-Institut für Medienforschung Hans-Bredow-Institut) hat den mit 10.000 EUR dotierten Christa Hoffmann-Riem-Preis für qualitative Sozialforschung zurecht nach ihr als einer Pionierin dieser Forschungsrichtung benannt.
    Text: Ingo Böhle
    Quellen:
    1 Siehe u. a. Jakob Krüger: Symbolischer Interaktionismus nach Herbert Blumer. Grundsätze und Methoden. Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, Wintersemester 2010/2011 (https://docplayer.org/39195805-Symbolischer-interaktionismus-nach-herbert-blumer-grundsaetze-und-methoden.html).
    2 Siehe u. a. Bühl, Walter L.: Phänomenologische Soziologie Konstanz (UVK) 2002.
    3 Die Sozialforschung einer Interpretativen Soziologie - Der Datengewinn. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 32, 1980, Heft 2, S. 339-372.
    4 Gerhard Kleining: In memoriam Christa Hoffmann-Riem. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 42(4), S. 801 Losing a Significant Part of the Body (https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/4103).
    5 Marianne Pieper/Gerhard Riemann: Einleitung. In: Elementare Phänomene der Lebenssituation: Ausschnitte aus einem Jahrzehnt soziologischen Arbeitens. (Interaktion und Lebenslauf, 8). Weinheim 1994, S. 8-9.
    6 Ebenda, S. 13-15.
    7 Christa Hoffmann-Riem: Losing a Significant Part of the Body. In: Elementare Phänomene der Lebenssituation: Ausschnitte aus einem Jahrzehnt soziologischen Arbeitens. (Interaktion und Lebenslauf, 8). Weinheim 1994, S. 353-363.
    8 Ebenda, S. 8.

    Dr. med. habil. Hilt Lennartz

    geb. Oehlecker

    Privatdozentin für Virologie und Mikrobiologie

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    18.6.1918
    Hamburg
    -
    28.8.2017
    Hamburg
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    Op n Möhlnrad 9 (Wonadresse)

    Martinistraße 52 (Wirkungsstätte Virologische Abteilung des Hygienischen Instituts
    Bergstraße 14 (Wirkungsstätte Dr. Fenner Laborgemeinschaft)
    Bestattet auf Friedhof Wohldorf VI 259
    Hilt Lennartz war die Tochter des Chirurgen und Leiters des Barmbeker Krankenhauses, Prof. Dr. Franz Oehlecker und seiner Frau Helenita, geb. Storch und hatte noch vier Geschwister. Nach dem Abitur, Arbeitsdienst in der NS-Zeit und Ausbildung zur technischen Assistentin begann sie 1941 in Göttingen mit dem Medizinstudium. 1947 erfolgte das Staatsexamen und dann die Promotion. Danach arbeitete sie an verschiedenen Krankenhäusern. Ab 1952 beschäftigte sie sich am Heinrich-Pette-Institut mit dem Aufbau der Gewebekultur und der Diagnostik von Virusinfektionen. 1952 erhielt sie die Anerkennung zur Fachärztin für Laboratoriumsdiagnostik. Zwei Jahre zuvor (1950) hatte sie Helmut Lennartz geheiratet Das paar bekam drei Söhne.
    1962 habilitierte sich Hilt Lennartz. Im selben Jahr verstarb ihr Ehemann. "Ihre Arbeiten wurden 1962 mit dem Hans-Kleinschmidt- und 1963 mit dem Martini-Preis ausgezeichnet. Ab 1965 übernahm Hilt Lennartz den Aufbau und die Leitung der Virologischen Abteilung des Hygienischen Instituts der Freien und Hansestadt Hamburg." 1) 1970 wurde sie zur Professorin ernannt. "1981 wechselte Prof. Lennartz vom Institut für Impfwesen und Virologie in die Gemeinschaftspraxis Dres. Fenner in die Bergstraße in Hamburg, wo sie bis 1991 tätig war.
    Prof. Dr. Lennartz hat über 100 wissenschaftliche Arbeiten publiziert. Ihre akademischen und beruflichen Erfolge sind vor dem Hintergrund des Todes ihres ersten Mannes im Zweiten Weltkrieg und ihres zweiten Mannes, dem Dozenten und Oberarzt Dr. Helmut Lennartz, im Jahre 1962 zu beurteilen. Ab 1962 war sie neben ihren beruflichen Verpflichtungen alleinerziehend für ihre drei Söhne verantwortlich."
    1) Quelle:
    1) Nachruf von Prof. Dr. agr. Bernd Lennartz, Rostock und Dr. Eva Otzipka, Laborgemeinschaft Dr. Fenner und Kollegen, in: Hamburger Ärzteblatt Nov. 2017, Jg. 71, S. 6.)

    Heidi Oetinger

    Verlegerin, Mitbegründerin des Verlages Friedrich Oetinger

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    19.11.1908
    Dalkendorf
    -
    5.10.2009
    Hamburg
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    Grablage: Vom Eingang aus gesehen am rechten Hauptweg. Im rötlichen hohen Granitstein befindet sich das Verlagssignet, zwei Kinder auf dem Rücken eines Vogels, in Gold eingraviert.

    Ohne ihr Engament hätte das Buch "Pippi Langstrumpf" in Deutschland nicht solch großen Erfolg gehabt. Gemeinsam mit Friedrich Oetinger baute sie den Hamburger Verlag auf und entwickelte ihn zu einem bedeutenden Kinder- und Jugendbuchverlag.
    Aufgewachsen in Hamburg war sie zuerst Anwaltsgehilfin in einer Seerechtskanzlei.
    1948 wechselte sie als Sekretärin in den Verlag Friedrich Oetinger. 1952 heiratete sie in zweiter Ehe den Verleger Friedrich Oetinger. Ihr erster Mann war im Zweiten Weltkrieg als Soldat getötet worden.
    Nachdem sich Friedrich Oetingerer in den 60-er Jahren aus dem Verlagsgeschäft zurückgezogen hatte, übernahm sie die Verlagsleitung bis Mitte der 1980-er Jahre.
    Heidi Oeti8nger erhielt vom Hamburger Senat die Senator-Biermann-Ratjen-Medaille verliehen und wurde 1988 vom schwedischen König zum Ritter erster Klasse des Königlich Schwedischen Nordsternordens ernannt. Außerdem erhielt sie 2009 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.
    Text: Rita Bake

Friedhof Volksdorf

    Elsa Haensgen-Dingkuhn

    geb. Haensgen

    freischaffende Malerin der Neuen Sachlichkeit

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    7.11.1898
    Flensburg
    -
    7.5.1991
    Hamburg
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    Grablage: Auf Bitten der Familie soll die genaue Grablage nicht veröffentlicht werden, deshalb auch kein Photo von der Grabstelle

    Elsa Haensgen entstammte einer reichen Familie; ihr Vater war ein Flensburger Werftdirektor. "Typisch für eine höhere Tochter ihrer Zeit besuchte sie zunächst ein Mädchen-Lyzeum und dann eine Hauswirtschaftliche Berufsfachschule. Nach Ende des Ersten Welkrieges, begann sie von 1917 bis 1918 (…) an der Kunstgewerblichen Fachschule Flensburg Kunst zu studieren. Von 1919 bis 1922 studierte sie an der Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld, (…). Sie gehörte zur ersten Klasse von Frauen, die in der Kunsthochschule als Kunststudentinnen zugelassen wurden."
    1) "Nach anfänglichem Interesse für soziale Themen, wie dem Leben der Kinder in der Großstadt, wandte sie sich am Ende der Zwanzigerjahre unter dem Einfluss von George Grosz und Otto Dix der Neuen Sachlichkeit zu. Ihre Bilder zeigen das Nachtleben im Hamburger Vergnügungsviertel St. Pauli, das sie aus eigener Anschauung hautnah schilderte. Daneben malte sie Kinder, Kleinbürgerfamilien und Liebespaare. Mit ihren Selbstporträts machte sie in Hamburg und Berlin auf großen Ausstellungen Furore. Bekannt wurde sie in Hamburg und Schleswig-Holstein für ihre Kinderbilder, Bilder vom Laternelaufen, von Jahrmärkten und von der Kindergilde in Angeln."
    2) "1922 heiratete sie den Maler und späteren Kunsterzieher Fritz A. Dingkuhn und arbeitete ab 1923 als freischaffende Malerin in Hamburg. Das Paar lebte eine emanzipierte Ehe. So führte sie neben dem Ehenamen ihren Geburtsnamen in einem Doppelnamen weiter. Der Ehemann unterstützte die Ambitionen seiner Ehefrau und stellte seine künstlerische Karriere hinter die seiner Frau. So konnte sie an zahlreichen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen, u. a. an der Hamburgischen Sezession teilnehmen und ihren Erfolg ausbauen. So erwarb z. B. Gustav Pauli, Direktor der Hamburger Kunsthalle Arbeiten der Künstlerin.
    1926 wurde der Sohn Jochen, 1932 die Tochter Wiebke geboren. Die Kinder - überhaupt die Auseinandersetzung mit der Mutterschaft und Frauendasein in dieser Zeit - wurden ab da zeit ihres Lebens Mittelpunkt und Hauptthema ihrer Bilder und Zeichnungen. Wie das Paar zu der Politik und der Ideologie der Nationalsozialisten stand, bleibt unklar. Beide verwandten unpolitische Themen in ihren Bildern - ob sie sich zu dieser künstlerischen ‚Nicht-Positionierung' entschieden, um sich nicht wie andere Künstler in Lebensgefahr zu bringen, ist nicht bekannt. 1933 trat Elsa Haensgen-Dingkuhn der Hamburgischen Künstlerschaft bei, im selben Jahr in welchem aber jüdische Künstler (…) ausgeschlossen wurden. (…)
    1935 zog die Familie in eine Wohnung in die Gartenstadt-Siedlung Hamburg-Farmsen-Berne, wo sie bis zu ihrem Tode ihren Lebensmittelpunkt behalten sollten. (…)
    Von 1936 bis 1939 hielt sich Haensgen-Dingkuhn regelmäßig in Ostpreußen und Angeln zu Studienzwecken auf, viele Bilder mit Landschafts- und Küstenthemen entstanden. Nach Kriegsbeginn wurde Fritz Dingkuhn im Rahmen der Kinderlandverschickung nach Niederbayern geschickt und so zog die Familie von 1940 bis 1941 nach Vilsbiburg, wo Fritz A. Dingkuhn an der dorthin verlegten Schule Kunsterziehung unterrichtete. (…)
    Kurz nach Kriegsende wurde Fritz A. Dingkuhn wieder nach Hamburg an die Volks- und Realschule Hamburg-Sasel versetzt, so dass die Familie wieder in ihre Heimat zurückkehren konnte. (…) 1959 starb nach langer Krankheit die kleine Enkeltochter, das Kind der Tochter Wiebke, 1964 die Tochter selbst im Kindbett mit dem zweiten Kind.
    Von diesen Schicksalsschlägen erholte sich das Paar nie wieder vollständig. Der Sohn, inzwischen wie der Vater auch Kunstlehrer geworden, arbeitete zu der Zeit für die Entwicklungshilfe in Äthiopen. Das Ehepaar besuchte ihn von 1963 bis 1965, um sich abzulenken. Die Eindrücke der exotischen Umgebung verarbeiteten beide in neuen Werken.
    1979 starb ihr Mann Fritz im Alter von 85 Jahren an den Folgen eines leichten Schlaganfalls. 1981 fand eine Retrospektive der Werke von Elsa Haensgen-Dingkuhn im damaligen Kunsthaus Hamburg statt. 1991 verstarb die Künstlerin in der langjährigen Wohnung im Alter von 92 Jahren."
    3) Quellen:
    1) Wikipedia: Elsa Haensgen-Dingkuhn, aberufen am 24.12.2017.
    2) Text zur Ausstellung: "Sachlich bleiben! Elsa Haensgen-Dingkuhn, Ausstellung ihrer Bilder vom 9.02.2017 - 01.05.2017 i Museumsberg Flensburg, unter: ttps://www.museumsberg-flensburg.de/de/ausstellungen/details/sachlich-bleiben-elsa-haensgen-dingkuhn.html
    3) Wikipedia, a. a. O.
    Zur Vita von Elsa Haensgen-Dingkuhn, siehe: Gisela Jaacks, in: Hamburgische Biografie. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke. Bd. 1. Hamburg 2001, S. 118.

    Marie-Louise Henry

    Evangelische Theologin, erste Frau in Deutschland, die 1956 auf einen Lehrstuhl für Altes Testament berufen wurde

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    15.6.1911
    Brüssel
    -
    29.6.2006
    Hamburg
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    Grablage: Cg 23-24

    Marie-Louise Henry war die älteste Tochter von Marie Auguste, geb. Platz, einer Deutschen und dem französischen Ingenieur Adolphe Henry. Drei Jahre nach ihrer Geburt wurde ihre Schwester Marguerite Constance geboren.
    Im Ersten Weltkrieg zog die Mutter mit ihren beiden Töchtern nach Linz/Rheinland, der Vater starb 1915 als Soldat.
    Ihre Schulzeit verbrachte Marie-Louise in Wismar. 1932 begann sie an der Rostocker Universität ein Theologiestudium. Sie schloss das Studium 1936 ab. "Von 1936 bis 1941 folgte ein Vikariat in Berlin-Spandau. Ein weiteres Studium an der Rostocker Universität in den Fächern Geschichte, Germanistik und Italienisch begann Henry im 1. Trimester 1941, beendete es jedoch im März 1942 wieder aufgrund von Berufstätigkeit."
    1) "Die junge Absolventin wurde 1942-1945 nach Hamburg gerufen und arbeitete wissenschaftlich in der Luther-Gesellschaft."
    2) Während der NS-Zeit engagierte sich Marie-Louise Henry für die Bekennende Kirche. 1948 promovierte sie zum Doktor der Theologie, 1952 habilitierte sie sich. Von 1953 bis 1959 lehrte sie als Dozentin an der Theologischen Fakultät der Rostocker Universität.
    "1959 wurde sie als erste Frau in Deutschland Professorin für Altes Testament an der theologischen Fakultät der Universität Leipzig. In jener Funktion engagierte sie sich 1960 bei der Verhinderung der Sprengung der Marienkirche in Wismar, wobei sich ein unfruchtbarer Schriftwechsel mit der Obrigkeit der DDR entspann."
    1) "Die kleine, zierliche Theologie-Professorin in Leipzig machte sich bei den DDR-Behörden durch unerschrockene Meinungsäußerung verdächtig und unbeliebt. So rieten 1961 Mitarbeiter der belgischen Botschaft ihr als Inhaberin zweier Staatsbürgerschaften, einer Verhaftung zuvorzukommen. An der Leipziger Theologischen Fakultät blieb bis heute, wie erzählt wird, ihre Tabakspfeife zurück. Sie selbst fand Aufnahme als Gastdozentin in Wien."
    2) Nach dem Tod ihrer Mutter verließ sie mit ihrer Schwester am 21. November 1961 die DDR und "kam zunächst in Ahrensburg (…) bei Verwandten unter. 1963 habilitierte sie sich erneut an der, [diesmal an der] Universität Hamburg und wurde dort 1973 ordentliche Professorin für Altes Testament. In dieser Zeit baute sie zahlreiche Verbindungen zu jüdischen Einrichtungen auf. 1976 wurde sie emeritiert, setzte aber ihre Lehrtätigkeit 1986 im Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg, wegen zu geringer Dozentenzahl fort."
    1) Über ihr wissenschaftliches Wirken schrieb 2006 Dr.-Ing. Karl-Heinz Kutz von der Presse- und Kommunikationsstelle der Universität Rostock in seinem Artikel " Eine Maßstäbe setzende Theologin aus Rostock: Marie-Louise Henry": "Kreativität und hohe analytische Intelligenz bewies Marie-Louise Henry auf ihrem wissenschaftlichen Gebiet. Ihr Gespür für wichtige Themen, lange bevor sie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit traten, war bemerkenswert. Ihr Buch über Tiere im religiösen Bewusstsein des Menschen erschien lange, bevor es eine ‚grün-ökologische Bewegung' gab. Andererseits ermöglichte es ihr eine umfassende Bildung, begründete Auffassungen auch gegenüber Modetrends in glasklare und einfache Worte zu kleiden. Dabei war ihre Kritik nie verletzend oder herabwürdigend, sondern - bei sachlichem Ernst - eher liebenswürdig und konstruktiv. Als Professorin erlebte sie in Hamburg die 68er Studentenbewegung, ‚unter den Talaren den Muff von 1000 Jahren'. Bei differenzierender Beurteilung und Würdigung der Anliegen der Studenten, aber auch Kritik der anarchischen Auswüchse griff sie das gesellschaftskritische Anliegen konstruktiv durch eine Studie zum Problem ‚Glaube und Gesellschaft' auf.
    In einem Buch stellte sie sich 1990 der Frage nach Verletzungen derer, die z.B. in Konzentrationslagern litten, der Frage ‚Gott im Leiden? Gott in Auschwitz?' und der Frage nach Sinn und Wirkung von Gebet im Umfeld des Unmenschlichen. In ihrem 81. Lebensjahr veröffentlichte sie ‚Alttestamentliche Überlegungen zum Problem der Feministischen Theologie'. Die in der Bibel dargestellte menschliche Gemeinschaft beruhe zwar - wie jede menschliche Gesellschaft - auf Auseinandersetzungen. Aber der in der Bibel bezeugte Wille Gottes schließe eine Unterdrückung des Menschen, natürlich auch der Frau, kategorisch aus. Nur so könne eine demokratische Rechtsgemeinschaft wachsen und gedeihen."
    2) Text: Rita Bake
    Quelle:
    4) wikipedia: Marie-Louise Henry, abgerufen: 15.11.2017
    5) https://idw-online.de/de/news168739

    Erika Krauß

    Deutschlands dienstälteste aktive Pressefotografin mit Meisterbrief; 63 Jahre freie Fotoreporterin für die "Hamburger Morgenpost" Namensgeberin für Erika-Krauß-Twiete, benannt 2016 in Altona-Nord

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    6.2.1917
    Karski/Polen
    -
    26.6.2013
    Hamburg
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    Grablage: Fd 128-129

    "Die Grande Dame der MOPO ist tot", titelte die Hamburger Morgenpost am 27. Juni 2013.
    Auf ihrem Titelaufmacher trug die MOPO Trauer. "Unsere legendäre Fotografin Erika Krauß (96) ist tot. Vor ihr verneigen sich in Hamburg die Stars - und 13 Bürgermeister". (1) Doch im Leben wie danach schien die zierliche, willensstarke Ikone ihre letzten Geheimnisse zu wahren. Ob sie nun im Alter von 95 oder 96 Jahren im Bundeswehr Krankenhaus "friedlich eingeschlafen" sei, darüber waren sich selbst die großen Tageszeitungen nicht recht einig. Das Magazin Der Spiegel, Hamburger Morgenpost und Bild ließen ihr 96 Jahre, Abendblatt und Die Welt billigten ihr 95 Erdenjahre zu. "Mit ihrem Alter hatte Erika Krauß kein Problem, das genaue Geburtsdatum behielt sie aber trotzdem gern für sich. Gewiss nicht aus Eitelkeit, wohl aber aus jenem Eigensinn, der typisch war für Deutschlands dienstälteste Fotografin. ‚Geboren wurde ich am Ende der Ersten Weltkriegs', beantwortete sie hartnäckige Nachfragen. Das musste reichen", schrieb Matthias Gretzschel in Hamburger Abendblatt. "Die körperlich kleine Frau wirkte wie eine zerbrechliche Person, war aber resolut und voller Energie, eine Persönlichkeit mit enormer Präsenz". (2). Viele Jahrzehnte lang hat Erika Krauß Politiker, Künstlerinnen und Künstler, Prominente, Manager und Monarchen fotografiert, Marlene Dietrich und Romy Schneider, Präsidenten wie Clinton und Gorbatschow ebenso wie Yassir Arafat. So begleitete sie die junge Queen Elizabeth II; später folgten Prinz Charles und Lady Diana. "Selbst hochbetagt hat Erika Krauß noch tagesaktuell gearbeitet, und zwar in ihrem Revier, dem Rathaus" (3).
    Dabei stammte das "Hamburger Original" gar nicht aus der Hansestadt. Geboren wurde sie in Karski, einer zwischen Breslau und Lodz gelegenen Ortschaft. "Erika meisterte ein Leben, das wahrlich nicht durchschnittlich war. Hinein in den Ersten Weltkrieg wird sie 1917 im polnischen Karski geboren - als Tochter eines Reichsbahnbeamten. Sie wächst in Berlin auf und besucht die Höhere Handelsschule" (3). Mit Mitte Zwanzig absolvierte sie zwischen 1940 und 1942 die private Kunst- und Kunstgewerbeschule in Berlin-Schöneberg (4). 1928 erweiterte sich das Lehrangebot dieser Schule um eine Filmabteilung. In den neuen Räumen wurde zusätzlich ein Fotostudio für den Unterricht und die Produktion eingerichtet. In einer Werkstatt widmete man sich dem Trickfilm. Die Ausbildung umfasste sämtliche Berufsfächer des Tonfilms auf technischer und künstlerischer Basis (wikipedia.org/wiki/Schule_Reimann). "Ich habe meinen Eltern gesagt: Ich will filmen, will mit etwas arbeiten, das sich bewegt'." (3) So absolvierte sie ihre Ausbildung mit einem Abschluss als "Kameramann", darauf legte sie besonderen Wert (5).
    Im Anschluss war sie tätig als "Kamerafrau, Cutterin und Regisseurin - zu einer Zeit, in der es Frauen in diesem Beruf noch gar nicht gibt" (3). Ab 1941 war sie Filmkameraassistentin des Chefkameramanns Ansor von Brasy bei der Tobis Film GmbH in Berlin und der Ufa (Dokumentarfilme u.a. Weben und Wirken, Kinder reisen von 1941; Dämmerung im Teufelsmoor, Dorfrichter von Gössl von 1944). Von 1942-44 arbeitete sie im Tobis Star Foto Atelier in Berlin. "Sie erzählte oft, dass sie sich mal mit dem NS-Propagandaminister angelegt habe. Und wann immer ihr später einer dumm kam, sagte sie: ‚Ich habe den Goebbels überlebt. Dann überlebe ich das hier auch.'"(3)
    Zeitweise soll Erika Krauß in Österreich und in der Künstlerkolonie Worpswede gelebt haben (2).
    Im niedersächsischen Verden an der Aller erhielt sie ein Jahr nach Kriegsende den Lehrbrief für das Fotografenhandwerk und legte 1948 in Celle die Meisterprüfung ab. Damit war der künstlerisch-solide Grundstein für eine Karriere als Pressefotografin gelegt. Zunächst fotografierte sie bis 1950 für den "Düsseldorfer Mittag". Seitdem war Erika Krauß als freie Pressefotografin von den ersten Stunden der Zeitung für die "Hamburger Morgenpost" unterwegs. "Nach dem Krieg verschlägt es sie nach Hamburg. Der deutsche Film liegt am Boden. Sie braucht einen neuen Job. Wieder sucht sie sich eine Männerdomäne. Sie wird Fotografin. Im Pressehaus am Speersort stellt sie sich der Reihe nach in sämtlichen Redaktionen vor. Bei Henri Nannen vom ‚Stern', bei Rudolf Augstein vom ‚Spiegel', bei Gerd Bucerius von der ‚Zeit'. Alle sagen: Mit Frauen arbeiten wir nicht! Nur Heinrich Braune, dessen ‚MOPO' damals im ersten Stock residierte, gibt ihr eine Chance. Das war 1950" (3).
    Zu ihrem Privatleben ist nicht viel bekannt: "Erika Krauß bringt sechs Kinder zur Welt, von denen zwei sterben. Sie zieht die Rasselbande allein groß. Sie ist zweimal verheiratet. Der erste Mann stirbt, vom zweiten trennt sie sich" (3, Seite 25).
    "Niemand, der Erika nicht schätzte. Je älter sie wurde, desto unverwechselbarer. Ihre ‚Marke' - immer in Schwarz, langer Rock, breiter Gürtel, nie ohne Hut, so sah man die Fotografin auch an beim großen Empfang im Hamburger Rathaus 2007 zu Ehren des 90. Geburtstags der ‚Rathauskönigin'" (6). Allein 13 Bürgermeister hat "die Legende der Hamburger Presselandschaft" (Henning Voscherau) erlebt und fotografiert. Der erste war Max Brauer; besonders verbunden fühlte sie sich auch mit Helmuth und Loki Schmidt. Es gab kaum Prominente, die sie nicht abgelichtet hätte, und alle kannten und liebten sie in ihrer individuellen Erscheinung. Eine Veranstaltung im Rathaus ohne sie habe praktisch nicht stattgefunden, so erinnerte sich die Fotografin Margit Tabel-Gerster in ihrem 1994 veröffentlichten Porträtband "Hamburger Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Alltag" an ihre große alte Kollegin, die Fotopionierin Erika Kraus (5).
    "Erika Krauß wollte (und musste vielleicht auch) weitermachen, bis ihr die Kamera aus der Hand fiel", schrieb Henning Voscherau (Hamburger Bürgermeister 1988-1997) in seinem Nachruf. "Kein Außenstehender wird ermessen können, wie viel Kraft es sie gekostet hat, mit 80 Jahren und schließlich sogar mit über 90 Jahren einfach weiterzuarbeiten. So blieb sie und fotografierte, wie die anderen kamen und gingen (2).
    "Selten hat eine Journalistin auf so hohem Niveau und über eine so lange Zeit eine Stadt und ihre Politik begleitet und abgebildet und sich dabei eine so hohe menschliche Anerkennung erworben, resümierte die DJV-Vorsitzende Marina Friedt: Rund fünf Jahrzehnte war Krauss Mitglied im Deutschen Journalistenverband. Aus Anlass der 100. Wiederkehr ihres Geburtstages organisierte Marina Friedt, in Zusammenarbeit mit der Familie und der Geschichtswerkstatt St. Georg, am 6. Februar 2017: "Erika Krauß - eine Werkschau der besonderen ART", im Vor-Ort-Büro am Hansaplatz, Zimmerpforte 8, 20099 Hamburg (die Finissage war am 11. März 2017). Diese letzte Ehre für eine Ausnahme-Persönlichkeit wurde ihr erwiesen in unmittelbarer Nähe zu ihrer einstigen Privatwohnung. Mit dabei waren langjährige Weggefährten wie Jürgen Heuer (1968-2018, langjähriger Vorsitzender der Hamburger Landespressekonferenz), Altbürgermeister Hans-Ulrich Klose und seine Gattin. Eine der Festreden hielt Dr. Sabine Sommerkamp-Homann. Wir geben sie im Wortlaut wieder:"Gedanken und Erinnerungen an unsere geliebte Erika. In der Jugend ist man glücklich,
    weil man die Fähigkeit hat,
    das Schöne zu sehen.
    Wer diese Fähigkeit bewahrt,
    wird niemals alt.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Familie Krauß, meinem Glückwunsch an Erika Krauß zu ihrem 90. Geburtstag stellte ich dieses Zitat von Franz Kafka voran. - Erika hat sich diese Fähigkeit bis ins hohe Alter bewahrt, sie ist im Geiste immer jung geblieben, wie ich im Laufe unserer fast vier Jahrzehnte währenden Freundschaft immer wieder bewundernd feststellen konnte.
    Was uns verband, war zunächst ein literarisches Interesse. Erika interessierte sich u. a. für meine Haiku-Dichtung, besuchte Lesungen und organisierte dann später selber Lesungen, z. B. mit dem Stormarner Schriftstellerkreis im " Rosengarten", wo ich aus meinem Haiku-Märchen "Die Sonnensuche" las. Fasziniert war Erika von dieser japanischen Form von Kürzest-Lyrik zum einen wegen ihres Japan-Interesses - sie selbst reiste nach Japan, um dort ihre Tochter Christin zu besuchen, die sich beruflich mehrere Jahre dort aufhielt -, zum anderen, weil das kurze Bild-Gedicht des Haiku einer gedanklichen Momentaufnahme gleicht, einem tiefgründigen Foto-Moment. - Die Fotografin Erika als literarische Freundin.
    Erika war reich an Erfahrungen und Lebensweisheit, nicht zuletzt aufgrund ihres oft beschwerlichen, entbehrungsreichen Lebensweges. Als Freundin, die mir auch dadurch eine wertvolle Ratgeberin wurde, erlebte ich sie beruflich und familiär. Mitte der 80er Jahre hatte ich es in meiner damaligen Position als Stellvertretende Konzernsprecherin der Beiersdorf AG nicht immer leicht, mich als junge Frau in einer "Männer-Domäne" zu behaupten. Erika besuchte mich mehrmals in meinem Büro in der Unnastraße und ermutigte mich; es sei klar, dass ich als Frau mehr leisten müsse, um die Anerkennung der "Männer-Welt" zu erlangen, die gutes Aussehen nicht unbedingt mit Tüchtigkeit und Intelligenz gleichsetze. - Ihr Rat tat gut, wie später dann auch familiär. Es ergab sich, dass Erika, die meinen Vater schätzte, gleichsam meinen Mann und meine Mutter verehrte, mich auch zu Hause besuchte; anfangs ab und zu, dann immer häufiger, gern Gast unserer Familienfeiern und Veranstaltungen war, denn, wie sie sagte, sie fühlte sich bei uns zu Hause. Hier könne sie sich ausruhen.
    Das bedeutete aber nicht, dass sie ihre Kamera aus der Hand legte. Auf Veranstaltungen war sie nicht davon abzubringen, zu fotografieren, von Anfang bis Ende. Großzügig überließ sie mir ihre Fotos samt Negativen, Aufnahmen teils von bekannten Persönlichkeiten und Künstlern. Ihr Geschenk.
    Und sie beschenkte uns überreichlich. Jedes Mal, wenn sie zu uns kam, die kleine, zarte Frau in Schwarz mit Hut, die lange Auffahrt zum Haus, bepackt und im Laufe der letzten Jahre immer etwas gebeugter, auch unter der Last der Kameras um ihren Hals. Sie ließ es sich nicht nehmen, trotz ‚Verbots', jedes Mal Blumen mitzubringen, zwei wunderschöne Rosen für meine Mutter, zwei für mich und immer eine kleine Pflanze für unseren Sohn Alexander, den sie seit seiner Geburt 1990 wie eine gute Fee und Ratgeberin begleitete. Kein Kindergeburtstag verging ohne sie, kein ‚Jugend forscht'-Wettbewerb, ohne dass auch sie den Stand von Alexander besuchte und fotografierte. Und die ihm bei einem ihrer letzten Besuche wie ein Geheimnis ein kommendes Weltproblem nahelegte: ‚Alexander, Du hast mit 13 Jahren das erste Brennstoffzellen betriebene Modellboot der Welt gebaut, Du hast auch das Zeug, das große Problem, das die Zukunft bringt - Wasserknappheit - zu lösen. Du musst eine Tablette erfinden, die Wasser erzeugt. Geh` in die Forschung.'
    Erika wirkte inspirierend auch auf die Jugend in unserem Hause. Junge Menschen versammelten sich bei Geburtstagen um den Sessel, auf dem sie gerne saß, gegenüber vom Kamin, und hörten ihr zu. Sie spürten, dass diese ungewöhnliche Frau Wesentliches zu sagen hatte. - Ratgeberin.
    Erika kam bis auf die letzte Zeit mit ihrem Golf zu uns, den sie aber immer vor dem Eingangstor parkte. Wenn ich sie hinaus begleitete, sah ich jedes Mal, wie beladen ihr Wagen war, vollgepackt, und es berührte mich, einmal zu sehen, dass obenauf, auf der Rückbank, die Bibel lag. -‚ In Glaubensfragen war sie nicht sehr gesprächig, wir diskutierten über das eine oder andere Thema, wortlos schenkte sie mir einen Schutzengel. Wir stellten fest, dass wir beide täglich in den Losungen der Herrnhuter Brüdergemeinde lasen. Erika war tief religiös, sie sprach nicht, sie handelte danach. - Vielleicht schöpfte sie aus ihrem Glauben einen Teil der enormen Kraft, der Unbeirrbarkeit und ihres Willens, der ihr eigen war. Vieles mehr ließe sich aus persönlichen Erinnerungen über Erika sagen, von ihrem lebhaften Interesse an den Themen der Familie: Lettland, Reisen, meine Malerei und Musik, besonders für gemeinsame Studioaufnahmen mit Alexander, seinem Klavierspiel; auch von Gesprächen und Besuchen bei ihrer Tochter Christin und Enkelin Lila-Zoe, für die sie beeindruckend sorgte. Als Lila ihr Abitur bestanden hatte, war ein wichtiges Lebenskapitel erfüllt, Erika schloss in Frieden für immer ihre klugen, wachen Augen. Erika - literarische Freundin, Ratgeberin, Freundin der Familie, große Künstlerin, einzigartiger Mensch. - Das Bild von ihrem 90. Geburtstag, als eine Schar von Fotografen-Kollegen sie auf einem Stuhl thronend wie eine Königin durch den Rathaus-Saal trug, wo Bürgermeister von Beust einen Empfang für sie gab, kennzeichnet ihre Größe und ihre Beliebtheit. - Oder auch das Bild des Dalai Lama, der, 2007, eingeladen ins Hamburger Rathaus, unprotokollarisch ausscherte, als er Erika erblickte, und sich zum Gruß vor ihr verneigte. Der weise Mann hatte ihre große Persönlichkeit intuitiv gespürt.
    Erika, wenn Du uns im Himmel hören kannst: Sei herzlich gegrüßt und umarmt zu Deinem 100. Geburtstag!
    Deine Sabine und Familie" (7).
    Erika Krauß hatte sechs Enkelkinder. (de.wikipedia.org/wiki/Erika_Krauß).
    Ausstellungen (Auszug):
    Arbeiten von ihr wurden ausgestellt im Bauzentrum Hamburg 1970, in der Galerie Latin1976 ("aktu-ell/fish-eye-ell"), im Studio Wandsbek 1982, im Kunsthaus Hamburg und auf der ART Hamburg 1991 ("Hamburger Fotografinnen"); 1996: Eine Ausstellung in der Messe Du und Deine Welt für die dienstälteste Fotografin Hamburgs, ausgerichtet von einer Reihe von Fotografen; "Erika Krauß - eine Werkschau der besonderen ART", im Vor-Ort-Büro am Hansaplatz, Zimmerpforte 8, 20099 Hamburg (die Finissage war am 11. März 2017).
    Auszeichnungen:
    1990 erhielt sie die "Goldene Filmrolle" der Internationalen Kunstmesse ART Hamburg.
    1999 Alexander-Zinn-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg
    2004 Goldene Ehrennadel des Deutschen Journalisten-Verbandes DJV
    2016 Benennung einer Straße im Neubau-Gebiet Altona Nord als " Erika-Krauß-Twiete"
    Text: Dr. Cornelia Göksu
    Anmerkungen und zitierte Quellen:
    (1) Hamburger Morgenpost v. 27. Juni 2013, S.1: Grande Dame der Fotografie ist tot.
    (2) Matthias Gretzschel in: Hamburger Abendblatt v. 27.6.2013, Seite 16
    (3) Hamburger Morgenpost v. 27. Juni 2013, S.24-25
    (4) Margit Tabel-Gerster: Hamburger Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Alltag. Photographien von Margit Tabel-Gerster. Gedanken der Portraitierten zur Stadt. Biographische Notizen. Hamburg 1994, S. 263, eigener Text von Erika Krauß auf S. 202, Fotoporträt auf S. 203.
    (5) Marina Friedt: Erika Krauß - die Fotografin der Herzen. In: DJV NORDSPITZE. Das Magazin der Norddeutschen Landesverbände. 2. Jg., April 2017, S.6
    (6) Dienstälteste Bildjournalistin. Pressefotografin Erika Krauß ist tot. In: Der Spiegel v. 26.6.2013, online unter spiegel.de/kultur/gesellschaft/hamburger-pressefotografin-erika-krauss-mit-96-gestorben-a-908055.html
    (7) Text von Dr. Sabine Sommerkamp-Homann mit freundlicher Abdruck-Erlaubnis für diese Biografie in E-Mail vom 29. Mai 2017 an die Autorin CG. Weitere Quelle:
    - Sonderteil in der Hamburger Morgenpost v. 4.2.2017 von Olaf Wunder: Grande Dame der MOPO. Erika Krauss wäre heute 100 Jahre alt geworden. Online unter mopo.de/hamburg/grande-dame-der-mopo-erika-krauss-waere-heute-100-jahre-alt-geworden-25676834

    Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Els Oksaar

    geb. Järv

    Estnisch-schwedisch-deutsche Linguistin; Professorin für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft

    Ornament Image
    1.10.1926
    Pärnu/heute Estland,
    ehemals Pernau/Livland
    -
    9.12. 2015
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage: Af 75

    Els Oksaars sprachwissenschaftliche (linguistische) Forschung war stark vom eigenen Lebensweg geprägt. Als Kind estnischer Eltern wuchs sie in Schweden auf, begann aber ihre wissenschaftliche Karriere in Deutschland. An der Universität Stockholm studierte sie Germanistik, Anglistik und Slavistik; an der Universität Bonn ergänzte sie ihre wissenschaftliche Ausbildung durch die Fächer Allgemeine Sprachwissenschaft, Phonetik und Kommunikationswissenschaft. 1953 promovierte sie in Bonn, ihre Habilitation erfolgte 1958 in Stockholm. Dort war sie auch zunächst als Privatdozentin und außerordentliche Professorin für Deutsche Sprache und Literatur sowie als Leiterin der Abteilung für Sprachsoziologie und Politische Linguistik tätig, bevor sie 1967 nach Hamburg kam.
    An der Universität Hamburg wurde sie Professorin für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft. Sie begründete und leitete die Forschungsstelle für Sprachkontakte und Mehrsprachigkeit und wurde deren erste Direktorin. Später gründete und leitete sie das "Zentrum für Interkulturelle Kommunikation". "1992 entschied der Hamburger Senat, den Lehrstuhl von Els Oksaar nach ihrer Emeritierung nicht mehr neu zu besetzen, um die Mittel der Technischen Universität Hamburg-Harburg zukommen zu lassen" (zit. Wiki-Artikel Els Oksaar).
    Els Oksaar war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Institutionen des In- und Auslandes. Die Universitäten Helsinki (1986), Linköping (1987) und Tartu/Estland (1996) haben ihr Ehrendoktorwürden verliehen.
    Els Oksaar kam schon früh mit vielen Sprachen und Kulturen in Kontakt. Wissenschaftlich steht sie in der linguistischen Tradition von Roman Ossipowitsch Jakobson. Dieser russische Philologe, Linguist und Semiotiker beschäftigte sich besonders mit der Sprache von Kindern und in ihrer verbalen Ausdrucksweise eingeschränkten Menschen, den sogenannten Aphasikern.
    Prof. Dr. Els Oksaar kennzeichnete ihre Arbeit als Pädolinguistik, die Untersuchung des Spracherwerbs bei Kindern, und zwar dort vor allem der kindlichen Mehrsprachigkeit. Ihr Hauptwerk stützt sich im Wesentlichen auf die Beobachtung der Sprachentwicklung ihres eigenen Sohnes (dort kommt er als ein "Hamburger Kind im Alter von drei Jahren" vor), den sie mit gleichzeitig fünf Muttersprachen (Estnisch, Schwedisch, Deutsch, Englisch und Französisch) großzog. Ihr Sohn ist heute Anwalt in Hamburg.
    Außerdem etablierte Oksaar die "Kulturem"-Theorie, die besagt, dass ähnlich wie verschiedene Sprachen den gleichen Gedanken auf verschiedene Weise ausdrücken, auch verschiedene Kulturen gleiche Kommunikationsformen auf verschiedene Weise zum Ausdruck bringen, und zwar als Kultureme (dieser Begriff wurde 1976 geprägt durch den spanischen Linguisten Fernando Poyatos. Gemeint sind z. B. die je nach Kultur unterschiedlichen Begrüßungsformen wie Händeschütteln oder Verbeugung).
    Veröffentlichte Schriften von Els Oksaar sind beispielsweise:
    - Els Oksaar: Spracherwerb - Sprachkontakt - Sprachkonflikt. Berlin 1984
    - Els Oksaar: Kulturemtheorie. Ein Beitrag zur Sprachverwendungsforschung. Göttingen 1988. (= Berichte aus den Sitzungen der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V. Hamburg 6,3 (1988).
    - Els Oksaar: Zweitspracherwerb. Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2003.
    In ihrer Rezension würdigte die Kölner Professorin Cristina Allemann-Ghionda die Bedeutung dieses Grundlagenwerks: "Das vorliegende Buch präsentiert sich als Einführung in eine Thematik, die in Zeiten der Migration, der Mobilität und der europäischen Integration in den Bildungsinstitutionen möglicherweise mehr Aufmerksamkeit findet als vor zwei oder drei Jahrzehnten. Laut der Autorin, einer international profilierten und vielfach ausgezeichneten Forscherin über Mehrsprachigkeit, Sprachkontakt, interkulturelle Kommunikation sowie Fragen der Psycho-, Sozio- und Pädolinguistik, ist das aktuelle und vielschichtige Thema Zweitspracherwerb bisher ‚noch keineswegs allseitig thematisiert worden' (S. 5). Um die vielfältigen Aspekte und Hintergründe annähernd adäquat darstellen zu können, sei es erforderlich, psychologische, soziokulturelle und gesellschaftliche Faktoren zu berücksichtigen. In der Tat ist das Phänomen der Mehrsprachigkeit in der heutigen Zeit mitnichten marginal, sondern es wird davon ausgegangen, dass rund 70% der Menschen zwei- oder mehrsprachig sind. Über Zweitspracherwerb und Zweisprachigkeit, insbesondere über frühkindliche Zweisprachigkeit, wird seit den 1950er-Jahren im heutigen Sinne wissenschaftlich geforscht; vorher gab es vor allem Tiraden gegen die für Charakter und Intelligenz angeblich verheerenden Auswirkungen der Zweisprachigkeit. (...) Vielleicht ist dies mit ein Grund, weshalb mehrsprachige Kinder in ihrer schulischen Laufbahn oft missverstanden, vernachlässigt und selten angemessen gefördert werden. Vorurteile beherrschen die kollektiven Repräsentationen der Zweisprachigkeit. Eine systematische Einführung, die nicht nur für SpezialistInnen im engen Sinne gedacht ist und auch für die Lehre und die Lehrerbildung fruchtbar gemacht werden kann, hat im deutschsprachigen (nicht aber im angelsächsischen) Raum gefehlt, und in dieser Situation ist das Buch von Els Oksaar als ein willkommenes Ereignis zu begrüßen" (Zitat aus: Zeitschrift für Pädagogik 50 (2004), S. 437-439; online unter
    www.pedocs.de/volltexte/2011/4898/pdf/ZfPaed_2004_3_AllemannGhionda_Rezension_ Oksaar_Zweitspracherwerb_Wege_zur_Mehrsprachigkeit_D_A.pdf; abgerufen am 16. Januar 2016)
    Diese Kurzbiografie stellte Dr. Cornelia Göksu zusammen.

    Valesca Röver

    Malerin, Leiterin einer Malschule für Damen

    Ornament Image
    6.2.1849
    Hamburg
    -
    31.3.1931
    Hamburg
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    Grablage: Grab F 1325, Urne versandt nach Kappeln an der Schlei

    Gegenüber der Kunsthalle stand an der Ecke Glockengießerwall/Ferdinandstraße das Haus mit der Hausnummer 23, in dem 1891 Valesca Röver im zweiten Stockwerk ihre Malschule für Damen eröffnete. "Wir alle lächelten über Valescas Dilettantismus und schwärmten für die jungen Eitner und Illies, (...) deren farbige helle Bilder mich entzückten" (Gretchen Wohlwill: Lebenserinnerungen einer Hamburger Malerin. Bearb. Von Hans-Dieter Loose. Hamburg 1984. Ihr Grabstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof), schrieb die Malerin Gretchen Wohlwill. Auch wenn die bei Franz Skarbina in Berlin und an der Akademie Julian in Paris ausgebildete Malerin und Kunstgewerblerin, die vor allem Fruchtstillleben und Blumenstücke malte, selbst vielleicht keine große Künstlerin war, so erwarb sie sich doch dadurch große Verdienste, dass sie 1891, als die Hamburger Gewerbeschule und die Akademie noch keine Frauen aufnahmen, eine private Malschule für Damen gründete und avantgardistische Maler wie Ernst Eitner und Arthur Illies als Lehrer an ihre Schule holte. Illies führte den Bereich des Kunstgewerbes und verschiedene Drucktechniken in den Unterricht ein und gab Korrektur beim bildhauerischen Modellieren. Vor allem aber lernten die jungen Frauen Kopf-, Akt-, Stillleben- und Wandmalerei. Um nach der Natur zu malen wechselte die Schule im September alljährlich für drei Wochen aufs Land. Unterstützung erfuhr Valesca Röver auch durch den Direktor der Kunsthalle Alfred Lichtwark, der das Unterrichtsprogramm betreute. 1904 übergab Valesca Röver die Malschule der Landschafts-, Portrait- und Stilllebenmalerin und Kunstgewerblerin Gerda Koppel und widmete sich der Tätigkeit für den Hamburger Heimatschutz-Verein.
    Text: Brita Reimers

    Maria Rowohlt

    geb. Pierenkämper, gesch. Rupp

    Schauspielerin. Ehefrau des Verlegers Ernst Rowohlt (1887-1960), Mutter des Übersetzers und Schauspielers Harry Rowohlt

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    5.6.1910
    Bochum
    -
    11.4.2005
    Bernkastel-Kues
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    Grablage: AK 110

    Maria Pierenkämper war die Tochter von
    Franz Pierenkämpfer, Redakteur des Bochumer Volksblattes und hatte noch einen Bruder namens Harry, nach dem sie später ihr eigenes Kind benannte. Ihre Mutter war, so ihr Enkel Harry Rowohlt (27.3.1945-15.6.2015): "eine italienische Zigeunerin (…). Sie war oft im Knast, abwechselnd wegen ‚politisch' und Engelmacherei. (…) Im Krieg hat sie sich gut über Wasser gehalten. (…) Sie hat, weil sie Zigeunerin war und das offenbar konnte, den Bauern die Karten gelegt und ihnen geweissagt."
    1) Über seinen Großvater Franz Pierenkämper schreibt Harry Rowohlt, er "war Sitzredakteur beim Bochumer Volksblatt, das heißt, er war verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes. Wenn im Bochumer Volksblatt irgendwas erschienen war, was der Obrigkeit nicht passte, ging er dafür in den Kahn. Sobald er im Kahn war, fing er an, Lyrik zu schreiben. (…) Fränzken Pierenkämper war 1917 einer der führenden Köpfe im Arbeiter- und Soldatenrat von Wilna, und das als Goi. (…) Später war er einer der ersten Minister der jungen Sowjetmacht. Da hat er sich aber nach einer Woche wieder abgeseilt - mit der Begründung: ‚Sind mir zu links, die Brüder'. Er hat aber später die USPD mitgegründet."
    2) Tochter Maria Pierenkämper begann nach dem Realschulabschluss eine Schauspielausbildung bei Saladin Schmitt in Bochum. Ab 1930 war sie dann bis in die 1950er Jahre als Schauspielerin tätig. So hatte sie z. B. Engagements an den Theatern "in Bochum, Gera, Essen, Berlin, Darmstadt, Wiesbaden, Frankfurt/M. und Hamburg in Rollen der heiligen Johanna, Emilia Galotti, Maria Stuart, Elektra, Medea. Im Film wirkte sie u. a. in ‚Drei wunderschöne Tage' mit."
    3) "In dritter Ehe war sie mit dem Maler Max Rupp verheiratet, als sie 1945 vom Verleger und Verlagsbuchhändler Ernst Rowohlt ihren Sohn Harry Rowohlt bekam. Erst Mitte der 1950er Jahre ließ sie sich von Rupp scheiden und heiratete 1957 den über 20 Jahre älteren Rowohlt, der bereits 1960 starb."
    4) Ihr Sohn Harry Rowohlt äußerte sich über seine Mutter und seine Geburt in seinem Buch "In Schlucken - zwei - Spechte" wie folgt: "Geboren wurde ich als Harry Rupp, weil meine Mutter damals in dritter und vorletzter Ehe mit dem Kunstmaler Max Rupp aus Idar-Oberstein verheiratet war. (…) Als sich meine Mutter scheiden ließ, hieß ich Harry Pierenkämper-Rupp (…). Heute behauptet meine Mutter, sie hätte Max Rupp nur geheiratet, um ihm zwei Wochen Heimaturlaub verpassen zu können. Während der fraglichen Zeit, als ich gezeugt wurde, war er bereits in sowjetischem Gewahrsam, vulgo Kriegsgefangenschaft, weshalb er als Vater rundherum nicht in Frage kam."
    5) Die Geburt fand im Luftschutzkeller des Hauses Hochallee 1 statt. Maria Rupp arbeitete weiter als Schauspielerin. So wuchs Harry Rowohlt in Wiesbaden auf, wo er zwischen seinem zweiten und sechsten Lebensjahr mit seiner Mutter wohnte. "Wir hatten einen wunderbaren Kindergarten. Lauter Schauspielerinnen und Künstlerinnen - also das, was man heutzutage als alleinerziehende Mütter bezeichnen würde - haben zusammengelegt und eine Kindergärtnerin bezahlt, die wir alle sehr liebten."
    6) Später erhielt Maria Rupp ein Engagement am Zürcher Schauspielhaus und Sohn Harry kam laut eigener Aussage in die Nähe Zürichs in eine "Kleinkinderbewahranstalt".
    7) Maria Rupp nahm ihren Sohn zu ihren Engagements immer mit. Dazu Harry Rowohlt: "Ich war insgesamt auf sechzehn oder achtzehn verschiedenen Schulen, weil meine Mutter von Engagement zu Engagement eilte. Und als meine Eltern geheiratet hatten, war mein Vater auf der Flucht vor dem Rowohlt Verlag. Er musste angeblich im Allgäu wohnen, wegen der Höhenluft. Alles Quatsch. Er hat sich im neuen Rowohlt Verlag in Reinbek bei Hamburg nicht zurechtgefunden. Aber er hat ohnehin nichts getan, weil der Laden inzwischen von meinem Brüderchen, Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, geschmissen wurde, der das sehr viel besser konnte."
    8) Zur Heirat von Ernst Rowohlt mit Maria Pierenkämper äußerte Harry Rowohlt: "Er war viermal verheiratet, hauptsächlich mit Schauspielerinnen. Er hatte den Ehrgeiz, sie aus ihrem Beruf zu entfernen, damit sie sich nur noch um ihn kümmerten. Wenn er das mit Straßenbahnschaffnerinnen gemacht hätte, wären die vielleicht sogar froh gewesen."
    9) Quellen
    1) Harry Rowohlt: In Schlucke - zwei -Spechte. Harry Rowohlt erzählt Ralf Sotscheck sein Leben von der Wiege bis zur Biege. Berlin 2004, S. 17ff.
    2) Harry Rowohlt, a. a. O., S. 20f.
    3) http://www.whoswho.de/bio/maria-rowohlt.html
    4) Wikipedia: Maria Rowohlt
    5) Harry Rowohlt, a. a. O., S. 16f.
    6) Harry Rowohlt, a. a. O., S. 27.
    7) Harry Rowohlt, a. a. O., S. 31.
    8) Harry Rowohlt, a. a. O., S. 33.
    9) Harry Rowohlt, a. a. O., S. 36.

    Anne-Marie Tausch

    geb. Habeck

    Psychologieprofessorin

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    7.5.1925
    Berlin
    -
    27.7.1983
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    Grablage: Dh83,84

    Über sich als Kind sagte Dr. Anne-Marie Tausch einmal: „Ich war ein überlebhaftes Kind: Wild, übermütig, ausgelassen, lebendig, aktiv, viele Streiche. Mich zu leben war, Streiche zu machen, intensiv Sport zu treiben, besonders Tennissport.'' 1)

    Auf der Seite der berufsbildenden Schulen Anne-Marie Tausch steht über den Lebensweg der Namensgeberin der Schule u. a. : „Besonders prägend für sie waren die Kriegserfahrungen (1939 - 1945). Als der Krieg ausbrach, wurde ihr Vater eingezogen, Anne-Marie war damals 14 Jahre alt. Während der Bombennächte litt sie unter Angst und Hunger. Herr Tausch schrieb über Anne: ‚Beeindruckt wurde sie durch eine jüdische Mitschülerin, Manuela, bei der sie großen Schmerz miterlebte. ''Der Vater von Anne-Marie starb 1944 in einem Luftschutzkeller in Berlin, in dem sie häufig Nachtwachen hielt. Dort erlebte sie auch, wie ihr Vater in Ruhe sterben konnte.‘“ 2)

    Nach dem Abitur absolvierte Anne-Marie Tausch eine zweijährige Ausbildung zur Lehrerin an der Pädagogischen Hochschule in Hannover. Doch dies reichte ihr nicht aus und so studierte sie anschließend Psychologie an der Universität Göttingen und schloss ihr Studium mit der Promotion ab. Danach arbeitete sie als Lehrerin an der pädagogischen Hochschule Braunschweig, ging aber wenig später an das psychologische Institut der Uni Marburg zu Reinhard Tausch (1921-2013), der ihr diese Stelle angeboten hatte. “Ein halbes Jahr nach Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit heirateten die beiden“3) 954. Das Paar hatte drei Töchter. Das erste Kind wurde ein Jahr nach der Hochzeit geboren.

    „Um weiterhin genug Zeit für Forschungen zu haben, suchten die beiden nach guten Betreuungspersonen für die Kinder, die sie auch fanden. Anne-Marie arbeitete an der Universität Marburg, an den Pädagogischen Hochschulen Weilburg/Lahn und Kettwig/Duisburg. Ab 1965 arbeitete sie in der Arbeitsgruppe ihres Mannes. Um keine Diskussion unter den Kollegen zu provozieren, arbeitete sie, ohne eine Bezahlung für ihre Arbeit zu erhalten.“ 4)

    Anne-Marie und Reinhard Tausch waren am Psychologischen Institut III der Universität Hamburg tätig; sie von 1965 bis 1975 als unbezahlte Forschungsmitarbeiterin; von 1975 bis 1983 als Honorarprofessorin.

    Gemeinsam mit ihrem Ehemann erforschte und verbreitete sie die Gesprächspsychotherapie im deutschsprachigen Raum. „Auch in der DDR stieß ihre Arbeit auf großes Interesse. Zu Kontakten kam es ab Ende der 1960er Jahre. Um die ostdeutschen Forscher Johannes Helm und Inge Frohburg zu unterstützen, wurden Tonbandaufnahmen von Psychotherapiesitzungen in die DDR geschmuggelt. Auf einem internationalen Psychologen-Kongress musste ein Film über Gruppenpsychotherapie erzwungenermaßen zweimal gezeigt werden, das zweite Mal in Leipzigs vollbesetztem größtem Kino morgens um 6 Uhr.“ 5)

    Das Ehepaar Tausch beschäftigte sich auch intensiv mit der Pädagogischen Psychologie. „Sie konnten zeigen, dass der Schulunterricht in den 1960er und 1970er Jahren stark von autokratischen Lehrerverhalten geprägt war.“ Wiki Herr Tausch. Dem Ehepaar Tausch war es wichtig und dafür setzte es sich ein, „die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen partnerschaftlich mit Wertschätzung und Empathie zu fördern. Ihr damals weit verbreitetes Buch ‚Erziehungspsychologie‘ hatte großen Einfluss auf die Schulpädagogik und die Lehrerbildung.“ 6)

    Zwischen 1976 bis 1980 waren Anne-Marie und Reinhard Tausch im dritten Fernsehprogramm des Südwest-Fernsehens vier Mal im Jahr in der Sendung „Psycho-Treff“ zu sehen. „Etwa 12 Personen und das Ehepaar Tausch als Psychotherapeuten trafen sich über ein Wochenende zu Gruppengesprächen. Gesendet wurde ein zweistündiger Zusammenschnitt des Gesprächsverlaufs mit anschließender Live-Diskussion. Die 15 Sendungen wurden mehrfach ausgestrahlt, die Publikumsresonanz war enorm.“ 7)

    1978 begann das Ehepaar Tausch mit einer Untersuchung von Gesprächen mit Krebskranken. Ein Jahr später wurde bei Anne-Marie Tausch selbst Krebs diagnostiziert. „Ich hatte einen Untersuchungsplan bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingereicht. Mein Ziel war zu klären, wie hilfreich es für Krebspatienten, Angehörige und Ärzte ist, wenn sie eine Zeitlang an einer psychologischen Gesprächsgruppe teilnehmen. Ich hatte gerade mit dieser Arbeit begonnen, als ein Arzt mir mitteilte, daß ich selbst an Krebs erkrankt sei,“ heißt es in ihrem Buch „Gespräche gegen die Angst“. Und weiter äußerte sie: „Es hat mich bereichert, dass sich die Angst vor der Krankheit zuließ und sie sich dann umwandelte in Gelassenheit.“

    Noch in ihrem Todesjahr verfasste sie mit ihrem Ehemann das Buch „Wege zu uns“, in dem auch viele persönlichen Erfahrungen wiedergegeben werden. Das Buch „zeigt die Möglichkeit eines personenzentrierten Lebensstils im Alltag. 1985 erschien ‚Sanftes Sterben‘, dass die Erfahrungen [der] Familie mit dem Sterben“ 8) Anne-Marie Tauschs beschreibt.

    Anne-Marie Tausch starb mit 58 Jahren an Krebs. Nach ihr wurde die Berufsschule für Pflegberufe, Sozialpädagogik in Wolfsburg benannt.

    Quellen:

    1. zit. nach: https://www.bbs-anne-marie-tausch.de/biografie-tausch
    2. ebenda.
    3. Ebenda.
    4. Ebenda.
    5. Seite „Anne-Marie Tausch“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. Juni 2024, 21:20 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Anne-Marie_Tausch&oldid=245973385 (Abgerufen: 10. Dezember 2024, 11:43 UTC)
    6. Seite „Reinhard Tausch“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. März 2022, 23:12 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Reinhard_Tausch&oldid=221438278 (Abgerufen: 10. Dezember 2024, 11:43 UTC)
    7. Ebenda.
    8. Ebenda.

    Vera Hatz

    geb. Jammer

    Numismatikerin

    Ornament Image
    15.8.1923
    Hamburg
    -
    18.10.2010
    Eutin
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    Grablage: Ia 9-11

    Vera Jammer studierte bei Walter Hävernick an der Universität Hamburg. Ihren Schwerpunkt legte sie auf die Numismatik. 1951 schloss sie ihr Studium mit der Promotion zum Thema „die Anfänge des Münzwesens in Sachsen“ ab. Walter Hävernick war Professor für „Deutsche Altertums- und Volkskunde“ sowie Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte.

    Bereits im Studium lernte Vera Jammer ihren späteren Ehemann Gert Hatz (1928-2017) kennen, der sich ebenfalls der Numismatik verschrieben hatte. Er war ab 1950 als studentische Hilfskraft im Münzkabinett des Museums für Hamburgische Geschichte beschäftigt und promovierte ein Jahr nach Vera Jammer.

    Nach der Promotion arbeitete Vera Jammer ab Juli 1951 als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin am Museum für Hamburgische Geschichte. Auch ihr zukünftiger Ehemann wurde nach der Promotion im Jahr 1952 am Museum für Hamburgische Geschichte tätig. Dort wurde er Hauptkustos und arbeitete bis 1993 als Leiter des Münzkabinetts.

    Vera Jammer begann „ab dem 1. November 1954 (…) für die Numismatische Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland die Bearbeitung der deutschen Münzen des 10. und 11. Jahrhunderts in den Münzfunden der Wikingerzeit in Schweden.“ 1)

    1956 heiratete Vera Jammer Gert Hatz und fortan widmete sie sich nur noch nebenbei der Numismatik. Als Begründung für diesen Schritt heißt es 2010 (!) im Nachruf der Numismatischen Gesellschaft auf Vera Hatz: Vera Hatz habe sich der Numismatik nur noch „nebenher gewidmet und widmen können, da sie sich in erster Linie in einer heute gerne als altmodisch belächelten Weise ihrer Familie verpflichtet fühlte. Sie sorgte aufopferungsvoll für ihre Eltern und die beiden Söhne und hielt ihrem Mann den Rücken frei für die numismatische Karriere. Wer das Glück hatte, im Hause Hatz zu Gast gewesen zu sein, wird nicht vergessen, welche Herzlichkeit dort unter hanseatischer Kühle verborgen war. Vera Hatz war nicht nur eine besondere Numismatikerin, sie war auch eine Frau, der die Familie wichtiger war als die berufliche Karriere. Selbstlosigkeit dieser Art ist heute selten.“2)

    Vera Hatz‘ wissenschaftliche Leistung ist dennoch beachtlich. Ebenso wie ihr Mann, der hauptberuflich als Numismatiker tätig war, kann sie eine Reihe von Veröffentlichungen aufweisen und war darüber hinaus wegweisend für die Numismatik. Dazu heißt es in dem oben erwähnten Nachruf der Numismatischen Gesellschaft: „Durch Walter Hävernick nicht nur auf das Dissertationsthema, sondern zusammen mit ihrem Ehemann und mit Peter Berghaus auf die reichen wikingerzeitlichen Münzfunden Schwedens gelenkt, ist die Neubearbeitung der deutschen Münzen des 10. und 11. Jahrhunderts in diesen Funden zu ihrer Lebensaufgabe geworden. Für ihren Fleiß und ihre Begabung bei der Bearbeitung dieser meist schlecht geprägten und noch schlechter erhaltenen Münzen sei nur an ihre Klassifizierung der Otto-Adelheid-Pfennige von 1961 erinnert, mit der sie für diese überaus zahlreiche Münzklasse ein rationelles und zuverlässiges Bestimmungsinstrumentarium geschaffen hat, das heute zum Handwerkszeug jedes Numismatikers gehört.“3)

    Und in Wikipedia steht: „Sie gehört mit ihrem Mann zu den bedeutendsten Mittelalternumismatikern, insbesondere auf dem Gebiet der Münzen und Geldgeschichte des 10. und 11. Jahrhunderts. 1993 wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann als Kommandeurin des schwedischen Nordstern-Ordens ausgezeichnet. 2003 erhielten beide die Medaille der Royal Numismatic Society.“ 4) All diese Auszeichnungen für eine Tätigkeit, die Vera Hatz „nebenbei“ – also neben ihrer Arbeit als Mutter, Hausfrau, Gastgeberin und Ehefrau geleistet hat.

    Quellen:

    1. Seite „Vera Hatz“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 17. Mai 2024, 07:28 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vera_Hatz&oldid=245049210 (Abgerufen: 10. Dezember 2024, 16:51 UTC)
    2. https://numismatische-gesellschaft-berlin.de/nachricht.php?event_id=274
    3. ebenda.
    4. Seite „Vera Hatz“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 17. Mai 2024, 07:28 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vera_Hatz&oldid=245049210 (Abgerufen: 10. Dezember 2024, 16:51 UTC)

Historischer Friedhof an der Robert-Schumann-Brücke

    Anna Rebecca Claudius

    geb. Behn

    Ehefrau von Matthias Claudius

    Ornament Image
    12.6.1754
    Barmbek
    -
    26.7.1832
    Wandsbek
    Mehr erfahren
    Matthias Claudius, der Redakteur des "Wandsbecker Bothen", lernte seine Rebecca kurz vor Weihnachten 1770 kennen, als er sich die Haustürschlüssel für sein zu mietendes Haus am Lübecker Steindamm beim Zimmermann Behn abholen wollte. Die älteste Tochter, die 16jährige Anna Rebecca, war allein zu Hause und versuchte gemeinsam mit Claudius, den verschlossenen Wandschrank zu öffnen, in dem sich die Schlüssel befanden. Die beiden verliebten sich ineinander. Am 15. März 1772 heirateten sie, obwohl Claudius" Gehalt als Redakteur nicht ausreichte, um eine Familie zu ernähren. Rebecca wurde für den 14 Jahre älteren Claudius "sein Bauernmädchen" und der Ruhepol, an dem er Halt und Frieden fand. Nun wohnten sie beide im Haus am Steindamm . Sechs Monate nach der Hochzeit wurde ihr Sohn Matthias zu früh geboren. Wegen der ständigen Geldsorgen nahm Matthias Claudius eine Stelle in Darmstadt als Oberlandkommissar an. Doch das Ehepaar wurde krank vor Heimweh und kehrte nach Wandsbek zurück.

    Rebecca Claudius bekam viele Kinder: im September 1772 Matthias (starb als Baby), 1774 Karoline, 1775 Christiane, 1777 Anna, 1779 Auguste, 1781 Henriette (Claudius wünschte sich sehnlichst einen Jungen). 1783 Johannes, 1784 Rebekka, 1786 Matthias (starb im Alter von zwei Jahren), 1789 Friedrich, 1792 Ernst, 1794 Franziskus. Haushalt und Kinder zehrten an Rebeccas Kräften und sie unternahm mit Claudius einige Kuraufenthalte. Rebecca Claudius starb 17 Jahre nach dem Tod ihres Mannes.
    Seit 1970 gibt es im Hamburger Stadtteil Marienthal der Rebeccaweg .
    Text: Rita Bake

Ehemaliger Friedhof Hamburg-Eilbek

    Clara Horn

    (Clara Maria Amalie Horn)

    Schauspielerin am Thalia-Theater von 1875 bis 1884

    Ornament Image
    6.11.1852
    Berlin
    -
    3.7.1884
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage: Jacobipark (erster Friedhof Hamburgs, eröffnet 1848, aufgehoben 1954). Einige Grabsteine stehen dort noch, auch der von Clara Horn.

    "Mein erster Schritt oder Sprung auf die Bretter geschah in der Rolle eines kleinen Grenadiers in dem Ballett "Der Geburtstag". Es "schwebt" mir noch lebhaft vor, wie Se. Excellenz der Herr General-Intendant von Hülsen in wirklich höchsteigener Person uns achtundzwanzig kleinen "Ratten" wie, zu meinem größten Bedauern, der technische Ausdruck lautet, mit eiserner Strenge den Grenadiermarsch einstudirte. Man denke! Achtundzwanzig Rat- das Wort will mir nicht über die Feder, sagen wir Rangen, das klingt weicher. Wieviel Geduld braucht man nicht oft schon im Verkehr mit einer einzigen solchen Naturerscheinung, und nun gar 28! Indeß, Herr von Hülsen hat diese, wie seitdem gewiß noch manche andere Geduldprobe glücklich überstanden, - und auch ich bin mit heiler Haut davon gekommen, trotzdem mein linkes Nebenmädchen mir jedes Mal beim Präsentiren des Gewehres mit demselben einen Schlag auf die Schulter versetzte, so daß mir das Exercitium nachgerade höchst ungemütlich wurde. Zum Glück wurde sie von der angestrebten Carriere sehr bald wieder aufgegeben, so dass weiteres Unglück verhütet wurde; ich aber marschierte und hüpfte lustig weiter, bis ich eines Tages den kühnen Sprung vom Tanzboden auf den Boden des Schauspiels executirte."1
    Mit viel Humor erzählt Clara Horn hier von den Anfängen ihrer Theaterlaufbahn. Der Besuch einer Kindervorstellung mit Tanz brachte alles ins Rollen. Seitdem wollte die Neunjährige unbedingt tanzen lernen. Die Eltern, bürgerliche Leute, Inhaber einer Mobilienhandlung in der Friedrichstraße in Berlin, gaben dem Drängen der Tochter nach und ließen sie auf der Königlichen Ballettschule ausbilden. Bereits nach einem Jahr wurde die kleine Clara ins Kinderballett aufgenommen. Doch dann lockte das Schauspiel. Clara Horn erhielt Unterricht bei der Schauspielerin Minona Frieb-Blumauer und hatte 1873 ihren ersten Auftritt im Königlichen Schauspielhaus. Da der Anfängerin hier jedoch nur kleine Rollen angeboten wurden, ging sie für ein Jahr nach Danzig, um ein wenig Routine zu bekommen. Danach verschaffte die Empfehlung ihrer Lehrerin ihr zunächst ein Gastspiel, dann ein Engagement am Thalia-Theater in Hamburg. Die folgende kleine Anekdote zeigt, wie sehr Clara Horn damals noch der Übung und Erfahrung bedurfte: Als sie sich kurz vor ihrem Gastspiel mit Fieber ins Bett legte, schickte man den Arzt Dr. Engel-Reimers zu ihr. Ein Blick genügte: "Sie haben wirklich Fieber, mein Fräulein, aber es ist nur ein unschuldiges Lampenfieber, für das freilich kein Kräutlein gewachsen ist. Sie müssen sich einfach tüchtig zusammennehmen."1
    Clara Horn folgte seinem Rat und bestand mit ihrer kleinen Rolle vor Publikum und Kritikern. Ihren ersten echten Erfolg hatte sie als Fifi in dem Lustspiel "Die Augen der Liebe" von Wilhelmine von Hillern, der Tochter der damals überall gespielten Charlotte Birch-Pfeiffer. Über Nacht war der Name Clara Horn bzw. Fifi, wie ihre Kolleginnen und Kollegen sie fortan nannten, in Hamburg in aller Munde. Schnell avancierte sie zum Publikumsliebling schlechthin.
    Einer ihrer Verehrer, Harbert Harberts, schrieb in einem biographischen Abriss, mit dem er der flüchtigen Kunst der Schauspielerin ein Denkmal setzen wollte: "Wenn auf der Bühne der Frohsinn sein rosenrotes Scepter schwang, dann concentrirte sich zumeist unser Interesse auf eine Gestalt und sie war der Magnet, dem die Herzen zuflogen. Der Magnet hieß Clara Horn. Jedes Wort, das in so gewinnender Schalkhaftigkeit, in so köstlichem Mutwillen von ihren Lippen perlte; die reizende Natürlichkeit, mit der sie jede Bewegung, jede Geste ihres Spiels ausführte, nahm uns gefangen und sicherte Stürme des Beifalls, die sie allabendlich zu ernten pflegte. Sie war im besten und schönsten Sinne des Wortes unser Liebling."1 Aber nicht nur das Publikum, auch die Kritiker waren bezaubert von der jungen Schauspielerin. Ein Journal rühmte: "Man darf kühnlich behaupten, daß Clara Horn in ihrem Genre unerreicht dasteht. Ihr Lachen und Weinen ist unübertrefflich und von bezaubernder Wahrheit, ihr eigenthümlich trockener und doch so liebenswürdiger Humor übt eine magische Wirkung auf die Zuschauer aus; Alles an ihren Leistungen athmet Anmuth und Heiterkeit, nirgendwo läßt sich eine Absichtlichkeit, ein Haschen nach gewöhnlichem Theatereffekt entdecken, mit einem Worte: Clara Horn ist eine echte Künstlerin, die mit Recht die reichen Ovationen verdient, welche ihr von allen Seiten dargebracht werden, ein echtes Kind der heiteren Muse Thalia, deren Schwestern die Wiege des Pathchens mit herrlichen Gaben überschütteten."1 Als Clara Horn sich ins ernste Fach vorwagte, scheiterte sie. Ihre Domäne war der Backfisch, der ins weibliche übersetzte dumme Junge, der damals in zahlreichen Lustspielen und Possen vorkam, und sie war nach einigen missglückten Versuchen klug genug, ihre Grenzen nicht mehr zu überschreiten.
    Das Jahr 1882 war für Clara Horn in doppelter Hinsicht ein ganz besonderes. In diesem Jahr begegnete sie den zwei Männern, die wenig gemein, aber für sie und ihr Leben eine große Bedeutung hatten: dem Kaiser und ihrem künftigem Bräutigam.
    Kaiser Wilhelm II. hatte Clara Horn schon als kleines Kind verehrt. Sein Bild, das der Bruder des Kaisers der kleinen Ballettrange geschenkt hatte, hing gerahmt in ihrem Zimmer. Zum Kaisergeburtstag beschloss die Zwölfjährige zusammen mit ihrer älteren Schwester Julie, ihn bei seiner Spazierfahrt durch den Tiergarten zu erwarten und ihm ein Blumenbouquet in die Kutsche zu werfen. Da der Kaiser an diesem Tag jedoch einen neuen Weg für seine Ausfahrt gewählt hatte, warteten die beiden Mädchen vergeblich, und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Bouquet durch einen Dienstmann ins Schloss schicken zu lassen. Am nächsten Tag erschien der Kaiser persönlich im Theater, bedankte sich bei Clara und bat scherzend um ein neues Bouquet. Fortan schickte Clara Horn dem Kaiser zu jedem Geburtstag Blumen und illuminierte ihre Fenster. Nun, im Sommer 1882, sollte sie ihm bei einem Gastspiel in Bad Ems erneut begegnen. Er zeigte sich entzückt von ihrem Spiel und ließ ihr ein kostbares Armband überbringen. Als man sich am nächsten Tag auf der Promenade traf, plauderte man angeregt.
    Dem zweiten bedeutenden Mann ihres Lebens begegnete sie auf der Insel Norderney. Hier traf Clara Horn, die äußerst beliebt war und in Kreisen verkehrte, die sonst über ihresgleichen die Nase rümpften, den begüterten Guts- und Mühlenbesitzer Josef Daubeck aus der Umgebung von Brünlitz in Böhmen. Die beiden verliebten sich ineinander, zu Ostern 1884 fand die offizielle Verlobung statt, im Mai, bei Saisonende, wollte Clara Horn ihren Abschied von der Bühne nehmen und im Monat darauf ihren Bräutigam heiraten. Doch es kam anders.
    Am 13. Mai 1884 brach Clara Horn nach Schluss der Vorstellung zusammen. Die offizielle Diagnose: Gelenkrheumatismus. Die ganze Stadt nahm rührenden Anteil an dem Schicksal der jungen Schauspielerin. Täglich brachten die Zeitungen Meldungen über ihr Befinden, die Menschen strömten in ihr Haus am Pferdemarkt (heute Gerhart-Hauptmann-Platz), um sich selbst nach ihrem Zustand zu erkundigen. Als sie sieben Wochen nach diesem Zusammenbruch starb, blieb die offizielle Version eines Gelenkleidens bestehen. Dass die wahre Todesursache wohl im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes stand, zeigt ein Eintrag in das Ohlsdorfer Grabregister, wo der Tod eines Sohnes der Schauspielerin Clara Horn am 17. Juni 1884 nach nur einer Stunde Lebenszeit vermerkt ist. Nach einer Trauerfeier, die einer Fürstin zur Ehre gereicht hätte, wurde Clara Horn auf dem Jakobi-Friedhof beigesetzt. Josef Daubeck ließ einen großen Grabstein mit einem Bronzerelief anfertigen, das einen Engel mit umgedrehter Fackel zeigt. Er ist heute noch an der alten Stelle zu finden, obwohl der Friedhof längst aufgelassen ist - im öffentlich zugänglichen Jakobipark. In seinem Haus umgab sich Josef Daubeck mit allen verfügbaren Bildern von seiner Braut, die er in Lebensgröße hatte ausführen lassen.
    Text: Brita Reimers
    Zitate:
    1) Harbert Harberts: Clara Horn. Ein Charakterbild ihres Lebens und Wirkens. Mit einer Sammlung Portraits nach Original-Photographien. In: Hamburger Familiengeschichten. Bd.10.

Friedhof Bergstedt

    Hermine Albers

    Wohlfahrtspflegerin, Mitbegründerin des Hamburger Frauenrings, Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und -fürsorge, Regierungsdirektorin der Jugendbehörde/ Leitung des Landesjugendamtes. Mitherausgeberin der Fachzeitschrift "Unsere Jugend", Verfolgte des NS-Regimes

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    21.7.1894
    Bitburg
    -
    24.4.1955
    Hamburg
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    Grablage: Das Grab ist nicht mehr vorhanden

    Seit 2014 gibt es in Hamburg-Jenfeld die Hermine-Albers-Straße
    Hermine Albers soll auf dem Friedhof Bergstedt bestattet worden sein neben ihrer Mutter, die 1940 verstarb, so heißt es in einem ihrer Nachrufe. Laut dortiger Auskunft ist eine Hermine Albers nicht in den Akten vermerkt.
    Hermine Albers wurde 1894 als einziges Kind
    von Klara Helene, geb. Linden und Hermann Albers geboren. Ihr Vater, ein Kreisschulrat, starb kurze Zeit vor Hermines Geburt. Klara Helene Albers gab ihrer Tochter eine sorgfältige Erziehung mit auf den Weg. Als Hermine zwölf Jahre alt war, zog ihre Mutter mit ihr nach Köln, wo Hermine das humanistische Mädchengymnasium besuchte. Nach dem Abitur studierte sie zwischen 1914 und 1917 Sozial- und Staatswissenschaften.
    Als im Ersten Weltkrieg Frauen im stärkeren Maße als Arbeitskraft zur Aufrechterhaltung der "Heimatfront" z. B. in den Rüstungsbetrieben arbeiten mussten, stellte sich die junge Volkswirtschaftslehrerin Hermine Albers dem Frauenreferat der Kriegsamtsstelle Koblenz als Hilfsreferentin zur Verfügung. Dabei lernte sie die praktischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Arbeitsfürsorge an Frauen kennen.
    Nach Kriegsende übernahm Hermine Albers als Geschäftsführerin den Verein für Säuglingsfürsorge und Wohlfahrtspflege in Düsseldorf. Ab 1921 unterrichtete sie auch Volkswirtschaft und Rechtswesen am Frauenseminar für soziale Berufsarbeit in Frankfurt am Main und leitete von 1923 bis 1926 eine Abteilung des Wohlfahrtsamtes in Solingen. Gleichzeitig setzte sie ihre sozialwissenschaftlichen Studien an den Universitäten in Köln und Bonn fort und promovierte 1926 zum Dr. rer. pol. der Staatswissenschaften.
    1927 ging sie als Dozentin an die Wohlfahrtsschule für Hessen und Hessen-Nassau nach Frankfurt am Main.
    1928 verlegte sie ihre berufliche Tätigkeit nach Hamburg. Dort erhielt sie eine Anstellung in der Sozialbehörde. Hermine Albers wurde Regierungsrätin und beriet in dieser Funktion auch den Stadtbund Hamburger Frauenvereine.
    1933, nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, wurde Hermine Albers wegen ihrer Mitgliedschaft in der SPD - sie war seit 1919 Mitglied der SPD - und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) aus ihrem Amt als Regierungsrätin entlassen. Fortan arbeitete sie, eingesetzt von der Handelskammer wegen ihrer fachlichen Kenntnisse - als Wirtschaftsprüferin und Treuhänderin in verschiedenen Wirtschaftsunternehmen. Hermine Albers wohnte damals im Wiesenkamp 9 und unterstützte ihre Freundin Hilde Wulff (ihr Grabstein steht im Garten der Frauen), die das Kinderheim "Im Erlenbusch" betrieb, in der Gegnerinnenschaft gegen den Nationalsozialismus. Bereits 1930 hatte sich Hermine Albers als Sprecherin der Sozialbeamtinnen für die Frauenfront gegen den Nationalsozialismus engagiert.
    Gleich nach Ende der Herrschaft des Nationalsozialismus wurde Hermine Albers Mitglied des Entnazifizierungskomitees. Beruflich wurde sie zur Senatsrätin ernannt und mit dem Aufbau und der Leitung des Hamburger Landesjugendamtes betraut. Drei Jahre später ernannte der Senat sie zur Regierungsdirektorin.
    In den Jahren 1945 bis 1948 waren rund 20.000 Jugendliche unter achtzehn Jahren, die durch die Bunker zogen, in Erdhöhlen schliefen, keine Lehrstellen und oft kein Elternhaus mehr hatten, zu betreuen. Hermine Albers versuchte den jungen Menschen Obdach und Nahrung zu verschaffen und die Eltern wiederzufinden. Wie dieses Chaos in den Griff zu bekommen war, wurde als Hermine Albers" Geheimnis und das ihrer Mitstreiterinnen und -streiter bezeichnet.
    Als sich die Wirtschaftslage gebessert hatte, Eltern für ihre Kinder Erziehungshilfen bekamen, Übernachtungs- und Tagesheime sowie Schulen wieder aufgebaut waren, kümmerte sich Hermine Albers um arbeitslose Jugendliche und um eine sinnvolle Freizeitgestaltung für Jugendliche.
    Durch Hermine Albers" langjährige Erfahrungen in der Jugend- und Wohlfahrtshilfe entstand der Grundgedanke für den späteren Bundesjugendplan, an dem Hermine Albers einen großen Anteil hatte. Mittlerweile war ihre Arbeit über den Rahmen Hamburgs hinausgewachsen. In ganz Westdeutschland fand sie Beachtung und Würdigung. Als Mitbegründerin und Mitarbeiterin der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge übernahm sie von 1952 bis 1955 auch die Arbeit der zweiten Vorsitzenden. Zwischen 1949 bis zu ihrem Tod 1955 arbeitete sie als Mitherausgeberin der Zeitschrift für Jugendhilfe in Wissenschaft und Praxis, "Unsere Jugend", München, Forum der Jugendämter in Stadt und Land. Hier nahm sie vor allem laufend zu den wichtigsten Gesetzesvorschlägen in Fragen der Erziehung und Wohlfahrt Stellung und vertrat ihre Idee des lebendigen Jugendamtes. Darüber hinaus war Hermine Albers Mitglied des deutschen Landesausschusses der UNESCO.
    Hermine Albers starb 1955 im Alter von 60 Jahren. In einem der Nachrufe hieß es ganz der Rollencharaktere der Frau folgend über sie: "Sie konnte beides - mit männlich scharfem Verstand planen und mit einem unbestechlich nüchternen Blick für das Sachliche abwägen. Dabei war sie gleichzeitig ganz Frau mit starker Gefühlsbeteiligung und dem Vermögen, die Dinge von der Wurzel her zu erfassen." (Gedenkwort von Stadtarzt Marx, Nürnberg)
    Pastor Wilhelm Engelmann, Direktor des Centralausschusses für die Innere Mission, Bethel, fasste Hermine Albers" Leben wie folgt zusammen: "Sie gehörte zu denen, die Glück und Qual dieses Zeitalters in sich aufgenommen und verarbeitet haben, die wissend geworden sind. Diese Menschen sind äußerlich nicht leicht begeisterungsfähig, vielleicht scheinen sie verschlossen, zurückhaltend und manchmal auch hart. Aber in ihnen wohnt - oft nur dem Kundigen erkennbar - eine stille Güte und Barmherzigkeit, die die Not und das Leid des Bruders und der Schwester mitträgt, und die recht zu helfen wissen. Diese Menschen wissen es auch, daß sie dazu bestimmt sind, daß von ihnen gefordert wird, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen, ihren Verstand und ihre Fähigkeiten und nicht zuletzt ihre Liebe ganz darzubringen. Dies wird eine selbstverständliche Haltung. Diese Menschen verzehren sich im Dienst. Sie hassen das Laute und Vordergründige, denn sie kennen die Hintergründe des Lebens. In ihnen lebt das Wissen um das Wesentliche."
    Seit 1955 vergibt die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe alle zwei Jahre den Hermine-Albers-Preis (auch Deutscher Jugendhilfepreis genannt).

    Hedwig Florey

    geb. Elsner

    Pianistin, Professorin für Musiktheorie an der Hochschule für Musik und Theater HfMT Hamburg, Mitglied im Ensemble Hinz & Kunst, Mitbegründerin "Hamburger Sängerhaufen"

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    24.8.1943
    Oldenbüttel/Eiderstedt
    -
    27.8.1999
    Hamburg
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    Grablage: I. C 3/363-364

    Hedwig Florey war die Tochter von Dr. Kurt Elsner, Rechtsanwalt in Flensburg, der 1944 an einer chronischen Erkrankung verstarb. Ihre Mutter Tine Elsner, geb. Hansen-Nootbaar, war Physiotherapeutin. "Hedwig kam als fünftes Kind zur Welt, und es war - unter den erschwerten Bedingungen der Nachkriegszeit - eine harte Herausforderung für die allein erziehende Mutter, allen Kindern eine ihrer jeweiligen Begabung entsprechende Förderung zuteil werden zu lassen. Die musische Erziehung ihrer Kinder war der Mutter eine Herzensangelegenheit. Weil Hedwig von früher Jugend an eine besondere musikalische Begabung gezeigt hat, wurde das durch instrumentalen Musikunterricht gefördert. Neben ihrer Schulausbildung hatte sie nicht nur Klavierunterricht, sondern lernte Querflöte bei einem Musiker des Flensburger Orchesters. Außerdem war sie eine ebenso begeisterte wie engagierte Chorsängerin. Nach dem Abitur entschied sie sich zwar für ein Klavierstudium, vernachlässigte aber ihr Flötenspiel nicht, sondern nutzte ihre Kenntnisse zum kammermusikalischen Musizieren." [1]
    An der Hamburger Musikhochschule studierte sie Klavier bei Frau Prof. Eliza Hansen und Musiktheorie bei Prof. Werner Krützfeldt. Beide Fächer schloss sie 1968 und 1970 mit einem Diplom ab. 1973 begann sie ihre Tätigkeit an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, zunächst in dem Fach Klavierimprovisation, später als Teilprofessorin für Musiktheorie. Ein Jahr später verlieh ihr der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die akademische Bezeichnung "Professor".
    1970-1982 war sie Mitglied der Hamburger Musikgruppe "Hinz und Kunst" und 1978 gründete sie den "Hamburger Sängerhaufen" mit.
    Sie organisierte Veranstaltungen über Kurt Weill, Kurt Tucholsky, Hanns Eisler, Paul Dessau und Bert Brecht. [3]
    Am 19. September 1969 heirateten die Pianistin Hedwig Elsner und der Violoncellist Wolfgang Florey in Flensburg. Auch nach späterer Trennung blieben sie einander freundschaftlich verbunden. Zu ihrem Werdegang ergänzte Wolfgang Florey:" (...) so gehört es zum Leben meiner Frau, dass sie drei Kinder zur Welt gebracht hat, Georg Heinrich Friedemann (1970), Daniel Georg Sebastian (1971) und Marianne Katharina (1979). Nach unserer Trennung im Jahr 1985 war sie diesen Kindern eine alleinerziehende Mutter. All die damit verbundenen Schwierigkeiten hatte sie neben ihrer beruflichen Entwicklung zu meistern. Und versteht sich von selbst, dass das ihrer beruflichen Karriere nicht unbedingt förderlich war. [1]
    Unter dem Titel "Trauer um Hedwig Florey" meldete ein kurzer Nachruf im Hamburger Abendblatt vom 7. September 1999: "Hedwig Florey, Professorin für Musiktheorie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, ist nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 56 Jahren gestorben. Sie war seit 26 Jahren an der Hochschule und galt als hervorragende Künstlerin und sensible Pädagogin. Sie widmete sich besonders der Neuen Musik. Neben ihrer Lehrtätigkeit arbeitete sie als Pianistin mit unterschiedlichen Ensembles und Künstlern. HA". [2] Bestattet ist Hedwig Florey auf dem Friedhof Bergstedt, Grablage: I.C 3/363-364. [3] Ihr Nachlass ist in der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky als "Nachlass Hinz & Kunst, Florey, Hedwig" unter der Signatur NHK bibliothekarisch katalogisiert, "eine Arbeit, die durch eine großherzige Stiftung von H. W. Henze ermöglicht worden ist und gefördert wurde von dem Musikwissenschaftler Dr. Peter Petersen." [1]
    Die Pianistin war Gründungsmitglied und Mit-Komponistin in dem Quintett Hinz & Kunst. Deren innovatives und charakteristisch-politisches Konzept, "typisch" für den Aufbruch der "68er Generation", schilderte der Cellist und frühere Ehemann von Hedwig Florey, Wolfgang Florey, der selbst dieser Musiktheatertruppe angehörte: "Das Ensemble Hinz & Kunst wurde 1969 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Hamburg gegründet - aus Interesse an neuen musikalischen Strömungen und Experimentierlust, an der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik, die im Ausbildungsplan der Musikhochschule so gut wie nicht vorkam. Durch gemeinsames, stundenlanges frei improvisierendes Musizieren in verschiedenen Formen und Konzepten versuchten wir zu neuer Art der Musikausübung zu gelangen, die die Trennung in ‚reproduzierende" und ‚produzierende" Musiker endlich aufhob.
    Die Sechziger Jahre waren in musikalischer Hinsicht geprägt von den verschiedensten sich überlagernden und durchaus nicht homogenisierbaren Strömungen. Uns beschäftigte die Tatsache, dass Musik seit eh und je diejenige der Künste ist, die am wenigsten mit ihrer Zeitgenossenschaft etwas anzufangen weiß, was wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit beruht. Fühlte sich die gemäßigte Moderne, anknüpfend an den musikpädagogischen Versuchen Hindemiths und Orffs, noch für die ästhetische Erziehung der nachwachsenden Generation verantwortlich, so beschränkte sich der soziale Bezug der jetzt tonangebenden Komponistengeneration im wesentlichen auf die Vorteilnahme aus einem hochsubventionierten Kulturbetrieb. Die musikalische Avantgarde scherte sich nicht im mindesten darum, dass sich das Musikleben währenddessen in einen Marktplatz verwandelte, der vom Propagandageschrei der Marketingspezialisten einer sich ins ökonomisch Gigantische aufschwingenden Unterhaltungsindustrie widerhallte, die von nun an bestimmen sollte, welcher Ton die Musik der Zukunft machte. Von den Institutionen des Musiklebens, den Konzertsälen und Opernhäusern, deren gesellschaftliche Verantwortung sich ohnehin in der Verpflichtung zu einer mehr oder minder musealen Wiedergabe von musikalischen Antiquitäten erschöpfte, war in bezug auf die gewaltige Metamorphose des Musiklebens wenig Widerständiges zu erwarten, zumal sie ökonomisch noch munter im wirtschaftswunderbaren Wohlstand vor sich hin speckten. Es schienen keine zwingenden Gründe für den Musikbetrieb zu bestehen, von überkommenen Musikkonzepten abzuweichen oder sich in welcher Weise auch immer neuen Publikumsschichten zu öffnen. Sowieso war den seriösen Musikern mitsamt der Zunft der Musikwissenschaftler die Beschäftigung mit den Gesetzen des Marktes genauso fremd wie eine Auseinandersetzung mit den Erscheinungen der neuen, industriellen Massenkultur. Mit ihren musikalischen Genres wollten diese genauso wenig zu tun haben, wie die Bürger mit dem Plebejer.
    Was sich jedoch entscheidend geändert hatte, war, dass die zukünftige gesellschaftliche Elite sich nicht länger in den Musentempeln ihrer Vorfahren zum Guten, Wahren und Schönen erziehen lassen wollte, sondern den ihr gemäßeren musikalischen Ausdruck in den subkulturellen Novitäten der kommerziellen Rock- und Popmusik zu finden glaubte. Das hatte allerdings keine primären musikalischen Ursachen, sondern war das Ergebnis eines fundamentalen gesellschaftlichen Paradigmenwechsels. Dieser war es, der es uns unmöglich zu machen schien, über Musik nachzudenken, ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen, die sozialen Aspekte, denen das Musikmachen unterworfen war, zu verstehen. Und indem wir uns darum bemühten, fanden wir uns bald in einer reichlich unwirtlichen Landschaft wieder und hineingestellt in ein politisches System, das von den Widersprüchen des Kalten Krieges geprägt war.
    Der Krieg in Vietnam wurde für uns zu einer grundlegenden moralischen Frage und führte dazu, dass das bis dahin einigende ideologische Fundament, auf das alle Parteien des Landes sich beriefen, böse Risse bekam. Gemeint ist nicht das Grundgesetz der Bundesrepublik, sondern der bis dahin alles beherrschende Antikommunismus. So kam es zu einem immer breiter geführten Diskurs über die Bedeutung der Marxschen Analyse des Kapitalismus und seiner Kritik der Politischen Ökonomie.
    Und auf dem Gebiet der Künste wurde immer lebhafter diskutiert über die Rolle des ‚Ästhetischen bei der Scheinlösung von Grundwidersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft", über die ‚Bedeutung und Funktion der Massenkultur und Massenkommunikation im spätkapitalistischen System", über die ‚Klassenbezogenheit der herrschenden Kunst" und darüber, dass ‚Kunst notwendige Inhalte verständlich und wirksam verbreiten müsste". Wie nun aber die musikalischen Modelle konkret auszusehen hätten, die den neuen Anforderungen gerecht werden könnten, dafür schien es uns zunächst nur wenig Beispielhaftes zu geben.
    Für uns Musikstudenten wurde der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) der Musikhochschule in dieser Zeit zu so etwas wie einer organisatorischen Plattform nicht nur der politischen, sondern auch der ästhetischen Diskussion. Hier kam es auch zur ersten Begegnung mit Hans Werner Henze. Zeitlich fiel sie in die Vorbereitungszeit der geplanten Uraufführung seines Oratoriums Das Floß der Medusa im Herbst 1968. Unsere Erwartungen waren groß, aber nicht geringer war unsere Skepsis, ob gerade sein Werk uns ein Beispiel geben könne. Die Lektion wurde uns aber nicht vom Komponisten, sondern - wie allgemein bekannt - von der Polizei erteilt. Am Abend der Uraufführung erklang in der Ernst-Merck-Halle keine Note. Zu vernehmen war nur ein Sprechchor, der nicht in der Partitur stand. Der RIAS-Kammerchor skandierte, als Henze zum Beginn des Konzerts den Taktstock hob: ‚Wir kommen aus Berlin - wir singen nicht unter der roten Fahne". Diese Erklärung leitete eine der größten Konzertskandale in der Geschichte der BRD ein. Er endete mit dem Einsatz einer Hundertschaft der Polizei im Konzertsaal, die eine größere Anzahl von Konzertbesuchern zur Feststellung der Personalien vorrübergehend festnahm.
    Doch ein konkretes Ergebnis hatte dieses Ereignis: Seitdem gab es in Hamburg einen ‚Arbeitskreis Sozialistischer Musikstudenten". Ausgehend von ihm bildeten sich eine ganze Reihe von studentischen Diskussions- und Arbeitsforen. Hier wurden nicht nur Forderungen zur Studien- und Strukturreform der Musikhochschule entwickelt, es ging auch ganz konkret um die Erprobung alternativer musikalisch praktischer Ansätze - und damit um vieles, was für das spätere Selbstverständnis der Gruppe Hinz & Kunst von Bedeutung war.
    Und schließlich lernten wir die musikalisch-politische Arbeit der ‚Hamburger Liedermacher", einem Kreis von engagierten Laien um Renate Bauche (Ehefrau von Dr. Ulrich Bauche, Kulturhistoriker und Volkskundler, ehemals Hauptkustos am Museum für Hamburgische Geschichte, Honorarprofessor der Universität Hamburg, CG.) und der ‚Hamburger Songgruppe" kennen, woraus sich eine mehrjährige Zusammenarbeit ergab. Und im Rahmen der Musikhochschule war es Jürgen Tamchina, Theatermusiker und Kinderbuchautor, später auch Komponist und Theaterregisseur, der damals mit Schauspielstudenten ein Programm mit Liedern von Eisler erarbeitete. Der Kreis von Musikern, der sich hier als Begleitensemble zusammenfand, konstituierte sich später als Hinz & Kunst. Es setzte sich im Kern zusammen aus dem Klarinettisten und Saxophonisten Bernhard Asche, dem Posaunisten und Komponisten Thomas Jahn, der Pianistin und Musiktheoretikerin Hedwig Florey, dem Schlagzeuger Peter Wulfert (an dessen Stelle später Matthias Kaul trat) und dem Cellisten Wolfgang Florey.
    Jürgen Tamchina, der an der Entwicklung einer vorschulpädagogischen Fernsehreihe für das ZDF arbeitete und den Auftrag erhielt, für eine Serie von Sendungen Lieder für Puppenspieler zu schreiben, stützte sich im Kern auf dieses Ensemble von Instrumentalisten. Thomas Jahn gab den Liedern ihre klangliche Gestalt und schrieb die Arrangements. Als ‚Die Lieder von der Rappelkiste" wurden die Aufnahmen zu einem riesigen Schallplattenerfolg. Die Liedtexte von Tamchina machten im Sinne eines emanzipatorischen Erziehungskonzeptes den Kindern Mut zu einem selbständigen Urteil und Handeln in verschiedenen realistisch geschilderten Lebenssituationen. Dem gleichen pädagogischen Ziel folgend widersetzte sich die musikalische Sprache der Lieder dem in diesem Genre inzwischen verbreiteten kommerziellen Sound und knüpfte bewusst am traditionellen Kinderlied an. Das Instrumentarium der Begleitung war dem Bereich der klassischen Musik entlehnt und entfaltete seinen Zauber mit spieltechnischer Raffinesse und einem Witz, der sich der Erfahrung mit der Moderne ebenso verdankte, wie der Zusammenarbeit mit den Hamburger Liedermachern.
    Das Selbstverständnis von Hinz & Kunst ist das Ergebnis auch anderer Erfahrungen. Sie gehen zurück auf zwei sehr verschiedene Aspekte der Diskussion in den studentischen Basisgruppen. Der eine betrifft die Frage nach der Aufhebung der Teilung der Arbeit in eine Sphäre der geistigen und eine der materiellen sowie die Frage nach der Überwindung ihrer Entfremdung. Der andere Aspekt betrifft das Konzept einer Politik der gewerkschaftlichen Orientierung. Konkret auf dem künstlerischen Gebiet bedeutete dies, dass nicht nur allgemein der Mensch, sondern der arbeitende Mensch in den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses rücken müsse.
    Dieser Zusammenhang fand seinen Niederschlag in einer gemeinsamen kompositorischen Arbeit, die H.W. Henze vorschlug. Ein Text war bald gefunden, nämlich eine aktuelle Recherche der Fernsehjournalistin Erika Runge über einen ‚wilden" Streik in einem Walzwerk der Firma Mannesmann, Duisburg. Jeder der Komponisten, auch H.W. Henze, übernahm es, einen Teil des Textes in Musik zu setzen, und das Ganze wurde schließlich als Szenische Kantate von einem Ensemble, das sich im Kern aus der Gruppe Hinz & Kunst zusammensetzte, einstudiert. Unter tätiger Mithilfe von Ruth Berghaus und in Anwesenheit von H.W. Henzes und der meisten Komponisten wurde das Werk im Theater am Schiffbauerdamm im August 1973 uraufgeführt. Für die Schallplatteneinspielung dieser Kantate Streik bei Mannesmann erhielt Hinz & Kunst von der Deutschen Phonoakademie 1975 die Auszeichnung ‚Künstler des Jahres".
    Mit diesem Werk verknüpft ist der Beginn einer langjährigen Freundschaft und Zusammenarbeit des Ensembles Hinz & Kunst mit Hans Werner Henze. Er lud das Ensemble zur Mitarbeit an seinem ‚Cantiere Internazionale d´Arte" ins toskanische Montepulciano ein, wo das Ensemble über eine Reihe von Jahren neben Konzerten und instrumentalen Begleitaufgaben im kleinen Opernhaus konkrete Musikanimationsarbeit leistete.
    Aus Anlass seines fünfzigsten Geburtstages baten die Hinz & Künstler Henze um einen Gegenstand, um den Jubilar überhaupt würdig mit Musik bedenken zu können, und so bekam Hinz & Kunst ein Stück Musik, das für die Kernbesetzung der Gruppe spielbar war. Es ist ein Quintett und trägt den schlichten Namen Amicizia!. Es erklang zum ersten Mal 1976 bei einem Kammerkonzert von Hinz & Kunst im Teatro di Montepulciano.
    In Erinnerung des alten Anspruches, die Arbeitsteilung des Musikers in einen reproduzierenden und einen produzierenden zu überwinden, und angeregt durch die konkreten Aufgaben unserer künstlerischen Praxis, gingen wir auch daran, nicht nur als Einzelne, sondern auch als Gruppe schöpferisch tätig zu werden. Für Montepulciano entwarfen wir das Libretto und schrieben die Musik zu einem Singspiel, das wir beim ‚3. Cantiere Internazionale d´Arte" in Montepulciano und einer Reihe umliegender Ortschaften aufführten. Für dieses Stück, das wir Mongomo in Lapislazuli [4] nannten, erhielten wir den Preis der Jury des Komponistenseminars in Boswil (Schweiz). Es folgten noch zwei weitere Arbeiten: das Musical Komm, Collie wir gehen in´s Öl, das beim Steirischen Herbst 1981 uraufgeführt wurde, und das Ballett Der Schal. In beiden Fällen war die Gruppe Librettist, Komponist und schließlich ausführendes Instrumentalensemble.
    Als Instrumentalensemble hatte sich Hinz & Kunst im Verlaufe der Jahre ein beachtliches Repertoire an zeitgenössischer, vornehmlich engagierter Musik erarbeitet und eine ganze Reihe von Komponisten haben für Hinz & Kunst geschrieben, insbesondere wieder H.W. Henze, der sein imaginäres Musiktheater El Rey de Harlem für Mezzosopran und acht Instrumentalisten für Hinz & Kunst schrieb. 1980 brachten wir es im Rahmen der ‚Wittener Tage für Neue Kammermusik" mit Maureen McNally und unter der Leitung von Spiros Argiris zur Uraufführung". [5]
    Die Geschichte der Gruppe Hinz & Kunst endete mit dem Jahr 1981. Das hatte vor allem existentielle-wirtschaftliche Gründe: "Schwierig war natürlich die materielle Basis der künstlerischen Arbeit. Eine finanzielle Förderung der Gruppe durch wie auch immer geartete Subventionen gab es so gut wie überhaupt nicht, und Förderungsanträge wurden in der Regel kategorisch abgelehnt. Die Freie und Hansestadt Hamburg erwies sich in ökonomischer Hinsicht als besonders trostloses Terrain. Ohne jede Subvention kann man in einem hochsubventionierten Umfeld nicht bestehen. Das ist auch ohne große Einsicht in Wirtschaftsfragen nicht schwer zu begreifen. Aber auch andere Möglichkeiten, uns eine materielle Basis für unsere Arbeit zu gewinnen, blieben uns in dieser Stadt weitgehend verwehrt. Während wir bei anderen Rundfunkanstalten regelmäßig zu Gast sein durften, blieb uns der Zugang zum NDR verschlossen. Die aus alledem folgenden existentiellen Schwierigkeiten hatten natürlich eine immer stärkere Fluktuation im Ensemble zur Folge, weil niemand die Arbeit mit Hinz & Kunst längerfristig in den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit stellen konnte. Damit wurde aber das eigentliche Ziel, nämlich ein Modell der künstlerischen Arbeit zu entwerfen, in dem ihre Entfremdung gesellschaftlich quasi antizipatorisch aufgehoben ist, immer unerreichbarer. Damit geriet aber der Anspruch, mit dem wir angetreten waren, mit der Wirklichkeit, die sich aus unseren Arbeitsbedingungen ergab, in einen immer krasseren und nicht mehr aufzulösenden Widerspruch. Das Ziel, mit unserer Arbeit eine Alternative aufzuzeigen und diese im Musikleben nachhaltig zu etablieren, war uns zur uneinlösbaren Utopie zerronnen.
    Thomas Jahns Ausbildung als Komponist und Posaunist ermöglichte es ihm, den Produktions- und Reproduktionsgedanken des Ensembles Hinz & Kunst in seiner Person zu vereinen. Das Herstellen von Musik war für ihn ein Kommunikationsprozess. Diese Haltung, gang und gäbe im Bereich der Jazz- und Popmusik, war im Bereich der sogenannten ernsten Musik eher ungewöhnlich. Sie prägte das Ensemble, und das Feedback prägte auch ihn und seine Produktion. So schrieb er neben einer Fülle von Songs und Arrangements auch konzertante Musiken wie sein Nonett Zeitgeist und Akkordarbeit, vokalinstrumentale Kompositionen wie Denkzettel und seine drei Opernszenen The zoological palace für das Ensemble Hinz & Kunst. Das Erstellen von musikalisch-theatralischen Konzepten im Verbund mit anderen fand seinen Niederschlag in den oben erwähnten Gemeinschaftsarbeiten. Und auch heute noch legt Thomas Jahn großen Wert auf konzeptionelle Zusammenarbeit, wie sein Wirken bei den Eppendorfer Blechbläsern, dem Ensemble Undezett oder dem Intervall-Projekt an der Erika-Klütz-Schule für Theatertanz und Tanzpädagogik in Verbindung mit der Fachschaft Architektur an der Fachhochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg beweist.
    Aus: impulse Nr. 7, Mai 2004". [5]
    Text: Dr. Cornelia Göksu
    Anmerkungen:
    1 Freundliche Informationen von Herrn Wolfgang Florey, in E-Mail-Korrespondenzen mit CG, Mai und Juni 2018. - Univ-Prof. i.R. Peter Petersen ist u.a. Herausgeber der Schriftenreihe "Musik im ‚Dritten Reich" und im Exil". Gemeinsam mit Claudia Maurer Zenck und Sophie Fetthauer gibt er das Online-Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit heraus (Universität Hamburg seit 2005: www.lexm.uni-hamburg.de); diese Daten sind entnommen der Website: www.fbkultur.uni-hamburg.de/hm/personen/petersen.html; abgerufen Juni 2018, CG).
    2 Online in "Hamburger Abendblatt" Zeitungsarchiv unter abendblatt.de/archiv/1999/article204664785/Trauer-um-Hedwig-Florey
    3 Daten und Lebenslauf entnahm Frau Dr. Rita Bake der Publikation: Grabstätten von bekannten Persönlichkeiten auf dem Bergstedter Friedhof. Hg. vom Evangelisch-lutherischen Kirchengemeindeverband Bergstedt-Friedhof. Volksdorfer Damm 261 Hamburg, o.J.
    4 Zur Mitarbeit von Hedwig Florey und zum Inhalt der genannten Kompositionen vgl. folgende LINKS: thomasjahn.com -> Gemeinschaftskompositionen sowie florey.de/musik.htm -> Werkverzeichnis sowie www.florey.de/mongomo.htm Zur Improvisationsfreude dieser Festivals vgl. z.B. "Zum zweiten Mal Hans Werner Henzes "Cantiere" von Montepulciano: Ein ganzer Verdi für achthundert Mark". In Wochenzeitung Die Zeit, Ausgabe 35/1977, Online im ZEIT-Archiv unter LINK: https://www.zeit.de/1977/35/ein-ganzer-verdi-fuer-achthundert-mark/seite-2
    5 Bernhard Asche und Wolfgang Florey: Über das Ensemble Hinz und Kunst (1969-81) und den Komponisten Thomas Jahn. In: impulse, Nr. 7, Mai 2004. Online Version unter www.kammermusik-heute.de/projekte/projekte06.html -> Über das Ensemble Hinz & Kunst e.V. (abgerufen Juni 2018, CG).
    Diskografie:
    Hans Werner Henze I Dietrich Boeckle I Niels Frederic Hoffmann I Luca Lombardi (2) I Thomas Jahn I Wilfried Steinbrenner I Erika Runge I Ensemble Hinz & Kunst - Streik Bei Mannesmann: Szenische Kantate
    Spieldauer 45 Minuten
    Label: Pläne - S 30 E 100
    Format: Vinyl, LP
    Land: Germany
    Veröffentlicht: 1976
    Genre: Classical
    Stil: Post-Modern
    A Streik Bei Mannesmann
    B Streik Bei Mannesmann
    Mitwirkende:
    Artwork [Graphics] - Dieter Süverkrüp
    Cello, Other [Liner Notes] - Wolfgang Florey
    Clarinet - Bernhard Asche
    Composed By - Dietrich Boeckle, Hans Werner Henze, Luca Lombardi (2), Thomas Jahn, Wilfried Steinbrenner
    Composed By, Other [Artistlc Project Leading] - Niels Frederic Hoffmann
    Ensemble - Ensemble Hinz & Kunst
    Layout - Gangolf Dörr
    Libretto By - Erika Runge
    Mixed By, Producer - Ensemble Hinz & Kunst
    Other [Collaboratlon] - Angelika Rehfeld, Erich Bahr, Jürgen Vater, Kerstin Meyer, Marcus Boysen, Timo Bernd
    Percussion - Peter Wulfert
    Piano - Hedwig Florey
    Recorded By - Rainer Hecht
    Recorded By [Voice Recording] - Martin Hömberg
    Trombone - Thomas Jahn
    Trumpet. VocaIs - Jürgen Tamchina
    VocaIs [Betriebsrat-guest] - Dieter Herzog
    VocaIs [Guest] - Carola BückIers, Christoph Hagin
    VocaIs [Untemehmer-guest] - Adalbert Stamborski
    VocaIs [Worker-guest] - Karsten Gaul
    Voice {Guest) - Reinhold Ohngemach
    Voice [Jugendsolidaritäts-text-guest] - Christa Weber
    Anmerkungen
    Contains , 12" sized Insert with Iyrics and analysis of the work
    Ein Projekt des vds zu den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Berlin/DDR 1973.
    Quelle: discogs.com/de/Hans-Werner-Henze-Dietrich-Boeckle-Niels sowie:
    www.hans-werner-henze-stiftung.de/hans-werner-henze/werkverzeichnis/detail/news/detail/News/streik-bei-mannesmann/

    Frieda Roß

    geb. Hinsch

    Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (SPD) von: Ernannte Bürgerschaft: Februar 1946 bis 1949

    Ornament Image
    27.7.1899
    Hamburg
    -
    8.7.1975
    Hamburg
    Mehr erfahren
    Grablage: R 16a/17 U, Das Grab ist bereits abgeräumt worden

    Frieda Roß war die Tochter einer Wäscherin und eines Ewerführers. Schon in ihrer Jugend trat sie der SPD bei und arbeitete, nachdem sie nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule den Beruf der Korrespondentin und Buchhalterin erlernt hatte, ab 1919 als kaufmännische Angestellte beim "Hamburger Echo", der Zeitung der Hamburger Sozialdemokratie. Dort lernte sie ihren späteren Mann Rudolf Roß (1872-1951) kennen, der damals Leiter der neugegründeten Volkshochschule und Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft war. Nachdem das Paar 1923 geheiratet hatte, wurde Frieda Roß Hausfrau und Mutter zweier Kinder. 1930/31 wurde ihr Mann Erster Bürgermeister von Hamburg (bis 1933 zeitweise auch Zweiter Bürgermeister) und sie die First Lady. 1946 wurde sie in ihrer Funktion als Vertreterin der Hausfrauen Abgeordnete in der Ernannten Bürgerschaft. Dort schloss sie sich der SPD-Fraktion an. Ihre politischen Schwerpunkte waren die Lage der Hausfrauen und das Gesundheitswesen. Sie sorgte sich um die Flüchtlingsjugend, forderte Röntgen-Reihenuntersuchungen gegen die Krankheit TBC und setzte sich für die Verbesserung der Zustände in Krankenhäusern ein. Frieda Roß war bis 1970 Bürgerschaftsabgeordnete. Auch spielte sie eine aktive Rolle in der Hamburger Frauenbewegung. Im April 1946 war sie beteiligt an der Gründung des Hamburger Frauenrings, dessen Vorstandsmitglied sie bis 1949 war. Im Juli 1946 gründete sie mit anderen Frauen den Verein Hamburger Hausfrauen, dessen Vorsitzende sie von 1949 bis 1951 und 1953 war. Ihr erklärtes politisches Ziel war, dem Hausfrauenberuf gesellschaftliche Anerkennung zu verleihen. Deshalb forderte sie auch die Anerkennung der hauswirtschaftlichen Tätigkeit als Beruf.
    Text: Dr. Rita Bake